Dass Kinder des Unterhaltsschuldners im Rang vorgehen, ist klar. Anders als sonst bei Anwendung der Düsseldorfer Tabelle lebt aber hier häufig der Elternunterhaltsschuldner mit dem Kind in einem Haushalt. BGH - Beschluss vom 15.02.2017 (XII ZB 201/16) klärt, wie dann zu rechnen ist:
1. Die Betreuung des Kindes ist nicht zu monetarisieren. Denn die Betreuung des Kindes ist nicht unmittelbar einkommensmindernd, sondern kann sich nur als überobligatorisch darstellen (BGH vom 11. November 2015 - XII ZB 7/15 - FamRZ 2016, 199 Rn. 17).
2. Der an das Kind geleistete Naturalunterhalt ist jedoch abzuziehen. Der gesamte Bedarf eines Kindes ergibt sich aus dem zusammengerechneten Einkommen beider Eltern. Zieht man hiervon den etwa vom anderen Elternteil geleisteten Barunterhalt sowie das halbe Kindergeld ab, bleibt der Betrag übrig, den der Elternunterhaltsschuldner in Naturalien erbringt.
3. Das dem betreuenden Elternteil zustehende hälftige Kindergeld ist kein unterhaltsrelevantes Einkommen. Die Hälfte des Kindergelds, die dem betreuenden Elternteil zusteht, unterstützt ihn bei der Erbringung der Betreuungsleistung (BT-Drucks. 16/1830 S. 30).
4. Trifft die Kinderbetreuung mit einer Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils zusammen, ist nicht ein pauschaler Betreuungsbonus zu gewähren, sondern hängt es von den besonderen Umständen des Einzelfalls ab, inwieweit das erzielte Einkommen ganz oder teilweise als überobligatorisch unberücksichtigt bleibt. Bei dem im BGH-Fall 11jährigen Kind wurde kein Einkommensteil als überobligatorisch betrachtet.
Wohnt das unterhaltspflichtige Kind in Eigentum, und trägt noch Raten ab, so waren die Sozialämter häufig so vorgegangen, dass sie den Tilgungsanteil gekappt hatten auf 5% vom Bruttoeinkommen, weil es sich bei der Tilgung um sekundäre Altersvorsorge handele. Einige Oberlandesgerichte hatten das akzeptiert. Dem hat der BGH einen Riegel vorgeschoben, weil es in der Praxis zu erheblichen Liquiditätsprobleme führte, die eine Veräußerung der Immobilie erzwingen konnten – obwohl keine Vewertungsobliegenheit besteht.
BGH - Beschluss vom 18.01.2017 (XII ZB 118/16):
Neben den Zinsen sind die Tilgungsleistungen bis zur Höhe des Wohnvorteils vom Einkommen des Elternunterhaltspflichtigen also voll abzuziehen.
Bis zur 5%-Grenze ist weitere zusätzliche Altersvorsorge vom Einkommen abziehbar.
Nur der den Wohnvorteil dann noch übersteigende Tilgungsanteil ist auf die Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens des Elternunterhaltspflichtigen anzurechnen.
Die den Wohnwert und eine zusätzliche Altersvorsorgequote von 5 % des Bruttoeinkommens übersteigenden Tilgungsleistungen sind also im Ergebnis nicht absetzbar. Denn insoweit steht der heutigen Einschränkung des Lebensstandards eine entsprechende höhere Alterssicherung gegenüber. Ob etwas anderes gilt, wenn dadurch die Immobilienfinanzierung gefährdet wäre oder sich der Unterhaltspflichtige aus einem vor Bekanntwerden seiner Unterhaltspflicht zusätzlich abgeschlossenen Altersvorsorgevertrag nicht lösen bzw. diesen nicht beitragsfrei stellen kann (vgl. dazu BGHZ 154, 247 = FamRZ 2003, 1179 , 1181 f.), ließ der BGH im Beschluss vom 18.01.2017 (XII ZB 118/16) offen.
Auf die Kurzformel „5 Prozent von Null ist Null“ lässt sich die Entscheidung des BGH vom 29.04.2015 (XII ZB 236/14) bringen: Für den zur Zahlung von Elternunterhalt Verpflichteten, der verheiratet ist und kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, besteht grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens (Abgrenzung zu Senatsurteil BGHZ 169, 59 = FamRZ 2006, 1511 und Senatsbeschluss vom 7. August 2013 - XII ZB 269/12 - FamRZ 2013, 1554 ). Die verheiratete Hausfrau kann also keine Rücklagen für eigene Altersvorsorge abziehen und hat keinen Anspruch auf Schonvermögen für ihr Alter. Denn wer kein eigenes Erwerbseinkommen erzielt, habe grundsätzlich kein Bedürfnis für die Bildung eines eigenen Altersvorsorgevermögens. Für dessen Alter vorzusorgen, obliege vielmehr dem erwerbstätigen Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts (vgl. Senatsurteil BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 Rn. 26). Ausnahmen hiervon gelten, wenn die verheiratete Hausfrau darlegen kann, dass sie über ihren Ehegatten nicht hinreichend für das Alter abgesichert ist, weil der Ehegatte selbst nicht über eine - den Maßstäben zum Elternunterhalt entsprechende - Altersversorgung verfügt. Maßstab hierfür ist ein Vorsorgekapital von 5 % seines Bruttoeinkommens unter Berücksichtigung einer jährlichen Kapitalverzinsung von 4 % bezogen auf den Zeitraum vom Einstieg in das Erwerbsleben bis zum Beginn der Unterhaltsverpflichtung.
Vorrangig leistungsverpflichtet ist der Ehegatte des pflegebedürftigen Elternteiles. Auch wenn mit der pflegebedingten räumlichen Trennung keine innere Abkehr von der ehelichen Lebensgemeinschaft verbunden ist, wendet der BGH die Rechengrundsätze aus dem Trennungsunterhalt an, damit nicht der Ehegatte finanzielle besser dasteht, der sich zur Trennung vom pflegebedürftigen Ehegatten entschließt, BGH - Beschluss vom 27.04.2016 (XII ZB 485/14).
Offen geblieben ist in dieser BGH-Entscheidung jedoch, ob dem unterhaltspflichtigen Ehegatten der Tabellen-Selbstbehalt zu belassen ist oder nach dem Halbteilungsgrundsatz generell die Hälfte seines Einkommens als Selbstbehalt zu belassen ist (vgl. BGHZ 192, 45 = FamRZ 2012, 281 Rn. 33 ff.), wobei der BGH letzteres für richtig zu halten scheint.
Ist der Unterhaltspflichtige nicht verheiratet, sondern lebt in nichtehelicher Lebensgemeinschaft, gilt für das Paar nicht der „Familienselbstbehalt“. Eine Gleichstellung mit Eheleuten, die sich untereinander Familienunterhalt schulden und deshalb auf den Familienselbstbehalt berufen können, scheidet aus.
Allerdings ist die Partnerin ggf. berechtigt nach § 1615 l BGB (Betreuungsunterhalt) und damit vorrangig. Dabei ist der vom Antragsgegner seiner Lebensgefährtin gewährte Naturalunterhalt für die Bestimmung der Leistungsfähigkeit gemäß § 1603 Abs. 1 BGB anhand der Vorgaben des § 1615 l BGB zu monetarisieren.
Das gilt auch über das 3. Lebensjahr des gemeinsamen Kindes hinaus, denn ein elternbezogener Grund zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts kann auch darin liegen, dass ein Elternteil das gemeinsame Kind im weiterhin fortdauernden Einvernehmen mit dem anderen persönlich betreut und deshalb voll oder teilweise an einer Erwerbstätigkeit gehindert ist. Die Mitwirkung an einer solchen Gestaltung der nichtehelichen Gemeinschaft ist dem Pflichtigen im Verhältnis zu seinen unterhaltsberechtigten Eltern nach Treu und Glauben nur dann verwehrt, wenn sie rechtsmissbräuchlich erscheint (im Anschluss an Senatsurteil vom 25. April 2007 - XII ZR 189/04 - FamRZ 2007, 1081 ). Das ist indessen so lange zu verneinen, wie es den berechtigten Interessen innerhalb der neuen Familie entspricht, dass ein Partner zugunsten der Haushaltsführung und Kinderbetreuung auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet.
BGH - Beschluss vom 09.03.2016 (XII ZB 693/14)
Der Wohnwert ist bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete, sondern auf der Grundlage der unter den gegebenen Verhältnissen ersparten Miete zu bemessen (Senatsbeschluss BGHZ 205, 165 = FamRZ 2015,1172 Rn. 19 mwN). In der Regel wird das maximal der Betrag sein, der im Selbstbehalt für die Wohnkosten vorgesehen ist, so dass nur selten individuelle Korrekturen erfolgen müssen.
Eine Risiko-Lebensversicherung dient weder der Vermögensbildung noch der Altersvorsorge. Sie kann vielmehr - wie wohl auch hier - eine Hausfinanzierung bzw. den Ausfall der Arbeitskraft absichern (vgl. OLG Hamm FamRZ 2013, 959 , 960). Der BGH sieht im Beschluss vom 18.01.2017 (XII ZB 118/16) daher keine Argumente, die Prämienzahlungen nicht als zu Vorsorgeaufwendungen zu berücksichtigen.
Wenn der Unterhaltspflichtige konkrete, kostengünstigere Heime und die dafür anfallenden Kosten benennt, muss der Unterhaltsberechtigte demgegenüber besondere Gründe vorzutragen, aus denen
sich ergibt, dass die Wahl des Heims aus dem unteren Preissegment nicht zumutbar war.
BGH XII ZB 26/15, Beschluss vom 7.10.2015
Wie groß ein Notgroschen sein darf, hat der BGH immer noch nicht konkretisiert, das ist tatrichterliches Ermessen. In der Entscheidung vom 29.04.2015 (XII ZB 236/14) wurden die vom OLG zuerkannten 5.000 € als „knapp“ bezeichnet, allerdings wurde die Sache aus anderen Gründen zurückverwiesen.
Im Einzelfall kann eine Erhöhung des Selbstbehalts in Frage kommen, wenn der darin enthaltene Wohnkostenanteil - nach den Umständen nicht vermeidbar - überschritten wird. Abzuziehen ist allerdings wiederum der im Kindesunterhalt enthaltene Wohnkostenanteil von 20 % des Tabellenbetrages.
(Auch) bei Ansprüchen auf Elternunterhalt stellen Tilgungsaufwendungen für die selbstgenutzte und ggf. weitere Immobilien Altersvorsorge dar. Sie sind folglich auf die Obergrenze für absetzbare Altersvorsorgeaufwendungen in Höhe von 5 % des Bruttoeinkommens zusätzlich zur primären Altersvorsorge (bzw. insgesamt 25 % des Bruttoeinkommens) anzurechnen. Erreichen oder übersteigen daher bereits die Tilgungsaufwendungen die Obergrenze, so sind weitere Altersvorsorgebeiträge nicht mehr absetzbar (entgegen Wendl/Dose/Wönne, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, § 2 Rn. 993).
OLG Hamm · Beschluss vom 9. Juli 2015 · Az. 14 UF 70/15
Achtung, der BGH hat mit Beschluss vom 18.01.2017 (XII ZB 118/16) eine hiervon abweichende Rechtsauffassung vertreten, siehe weiter oben!
Ist der Elternunterhaltspflichtige verheiratet und bei Zusammenveranlagung in Steuerklasse III und sein Ehegatte in Steuerklasse V eingruppiert, ist für die Leistungsfähigkeit nicht von dessen tatsächlicher Steuerlast auszugehen. Vielmehr ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast zu ermitteln und anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu berechnen (im Anschluss an Senatsurteile vom 10. Juli 2013 - XII ZB 298/12 und vom 31. Mai 2006 - XII ZR 111/03).
Andernfalls würde in Fallkonstellationen wie der vorliegenden, in denen der Unterhaltspflichtige mit dem höheren Einkommen Steuerklasse III und sein Ehegatte mit dem geringeren Einkommen Steuerklasse V gewählt haben, die in der Ehe an sich gleichmäßig zu verteilende Steuerbegünstigung bezogen auf die Unterhaltsverpflichtung zu Lasten des unterhaltspflichtigen Ehegatten ungleich verteilt (vgl. zum gegenläufigen Fall, in dem der Unterhaltspflichtige im Verhältnis zu seinem Ehegatten die ungünstigere Steuerklasse V gewählt hat, Senatsurteil vom 14. Januar 2004 - XII ZR 69/01.) Jedoch ist der Ansatz des Oberlandesgerichts, die Steuerlast der Ehegatten nach Steuerklasse IV bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen umzurechnen, fehlerhaft, weil damit ein geringeres Familieneinkommen zugrunde gelegt wird, als es den Ehegatten bei Zusammenveranlagung tatsächlich zusteht. Beim Verwandtenunterhalt ist nach ständiger Senatsrechtsprechung vielmehr auf die reale Steuerbelastung abzustellen. Dabei ist die von den Eheleuten nach der tatsächlich gewählten Zusammenveranlagung (§ 26b EStG) auf Grundlage des Splitting-Verfahrens gemäß § 32a Abs. 5 EStG geschuldete Steuer anteilig bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen unter zusätzlicher Berücksichtigung der steuerlichen Progression aufzuteilen. Dazu ist fiktiv wie folgt zu rechnen:
In Anlehnung an § 270 AO ist zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast und sodann anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu ermitteln. Diese Methode stellt sicher, dass das - nach Abzug der nach der konkreten Veranlagung anfallenden Steuerlast - verbleibende Einkommen insgesamt erfasst wird. Ferner wird so gewährleistet, dass die danach umzulegende Steuerlast nicht nur anteilig am Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird, sondern dass zudem auch die Progression hinreichend Berücksichtigung findet.
BGH, Beschluss vom 17. 6. 2015 - XII ZB 458/14
Das gilt natürlich nicht nur für den Elternunterhalt!
OLG Köln: Ansprüche auf Gesamtschuldnerausgleich gem. § 426 BGB unter Geschwistern wegen der Leistung von Elternunterhalt kommen nicht in Betracht, da Geschwister nicht gesamtschuldnerisch, sondern anteilig als Teilschuldner für den Elternunterhalt einzustehen haben (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB).
OLG Köln, 17.12.2018, 10 UF 99/18
BGH v. 20.2.2019 zum Elternunterhalt: Das unterhaltspflichtige Kind ist nicht selbst verarmt i.S.d. § 528 Abs. 1 BGB, wenn es die verschenkte Wohnung weiter selbst nutzt
Verschenkt der zum Elternunterhalt Verpflichtete eine selbst genutzte, unterhaltsrechtlich als Vermögen nicht einsetzbare Eigentumswohnung und behält er sich daran einen lebenslangen Nießbrauch vor, so kann sich seine unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit nicht durch einen Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB erhöhen.
Der Fall:
Der Antragsteller macht als Sozialhilfeträger aus übergegangenem Recht einen Anspruch auf Elternunterhalt für die Zeit von Mai 2017 bis November 2017 geltend. Der Antragsteller erbrachte der pflegebedürftigen Mutter des Antragsgegners, die vollstationär in einem Altersheim untergebracht war, ab März 2017 Sozialhilfeleistungen. Die Mutter verstarb im Dezember 2017. Der 1951 geborene Antragsgegner ist verheiratet und bezieht Renteneinkünfte. Seine 1954 geborene Ehefrau bezieht Vorruhestandsbezüge als Beamtin. Sie wird vom Antragsteller im vor dem Senat geführten Parallelverfahren (Az. XII ZB 365/18) für ihre Mutter ebenfalls auf Elternunterhalt in Anspruch genommen.
Die Ehegatten bewohnen eine Eigentumswohnung mit einer Wohnfläche von 91 qm, die ursprünglich in ihrem jeweils hälftigen Miteigentum stand. Im Oktober 2014 hatten sie die Eigentumswohnung schenkweise auf ihre Tochter übertragen und behielten sich ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vor. Die Beteiligten streiten vor allem um die Frage, ob von den Ehegatten zu verlangen ist, dass sie die Schenkung zurückfordern, um daraus im erweiterten Umfang Elternunterhalt leisten zu können.
Aus den Gründen:
Der vorliegend aufgrund §§ 1601 BGB, 94 Abs. 1 SGB XII geltend gemachte Anspruch auf Elternunterhalt besteht nur im Umfang der Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Unterhaltsschuldner nach § 1603 Abs. 1 BGB. Der vom OLG aus dem Einkommen des Antragsgegners (Renteneinkünfte und Wohnvorteil) errechnete Umfang der Leistungsfähigkeit steht grundsätzlich mit der Rechtsprechung des Senats im Einklang. Das OLG hat eine Obliegenheit des Antragsgegners, den Unterhalt (teilweise) aus Vermögen zu leisten, zutreffend abgelehnt. Für eine Zurechnung von fiktiven Erlösen aus einer Vermögensverwertung fehlt es hier an einer rechtlichen Grundlage.
Im Ausgangspunkt gehört ein Rückforderungsanspruch nach § 528 Abs. 1 BGB zwar zum einsetzbaren Vermögen gem. § 1603 Abs. 1 BGB. Vorliegend mangelt es aber bereits an den Voraussetzungen für eine Schenkungsrückforderung. Die infolge der Schenkung veränderte Vermögenslage hat zu keiner Beeinträchtigung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit des Antragsgegners geführt. Denn hinsichtlich des Miteigentumsanteils an der selbst genutzten Eigentumswohnung traf diesen neben der bestehenden Nutzungsobliegenheit keine Obliegenheit zur Vermögensverwertung. Die Nutzungen kommen dem Antragsgegner auch nach der Veräußerung in Form von Gebrauchsvorteilen weiterhin ungeschmälert zugute. Sie sind durch den Nießbrauch dinglich gesichert und bei der Unterhaltsberechnung als Einkommen berücksichtigt worden.
Daran ändert auch die BGH-Rechtsprechung nichts, wonach der Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB, wenn ein fortlaufender Unterhaltsbedarf zu decken ist, unmittelbar auf wiederkehrende Geldleistungen durch den Beschenkten gerichtet ist und für die Anwendung der Ersetzungsbefugnis nach § 528 Abs. 1 Satz 2 BGB kein Raum mehr bleibt. Das muss jedenfalls unter den Umständen des vorliegenden Falls gelten, in dem der Nutzungswert der Immobilie dem Antragsgegner auch nach der Schenkung in vollem Umfang verblieben ist. Das OLG hat insoweit zutreffend hervorgehoben, dass die Tochter des Antragsgegners sich von einem gegebenen Anspruch aus § 528 Abs. 1 BGB jedenfalls durch Rückgewähr des Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung befreien könnte. Sogar eine vollständige Rückgewähr könnte aber die unterhaltsrechtliche Leistungsfähigkeit des Antragsgegners als Schenker nicht erhöhen. Die Vorschrift vermag daher eine Rückforderung zum Zweck der Herstellung einer erhöhten Leistungsfähigkeit für den Elternunterhalt nicht zu rechtfertigen.
BGH v. 20.2.2019 - XII ZB 364/18
BGH: Unterkunftskosten im Heim müssen aufgeschlüsselt werden – nicht alles ist von den Kindern rückforderbar
Von den Unterkunftskosten des in einem Heim lebenden und Hilfe zum Lebensunterhalt oder Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung beziehenden Unterhaltsberechtigten unterliegen mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung 56 % nicht der Rückforderung und stehen damit einem Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII entgegen.
Nach § 105 Abs. 2 SGB XII unterliegen von den - bei den Leistungen nach § 27 a SGB XII oder § 42 SGB XII berücksichtigten - Kosten der Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, 56 % nicht der Rückforderung. Dabei orientiert sich der Satz von 56 % am tatsächlichen Subventionssatz des besonderen Mietzuschusses auf der Basis der empirischen Werte der Wohngeldstatistik 2001 (BT-Drucks. 15/1516 S. 63 zu § 40 SGB II; BT-Drucks. 15/1761 S. 7).
Die Verweisung in § 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII auf § 105 Abs. 2 SGB XII schließt auch die Kosten für die Unterkunft im Rahmen einer stationären Einrichtung ein. Deshalb gehen 56 % der Wohnkosten (mit Ausnahme für Warmwasser und Heizung) auch dann nicht auf den Sozialhilfeträger über, wenn der Hilfeempfänger - wie hier - in einem Heim lebt. Dass § 105 Abs. 2 SGB XII neben § 42 SGB XII (Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) nur § 27a SGB XII nennt, steht dem nicht entgegen.
Mit der Neufassung des § 105 Abs. 2 SGB XII sollte bewirkt werden, dass sich der zum 1. Januar 2005 eingetretene Ausschluss u. a. der Sozialhilfeempfänger vom Wohngeldbezug rechtlich und tatsächlich nicht auf den Betroffenen auswirkt. Dieser sollte durch § 105 Abs. 2 SGB XII so gestellt werden, wie er stünde, wenn er Wohngeld, das grundsätzlich nicht der Erstattung unterliegt, erhalten hätte. Das hat auch Auswirkungen auf den Unterhaltspflichtigen. Während beim Bezug von Wohngeld bei diesem kein Rückgriff genommen werden kann, wäre der Rückgriff nunmehr - ohne die Vorschrift des § 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII - auch hinsichtlich der Unterkunftskosten eröffnet. Letztlich sollte also verhindert werden, dass nicht nur der Leistungsempfänger, sondern im Hinblick auf § 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII auch der Unterhaltspflichtige durch die Einbeziehung der Unterkunftskosten in die Sozialhilfe und den damit einhergehenden Ausschluss der Wohngeldberechtigung schlechter gestellt wird. Welcher Betrag insoweit vom Übergang ausgeschlossen ist, kann den bislang vom Oberlandesgericht getroffenen Feststellungen nicht entnommen werden. Vor allem ist nicht ersichtlich, ob bei den vom Oberlandesgericht in Bezug genommenen Unterkunftskosten von 11, 25 € pro Tag bereits die Kosten für die Heizungs- und Warmwasserversorgung abgezogen worden sind.
Die Sache wurde an das OLG Karlsruhe zurückgegeben.
BGH, Beschluss vom 17. 6. 2015 - XII ZB 458/14
Allerdings hat der Gesetzgeber nach Veröffentlichung des vorgenannten Senatsbeschlusses durch Gesetz vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2557 ; vgl. dazu BT-Drucks. 18/6284 S. 32) § 94 Abs. 1 Satz 6 SGB XII und damit die Verweisung auf § 105 Abs. 2 SGB XII mit Wirkung zum 1. Januar 2016 sowie durch weiteres Gesetz vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1836 ) § 105 Abs. 2 SBG XII selbst mit Wirkung ab dem 1. Januar 2017 gestrichen. Das hat zur Folge, dass der Übergang der Unterkunftskosten auf den Träger der Sozialhilfe nach § 94 Abs. 1 SGB XII für die Zeit ab Januar 2016 nicht mehr eingeschränkt ist (vgl. aber Schürmann Sozialrecht für die familienrechtliche Praxis Rn. 1234, der nach wie vor eine Begrenzung der Rückforderung auf 44 % der Kaltmiete annimmt). Geht es um Altfälle und um Rückstandsberechnung, ist diese Zäsur daher zu beachten. Zur Rückwirkung: BGH - Beschluss vom 18.01.2017 (XII ZB 118/16).
BGH: Pflegeversicherungslücke der Sozialhilfe – dafür haftet nicht das Kind
Liegt es im Verantwortungsbereich des Sozialhilfeträgers, dass der Unterhaltsberechtigte nicht pflegeversichert ist und deshalb im später eingetretenen Pflegefall kein Pflegegeld bezieht, kann der Übergang des Elternunterhaltsanspruchs gemäß § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in Höhe des fiktiven Pflegegelds eine unbillige Härte bedeuten. Insoweit können allerdings fiktive Versicherungsbeiträge den Bedarf des Unterhaltsberechtigten erhöhen.
Der Fall:
Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Pflegeversicherung am 1. Januar 1995 war die Mutter sozialhilfeberechtigt. Ihr Krankenversicherungsschutz ist im Rahmen der Krankenhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz erfolgt – ohne Pflegeversicherung. Die Folge ist, dass die Mutter kein Pflegegeld bezieht. Das Oberlandesgericht Oldenburg (FamRZ 2013, 1143) hatte in einem anderen Fall bereits entschieden, dass sich der Unterhaltsgläubiger in einem solchen Fall fiktive Leistungen der Pflegeversicherung zurechnen lassen müsse. Dabei ging es immerhin um 1279 € mtl. Der BGH hat das über § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII gelöst: Es sei für das Kind eine unbillige Härte, wenn es nun diese Lücke decken solle, die entstanden sei, weil das Sozialamt 1995 nicht bereit gewesen sei, die Zusatzkosten für eine Pflegeversicherung zu übernehmen.
Der Fall musste aus anderen Gründen zurück an das OLG Karlsruhe.
BGH, Beschluss vom 17. 6. 2015 - XII ZB 458/14
BGH: Inanspruchnahme von Leistungen der Grundsicherung durch unterhaltsberechtigte Eltern
Für den Unterhaltsberechtigten besteht grundsätzlich die Obliegenheit, Leistungen der
Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ( §§ 41 ff. SGB XII ) in Anspruch zu nehmen. Eine Verletzung dieser Obliegenheit kann dazu führen, dass fiktive Einkünfte in der Höhe der entgangenen
Leistungen angerechnet werden.
Die Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist gemäß § 43 Abs. 3 Satz 6 SGB XII schon dann insgesamt ausgeschlossen, wenn bei einer Mehrzahl von
unterhaltspflichtigen Kindern des Leistungsberechtigten nur eines der Kinder über steuerliche Gesamteinkünfte in Höhe von 100.000 € oder mehr verfügt.
Deswegen erhielt der Unterhaltsberechtigte nachrangige Hilfe zum Lebensunterhalt (Sozialhilfe, § 19 Abs. 2 Satz 2, 27 ff. SGB XII). Mehrere unterhaltspflichtige Kinder haften anteilig für den
Elternunterhalt, gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB. Der gesetzliche Übergang des Unterhaltsanspruchs auf den Sozialhilfeträger für ein privilegiertes Kind, das ein steuerliches Gesamteinkommen hat, das
unter 100.000 Euro liegt, stellt eine unbillige Härte dar im Sinne von § 94 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII, wenn dieses Kind den unterhaltsberechtigten Elternteil nicht darauf verweisen kann, die
bedarfsdeckenden Grundsicherungsleistungen in Anspruch zu nehmen, nur weil es nicht privilegierte Geschwister gibt.
In diesem Fall kann das privilegierte Kind dem unterhaltsberechtigten Elternteil, das den Unterhaltsanspruch geltend macht, den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) entgegenhalten. Das
kann er sowohl wegen vergangener als auch wegen zukünftiger Unterhaltszeiträume tun.
BGH XII ZB 56/14, Beschluss vom 8.7.2015
OLG Hamm 9.7.2015: Firmenwagen in der Unterhaltsberechnung
Zur Ermittlung des geldwerten Vorteils eines Firmenfahrzeugs, wenn dieses auch für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte kostenfrei einschließlich aller Betriebskosten genutzt werden darf.
Zur Ermittlung des Erwerbseinkommens des Antragsgegners sind die in den Lohnbescheinigungen Dezember ausgewiesenen Jahreswerte „Gesamtbrutto“ zugrundezulegen. In diesem Gesamtbrutto ist der geldwerte Vorteil, den die Zurverfügungstellung des Firmenfahrzeuges ausmacht, bereits enthalten (§ 1 Abs. 3 Nr. 1 b EBeschV). Da sich dieser Vorteil regelmäßig nach dem steuerrechtlich zu veranschlagenden Wert bemisst und die steuerliche Richtigkeit der in den Lohnbescheinigungen ausgewiesenen Positionen nicht angegriffen ist, bedarf es hierzu weder näherer Ausführungen noch einer gesonderten Berechnung. Der Firmenwagenvorteil ist nicht noch um die hierdurch entstehenden steuerlichen Nachteile zu bereinigen, denn die durch die Mitversteuerung des geldwerten Vorteils tatsächlichen höheren Steuern werden ja bei der Ermittlung des Nettoeinkommens ohnehin abgezogen.
Soweit der Antragsgegner behauptet hat, dass er bei privater Anschaffung kein so teures Auto gewählt hätte, hat er hierfür weder Beweis angetreten, noch vorgetragen, dass er sich bei seinem Arbeitgeber erfolglos um ein preiswerteres Firmenfahrzeug bemüht hätte.
Bei der Ermittlung des Nettoeinkommens wieder abzusetzen ist allerdings derjenige Anteil des geldwerten Vorteils, der darauf entfällt, dass der Antragsgegner das Auto auch für seine Fahrten von der Wohnung zur Arbeitsstätte kostenfrei einschließlich der Betriebskosten nutzen darf. Denn hierbei handelt es sich um berufsbedingte Aufwendungen, deren Absetzung vom Einkommen jedem Erwerbstätigen zusteht. Auch hierfür bedarf es aber keiner Ermittlung, in welchem konkretem Umfang die in den Lohnbescheinigungen ausgewiesenen Beträge auf die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entfallen, weil für die Absetzung von Fahrtkosten als berufsbedingten Aufwendungen auf die anerkannte Abrechnungsweise nach Kilometersätzen zurückgegriffen werden kann. Danach ergeben sich bei einem einfachen Arbeitsweg von 23 km (vgl. den Einkommensteuerbescheid für 2013) 23 x 2 x 0,30 € x 220 : 12 = 253 € monatlich.
Oberlandesgericht Hamm, 14 UF 70/15, 9.7.2015
Das gilt für sämtliche Unterhaltsberechnungen!
+++ BGH vom 12.2.2014 zur Verwirkung bei Kontaktabbruch +++ Ein vom unterhaltsberechtigten Elternteil ausgehender Kontaktabbruch stellt wegen der darin liegenden Verletzung der sich aus § 1618 a BGB ergebenden Pflicht zu Beistand und Rücksicht zwar regelmäßig eine Verfehlung dar. Sie führt aber nur bei Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten des Unterhaltsberechtigten auch als schwere Verfehlung i.S.d. § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB erscheinen lassen, zur Verwirkung des Elternunterhalts. Solche Umstände sind im vorliegenden Fall nicht festgestellt. Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits hat er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert. Er hat daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich ist, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt. Die Errichtung des Testaments selbst stellt keine Verfehlung dar, weil der Vater insoweit lediglich von seinem Recht auf Testierfreiheit Gebrauch gemacht hat.
BGH-Beschluss vom 12. Februar 2014 – XII ZB 607/12
Die Entscheidung des OLG Oldenburg wurde damit aufgehoben, siehe unten.
+++ BGH vom 5.2.2014 zur Schwiegerkind-Haftung +++ Der Senat hält die Anwendung des von ihm im Jahr 2010 entwickelten Berechnungsmodells auch in Fällen der vorliegenden Art für in der Regel sachgerecht, in denen das unterhaltspflichtige Kind über ein geringeres Einkommen als sein Ehegatte verfügt. Eine verdeckte Haftung des besserverdienenden Schwiegerkindes sei das nicht. Die Anwendung des vom Senat im Jahr 2010 entwickelten Berechnungsmodells auch auf die vorliegende Fallgestaltung trägt schließlich auch einem berechtigten Anliegen der Praxis Rechnung. Denn durch die einheitliche Anwendung dieses Modells wird die Unterhaltspflicht vergleichbar und berechenbar.
BGH-Beschluss vom 5. Februar 2014 - XII ZB 25/13
Die Entscheidung des OLG Hamm wurde damit rechtskräftig, siehe unten.
+++ BGH vom 7.8.2013 zum rechnerischen Ansatz der selbstgenutzten Immobilie beim Altersvorsorgevermögen +++
1. Der Wert einer selbst genutzten Immobilie bleibt bei der Bemessung des Altersvorsorgevermögens eines auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Unterhaltspflichtigen grundsätzlich unberücksichtigt.
2. Sonstiges Vermögen in einer Höhe, wie sie sich aus der Anlage von 5 % des Jahresbruttoeinkommens ergibt, braucht vor dem Bezug der Altersversorgung regelmäßig nicht zur Zahlung von Elternunterhalt eingesetzt zu werden.
3. Zum sogenannten Notgroschen, der einem Unterhaltspflichtigen gegenüber der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt zusätzlich zusteht.
BGH-Beschluss vom 07. August 2013 – XII ZB 269/12
+++ BGH vom 12.12.2012 zur mittelbaren Schwiegerkindhaftung bei einkommensloser Hausfrau +++ Der BGH hatte Gelegenheit, zu der Konstellation Stellung zu nehmen, in der das unterhaltspflichtige Kind als Hausfrau kein Einkommen hat, aber mietfrei im eigenen Haus wohnt - zusammen mit einem Ehemann, der gutes Geld verdient. Daraus ergibt sich ein Taschengeld-Sockel, der unantastbar ist. Aus mietfreiem Wohnen muss kein Unterhalt gezahlt werden. Der Ehegatte (Schwiegerkind) darf mehr für seine Altersvorsorge ansparen als 5% vom Brutto.
BGH vom 12. Dezember 2012 - XII ZR 43/11
+++ BGH-Urteil vom 21.11.2012 zur Höhe der notwendigen Heimkosten +++ Zwar beruht der geltend gemachte Unterhalt auf sozialhilferechtlich anerkannten Heimkosten. Der Beklagte hat aber die Notwendigkeit der Kosten bestritten und geltend gemacht, für die Hilfeempfängerin habe ein Platz in einem kostengünstigeren Heim (in derselben Stadt) offengestanden. Er hat hierfür ein konkretes Heim benannt, in dem die Hilfeempfängerin bereits zur Kurzzeitpflege untergebracht war, und hat die dort anfallenden Kosten den geltend gemachten gegenübergestellt. Die Gegenüberstellung der Kosten ergibt einen monatlich um rund 98 € geringeren Betrag. Der Beklagte hat damit die Notwendigkeit der Heimkosten der Höhe nach ausreichend substantiiert bestritten. Demnach war es Aufgabe der Klägerin, entsprechend der sie für den angemessenen Lebensbedarf nach § 1610 Abs. 1 BGB treffenden Darlegungs- und Beweislast die Notwendigkeit der Kosten zu beweisen. Da die Hilfeempfängerin von Beginn der Heimunterbringung an sozialhilfebedürftig war, kann die Wahl des mit Mehrkosten verbundenen Heims auch nicht ohne weiteres unter dem Aspekt der Unzumutbarkeit einer anderweitigen Auswahl gerechtfertigt werden.
BGH-Urteil vom 21. November 2012 - XII ZR 150/10
+++ OLG Hamm vom 29.10.2012, bestätigt am 5.2.2014 beim BGH +++
Am 5.2.2014 hat der BGH ( XII ZB 25/13) über einen Fall verhandelt, in dem das Schwiegerkind der Mehrverdiener ist. Das OLG Hamm II-9 UF 64/12 hatte nach der Methode vom 28.7.2010 gerechnet, aber ausdrücklich die Rechtsbeschwerde beim BGH zugelassen.
Leitsätze des OLG Hamm:
1. Für die Ermittlung des Steuervorteils des auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen Kindes aus einer auf der Grundlage einer Zusammenveranlagung mit seinem Ehegatten erfolgten Steuererstattung ist eine für jeden Ehegatten getrennt durchzuführende fiktiven Einzelveranlagung nach der Grundtabelle vorzunehmen.
2. Auch im Rahmen der Inanspruchnahme auf Zahlung von Elternunterhalt verwehrt die Kenntnis von der Unterhaltsverpflichtung oder das Rechnenmüssen damit bei der Begründung einer Verbindlichkeit dem unterhaltsverpflichteten Kind in der Regel eine Berufung auf seine völlige oder teilweise Leistungsunfähigkeit infolge der Schulden, es sei denn, es handelt sich um notwendige nicht anders finanzierbare Anschaffungen für den Beruf oder die allgemeine Lebensführung.
3. Davon nicht erfasst sind notwendige Aufwendungen des unterhaltsverpflichteten Kindes für Besuchsfahrten zu dem pflegebedürftigen Elternteil, von dem es auf Unterhalt in Anspruch genommen wird. Sie sind grundsätzlich nicht von dem dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalt zu bestreiten.
4. Aufwendungen, die für die Haltung eines Tieres (hier: Pferd) entstehen, die nicht dem Zwecke der Einkommenserzielung dient, sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt grundsätzlich von dem dem Unterhaltsschuldner zu belassenden Selbstbehalt zu bestreiten.
5. Der auf das unterhaltsverpflichtete Kind entfallende Wohnvorteil stellt einen in Geld messbaren Gebrauchsvorteil dar, der als Einkommen des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen ist. Soweit dem Unterhaltspflichtigen aufgrund des mit der Zurechnung des Wohnvorteils verbundenen fehlenden Zuflusses realer finanzieller Mittel keine ausreichenden Barmittel zur Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfs verbleiben, kann diesem Umstand im Wege der Durchführung einer Angemessenheitskontrolle begegnet werden.
6. Die vom Bundesgerichtshof vorgeschlagene Berechnungsmethode zur Ermittlung der Leistungsfähigkeit des auf Elternunterhalt in Anspruch genommenen verheirateten Kindes, dessen Einkommen dasjenige des anderen Ehegatten übersteigt (vgl. BGH, Urteil vom 28.7.2010 – XII ZR 140/07-) ist auch auf den Fall anwendbar, dass das Einkommen des unterhaltsverpflichteten Kindes geringer ist als dasjenige des anderen Ehegatten.
Oberlandesgericht Hamm, II-9 UF 64/12, 29.10.2012, seit 5.2.2014
rechtskräftig
+++ OLG Oldenburg vom 25.10.2012 (14 UF 80/12) zur Verwirkung durch Kontaktabbruch des Vaters nach Scheidung +++ Es wäre Aufgabe des Vaters gewesen, es nicht zu einem endgültigen Bruch kommen zu lassen. Die Zurückweisung von Kontaktversuchen des Sohnes wertete der Senat als besonders kränkend für das Kind. Wer sich bewusst und dauerhaft von jeglichen Beziehungen persönlicher und wirtschaftlicher Art zu seinen Kindern ablöst, stellt sich selbst außerhalb des familiären Solidarverbandes. Geschieht dies zudem noch in einer Weise, die für das nunmehr unterhaltspflichtige Kind traumatisierend wirkte, muss die Zahlungspflicht als unbillig erscheinen.
Der BGH hat diese Entscheidung am 12.2.2014 aufgehoben und den Anspruch als nicht verwirkt erkannt, da der Kontaktabbruch erst geschah, als das Kind schon
erwachsen war.
+++ OLG Düsseldorf vom 27.10.2010 II-8 UF 38/10 zum Einsatz von Vermögen beim Pflichtigen +++ Der Unterhaltspflichtige hat ein über einen Schonbetrag von 75.000 € hinausgehendes Vermögen zur Bestreitung des Elternunterhalts einzusetzen; die Berechnung dieses Einsatzes erfolgt nach § 14 BewG (Tabelle 9).
nicht rechtskräftig, die Revision lief beim BGH unter XII ZR 150/10, am 21.11.2012 wurde zurückverwiesen, weil die "Tabelle 9" veraltet war
+++ BGH, Urteil vom 2. 6. 2010 - XII ZR 124/ 08 zur Auskunftspflicht des Schwiegerkindes +++
Aus der Verpflichtung der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft folgt ihr wechselseitiger Anspruch, sich über die für die Höhe des Familienunterhalts maßgeblichen finanziellen Verhältnisse zu informieren. Geschuldet wird die Erteilung von Auskunft in einer Weise, wie sie zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Die Vorlage von Belegen kann nicht verlangt werden.
+++ BGH, Urteil vom 15. September 2010 - XII ZR 148/09 zur Verwirkung +++
Gemäß § 1611 Abs. 1 Satz 1 Alt. 3 BGB setzt die Verwirkung wegen einer
schweren Verfehlung ein Verschulden des Unterhaltsberechtigten voraus. Es
genügt nicht, wenn er in einem natürlichen Sinne vorsätzlich gehandelt hat.
Eine Störung familiärer Beziehungen im Sinne des § 1611 BGB genügt
grundsätzlich nicht, um eine unbillige Härte im Sinne des § 94 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 SGB XII zu begründen und damit einen Anspruchsübergang auf den
Träger der Sozialhilfe auszuschließen.
Etwas anderes gilt nur dann, wenn der nach § 1611 BGB zu beurteilende Le-
benssachverhalt aus Sicht des Sozialhilferechts auch soziale Belange erfasst,
die einen Übergang des Anspruches nach öffentlich-rechtlichen Kriterien ausschließen. (Klarstellung zum Senatsurteil vom 21. April 2004 - XII ZR 251/01)
+++ BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 - XII ZR 140/07 zur Berechnung bei Ehegatten +++
1. Verfügt der Unterhaltspflichtige über höhere Einkünfte als sein Ehegatte, ist die Leistungsfähigkeit zur Zahlung von Elternunterhalt in der Regel wie folgt zu ermitteln: Von dem Familieneinkommen
wird der Familienselbstbehalt in Abzug gebracht. Das verbleibende Einkommen wird um die Haushaltsersparnis vermindert. Die Hälfte des sich ergebenden Betrages kommt zuzüglich des
Familienselbstbehalts dem Familienunterhalt zugute. Zu dem so bemessenen individuellen Familienbedarf hat der Unterhaltspflichtige entsprechend dem Verhältnis der Einkünfte der Ehegatten beizutragen.
Für den Elternunterhalt kann der Unterhaltspflichtige die Differenz zwischen seinem Einkommen und seinem Anteil am Familienunterhalt einsetzen.
2. Die Haushaltsersparnis, die bezogen auf das den Familienselbstbehalt übersteigende Familieneinkommen eintritt, ist regelmäßig mit 10 % dieses Mehreinkommens zu bemessen.
3. Aufwendungen für eine Hausrats- und Haftpflichtversicherung sind auch bei der Inanspruchnahme auf Elternunterhalt nicht als vorweg abziehbare Verbindlichkeiten zu behandeln.
4. Ist der Unterhaltspflichtige vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand getreten, können Aufwendungen für eine zusätzliche Altersversorgung weiterhin abzugsfähig sein.
5. In Höhe des dem Unterhaltsberechtigten sozialrechtlich gewährten angemessenen Barbetrags (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) sowie des Zusatzbarbetrags (§ 133 a SGB XII) ist auch unterhaltsrechtlich ein
Bedarf anzuerkennen.
+++ BGH, Urteil vom 29. 1. 2010 - V ZR 132/ 09 zur Auslegung eines Übertragungsvertrages mit Pflegeklausel +++
Kann ein Familienangehöriger, der als Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks die Pflege des Übergebers übernommen hat, seine Leistung wegen Umzugs des Übergebers in ein Pflegeheim nicht mehr erbringen, wird sich dem im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung zu ermittelnden hypothetischen Parteiwillen im Zweifel nicht entnehmen lassen, dass an die Stelle des ersparten Zeitaufwands ein Zahlungsanspruch des Übergebers treten soll.
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Aktualisiert zuletzt am 27.4.2019
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