Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Freiwilliges soziales Jahr

Kinder können auch während des sozialen Jahres einen Unterhalt erhalten – selbst wenn der Dienst nicht für die spätere Ausbildung benötigt wird. 

 

Das Kind im Fall des OLG Celle hatte folgenden Plan: Realschulabschluss im Juli 2011, freiwilliges soziales Jahr (fsJ) von August 2011-Juli 2012, ab August 2012 Besuch des Gymnasium mit dem Ziel Fachabitur. In der Pflege-Einrichtung, in der er sein fsJ absolvierte, bekam er 198 € Taschengeld und war sozialversichert. Das Amtsgericht sah mit dem Realschulabschluss die Unterhaltsberechtigung als (erstmal) beendet an. Anders wäre es nur, wenn das Kind z.B. Altenpfleger werden wolle, so dass die soziale Tätigkeit in unmittelbarem Zusammenhang mit dem berufswunsch stehe und dieser Ausbildung diene (vgl. u.a. OLG Naumburg (Beschluss vom 10.05.2007 – Az.: 4 UF 94 / 07)). Außerdem sei der Unterhaltsbedarf während des freiwilligen sozialen Jahres in der Regel durch Unterkunft und Verpflegung, Taschengeld und Sozialversicherung gedeckt.

 

Im Rahmen der Prüfung seiner VKH-Berechtigung hatte das OLG Gelegenheit, sich dazu zu äußern.

 

Das OLG gab der Beschwerde zum größten Teil statt und bewilligte Verfahrenskostenhilfe. Es komme u.a. darauf an, ob die

“Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres überhaupt als Abschnitt einer angemessenen Gesamtausbildung anzusehen ist und ob die Finanzierung (auch) dieses Abschnitts und der damit u. U. verbundenen Verlängerung der Gesamtausbildung den Unterhaltspflichtigen zuzumuten ist.”

 

Dabei berücksichtigte das Gericht im wesentlichen eine Gesetzesänderung, die – aus Sicht des Gerichts – eine grundlegende Neubeurteilung notwendig macht. Nach den alten gesetzlichen Regelungen über den Jugendfreiwilligendienst sei der Ausbildungszweck während der Tätigkeit im “sozialen Jahr” nur wenig ausgeprägt gewesen. Dies habe sich jetzt geändert, da das alte Gesetz durch das neue Gesetz zur Förderung von Jugendfreiwilligendiensten (Jugendfreiwilligendienstegesetz – JFDG) ersetzt worden ist.

Das OLG führt dazu aus:

“Nach § 1 dieses Gesetzes fördern Jugendfreiwilligendienste die ´Bildungsfähigkeit´ der Jugendlichen. Das freiwillige soziale Jahr wird zwar weiterhin als überwiegend praktische Hilfstätigkeit in gemeinwohlorientierten Einrichtungen geleistet. Es wird aber ausdrücklich im Gesetz hervorgehoben, dass die ausgeübte Tätigkeit ´an Lernzielen orientiert´ ist. Außerdem wird die – weiterhin vorgesehene – pädagogische Begleitung der Tätigkeit von einer zentralen Stelle eines zugelassenen Trägers sichergestellt, womit das Ziel verfolgt wird, ´soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl zu stärken´ (§ 3 des Gesetzes). Noch stärker kommt der Ausbildungszweck in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck: So wird in der Gesetzesbegründung der Bundesregierung hervorgehoben, dass die Jugendfreiwilligendienste ´Orte informeller Bildung´ sind und dass die Freiwilligen ´neben beruflicher Orientierung und Arbeitserfahrung … wichtige personale und soziale Kompetenzen (erwerben), die als Schlüsselkompetenzen auch die Arbeitsmarktchancen verbessern können´ (BTDrs. 16/6519 S. 11). Der Jugendfreiwilligendienst wird als ´ein an Lernzielen ausgerichteter Bildungsdienst´ angesehen (a.a.O. S. 12). Auch in der Stellungnahme des Bundesrats wird betont, die Freiwilligendienste dienten der Verbesserung sozialer Kompetenzen und zur Förderung der Bildungs und Beschäftigungsfähigkeit. Der Schwerpunkt der Durchführung dieser Maßnahme liege auf der Jugendbildung (BTDrs. 16/6967 S. 3 f.). (…).

 

Vor diesem Hintergrund kann nach Auffassung des Senats die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres nunmehr im Rahmen einer Gesamtausbildung zu einem Beruf auch dann als ein angemessener Ausbildungsschritt anzusehen sein, wenn – wie im vorliegenden Fall – bei Beginn dieses Ausbildungsabschnitts noch nicht feststeht, ob die Ausbildung später tatsächlich in einen sozialen Beruf münden und das freiwillige soziale Jahr sich somit konkret ´auszahlen´ wird. Es spricht viel dafür, dass das freiwillige soziale Jahr schon deshalb grundsätzlich als angemessener Ausbildungsabschnitt angesehen werden kann, weil es geeignet ist, die Bildungsfähigkeit Jugendlicher zu fördern und ihre Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nach Abschluss ihrer Ausbildung zu verbessern. Hinzu kommt, dass die pädagogisch begleitete praktische Tätigkeit in einer sozialen Einrichtung auch geeignet ist, den Jugendlichen Klarheit darüber zu verschaffen, ob sie sich für einen sozialen Beruf eignen. Das freiwillige soziale Jahr stellt sich damit auch als eine Orientierungsphase dar. Es ist allgemein anerkannt, dass ein Kind seinen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt während einer gewissen Orientierungsphase nicht verliert (vgl. BGH FamRZ 1998, 671, 672. im Hinblick auf ein freiwilliges soziales Jahr ausdrücklich BGH Beschluss vom 29. Juni 2011 XII ZR 127/09 ). “

Beschluss des OLG Celle vom 06.10.2011 (Az.: 10 WF 300/11)

OLG Frankfurt macht diesen  Rechtsprechungswandel mit

Auch das OLG Frankfurt beschäftigte sich mit dem FSJ.

Der Sohn - der seit der Trennung der Eltern bei seiner Mutter lebte - begann mit 17 ½  Jahren ein freiwilliges soziales Jahr beim Deutschen Roten Kreuz und erwog eine anschließende Ausbildung zum Altenpfleger.

 

Aus den Gründen:

Entgegen der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur spreche bereits viel dafür, für die Zeit eines Freiwilligenjahres grundsätzlich einen Anspruch auf Ausbildungsunterhalt anzuerkennen. Das Gesetz zur Förderung von Jugend-Freiwilligen-Diensten verfolge das am Gemeinwohl orientierte Ziel, Jugendlichen "soziale, kulturelle und interkulturelle Kompetenzen zu vermitteln".

Neben einer "beruflichen Orientierungs- und Arbeitserfahrung" vermittele der Jugend-Freiwilligen-Dienst auch wichtige personale und soziale Kompetenzen, "die als Schlüsselkompetenz noch die Arbeitsmarktchancen verbessern", erläutert das OLG. Dies allein könnte es rechtfertigen, einen Unterhaltsanspruch während eines Freiwilligenjahres grundsätzlich zu bejahen, auch wenn die Tätigkeit nicht konkret für die weitere Ausbildung erforderlich sei. Die von der überwiegenden Meinung vertretene Obliegenheit des Kindes, nach Abschluss der Schulbildung "alsbald eine Berufsausbildung zu beginnen und sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener Zeit zu beenden", sei damit zu hinterfragen.

Jedenfalls aber bestehe unter Berücksichtigung der hier vorliegenden Umstände ein Unterhaltsanspruch, führt das OLG weiter aus. Bedeutung erlange, dass der Sohn zum Zeitpunkt des Beginns des freiwilligen Jahres noch minderjährig gewesen sei. Seine eigene Erwerbsobliegenheit sei in dieser Zeit "zurückhaltender zu bewerten" als bei einem volljährigen Kind. Zudem sei dem Sohn im Rahmen seiner beruflichen Orientierung empfohlen worden, vor Beginn der von ihm angestrebten Ausbildung zum Altenpfleger im Rahmen eines freiwilligen sozialen Jahres zu erproben, ob er dafür geeignet sei.

Damit sei das freiwillige soziale Jahr zwar keine Voraussetzung für die Ausbildung geworden. Es habe aber im weitesten Sinne der Berufsfindung gedient und stelle "einen wichtigen Baustein für seine künftige Ausbildung" dar. Sogar jungen Volljährigen werde nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine "Orientierungs- und Erprobungsphase während der Berufsfindung zugestanden", die den Eltern abverlange, gewisse Verzögerungen in der Ausbildung hinzunehmen und finanziell mitzutragen, die nur "auf einem leichten Versagen" beruhten.

Diese Überlegung rechtfertige auch eine Unterhaltsverpflichtung während des freiwilligen sozialen Jahres.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 04.04.2018 - 2 UF 135/17

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