Wie berechnet man bei einer Hausfrau deren Altersvorsorgeschonvermögen? Die übliche Formel „5% vom Bruttoeinkommen“ würde ja rechnerisch zu „Null“ führen.
Der Fall:
Es geht um knapp 8.000 € Elternunterhalt (die bedürftige Mutter ist bereits verstorben, das Sozialamt klagt). Die beklagte Tochter ist 1950 geboren, verheiratet, Hausfrau, und hat 98.000 € Vermögen.
Der BGH hat die Sache an das OLG Köln zurückverwiesen zur weiteren Aufklärung mit folgenden Hinweisen:
Der zur Zahlung von Elternunterhalt Verpflichtete ist verheiratet und erzielt kein eigenes Erwerbseinkommen. Für ihn besteht grundsätzlich kein Bedürfnis, ein eigenes Altersvorsorgevermögen zu bilden.
Für dessen Alter vorzusorgen, obliegt vielmehr dem erwerbstätigen Ehegatten im Rahmen des Familienunterhalts (vgl. Senatsurteil BGHZ 196, 21=FamRZ 2013, 363 Rn.26). Dabei partizipiert der Unterhaltspflichtige nicht nur an der primären Altersversorgung, sondern auch - entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Köln - an der sekundären. So wie die Ehegatten in einer Hausfrauenehe während der aktiven Zeit des erwerbstätigen Ehegatten von dessen Einkommen leben, leben sie nach Renteneintritt von dessen Rente nebst Zusatzversorgung.
Dies gilt allerdings nicht, soweit der Unterhaltspflichtige über seinen Ehegatten nicht hinreichend für das Alter abgesichert ist. Das muss er darlegen und gegebenenfalls beweisen. Eine unzureichende Altersversorgung ist gegeben, wenn der Ehegatte selbst nicht über eine Altersversorgung verfügt, die den Maßstäben zum Elternunterhalt entspricht. Der Unterhaltspflichtige kann hingegen nicht auf die Versorgung durch seinen Ehegatten verwiesen werden, wenn diese den Maßstäben nicht gerecht wird, die der Senat für die des erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen aufgestellt hat. Deshalb ist für die Prüfung, ob auf das Vermögen des nichterwerbstätigen Unterhaltspflichtigen zurückgegriffen werden kann, zugleich die Kontrollüberlegung anzustellen, ob sein Ehegatte hinreichend für das Alter abgesichert ist, was im Zweifel dann zu verneinen wäre, wenn er über keine zusätzliche Altersversorgung verfügt, die einem Kapital von 5% seines Bruttoeinkommens unter Berücksichtigung einer jährlichen Kapitalverzinsung von 4% bezogen auf den Zeitraum vom Einstieg in das Erwerbsleben bis zum Beginn der Unterhaltsverpflichtung entspricht. Wenn die von dem erwerbstätigen Ehegatten begründete Altersversorgung hiernach unzureichend erscheint, ist mit dem Vermögen des Unterhaltspflichtigen die entsprechende Versorgungslücke aufzufüllen und es insoweit vor dem Zugriff des Gläubigers des Elternunterhalts zu schützen.
Sollte das Oberlandesgericht aufgrund der noch zu treffenden Feststellungen zu dem Ergebnis gelangen, dass die Antragsgegnerin ihr Vermögen benötigt, um die auf einem unzureichenden Altersvorsorgevermögen beruhende Versorgungslücke aufzufüllen, käme der Einsatz ihres Vermögens insoweit nicht in Betracht. Sollte das Oberlandesgericht hingegen zu der Auffassung gelangen, dass der Antragsgegnerin kein gesondertes Altersvorsorgevermögen zuzubilligen ist, weil sie über ihren Ehemann im Alter hinreichend abgesichert ist, dürfte ihre Leistungsfähigkeit aufgrund der getroffenen Feststellungen für den geforderten Elternunterhalt nicht zweifelhaft sein
BGH XII ZB 236/14, Beschluss vom 29.4.2015
Der BGH hat sich im Jahr 2014 mit der Konstellation der „einkommenslosen verheirateten Hausfrau“ beschäftigen dürfen. In diesen Fällen geht es bei der Berechnung deren Leistungsfähigkeit nämlich um deren fiktiven Taschengeldanspruch gegen den Ehemann. Es handelt sich um die Entscheidung vom 1.10.2014 (XII ZR 133/13). Derselbe Fall war zuvor schonmal beim BGH und hatte zu der Entscheidung vom 12.12.2012 geführt.
Die Revision gegen das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 16. Juli 2013 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
a) Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Tatrichter für die Berechnung der Höhe des - auch für den Elternunterhalt einzusetzenden - Taschengeldanspruchs im Regelfall eine Quote von 5 % des bereinigten Familieneinkommens zugrunde legt.
b) Ebenso wenig ist es zu beanstanden, wenn der Tatrichter beim Elternunterhalt als Taschengeldselbstbehalt im Regelfall einen Anteil in Höhe von ebenfalls 5 % vom Familienselbstbehalt ansetzt und dem Unterhaltspflichtigen zusätzlich die Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengeldes belässt (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363 und Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014 – XII ZB 25/13 = FamRZ 2014, 538).
Aus den Gründen:
Der Senat hat in seinem Urteil vom 12. Dezember 2012 (BGHZ 196, 21 = FamRZ 2013, 363), mit dem er die dem jetzt angegriffenen Urteil vorausgegangene Entscheidung des Oberlandesgerichts aufgehoben hat, ausgeführt, dass in den Fällen, in denen der Unterhaltspflichtige nicht über eigene bare Mittel verfügt, allein der Taschengeldanspruch für die Unterhaltsleistung zu verwenden ist. Das Taschengeld eines Ehegatten ist grundsätzlich unterhaltspflichtiges Einkommen und deshalb für Unterhaltszwecke einzusetzen, soweit der jeweils zu beachtende Selbstbehalt des Unterhaltspflichtigen gewahrt bleibt. Das gilt auch bei Inanspruchnahme auf Elternunterhalt. Das Taschengeld richtet sich als Teil des Familienunterhalts hinsichtlich seiner Höhe nach dem bereinigten Gesamtnettoeinkommen beider Ehegatten. Das dem Unterhaltspflichtigen zustehende Taschengeld braucht jedoch nicht vollständig für den Elternunterhalt eingesetzt zu werden. |
Zutreffend weist das Berufungsgericht darauf hin, dass die weiteren Ausführungen in dem vorgenannten Senatsurteil, wonach sich der geschützte Anteil des Taschengeldes auf einen Betrag von 5 bis 7 % des (seinerzeit geltenden) Selbstbehaltes von 1.400 € beläuft, auf einem offensichtlichen Versehen beruhen. Wie der Senat im Nachgang zu dem Senatsurteil klarstellend entschieden hat, muss dem unterhaltspflichtigen Ehegatten ein Betrag in Höhe von 5 bis 7 % des Familienselbstbehalts verbleiben; zudem ist ihm ein weiterer Teil in Höhe der Hälfte des darüber hinausgehenden Taschengelds zu belassen (Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014). |
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Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Oberlandesgerichts gerecht. |
Das Oberlandesgericht hat die Höhe des Taschengelds ermittelt, indem es eine Quote von 5 % des der Familie zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens zugrunde gelegt hat. Ungeachtet der Tatsache, dass das Berufungsgericht im Einzelnen begründet hat, warum es bei der Berechnung des Taschengeldes eine Quote von genau 5 % zugrunde gelegt hat, bestehen auch sonst keine Bedenken dagegen, wenn der Tatrichter im Regelfall von einer Quote von 5 % ausgeht. Dies entspricht vor allem den Belangen der Praxis nach einer einheitlichen Berechnungsweise und damit auch dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit. Die Feststellungen zum bereinigten Familieneinkommen sind von der Revision nicht angegriffen worden; sie enthalten auch sonst keine Rechtsfehler zu Lasten des Klägers. |
Dabei ist es konsequent, wenn das Oberlandesgericht denselben Prozentsatz, nämlich 5 %, bei der Bildung des Selbstbehaltes angesetzt hat. Auch insofern erscheint es aus Rechtsgründen unbedenklich, wenn der Tatrichter im Regelfall von einem Prozentsatz von 5 % des Familienselbstbehalts ausgeht. |
Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Berufungsgericht den Familienselbstbehalt durch die Addition der individuellen Selbstbehalte ermittelt und von der Summe im Hinblick auf den Synergieeffekt 10 % abgezogen hat (vgl. dazu auch Senatsbeschluss vom 5. Februar 2014). |
Schließlich hat das Oberlandesgericht - dem Rechenweg des Senats folgend - von dem oberhalb des Selbstbehalts liegenden Taschengeld die Hälfte für den geltend gemachten Unterhaltsanspruch herangezogen. |
Das OLG Braunschweig hatte zuvor entschieden:
Das Berufungsgericht hat sein in FamRZ 2014, 481 veröffentlichtes Urteil wie folgt begründet:
Die Beklagte sei in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Erbringung von Unterhaltszahlungen für ihre Mutter leistungsfähig. Bei der Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der Beklagten sei auf ihren Taschengeldanspruch gegen ihren Ehemann abzustellen. Dieser errechne sich aus 5 % des bereinigten Gesamtfamilieneinkommens. Dieses wiederum belaufe sich jeweils monatlich für das Jahr 2007 auf 3.091,72 €, für das Jahr 2008 auf 3.339,62 € und für das Jahr 2009 auf 3.553,49 €. Der Taschengeldanspruch betrage demgemäß jeweils monatlich im Jahr 2007 154,59 €, im Jahr 2008 166,98 € und im Jahr 2009 177,67 €.
Die Beklagte sei allerdings nicht verpflichtet, den gesamten Taschengeldanspruch für den Unterhaltsanspruch ihrer Mutter einzusetzen. Insoweit habe der Bundegerichtshof festgestellt, dass dem Unterhaltspflichtigen vom Taschengeld ein Betrag in Höhe von 5 bis 7 % des Mindestselbstbehaltes des Unterhaltspflichtigen und vom überschießenden Betrag die Hälfte zu verbleiben habe. Diese Entscheidung werde überwiegend dahin ausgelegt, dass dieser Prozentsatz nach dem Familienselbstbehalt zu berechnen sei, da stets vom Familieneinkommen ein Betrag in Höhe des Familienselbstbehalts frei bleiben müsse. Der in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs genannte Selbstbehalt in Höhe von 1.400 € stelle ein offensichtliches Versehen dar. Es sei ein Familienselbstbehalt von seinerzeit 2.520 € (2.800 € abzüglich 10 % Synergieeffekt) zu berücksichtigen. Hiervon blieben 5 % frei, also 126 €. Verfügbar über diesen "Taschengeldselbstbehalt" seien im Jahr 2007 monatlich 28,59 €, im Jahr 2008 monatlich 40,98 € und im Jahr 2009 monatlich 51,67 €. Hiervon sei nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur ein Betrag von etwa der Hälfte für den Unterhalt einzusetzen, gerundet also für das Jahr 2007 monatlich 15 €, für das Jahr 2008 monatlich 21 € und für das Jahr 2009 monatlich 26 €. Dies führe zu einem Gesamtanspruch im Zeitraum von November 2007 bis Februar 2009 in Höhe von 334 €.
Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision stand.
Bei der Bemessung des unterhaltsrechtlich relevanten Einkommens der nicht erwerbstätigen Tochter ist auf ihren Taschengeldanspruch gegen ihren Ehemann abzustellen. Dass dabei mittelbar ihr Ehemann den Unterhalt zahlt, ist unbedenklich. Die Tochter kann von ihrem Ehemann die Zahlung eines Taschengeldes verlangen, auf dessen Verwendung der Ehemann keinen Einfluss hat (vgl. BGH, FamRZ 2004, 366) bzw. nicht haben sollte. Dieser Taschengeldanspruch beträgt nach der vom Bundesgerichtshof nicht beanstandeten instanzgerichtlichen Rechtsprechung 5 bis 7 Prozent des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens. Ähnlich formuliert der Bundesgerichtshof in der Entscheidung XII ZR 122/00 in Rn 28, dass jeder Ehegatte Anspruch auf einen angemessenen Teil des Gesamteinkommens als Taschengeld habe; als Bestandteil des Familienunterhalts richte sich der Taschengeldanspruch nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen; in der Regel werde eine Quote von 5 bis 7 Prozent des zur Verfügung stehenden Nettoeinkommens angenommen.
Ein Taschengeld in Höhe von jeweils 5 bis 7 Prozent des bereinigten Gesamteinkommens steht dabei jedem Ehegatten zu; beim Bedürftigen ist dieser Anspruch wiederum Teil seines Familienunterhaltsanspruchs.
Die Tochter ist allerdings nicht verpflichtet, den gesamten Taschengeldanspruch für den Unterhaltsanspruch ihrer Mutter einzusetzen. Insoweit hat der Bundesgerichtshof mit der Entscheidung XII ZR 43/11 festgestellt, dass dem Unterhaltspflichtigen vom Taschengeld ein Betrag in Höhe von 5 bis 7 % des Mindestselbstbehaltes des Unterhaltspflichtigen und vom überschießenden Betrag die Hälfte zu verbleiben hat. Diese Entscheidung wird überwiegend dahin ausgelegt, dass die 5 bis 7 % nach dem Familienselbstbehalt zu berechnen sind, da stets vom Familieneinkommen ein Betrag in Höhe des Familienselbstbehaltes freibleiben müsse. Der in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes genannte Selbstbehalt in Höhe von 1.400,00 € stelle ein offensichtliches Versehen dar. Dem schließt das Oberlandesgericht Braunschweig sich an. Es ist ein Selbstbehalt von seinerzeit 2.520,00 € (2.800,00 € abzüglich 10 % Synergieeffekt) zu berücksichtigen. Hiervon bleiben 5 % frei, also 126,00 €.
Verfügbar über diesem „Taschengeldselbstbehalt“ sind im Jahr 2007 monatlich 28,59 €, im Jahr 2008 monatlich 40,98 € und im Jahr 2009 monatlich 51,67 €. Hiervon ist nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur ein Betrag von etwa der Hälfte für den Unterhalt einzusetzen. Den Betrag wiederum rundet der Senat entsprechend den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Braunschweig auf den vollen € auf, so dass sich Unterhaltsansprüche im Jahr 2007 in Höhe von monatlich 15,00 €, im Jahr 2008 von monatlich 21,00 € und im Jahr 2009 von monatlich 26,00 € ergeben.
Oberlandesgericht Braunschweig, Urteil vom 16. Juli 2013 – 2 UF 161/09
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Aktualisiert zuletzt am
8.6.2015
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