Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Studentenunterhalt - neue BGH- und OLG-Entscheidungen zu den Abitur-Lehre-Studium-Fällen

 

Der BGH hatte 2017 Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt in den so genannten

 

Abitur-Lehre-Studium-Fällen

 

dem veränderten Ausbildungsverhalten von jungen Erwachsenen anzupassen.

Aachener Kanzlei für Familienrecht - Martina Mainz-Kwasniok Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

Es genügt für den sachlichen Zusammenhang, wenn das Studienfach die Kenntnisse aus dem Ausbildungsberuf sinnvoll ergänzt / Teil-Überschneidungen reichen

Der Fall:

Die 1989 geborene Tochter hatte 2009 auf dem Wirtschaftsgymnasium die Hochschulreife erworben und begann am 1. August 2009 eine Ausbildung zur Bankkauffrau, die sie im Januar 2012 erfolgreich mit der Note 1,4 abschloss. Im April 2012 nahm sie mit dem Ziel, Lehrerin an berufsbildenden Schulen zu werden, das Studium der Wirtschaftspädagogik mit dem allgemeinen Schwerpunktfach katholische Theologie auf. Angestrebter Abschluss ist der "Bachelor of Science", dem im Master-Studiengang der "Master of Education" nachfolgen soll.

Der Vater zahlte für das Studium keinen Unterhalt, weshalb das Land eine Bafög-Vorausleistung erbrachte und den Vater in Regress nahm.

Amtsgericht Pirmasens und Oberlandesgericht Zweibrücken wiesen die Klage des Landes ab, weil es sich bei dem Studium um eine Zweitausbildung handele, zu deren Finanzierung der Antragsgegner nicht verpflichtet sei. Eine solche Verpflichtung bestehe nur ausnahmsweise, wenn das Kind nach dem Abitur eine praktische Ausbildung durchlaufe und sich erst danach zu einem Studium entschließe. Dieser Weg werde als eine mehrstufige Ausbildung gewertet, wenn die einzelnen Abschnitte in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden. Ein solcher sei vorliegend nicht gegeben. Der Antragsgegner habe zu den Umständen, die seine Tochter zur Aufnahme des Lehramtsstudiums bewogen hätten, unwidersprochen vorgetragen, dass sie eine Tätigkeit im Bankwesen nicht mit ihrem Gewissen habe vereinbaren können.

Es sei auch nicht sachgerecht, nur den Bachelor-Studiengang bei der Bewertung zu berücksichtigen. Um das von Anfang an angestrebte Lehramtsstudium absolvieren zu können, müsse der gewählte Bachelor-Studiengang durchlaufen werden. Entscheidend sei daher, ob das Lehramtsstudium den geforderten engen sachlichen Zusammenhang mit der vorangegangenen Banklehre aufweise. Das könne nicht festgestellt werden. Zwar vermittle die Banklehre einschlägige Kenntnisse, auch über wirtschaftliche Zusammenhänge, die letztlich für jeden nützlich seien. Dass dieser Nutzen aber für ein Lehramtsstudium - auch im Bereich der Wirtschaftspädagogik unter Beachtung des gewählten Schwerpunktfachs - in relevantem Umfang über das hinausgehe, was letztlich für jede Ausbildung nützlich sei, sei nicht ersichtlich.

Der BGH hob diese Entscheidung als falsch auf.

 

Aus den Gründen:

aa) Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält. Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon bestehen nur unter besonderen Umständen, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1101 mwN).

bb) Diese Grundsätze hat der Senat wegen des zunehmend geänderten Ausbildungsverhaltens der Studienberechtigten für die Fälle modifiziert, in denen ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle).

Wegen des aus §  1610  Abs.  2   BGB  abzuleitenden Merkmals der Einheitlichkeit des Ausbildungsgangs ist allerdings auch dann erforderlich, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen und die praktische Ausbildung und das Studium sich jedenfalls sinnvoll ergänzen müssen.

Es reicht jedoch aus, dass der Studienentschluss nicht von vornherein, sondern erst nach Beendigung der Lehre gefasst wird, weil es gerade der Eigenart des vom herkömmlichen Bild abweichenden Ausbildungsverhaltens entspricht, dass sich der Abiturient bei Aufnahme der praktischen Ausbildung vielfach noch nicht über ein anschließendes Studium schlüssig ist (Senatsurteile vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1101 mwN und BGHZ 107,  376 , 381 ff. = FamRZ 1989,  853 , 854 f.).

Bejaht hat der Senat einen derartigen engen sachlichen Zusammenhang etwa zwischen Bauzeichnerlehre und Architekturstudium (BGHZ 107,  376  = FamRZ 1989,  853 , 855), landwirtschaftlicher Lehre und Studium der Agrarwirtschaft (Senatsurteil vom 27. September 1989 -  IVb ZR 83/88 - FamRZ 1990,  149 ) oder Banklehre und Jurastudium (Senatsurteil vom 23. Oktober 1991 -  XII ZR 174/90 - FamRZ 1992,  170 , 171).

Für Ausbildungsabläufe, in denen nach einem Realschulabschluss zunächst eine Lehre, dann die Fachoberschule und später die Fachhochschule absolviert wird, sind die einzelnen Ausbildungsabschnitte hingegen nur dann als einheitliche, von den Eltern zu finanzierende Berufsausbildung anzusehen, wenn schon bei Beginn der praktischen Ausbildung erkennbar eine Weiterbildung einschließlich des späteren Studiums angestrebt wurde.

Hinter dieser Differenzierung steht der Gedanke, dass die Unterhaltspflicht der Eltern von der Frage mitbestimmt wird, inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind nach einem Schulabschluss und einer zu Ende geführten, in sich geschlossenen Berufsausbildung noch eine berufsqualifizierende Ausbildung - gegebenenfalls über weitere Ausbildungsstufen hinweg - anstrebt. Denn die Belange der Unterhaltspflichtigen dürfen insoweit nicht unberücksichtigt bleiben. Die Eltern müssen sich in ihrer eigenen Lebensplanung in etwa darauf einstellen können, wie lange sie mit einer Unterhaltslast zu rechnen haben (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1101 f. mwN).

cc) In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen die Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren, wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Dem gleichgestellt sind die Fälle, in denen dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht. Nichts anderes gilt, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1102 mwN; vgl. auch Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 92 ff.).

Dabei begegnet es keinen rechtlichen Bedenken, wenn die Frage, ob der Erstausbildung des Kindes eine Fehleinschätzung seiner Begabung zugrunde lag, nach den Verhältnissen beurteilt wird, die sich erst nach Beendigung dieser Ausbildung ergeben haben. Zwar ist die Frage der beruflichen Eignung eines Kindes grundsätzlich aus der Sicht bei Beginn der Ausbildung und den zu dieser Zeit zutage getretenen persönlichen Anlagen und Neigungen zu beantworten. Um eine unangemessene Benachteiligung von so genannten Spätentwicklern zu vermeiden, gilt dies aber schon dann nicht, wenn sich später herausgestellt hat, dass die zunächst getroffene Entscheidung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruhte (Senatsurteil vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1102 mwN).

dd) Der aus §  1610  Abs.  2   BGB  folgende Anspruch ist vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§  242   BGB ) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, die Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 -  XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 14 mwN).

Aus diesem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig beginnen.

Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs-und Lebensweg. Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 -  XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 15 mwN). Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt. Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist (Senatsbeschluss vom 3. Juli 2013 -  XII ZB 220/12 - FamRZ 2013, 1375 Rn. 16 mwN).

Im Rahmen dieser Orientierungsphase kann dem Kind ggf. auch ein Ausbildungswechsel unterhaltsrechtlich zuzugestehen sein, wenn er einerseits auf sachlichen Gründen beruht und andererseits unter Berücksichtigung der Gesamtumstände aus der Sicht des Unterhaltspflichtigen wirtschaftlich zumutbar ist. Für die Annahme eines hinreichenden Grundes kann etwa der Umstand sprechen, dass zwischen der abgebrochenen und der angestrebten Ausbildung ein sachlicher Zusammenhang besteht. Jedem jungen Menschen ist grundsätzlich zuzubilligen, dass er sich über seine Fähigkeiten irrt oder falsche Vorstellungen über den gewählten Beruf hat. Dabei wird ein Ausbildungswechsel umso eher zu akzeptieren sein, je früher er stattfindet. Dies folgt aus dem Gedanken, dass die schutzwürdigen Belange des Unterhaltspflichtigen es gebieten, sich möglichst frühzeitig darauf einrichten zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird. Diese Belange erfordern es grundsätzlich auch, dass das Kind sich über seine geänderten Ausbildungspläne mit dem Unterhaltspflichtigen zu verständigen versucht (Senatsurteil vom 14. März 2001 -  XII ZR 81/99 - FamRZ 2001,  757 , 759).

b) Die Anwendung dieser Rechtsgrundsätze durch das Oberlandesgericht auf den vorliegenden Einzelfall ist jedoch, wie die Rechtsbeschwerde zutreffend rügt, rechtsfehlerhaft.

aa) Ohne Erfolg beruft sich die Rechtsbeschwerde allerdings darauf, die Banklehre stelle schon deshalb keine angemessene Berufsausbildung dar, weil die Tochter des Antragsgegners aus Gewissensgründen nicht in dem erlernten Beruf habe arbeiten wollen und dieser daher nicht ihren Neigungen entspreche.

Damit ist zum einen nicht der Fall eines sog. Spätentwicklers dargetan, bei dem es anders als im Regelfall gerechtfertigt wäre, für die Beurteilung der Angemessenheit der Ausbildung nicht auf den Ausbildungsbeginn, sondern auf erst später zu Tage getretene Umstände abzustellen. Zum anderen ist auch nichts für einen vom Unterhaltsschuldner hinzunehmenden Ausbildungswechsel ersichtlich. Ganz abgesehen davon, dass völlig unklar ist, zu welchem Zeitpunkt und in welchem Stadium der Ausbildung der Widerspruch zwischen Berufsbild und Neigungen der Tochter hervorgetreten sein soll, ist die Ausbildung abgeschlossen worden. Dann aber wird regelmäßig davon auszugehen sein, dass die Orientierungsphase, binnen derer auch ein auf solche inneren Widerstände gestützter Ausbildungswechsel zu akzeptieren sein kann, ebenfalls längst beendet war (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Mai 2006 -  XII ZR 54/04 - FamRZ 2006,  1100 , 1103).

bb) Dass das Oberlandesgericht den daher erforderlichen engen sachlichen Zusammenhang zwischen der Banklehre und dem Lehramtsstudium der Tochter verneint hat, hält hingegen den Rügen der Rechtsbeschwerde nicht stand. Das Oberlandesgericht hat bei seiner entsprechenden Feststellung entscheidungserhebliches Vorbringen des Antragstellers unberücksichtigt gelassen.

Zwar ist die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die beiden Ausbildungen nicht derselben Berufssparte angehören, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Nach den insoweit getroffenen und von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen tatrichterlichen Feststellungen erfordert das von der Tochter des Antragsgegners angestrebte Berufsziel (Lehrerin an berufsbegleitenden Schulen) als Zwischenschritt den von ihr angetretenen Bachelor-Studiengang, um dann das ebenfalls erforderliche Master-Studium beginnen zu können.

Für die Frage, welcher Berufssparte die Ausbildung zuzurechnen ist, sind diese beiden Abschnitte daher als einheitliche mehrstufige Ausbildung zum Lehramt einzuordnen (vgl. BFHE 251, 10 = NJW 2015, 3807 Rn. 16 ff.; OVG Hamburg FamRZ 2006, 1615; Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 82; wohl auch OLG Celle FamRZ 2010, 1456). Dass der Bachelor-Abschluss für sich genommen zu anderen Berufen als dem Lehramt befähigt, ist insoweit ohne Belang.

Trotz verschiedener Berufssparten kann jedoch ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen Banklehre und dem Lehramtsstudium der Tochter des Antragsgegners bestehen. Insoweit ist ausreichend, wenn praktische Ausbildung und Studium so zusammenhängen, dass das eine für das andere eine fachliche Ergänzung, Weiterführung oder Vertiefung bedeutet oder dass die praktische Ausbildung eine sinnvolle und nützliche Vorbereitung auf das Studium darstellt (vgl. etwa Senatsurteile BGHZ 107,  376  = FamRZ 1989,  853 , 855; vom 23. Oktober 1991 -  XII ZR 174/90 - FamRZ 1992,  170 , 171 und vom 23. Mai 2001 -  XII ZR 148/99 - FamRZ 2001,  1601 , 1602). Soweit das Oberlandesgericht dies verneint, hat es den Verfahrensstoff nicht ausgeschöpft. Es hat im Wesentlichen darauf abgehoben, dass die Tochter des Antragsgegners im Schwerpunktfach katholische Theologie studiert, und sich dadurch den erforderlichen Blick auf die sonstigen Ausbildungsinhalte verstellt. Der Antragsteller hatte aber schon in erster Instanz - und durch Bezugnahme in das Beschwerdeverfahren eingeführt - hierzu vorgetragen und darauf hingewiesen, dass das Schwerpunktfach nur rund ein Drittel der im Bachelor-Studiengang enthaltenen Leistungspunkte ausmache, während auf Wirtschaftswissenschaften fast die Hälfte entfalle. Bei Letztgenannten seien Module in Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre, in Grundlagen der Volkswirtschaftslehre und in methodischen Grundlagen zu belegen. Insoweit erscheint zumindest möglich, dass das durch die Banklehre vermittelte Wissen sich entgegen der Annahme des Oberlandesgerichts nicht in letztlich für jeden nützliche Kenntnisse zu wirtschaftlichen Zusammenhängen erschöpft, sondern einen ganz konkreten, dem Studium dienlichen Nutzen entfaltet.

3. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben (§  74  Abs.  5   FamFG ) und die Sache ist an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen. Dieses wird weitere Feststellungen dazu zu treffen haben, inwieweit sich die Banklehre als für das konkrete Studium nützliche und sinnvolle Vorbereitung darstellt. Dazu wird es auch den von der Rechtsbeschwerdeerwiderung zum Inhalt der Banklehre gehaltenen Tatsachenvortrag zu berücksichtigen sowie den Beteiligten ggf. vorab Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag hinsichtlich der einzelnen Ausbildungsinhalte von Lehre und Studium zu geben haben.

(…) Zu berücksichtigen kann in diesem Zusammenhang auch sein, ob und in welchem Umfang der Antragsgegner seine Tochter bereits während der Banklehre finanziell unterstützen musste (vgl. Wendl/Klinkhammer Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis 9. Aufl. § 2 Rn. 103).

BGH, Beschluss vom 08.03.2017 - Aktenzeichen XII ZB 192/16

 

Studentenunterhalt: Vater nicht über Pläne informiert, Unterhaltsanspruch weg

 

 

 

Der Fall:

Die Tochter ist 1984 geboren, hat 2004 (mit 19) das Abitur gemacht - mit einem Notendurchschnitt von 2,3. Ab dem Wintersemester 2004/2005 bewarb sie sich im Vergabeverfahren der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen (ZVS) um einen Medizinstudienplatz. Nachdem ihr kein solcher zugewiesen wurde, begann sie im Februar 2005 eine Lehre als anästhesietechnische Assistentin, die sie im Januar 2008 erfolgreich abschloss. Ab Februar 2008 arbeitete sie in diesem erlernten Beruf. Für das Wintersemester 2010/2011 wurde ihr schließlich ein Studienplatz zugewiesen; seitdem studiert sie Medizin. Sie war also schon 26 Jahre alt.

Weil der Vater keinen Unterhalt zahlte, nahm sie Bafög-Vorausleistungen in Anspruch. Im September 2011 erhielt der Vater durch die Aufforderung des Studierendenwerks zur Auskunft über seine finanziellen Verhältnisse Kenntnis von der Studienaufnahme seiner Tochter. Er hatte weder mit deren Mutter noch mit ihr jemals zusammengelebt und seine Tochter letztmals getroffen, als sie 16 Jahre alt war. Per Brief hatte er ihr im Jahre 2004 nach dem Abitur - dessen erfolgreiche Ablegung er annahm - mitgeteilt, er gehe vom Abschluss der Schulausbildung aus und davon, keinen weiteren Unterhalt mehr zahlen zu müssen. Sollte dies anders sein, möge sich seine Tochter bei ihm melden. Nachdem eine Reaktion hierauf unterblieb, stellte er die Unterhaltszahlungen für seine Tochter ein.

Es ging um insgesamt 3.452,16 € (BAföG-Vorausleistung für Oktober 2011 bis September 2012).

Amtsgericht, Oberlandesgericht und BGH gaben dem Vater recht: er muss nicht zahlen.

 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt eines Kindes die Kosten einer angemessenen Ausbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird danach eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.

Ein einheitlicher Ausbildungsgang in diesem Sinn kann auch gegeben sein, wenn ein Kind nach Erlangung der Hochschulreife auf dem herkömmlichen schulischen Weg (Abitur) eine praktische Ausbildung (Lehre) absolviert hat und sich erst danach zu einem Studium entschließt (sog. Abitur-Lehre-Studium-Fälle). Hierfür müssen die einzelnen Ausbildungsabschnitte jedoch in engem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen; die praktische Ausbildung und das Studium müssen sich jedenfalls sinnvoll ergänzen.

Der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch ist zudem vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners zur Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit aufzunehmen und zu beenden, wobei ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes unschädlich ist. Eine feste Altersgrenze, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt, lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.

Die Unterhaltspflicht richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls. Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Umstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt noch zumutbar ist. Dies wird nicht nur durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern bestimmt, sondern auch davon, ob und inwieweit sie damit rechnen müssen, dass ihr Kind weitere Ausbildungsstufen anstrebt. Denn zu den schützenswerten Belangen des Unterhaltspflichtigen gehört, sich in der eigenen Lebensplanung darauf einstellen zu können, wie lange die Unterhaltslast dauern wird.

Eine Unterhaltspflicht wird daher umso weniger in Betracht kommen, je älter der Auszubildende bei Abschluss seiner praktischen Berufsausbildung ist. Auch wenn der Unterhaltsanspruch keine Abstimmung des Ausbildungsplans mit dem Unterhaltspflichtigen voraussetzt, kann es der Zumutbarkeit entgegenstehen, wenn der Unterhaltspflichtige von dem Ausbildungsplan erst zu einem Zeitpunkt erfährt, zu dem er nicht mehr damit rechnen muss, zu weiteren Ausbildungskosten herangezogen zu werden.

Nach diesen rechtlichen Maßgaben bestand im vorliegenden Fall kein Unterhaltsanspruch mehr. Allerdings ist das Studium nicht allein wegen der Abiturnote unangemessen. Entstehen bei einem mit Numerus Clausus belegten Studiengang notenbedingte Wartezeiten, kann das lediglich zur Folge haben, dass das Kind seinen Bedarf während der Wartezeit durch eine eigene Erwerbstätigkeit sicherstellen muss.

Auch fehlt insbesondere nicht der zeitliche Zusammenhang zwischen Lehre und Studium, weil die Tätigkeit im erlernten Beruf lediglich der Überbrückung der zwangsläufigen Wartezeit diente.

Die Inanspruchnahme des Vaters ist aufgrund der Besonderheiten des Einzelfalls hier unzumutbar, selbst wenn er während der Lehre seiner Tochter nicht für ihren Unterhalt aufkommen musste. Denn bei dem Alter der Tochter von fast 26 Jahre bei Studienbeginn musste der Vater typischer Weise nicht mehr ohne weiteres mit der Aufnahme eines Studiums seiner Tochter rechnen.

Entsprechend hatte er im Vertrauen darauf, nicht mehr für den Unterhalt der Tochter aufkommen zu müssen, verschiedene längerfristige finanzielle Dispositionen (kreditfinanzierter Eigenheimkauf; Konsumentenkredite) getroffen. Dieses Vertrauen war im vorliegenden Fall auch schützenswert, weil ihn seine Tochter trotz seiner schriftlichen Nachfrage zu keinem Zeitpunkt über ihre Ausbildungspläne in Kenntnis gesetzt hatte.

 

BGH, Beschl. v. 03.05.2017 - XII ZB 415/16

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 03.05.2017

 

Studium der Psychologie nach Mittlerer Reife - Tanzstudium - Abitur

OLG Hamm: Eltern müssen keine Zweitausbildung zahlen

 

Haben Eltern ihrem Kind eine angemessene Ausbildung finanziert, welche den Begabungen und Neigungen des Kindes entspricht, und findet das Kind in diesem erlernten Beruf nach Abschluss der Ausbildung keine Arbeitsstelle, sind die Eltern grundsätzlich nicht verpflichtet, dem Kind eine weitere Berufsausbildung zu finanzieren.

 

Der Fall:

Nach der mittleren Reife an einem Gymnasium studierte die erst 15jährige Tochter (geb. 1991) ab August 2007 an der Akademie des Tanzes einer staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst. Darauf hatte sie seit Jahren hingearbeitet mit einer einjährigen Vorbereitungszeit parallel zur Schule und Teilnahme an zwei Auswahlverfahren (vorher und nachher).

 

Nach dem Abschluss mit Diplom mit nicht so guten Noten im Jahr 2011 kehrte sie zunächst in den elterlichen Haushalt zurück und bewarb sich für die Dauer von etwa einem Jahr erfolglos um eine Anstellung als Tänzerin, und zwar auf alle Ausschreibungen europaweit, die ihrem Abschluss entsprachen. In der Zeit war sie arbeitssuchend gemeldet.

 

Ab dem Schuljahr 2012/2013 nahm sie die Schulausbildung wieder auf. Sie besuchte ein Kolleg, wo sie im Dezember 2014 die allgemeine Hochschulreife erwarb (Abschlussnote 1,0). Währenddessen wohnte sie zuhause und wurde unterhalten.

 

Zum Wintersemester 2015/2016 begann sie ein Studium der Fachrichtung Psychologie an einer Universität.

Da die Eltern ihr trotz Leistungsfähigkeit das Studium nicht finanzieren wollten, ging das Land NRW mit Bafög in Vorausleistung und nahm die Eltern in Regress.

 

Das Land hat die Auffassung vertreten, dass die Eltern ihrer Tochter auch für die Zweitausbildung zum Unterhalt nach den §§ 1601 ff., 1610 Abs. 2 BGB verpflichtet seien. Denn es liege ein Ausnahmetatbestand vor. Die Ausbildung zur Bühnentänzerin habe nicht den Neigungen und Fähigkeiten der Tochter entsprochen. Das ergebe sich einerseits aus dem Ergebnis der Abschlussprüfung. Die erreichten Prüfungsnoten – von sechs praktischen Prüfungen drei mit der Note „ausreichend“ (4,0) – seien im unteren Bereich gelegen. Die Tochter habe das Bestehen nur knapp erreicht. Zum anderen ergebe sich die fehlende Eignung zur Bühnentänzerin aus den erfolglos gebliebenen Bemühungen der Tochter um eine Anstellung. Bei insgesamt 30 Bewerbungen während eines Jahres sei sie lediglich zu zwei Vortänzen persönlich eingeladen worden. Die Tochter habe keine Möglichkeit gehabt, mit dem Beruf ihren Lebensunterhalt sicherzustellen. Schließlich lasse sich dem Abschlusszeugnis der allgemeinen Hochschulreife mit der Note 1,0 entnehmen, dass die Fähigkeiten der Tochter eher im intellektuell-schulischen und nicht im praktisch-tänzerischen Bereich liegen.

 

Diese Umstände habe die Tochter nicht selbst erkennen können. Bei Aufnahme der Tanzausbildung sei sie erst 15 Jahre alt gewesen sei. Ihr habe altersbedingt die erforderliche Weitsicht gefehlt. Von den Eltern sei indes sowohl der Abbruch der allgemeinen Schulausbildung als auch die Aufnahme der Tanzausbildung unterstützt worden.

 

Das Land NRW verlangte von den Eltern ca. 6.400 Euro.

 

Aus der Entscheidung des OLG Hamm:

Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Geschuldet wird nach dieser Vorschrift eine Berufsausbildung, die der Begabung und den Fähigkeiten, dem Leistungswillen und den beachtenswerten Neigungen des Kindes am besten entspricht und sich in den Grenzen der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern hält.

Eltern, die ihrem Kind eine solche Berufsausbildung gewährt haben, sind grundsätzlich nicht mehr verpflichtet, Kosten einer weiteren Ausbildung zu tragen. Ausnahmen hiervon sind nur unter besonderen Umständen gegeben, etwa wenn der Beruf aus gesundheitlichen oder sonstigen, bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbaren Gründen nicht ausgeübt werden kann. Ferner kommt eine fortdauernde Unterhaltspflicht in Betracht, wenn die weitere Ausbildung zweifelsfrei als eine bloße in engem sachlichem und zeitlichem Zusammenhang stehende Weiterbildung zu dem bisherigen Ausbildungsweg anzusehen ist und von vornherein angestrebt war, oder während der ersten Ausbildung eine besondere, die Weiterbildung erfordernde Begabung deutlich wurde. In anderen Fällen als denen einer gestuften Ausbildung müssen die Eltern ihrem Kind ausnahmsweise auch eine zweite Ausbildung finanzieren, wenn sie das Kind in einen unbefriedigenden, seinen Begabungen nicht hinreichend Rechnung tragenden Beruf gedrängt haben. Dem gleichgestellt sind die Fälle, in denen dem Kind eine angemessene Ausbildung verweigert worden ist und es sich aus diesem Grund zunächst für einen Beruf entschieden hat, der seiner Begabung und seinen Neigungen nicht entspricht. Nichts anderes gilt, wenn die erste Ausbildung auf einer deutlichen Fehleinschätzung der Begabung des Kindes beruht.

 

Die Tochter der Antragsgegner hat den Studiengang Tanz an der Akademie des Tanzes 2011 mit dem Diplom bestanden. Sie hat damit eine staatlich anerkannte Berufsausbildung zur Bühnentänzerin erworben.

Das Studium der Psychologie im Anschluss an den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife stellt keine die Unterhaltsverpflichtung der Antragsgegner begründende Weiterbildung im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung dar. Insoweit fehlt es an dem erforderlichen engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang beider Ausbildungsgänge. Der Besuch der allgemeinbildenden Schule mit anschließendem Studium war bei Aufnahme der Ausbildung zur Bühnentänzerin auch nicht von vorneherein angestrebt.

 

Es lässt sich nicht erkennen, dass diese Ausbildung den Neigungen und Fähigkeiten und der Begabung der Tochter nicht entsprach/entspricht. Die Tochter hatte schon seit ihrem fünften Lebensjahr das Hobby Ballett. Im Grundschulalter hatte sie Ballettunterricht. Die Aufnahmeprüfung an der staatlichen Hochschule für Musik und darstellende Kunst hat sie bestanden und eine einjährige Vorbereitungszeit an der Akademie des Tanzes absolviert. Im Anschluss daran hat sie an einem erneuten Auswahlverfahren an der Hochschule mit Erfolg teilgenommen und wurde zum Studiengang Tanz zugelassen. Eine Fehleinschätzung der Neigungen und Fähigkeiten der Tochter, bezogen auf den Zeitpunkt des Ausbildungsbeginns, ist vor diesem Hintergrund nicht gegeben.

 

Den erreichten Prüfungsnoten – von sechs praktischen Prüfungen drei mit der Note „ausreichend“ (4,0) – lässt sich nicht entnehmen, dass es etwa an einer hinreichenden Begabung im praktisch-tänzerischen Bereich fehlt. Die Tochter hat im praktischen Teil der Diplomprüfung für Tanz einen befriedigenden Notendurchschnitt erzielt. Nach der Prüfungsordnung der Hochschule ist die Prüfung mit den erreichten Einzelnoten bestanden. Allein der Umstand, dass die Tochter nachfolgend die allgemeine Hochschulreife mit der sehr guten Abschlussnote von 1,0 bestanden hat, rechtfertigt nicht die Annahme, dass ihre Fähigkeiten eher im intellektuell-schulischen Bereich und nicht im praktisch-tänzerischen Bereich liegen.

Auch die erfolglos gebliebenen Bewerbungen um eine Anstellung als Bühnentänzerin lassen einen derartigen Schluss nicht zu. Nach dem Vorbringen der Tochter im verwaltungsgerichtlichen Verfahren – VG Gelsenkirchen, 15 K 4629/12 – hat sich die Arbeitsmarktsituation im Bereich Bühnentanz im Zeitraum vom Beginn des Vorstudiums bis zum Abschluss des Studiums im Jahr 2011 erheblich verschlechtert. Auf die ausgeschriebenen Stellen, denen das Anforderungsprofil mit dem Abschluss an der Akademie des Tanzes entsprach, meldeten sich bis zu 3.000 Bewerber pro Stelle. Nach ihrem Vorbringen musste die Tochter erkennen, dass sich die Berufschancen derart verschlechtert hatten, dass Bewerbungen in diesem Beruf aussichtslos waren. Von den Studierenden mit dem Abschluss im Jahr 2011 hat niemand eine Stelle innerhalb Europas erlangen können. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung ist nicht davon auszugehen, dass allein aufgrund der erreichten Noten des praktischen Teils der Diplomprüfung keine realistischen Bewerbungschancen bestanden haben.

 

Das Risiko der Nichtbeschäftigung des Kindes nach Abschluss der geschuldeten Ausbildung, welches sich im vorliegenden Fall letztlich verwirklicht hat, haben die unterhaltsverpflichteten Eltern grundsätzlich nicht zu tragen. Ungünstige Anstellungsaussichten stehen der Wahl einer bestimmten Ausbildung nicht ohne weiteres entgegen. Verwirklicht sich eine solche Prognose im späteren Berufsleben, fällt den Eltern das allgemeine Arbeitsplatzrisiko nicht zur Last. Vielmehr muss ein Volljähriger, der nach Abschluss seiner Ausbildung arbeitslos ist, primär selbst für seinen Unterhalt sorgen und jede Arbeitsstelle annehmen, auch außerhalb des erlernten Berufs. Das gilt auch dann, wenn im erlernten Beruf tatsächlich keine Verdienstmöglichkeiten mehr bestehen.

 

Ein Ausnahmetatbestand, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, ist vorliegend nicht gegeben. Der Tochter der Antragsgegner ist eine Ausübung des erlernten Berufs nicht aus gesundheitlichen oder sonstigen unvorhersehbaren Gründen unmöglich geworden. Die Antragsgegner haben ihre Tochter nicht in die Ausbildung zur Bühnentänzerin gedrängt. Die Wahl der Ausbildung entsprach dem nachdrücklichen Willen der Tochter und stimmte mit ihren bis dahin erkennbaren persönlichen Neigungen und Interessen überein.

 

Im Rahmen der gebotenen Billigkeitsabwägung hat der Senat nicht verkannt, dass die Tochter noch sehr jung war, als sie sich für die Ausbildung zur Bühnentänzerin entschieden hat. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Ausbildung eine einjährige Vorbereitungszeit voranging, die eine Überprüfung der Ausbildungswahl ermöglichte. Die Tochter, die in dieser Zeit selbständig außerhalb des Haushalts der Eltern lebte, konnte einen unmittelbaren Eindruck von der beabsichtigten Ausbildung gewinnen und ihre Entscheidung überdenken. Im Anschluss an die Vorbereitungszeit musste sie eine erneute Aufnahmeprüfung an der Hochschule bestehen.

Auch hat der Senat in den Blick genommen, dass die Antragsgegner sich in wirtschaftlich guter Lage befinden. Sie können die Ausbildung ihrer Tochter ohne weiteres finanzieren. Dass ihre eigene Lebensplanung durch weiteren Ausbildungsunterhalt beeinträchtigt wird, ist nicht ersichtlich. Die Antragsgegner haben ihre Tochter aber bereits im Rahmen der Bewerbungsphase in angemessenem Umfang unterstützt. Die Tochter konnte im elterlichen Haushalt wohnen und das aufwändige Training betreiben und fortsetzen, um das für Bewerbungen notwendige hohe Trainingsniveau aufrecht zu erhalten.

 

Dass die Antragsgegner nach Ablauf eines Jahres von ihrer Tochter einen „Plan B“ für ihre berufliche Zukunft sehen wollten, ist unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar. Denn nach eigenem Bekunden der Tochter hatte sich gezeigt, dass sich die Berufschancen derart verschlechtert hatten, dass Bewerbungen in dem erlernten Beruf aussichtslos waren. Auf dieser Grundlage war von den Antragsgegnern ein weiteres Zuwarten verbunden mit weiteren Unterhaltszahlungen, nicht zu verlangen. Denn ein der Tochter nach Beendigung ihrer Ausbildung noch zuzubilligender Ausbildungsunterhalt für die Dauer der Bemühungen um eine Anstellung war jedenfalls nach einer einjährigen Bewerbungsphase erschöpft. Von unterhaltsverpflichteten Eltern ist nicht für eine unbegrenzte Zeit die Suche ihres Kindes nach einer Anstellung finanziell zu unterstützen. Vielmehr muss das Kind bei weiterer Erfolglosigkeit seiner Arbeitsplatzsuche unter dem Gesichtspunkt der Eigenverantwortlichkeit sich auch auf bildungsfremde oder unterqualifizierte Tätigkeiten verweisen lassen.

OLG Hamm 7 UF 18/18, Beschluss vom 15.5.2018

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9.7.2018

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