Bei der Trennung ist es manchmal gar nicht streitig, bei wem das Kind bleibt. Wenn die Rollenaufteilung vorher schon so war, dass das Kind eine Hauptbezugsperson hat, wird es in der Regel auch nach der Trennung bei diesem Elternteil wohnen.
Wenn dann der Umgang noch zufriedenstellend geregelt ist, das Sorgerecht gemeinsam verbleibt - super.
Probleme treten aber auf, wenn der Elternteil mit Kind umziehen will.
Im Wesentlichen werden zu diesem Problem drei Ansichten vertreten:
• Das Interesse des umzugswilligen Elternteils an örtlich freizügiger Lebensgestaltung für sich und das Kind hat Vorrang vor
der ungehinderten Ausübung des Umgangsrechts
• Wird durch den Umzug das Besuchsrecht beeinträchtigt, so wäre dies für das Kindeswohl schädlich. Der Umzug muss im Zweifel unterbleiben.
• Vermittelnd fragt eine dritte Auffassung (m.E. zutreffend) danach, ob nachvollziehbare oder beachtenswerte Gründe für den
Umzug vorliegen. Ist dies der Fall, das Kindeswohl im Übrigen nicht gefährdet und der Umzugswillige deutlich besser als die Hauptbezugsperson geeignet, so muss das Umgangsrecht als schwächeres
Recht zurückstehen.
So entschied auch das OLG Koblenz, das allerdings bei der Mutter, die mit ihrem Kind zurück in ihr Heimatland Italien wollte, beachtenswerte Gründe nicht als überzeugend
dargelegt ansah. Die Mutter hatte in der Anhörung auf die Frage nach dem Warum erklärt: Der Antragsgegner mache „immer nur Stress", dies seit Dezember 2007. Sie wolle nach Italien, um
„Ruhe" zu haben. Auch das Kind müsse ihre „Ruhe" haben. Das Kind wolle den Vater nicht sehen und sie zwinge das Kind auch nicht zu Umgangskontakten.
OLG Koblenz v. 04.05.2010 - 11 UF 149/10
vgl. auch BGH v. 28.04.2010 - XII ZB 81/09
"Im Übrigen bedarf es bei einer Anmeldung einer minderjährigen Person bei einem gemeinsamen Sorgerecht der Eltern auch dann nicht der Unterschriften beider Elternteile auf dem Meldeschein, wenn die Eltern getrennt leben. Die Meldebehörde ist nicht verpflichtet zu prüfen, welchem Elternteil das Aufenthaltsbestimmungsrecht obliegt. Bei der Erfüllung der Meldepflicht nach Absatz 3 sind personensorgerechtliche Erwägungen unbeachtlich. Gesondert hiervon zu beachten ist § 22 BMG." (BMGVwV 17.3)
Die Familiengerichte sind besonders streng, wenn es um einen Umzug ins Ausland geht. Das hat den Hintergrund, dass dadurch in den Lebensalltag eines Kindes mehr eingegriffen wird (Sprache, Schulsystem, Rechtsordnung etc.) und der Umgang komplizierter wird (Grenzübertritt, weite Entfernung etc.). Das Verbringen eines Kindes über eine Landesgrenze gegen den Willen des Mitsorgeberechtigten ist daher eine Kindesentführung, die in einigen Ländern (z.B. Belgien) strafrechtlich hart verfolgt wird. Zum Schutz gibt es das "Haager Abkommen", aufgrund dessen die Gerichte des Ursprungsstaates eine sofortige Rüchführung anordnen, damit das Kindeswohl dort geprüft wird und nicht im neuen Wohnsitzland. Demgegenüber gibt es bei einem Umzug zwischen Hamburg und München kein solches Gesetz, das sofortige Rückführung ohne vorherige Kindeswohlprüfung anordnet.
Aber ja, selbstverständlich. Nach den Buchstaben des Gesetzes ist ein Umzug von Aachen nach Vaals oder Kelmis (und umgekehrt) eine internationale Kindesentführung! Was das praktisch heisst, möchte ich nicht im Internet veröffentlichen ...
Die beteiligten Eheleute und ihre in den Jahren 2000 und 2003 geborenen Töchter hatten in Bratislava gelebt. Dort waren die Kinder geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen. Nachdem sich die
Eheleute getrennt und die Scheidung beantragt hatten, übten sie die elterliche Sorge über die beiden Kinder, die bei der Mutter lebten, weiterhin gemeinsam aus.
Anfang September 2012 zog die Mutter mit den beiden Kindern nach Augustdorf, um in Deutschland als Lehrerin zu arbeiten.
Der Vater, der mit dem Wegzug der Kinder nach Deutschland nicht einverstanden war, beantragte ihre Rückführung in die Slowakei nach dem Haager Übereinkommen über
die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980 (HKÜ).
Ebenso wie das Amtsgericht Hamm hat der 11. Familiensenat des Oberlandesgerichts Hamm dem Antrag des Kindesvaters entsprochen. Die Voraussetzungen für eine Rückführung seien erfüllt, weil die Mutter die Kinder widerrechtlich, nämlich ohne Zustimmung des ebenfalls sorgeberechtigten Vaters, von der Slowakei nach Deutschland verbracht habe. In der Slowakei hätten die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt gehabt. Nach Art. 13 HKÜ erhebliche, einer Rückführung entgegenstehende Gründe, könne der Senat nicht feststellen.
Als solche kämen nur ungewöhnlich schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls in Betracht, weil das HKÜ die Beteiligten von einer widerrechtlichen Entfernung abhalten und eine Sorgerechtsentscheidung am Ort des gewöhnlichen Aufenthaltsortes der Kinder sicherstellen solle. Derart schwerwiegende Beeinträchtigungen des Kindeswohls seien bei einer Rückführung der beiden Kinder nicht zu erwarten.
Die Kinder seien in der Slowakei aufgewachsen und könnten dort vom Vater betreut werden. Dass sie im Rahmen ihrer Anhörung erklärt hätten, sie wollten in Deutschland bei ihrer Mutter bleiben und nicht mit ihrem Vater in der Slowakei zusammenleben, rechtfertige keine andere Entscheidung. Diese Vorstellung beruhe auf einer von der Mutter hervorgerufenen Drucksituation, nachdem diese ihren Töchtern klar gemacht habe, dass sie sich gegen sie und ein Zusammenleben mit ihr entscheiden würden, wenn sie sich vorstellen könnten, zum Vater in ihr altes Lebensumfeld zurückzukehren. Das habe die Anhörung der Kinder durch den Senat gezeigt.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 27.11.2012 - II-11 UF 250/12
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung vom 29.01.2013
Nach einer Trennung in Italien nahm die Mutter das knapp zweijährige Kind mit in ihre deutsche Heimat zurück. Zuvor hatte sie sich darüber mit dem Vater per SMS ausgetauscht. Ein ausdrückliches „Veto“ des Vaters gegen den Umzug nach Deutschland ließ sich daraus nicht herauslesen. Das legte das OLG Hamm als „konkludente Zustimmung“ aus. Der Rückführungsantrag des Vaters nach dem HKÜ wurde abgelehnt. Es fehle im vorliegenden Fall an Umständen, denen die Kindesmutter entnehmen musste, dass der Vater einer Ausreise der Tochter widersprechen wolle.
OLG Hamm, Beschl. v. 04.06.2013 - 11 UF 95/13
Für die Entscheidung, ob Kinder ein Land verlassen dürfen, ist das Gericht des ursprünglichen Wohnsitzstaates zuständig.
Kommen die Kinder dann in Deutschland an, kann geprüft werden, ob Deutschland diese ausländische Entscheidung anerkennt. Dabei kommt es z.B. darauf an, ob unsere Verfahrensvorschriften beachtet wurden, insbesondere das "Recht auf Gehör" beider Eltern und die persönliche Anhörung der Kinder. Falls nicht, kann das dazu führen, dass die ausländische Entscheidung gegen den "ordre public" verstösst.
OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.04.2012 - Aktenzeichen 4 UF 14/12:
"Die Entscheidung des High Court of South Africa verstößt nicht gegen den ordre public (§ 109 Abs. 1 Nr.4 FamFG ), weil die Kinder nicht angehört worden wären.
Der Antragstellerin ist darin zuzustimmen, dass die Anhörung der Kinder, um ihren Willen zu erforschen und eine am Kindeswohl orientierte Entscheidung zu ermöglichen, ein fundamentales Prinzip des deutschen Sorgerechtsverfahrens darstellt. Dem entspricht, dass in den wesentlichen supra- und internationalen Regelungen sinngemäß vorgesehen ist, dass bei unterbliebener Anhörung des Kindes der ausländischen Sorgerechtsentscheidung die Anerkennung zu versagen ist, wenn die Anhörung ein wesentliches Verfahrensprinzip des Anerkennungsstaates darstellt (vgl. Art 23 lit b der VO Brüssel IIa, EG Nr. 2201/2003 vom 27.11. 2003, vgl. Art 23 Abs.2 lit b KSÜ) . Dementsprechend versagen deutsche Gerichte zutreffend unter Hinweis auf den ordre public die Anerkennung, wenn eine Anhörung unterblieben ist (vgl. z.B. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.03.2011, OVG 3 B 8/08 1.b.cc) der Urteilsgründe - Juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16.01.2006 - 1UF 40/04 NJOZ 2006, 2652, 2654 a.E. f.; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 19.05.2008, 12 UF 203/07 - Juris Rn.37 ff; vgl. im Übrigen in diesem Sinne MünchKomm-Rauscher, FamFG , 3. Aufl., § 109 Rn.39).
Hier hat indessen eine Anhörung der Kinder stattgefunden und zwar durch die Gutachterin, und zwar eine Woche vor der Entscheidung des High Court. Wie dem vorliegenden Gutachten der Sachverständigen S... zu entnehmen ist, hat sie den Kindeswillen erforscht und diesen dem Gericht in dem Gutachten ausführlich mitgeteilt (vgl. Ziff 4 des Gutachtens vom 06.April 2011, S.4 - 11). Im Gutachten ist explizit das Gespräch mit den Kindern wiedergegeben, die sich dafür ausgesprochen haben, mit dem Vater nach Deutschland zu gehen. Der High Court hat seine Entscheidung damit entgegen der Annahme der Antragstellerin unter Berücksichtigung des Kindeswillens getroffen.
Sofern die Antragstellerin meinen sollte, der Entscheidung sei deshalb die Anerkennung zu versagen, weil die Anhörung nicht durch den Richter persönlich durchgeführt worden ist, wie dies das deutsche Recht vorsieht bzw. durch die höchstrichterliche Rechtsprechung für den gesamten Spruchkörper postuliert wird, ist diese Sichtweise nicht zutreffend. Vorrangiger Sinn des § 159 FamFG ist es, verfahrensrechtlich sicherzustellen, dass der Kindeswille zuverlässig festgestellt und im Verfahren berücksichtigt wird. Dieses Ziel wird auch erreicht, wenn der Kindeswille in der Weise festgestellt wird, dass das Kind durch andere sachkundige Stellen angehört wird und diese dem Gericht das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitteilen, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen. Nach Ansicht des Senates handelt es sich auch insoweit um den Mindeststandard, der gewahrt sein muss, damit eine ausländische Entscheidung die inländische Anerkennung erfahren kann. Dem entspricht Art 12 Abs. 2 der UN-Kinderrechtskonvention, der festlegt, dass der Kindeswille nicht nur durch unmittelbare Anhörung sondern auch durch Anhörung eines Vertreters oder durch Anhörung vor geeigneten staatliche Stellen, ermittelt werden kann.
Soweit das deutsche Verfahrensrecht darüber hinaus, die persönliche Anhörung durch das Gericht verlangt und demgemäß die Äußerung gegenüber einem Sachverständigen regelmäßig nicht ausreichen lässt (§ 159 FamFG bzw. § 50 b FGG a.F.), wird der Zweck gemeinhin darin gesehen, dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, das Gutachten aus eigener Anschauung kritisch würdigen zu können, und darin sicherzustellen, dass das Kind als Betroffener im Verfahren zu Wort kommt (BayObLG Beschluss vom 11.06.1997 1Z BR 74/97 -Juris Rn.11). Diese Erwägungen des deutschen Gesetzgebers erscheinen dem Senat indessen nicht als so bedeutsam in ihren Auswirkungen für die Rechte der Verfahrensbeteiligten, als dass es geboten wäre, die persönliche Anhörung durch das erkennende Gericht zum absoluten Mindeststandard der internationalen Urteilsanerkennung in Sorgerechtssachen zu machen, solange die Kindesanhörung zeitnah durch kompetente Stellen für das Gericht durchgeführt und diesem das Ergebnis der Anhörung hinreichend detailliert mitgeteilt wird, so dass das Gericht in den Stand gesetzt wird, die Anhörung in ihrem Verlauf nachzuvollziehen.
Damit ist die Beschwerde schon deshalb zurückzuweisen, weil die Entscheidung des High Court, mit welcher dem Antragsgegner das Sorgerecht zugewiesen worden ist, für die inländischen Gerichte bindend ist und - wie das Familiengericht zutreffend ausgeführt hat- Gründe nach dem nunmehr anwendbaren deutschen Recht für eine Abänderung zu Gunsten der Antragstellerin nicht bestehen (§ 1696 BGB )."
++ OLG Brandenburg 16.7.2009: Aufenthaltsbestimmungsrecht und Kindeswille bei Umzug in eine andere Stadt ++
Ein nicht verheiratetes Paar hatte eine Sorgeerklärung nach § 1626 a BGB abgegeben. Nach der Trennung lebte der jetzt 14jährige Sohn zunächst bei der Mutter. Als diese jedoch zu ihrem neuen Partner in eine andere Stadt umziehen und ihren Sohn mitnehmen wollte, beantragte der Vater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht. Auch der Sohn bekräftigte, in der Heimatstadt bleiben zu wollen, vor allem wegen der Schule und der Freunde. Dem Willen des Jugendlichen hat das Gericht die ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es hat dem Kindesvater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen. 9 UF 21/09
++ OLG Saarbrücken vom 25.5.2011, 6 UF 76/11 ++
In Fällen eigenmächtigen Vorbringens eines Kindes durch einen Elternteil aus seinem bisherigen Lebenskreis in eine neue Umgebung ist ein sorgerechtliches Eilverfahren besonders zu beschleunigen,
um zu verhindern, dass der eigenmächtig handelnde Elternteil aus einer sonst dadurch entstehenden, von ihm ertrotzten Kontinuität ungerechtfertigte Vorteile ziehen und dem anderen Ehegatten allein
dadurch effektiver Rechtsschutz versagt bleiben kann.
Tritt in solchen Fällen im Laufe des Eilverfahrens ein Zielkonflikt zwischen dem Erfordernis besonderer Beschleunigung des Verfahrens einerseits und einer eigenständigen Interessenvertretung des
Kindes andererseits auf, so kann im Eilverfahren von der Bestellung eines Verfahrensbeistandes abgesehen werden, wenn ansonsten eine Verfahrensverzögerung zu befürchten ist.
Allgemeine Informationen zum Sorgerecht
Sorgerecht für unverheiratete Väter
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