Aachener Kanzlei für Familienrecht
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§ 17 VersAusglG verfassungswidrig?

Externe Teilung betrieblicher Versorgungen bei Scheidung

Nach Ansicht des OLG Hamm ist die sog. externe Teilung betrieb­licher Renten­anwartschaften bei Ehescheidung nach § 17 VersAusglG ungerecht und verfas­sungs­widrig. Sie verletze den Halbteilungsgrundsatz. Das OLG Hamm (II-10 UF 178/17) hat diese Rechtsfrage beim BVerfG vorgelegt, dort wird das Verfahren unter 1 BvL 5/18 behandelt.

Der Senat des OLG Hamm hält § 17 VersAusglG für verfassungswidrig, weil er bis zu einer sehr hohen Wertgrenze, die zudem noch allein anrechtsbezogen gilt und demnach mehrfach erreicht werden kann (vgl. BGH FamRZ 2016, 1435), eine annähernd gleiche Aufteilung des Erworbenen bei externer Teilung von Anrechten aus den sogenannten internen Durchführungswegen nicht gewährleistet und der abgebende Versorgungsträger dies ohne oder gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person durchsetzen kann.

Dieser Auffassung schließt sich der Deutsche Anwaltverein an, der bereits in seiner Initiativ-DAV-Stellungnahme 21/2013 eine Änderung von § 17 VersAusglG eingefordert hat.

Aus der Entscheidung des OLG Hamm:

Der Senat hält die Erweiterung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG durch § 17 VersAusglG für verfassungswidrig, da diese Erweiterung nach Ansicht des Senats gegen den sich aus Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 2 GG ergebenden Halbteilungsgrundsatz sowie den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) verstößt.

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1. Die hälftige Aufteilung des Altersversorgungsvermögens im Falle der Scheidung auf beide Ehegatten rechtfertigt sich nach der Rechtsprechung des BVerfG aus der aus  Art 6 Abs 1 i.V.m. Art 3 Abs. 2 GG folgenden gleichen Berechtigung am in der Ehe erworbenen Vermögen. Da die Leistungen der Ehegatten im gemeinsamen Unterhaltsverband als gleichwertig anzusehen sind, haben beide Ehegatten grundsätzlich auch Anspruch auf gleiche Teilhabe am gemeinsam Erwirtschafteten, das ihnen zu gleichen Teilen zuzuordnen ist. Dies entfaltet seine Wirkung auch nach Trennung und Scheidung. Dem entsprechen die gesetzlichen Regelungen über den Versorgungsausgleich. Nur wenn der Versorgungsausgleich aber wirklich zu einer gleichen Aufteilung des Erworbenen führt, ist der Halbteilungsgrundsatz gewahrt (vgl. Leitsätze 1a bis 1c des Beschlusses des BVerfG vom 2. Mai 2006 – 1 BvR 1275/97, FamRZ 2006, 1002). Dies hat das BVerfG in der zitierten Entscheidung für den Versorgungsausgleich alten Rechts verneint, soweit Anrechte mithilfe der BarwertVO unter Verwendung veralteter Sterbetafeln in Anrechte der gesetzlichen Rentenversicherung umgerechnet wurden und soweit teildynamische Anrechte wie statische Anrechte behandelt wurden (aaO, Rn. 13ff., 16ff.).

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2. Der Senat hält § 17 VersAusglG für verfassungswidrig, weil er bis zu einer sehr hohen Wertgrenze, die zudem noch allein anrechtsbezogen gilt und demnach mehrfach erreicht werden kann (vgl. BGH FamRZ 2016, 1435), eine annähernd gleiche Aufteilung des Erworbenen bei externer Teilung von Anrechten aus den sogenannten internen Durchführungswegen nicht gewährleistet und der abgebende Versorgungsträger dies ohne oder gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person durchsetzen kann.

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a) Über die Verfassungsmäßigkeit und die richtige Anwendung des § 17 VersAusglG ist in der Vergangenheit in Rechtsprechung und Literatur intensiv diskutiert worden. § 17 VersAusglG erlaubt den Versorgungsträgern bei Anrechten aus den sogenannten internen Durchführungswegen betrieblicher Altersversorgung (Direktzusage, Unterstützungskasse), wie dargelegt, bis zu einem wesentlich höheren Wert, als in § 14 VersAusglG vorgesehen (76.200,- € anstelle von 7.140,- €), die externe Teilung auch ohne die Zustimmung der ausgleichsberechtigten Person zu verlangen. Weil für die Berechnung der Wertgrenze ein Kapitalwert maßgeblich ist, besteht das Problem in den Unterschieden bei Ermittlung dieses Kapitalwertes durch den abgebenden Versorgungsträger einerseits  und der Umrechnung/Rückrechnung dieses Kapitalwertes in ein Rentenanrecht durch die aufnahmebereiten Zielversorgungsträger andererseits. Die Unterschiede resultieren aus der Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln (BGH FamRZ 2016, 781 Rn. 25), dem Anfall von Verwaltungskosten des Zielversorgungsträgers (außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung), ganz überwiegend aber auf der Verwendung unterschiedlicher Zinssätze (BGH, aaO, Rn. 26).

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Die Versorgungsträger von Anrechten im Sinne des § 17 VersAusglG ermitteln den Kapitalwert im Einverständnis des Gesetzgebers (BT-Drucks. 16/10144, 85; 16/11903, 56) für rückstellungsfinanzierte Anrechte in der Regel unter Verwendung des sog. “BilMoG-Zinssatzes”, der für die Handelsbilanz maßgeblich ist (§ 253 Abs. 2 HGB). Es handelt sich um den Durchschnittszinssatz der letzten 7 Geschäftsjahre (seit 2016: der letzten 10 Geschäftsjahre) für Rückstellungen mit einer Gesamtlaufzeit von 15 Jahren. Dieser Zinssatz wird gem. § 253 Abs. 2 S. 4 HGB von der Deutschen Bundesbank nach Maßgabe einer Rechtsverordnung (der Verordnung über die Ermittlung und Bekanntgabe der Sätze zur Abzinsung von Rückstellungen vom 18. November 2009 (BGBl. I S. 3790 - RückAbzinsV)) ermittelt und monatlich bekanntgegeben. Nach der Rechtsprechung des BGH ist für die Bewertung von betrieblichen Anrechten trotz der Gesetzesänderung im Jahr 2016 weiterhin der Durchschnittszinssatz der letzten 7 Geschäftsjahre maßgeblich (BGH FamRZ 2016, 2000, Rn. 31).

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b) Der Zinssatz nach § 253 Abs. 2 HGB orientiert sich an der durchschnittlichen Marktrendite von festverzinslichen, auf Euro lautenden Unternehmensanleihen mit hochklassigen Bonitätseinstufungen (Rating AA und Aa), also an einer zwar nicht vollständig risikolosen, aber nur mit einem sehr geringen Ausfallrisiko behafteten Kapitalanlage. Die Verwendung des BilMoG-Zinssatzes ist für einen nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs bilanzierenden Versorgungsträger zwingend vorgeschrieben. Dieser Zinssatz lag in den vergangenen Jahren seit Einführung des VersAusglG und liegt auch noch aktuell erheblich über demjenigen Zinssatz, mit dem festverzinsliche Anlagen in Deutschland verzinst werden können und mit dem in Deutschland die Anbieter von Altersvorsorgeprodukten das bei ihnen eingezahlte Altersvorsorgevermögen verzinsen (s. das Beispiel bei Hauß, Ist § 17 VersAusglG verfassungswidrig? in Familie – Ethik – Recht, Festschrift für Gerd Brudermüller zum 65. Geburtstag, München 2014, S. 277). Das gilt bei externer Teilung zumindest für die aufnahmebereiten Zielversorgungsträger: die ausgleichsberechtigte Person kann nach § 15 Abs. 1 VersAusglG die Zielversorgung selbst auswählen. Diese muss angemessen sein (§ 15 Abs. 2 VersAusglG), was für Versorgungen im Sinne des § 15 Abs. 4 VersAusglG gesetzlich vermutet wird. Zudem muss der gewählte Zielversorgungsträger einverstanden sein (§ 222 Abs. 2 FamFG). Danach ist zwar denkbar, dass die ausgleichsberechtigtte Person einen Träger einer betrieblichen Altersversorgung findet, welcher das Kapital mit denselben Umrechnungsfaktoren in ein Rentenanrecht umrechnet. Tatsächlich sind die betrieblichen Versorgungsträger aber - zu diesen Bedingungen - nicht aufnahmebereit (Hauß, FS Brudermüller, S. 283). Die Folge war, dass bei Verwendung des Zinssatzes zur Bestimmung des Kapitalwertes die Versorgungsträger des auszugleichenden Anrechtes höhere Zinserträge und damit einen niedrigeren Kapitalbedarf zur Finanzierung der Anrechte im Wege der Auf- und Abzinsung errechneten als die gewählten Zielversorgungsträger für die Berechnung der aus dem zu transferierenden Kapital an die ausgleichsberechtigte Person gegebenen Leistungszusage. Der Kapitalbedarf wird aus der Höhe der zugesagten Rente, multipliziert mit der statistisch zu erwartenden Rentenbezugsdauer der ausgleichspflichtigen Person unter Berücksichtigung einer möglichen Verzinsung einschließlich Zinseszins ermittelt. Ein über dem Marktdurchschnitt liegender BilMoG-Zins bewirkt, dass ein geringerer Kapitalbedarf für die Rentenzusage ermittelt wird, als tatsächlich auf dem Markt für die Begründung eines Rentenanrechts in gleicher Höhe und von gleicher Dauer für die ausgleichsberechtigte Person erforderlich ist. Eine entsprechende Wirkung haben auch unterschiedliche Sterbetafeln, weil aus ihnen die statistische Dauer der Rentenleistung ermittelt wird (vgl. BVerfG, FamRZ 2006, 1000, Rn. 14). Die Folge ist, dass die ausgleichsberechtigte Person bei unterstellten identischen biometrischen Faktoren mit der auslgeichspflichtigen Person (statistische Lebenserwartung) aufgrund der externen Teilung mit einer deutlich niedrigeren Rente rechnen muss, als der ausgleichspflichtigen Person aus dem geteilten Anrecht verbleibt. Eine Veränderung des Rechnungszinses um 1 % wirkt sich bei einer Anwartschaft mit mindestens 10 % auf die Höhe des Barwerts aus, bei jüngeren Anwärtern sogar noch deutlich stärker (BGH, FamRZ 2016, 781, Rn. 15 mwN). Der BGH hat diese Verwerfungen durch Gegenüberstellung von Zinssätzen im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 sichtbar gemacht (FamRZ 2016, 781, Rn. 26). Zwar haben sich danach der Abzinsungszinssatz und die laufende durchschnittliche Verzinsung deutscher Lebensversicherer scheinbar im Gleichschritt innerhalb einer Zinsspanne von weniger als einem Prozentpunkt nach unten entwickelt. Bei der Berechnung ergeben sich danach aber gravierende Unterschiede, weil die Anrechte bei den betrieblichen Versorgungsträgern mit dem BilMoG-Zins auf ihre statistische Gesamtlaufzeit hin ohne Veränderung berechnet sind (bei einem Ehezeitende im Dezember 2009 also durchgehend mit 5,25%), während in der privaten Lebensversicherung lediglich ein Garantiezins (Ende 2009: 2,25%; aktuell: 0,9%) abgesichert ist und sich die Beteiligung an Zinserträgen der Versorgungsträger mit deren Absinken ebenfalls verringert hat.  Aktuell verringern sich die Verwerfungen, weil auch der Durchschnittszinssatz auf Grundlage des § 253 Abs. 2 HGB in den vergangenen Jahren von ursprünglich 5,25% im Dezember 2009 auf aktuell 2,43% im September 2018 gesunken ist. Dieses Problem der Verwerfungen aufgrund unterschiedlicher Zinssätze trat und tritt nur bei externer, nicht aber bei interner Teilung auf. Denn bei interner Teilung verlangt § 11 Abs. 1 Nr. 2 VersAusglG, dass für die ausgleichsberechtigte Person ein Anrecht mit vergleichbarer Wertentwicklung entsteht, was bedingt, dass bei der Rückrechnung eines Kapitalwerts in ein Rentenanrecht wiederum mit demselben Zinssatz gerechnet werden muss wie für die ausgleichspflichtige Person. Bei interner Teilung kann der verwendete Zinssatz also nicht die beschriebene „Hebelwirkung“ entfalten.

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Dieses Problem wird auch nicht durch die Möglichkeit einer späteren Abänderung der Entscheidung zum Versorgungsausgleich nach § 225 FamFG abgemildert. Das liegt nicht allein daran, dass eine solche Abänderung im Hinblick auf § 32 VersAusglG ausscheidet. Es kann hier dahinstehen, ob eine Beschränkung der Abänderung von Teilungsvorgängen im Versorgungsausgleich auf die in § 32 VersAusglG aufgelisteten sogenannten Primärversorgungsanrechte, zu denen die hier betroffenen betrieblichen Anrechte nicht gehören, ihrerseits verfassungsgemäß ist (zur Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung von Härtefallregelungen auf die in § 32 VersAusglG genannten Anrechte s. BVerfGE 136, 152 = FamRZ 2014,1259). Denn im Hinblick auf die hier bestehende Umwertungsproblematik besteht schon kein Abänderungsgrund, weil dafür jedenfalls keine nachträgliche wesentliche Änderung eines in den Versorgungsausgleich bezogenenen Anrechts ursächlich ist (vgl. Hauß, FS Brudermüller, 284f.).

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c) Nachdem das Problem in der Literatur beschrieben worden war (Jaeger, FamRZ 2010,1714ff.; Hauß, FamRZ 2011, 88), hat es in der Rechtsprechung im Wesentlichen zwei verschiedene Ansätze gegeben, einer drohenden Verfehlung des Halbteilungsgrundsatzes bei Verwendung des BilMoG-Zinses zu begegnen. Während der Ansatz des OLG Hamm (Beschl. v. 6.2.2012 – 12 UF 207/10, FamFR 2012, 184 = FamRZ 2012, 1309) darin beruhte, durch einen Sachverständigen einen aktuell marktgerechten Zinssatz in die Kapitalwertberechnung anstelle des verwendeten BilMoG-Zinses ermitteln zu lassen und das Anrecht in Anwendung des § 42 VersAusglG mit einem entsprechend höheren Kapitalwert extern zu teilen bzw. wegen Überschreitens der Wertgrenze des § 17 VersAusglG die interne Teilung anzuordnen, lief ein vom OLG Nürnberg (Beschl. v. 31.1.2014 - 11 UF 1498/13 u.ö., z.B. FamRZ 2014, 1703) eingeschlagener Weg darauf hinaus, mit einem „abgemilderten“ BilMoG-Zinssatz, nämlich auf Grundlage einer historischen und verfassungskonformen Auslegung ohne den Aufschlag nach § 1 Satz 2, § 6 RückAbzinsVO  zu rechnen; diesem Weg hat sich das OLG Koblenz angeschlossen (z.B. OLG Koblenz, FamRZ 2015, 925). Die überwiegende Zahl der Oberlandesgerichte hat dagegen von einer Korrektur des Wertansatzes in den Fällen des § 17 VersAusglG abgesehen, weil sie nicht angezeigt sei (s. die Nachweise bei BGH, FamRZ 2016, 781, Rn. 33). In der Literatur hat darüber hinaus Ruland (Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 745) die Ansicht vertreten, in den Fällen des § 17 VersAusglG dürfe angesichts der Wertverzerrung eine externe Teilung nicht stattfinden.

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d) Der BGH, der sich eingehend mit den verschiedenen Ansichten in Rechtsprechung und Literatur auseinandergesetzt hat, hält die Verwendung des BilMoG-Zinssatzes auch im Versorgungsausgleich – ohne die Korrektur im Sinne des OLG Nürnberg - für zutreffend, und zwar aufgrund folgender Überlegungen (BGH FamRZ 2016, 781, Rn. 47ff.; FamRZ 2016, 2076 Rn. 13): Die Verwendung eines vom Rechnungszins beim handelsbilanziellen Wertansatz (nach unten) abweichenden Diskontierungszinssatzes zur Bewertung von Pensionsverpflichtungen im Versorgungsausgleich würde bei der Durchführung der externen Teilung zu einer wirtschaftlichen Mehrbelastung des Versorgungsträgers dergestalt führen, dass dem Unternehmen durch die ihm gegenüber dem Zielversorgungsträger auferlegte Zahlungspflicht Mittel in einer Höhe entzogen werden, denen keine wertentsprechende Teilauflösung der bilanziellen Rückstellung wegen der gegenüber der ausgleichspflichtigen Person eingegangenen Pensionsverpflichtung gegenübersteht. Die Wahrnehmung einer signifikanten Differenz zwischen dem BilMoG-Zinssatz und den Renditeaussichten der ausgleichsberechtigten Person, die den Ausgleichsbetrag in eine versicherungsförmige Zielversorgung einzahle, habe in den letzten Jahren in erster Linie darauf beruht, dass dem jeweils anzuwendenden BilMoG-Zinssatz kein an der aktuellen Marktlage orientierter Stichtagszinssatz, sondern ein über einen Siebenjahreszeitraum geglätteter Durchschnittszinssatz zugrunde liege. Mit seiner Entscheidung, für die Abzinsung von Rückstellungen einen geglätteten und keinen stichtagsbezogen aktuellen Marktzins zugrunde zu legen, habe der Gesetzgeber des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes die Interessen der bilanzierenden Unternehmen im Blick gehabt. Weil das Jahresergebnis - etwa für die Bonitätsbeurteilung der Unternehmen - Signalwirkung habe, sollten in der Rechnungslegung keine Ergebnisse ausgewiesen werden, deren hohe Volatilität auf Bewertungsvorgängen beruhe, die sich möglicherweise im Zeitablauf ausglichen, und zudem auf Verpflichtungen zurückgingen, die in der Regel erst in vielen Jahren zu erfüllen sind. Gleichwohl sei die Erwägung, Bewertungsergebnisse nicht durch kurzfristige Marktentwicklungen beeinflussen zu lassen, auch für die Bewertung im Versorgungsausgleich grundsätzlich tragfähig. Denn stark schwankende Zinsen können angesichts der Hebelwirkung des Diskontierungszinssatzes auf die Höhe des Barwerts in kürzester Zeit zu zufälligen und erheblichen Veränderungen dieses Barwerts führen und somit die gegenwärtigen Diskrepanzen durch andere, noch schwerer vermittelbare Stichtagseffekte ersetzen.

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e) An dieser Argumentation hält der erkennende Senat – mit Ruland (FamRZ 2016, 867, 869) – für richtig, dass für die Kapitalwertberechnung einer Rentenzusage kein besser begründbarer Zinssatz als der BilMoG-Zinssatz gefunden werden kann. Jede Kalkulation eines zukünftig in einem möglicherweise über viele Jahre reichenden Zeitraum durchschnittlich anfallenden Zinsertrags ist zwangsläufig mit erheblichen Unsicherheiten und Risiken behaftet. Aus diesem Grund erscheint es nachvollziehbar, die Berechnung mit einem geglätteten mehrjährigen Durchschnittszins vorzunehmen.

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f) Nach Ansicht des erkennenden Senats ändert dies aber nichts daran, dass gerade bei externer Teilung deutliche Risiken für überproportionale Transferverluste bei der ausgleichsberechtigten Person dadurch entstehen, dass, wie in den vergangenen Jahren, der abgebende Versorgungsträger mithilfe eines geglätteten, relativ gesehen hohen Durchschnittszinses den Kapitalwert berechnet, während die in Frage kommenden aufnehmenden Zielversorgungsträger ihrer Kalkulation einen nicht geglätteten, niedrigen Zins zum Zeitpunkt der Aufnahme des Kapitals zugrunde legen oder – wie die Deutsche Rentenversicherung – mit Umrechnungsfaktoren arbeiten, die nicht zum Erwerb eines gleichartigen Anrechts durch die ausgleichsberechtigte Person führen (vgl. Hauß, FS Brudermüller, S. 277). Das hat auch der BGH in seinen Entscheidungen zur Grundlage seiner weitergehenden Überlegungen gemacht. Wie schon die kontinuierlich negative Entwicklung des BilMoG-Zinses in den vergangenen neun Jahren gezeigt hat, ist auch ein geglätteter Durchschnittszinssatz ganz erheblichen Schwankungen unterworfen. Die Schwierigkeit besteht darin, dass ein Kapitaltransfer aus einem System, das mit einem geglätteten Durchschnittszinssatz rechnet, in ein System erfolgt, welches auf der Grundlage vorsichtiger Kalkulation nicht nur mit einem deutlich niedrigeren Garantiezins arbeitet, sondern, wie die vergangenen neun Jahre seit Einführung des VersAusglG gezeigt haben, durch die negative Zinsentwicklung, verbunden mit dem Gebot der sicheren Kapitalanlage kaum in der Lage ist, seine Versicherungsnehmer an nennenswerten Überschüssen zu beteiligen, zumal aus den Überschüssen vorrangig die Ansprüche aus Altverträgen mit deutlich höheren Garantiezinsen (bis zu 4%) befriedigt werden müssen. Bereits geringe Abweichungen des Zinssatzes zwischen Ausgangs- und Zielversorgungsträger führen aber zu erheblichen Auswirkungen, wie die Berechnungen von Jaeger (FamRZ 2010, 1714ff.) und die Berechnungen des Deutschen Anwaltvereins in der Stellungnahme vom 18.03.2013 (FamRZ 2013, 928ff.), welche dem Gesetzentwurf zur Abschaffung des § 17 VersAusglG (BT-Drucks. 18/3210) zugrunde lagen, exemplarisch zeigen (vgl. auch Hauß, FS Brudermüller, S. 277ff.; Wick, Versorgungsausgleich, 4. Aufl., Rn. 305 mwN Fn. 330). Die Differenz der zu erwartenden Renten aus dem geteilten Ehezeitanteil der betroffenen Anrechte hängt zwar in jedem Einzelfall auch vom Unterschied der biometrischen Faktoren (Altersunterschied) beider Ehegatten ab. Das ist aus Sicht des erkennenden Senats insoweit auch nicht zu beanstanden, weil das unterschiedliche Alter bei der Bewertung von Rentenzusagen auf Kapitalbasis im Hinblick auf Vorversterbenswahrscheinlichkeit und Anwartschaftszeitraum ein relevantes Unterscheidungskriterium darstellt, welches eine Gleichbehandlung auf Rentenbasis als nicht verfassungsrechtlich geboten erscheinen lässt. Die vorgenommenen Berechnungen, die diesen Unterschied ausklammern, kommen aber zu dem Ergebnis, dass bei identischen biometrischen Risiken die ausgleichsberechtigte Person eine jedenfalls bis weit über 50% niedrigere Rente aus dem übertragenden Anrecht zu erwarten hat, als der ausgleichspflichtigen Person verbleibt (vgl. OLG Nürnberg, FamRZ 2014, 1703, Rn. 42: monatlich 284,93 € statt 696,70 €, bei gleichzeitigem Verlust einer Invaliditäts- und Hinterbliebenenabsicherung; auch Ruland, FamRZ 2016, 867, 868). Diese Diskrepanz geht über den Wertunterschied noch hinaus, welcher seinerzeit der Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 1 BvR 1275/97 (BVerfG FamRZ 2006, 1000) zum Erfolg verholfen hat. Ein Ende dieser Entwicklung zeichnet sich angesichts einer weiter bestehenden Niedrigzinsphase zumindest für die in den vergangenen Jahren bereits entschiedenen Fälle nicht ab. Das lässt für nahezu alle ausgleichsberechtigten Personen, die seit Inkrafttreten des VersAusglG unter Anwendung des § 17 VersAusglG im Zuge ihrer Scheidung aufgrund externer Teilung an betrieblichen Anrechten ihrer Ehepartner beteiligt worden sind, erhebliche Transferverluste erwarten; Jaeger (FamRZ 2010, 1714ff.) geht von 90% der unter Anwendung des § 17 VersAusglG entschiedenen Fälle aus; der Deutsche Anwaltverein (FamRZ 2013, 928ff.) nimmt im Hinblick auf die Höhe des Transferverlustes eine Halbierung der Rente in 50% der Fälle an. Das bedeutet: auch dann, wenn man die externe Teilung nach der Argumentation des BGH nicht zu anderen Bedingungen zulassen kann, als vom Gesetzgeber auch geregelt (Verwendung des „BilMoG-Zinses“), ist damit noch nicht die Entscheidung darüber getroffen, ob unter diesen Bedingungen eine externe Teilung besonders werthaltiger Anrechte, wie in § 17 VersAusglG vorgesehen, zugelassen werden kann. Dies erfordert nach Ansicht des erkennenden Senats eine Abwägung unter Berücksichtigung der Intensität der Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes in Verbindung mit der Dauer der schädlichen Wirkung des § 17 VersAusglG einerseits, und dem mit der Vorschrift verfolgten Zweck andererseits.

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3) Die externe Teilung gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG sieht der Gesetzgeber dadurch als gerechtfertigt an, dass dadurch die Entstehung von Kleinstanrechten vermieden werden könne, indem das Kapital in eine für die ausgleichsberechtigte Person bestehende Versorgung fließe oder hilfsweise in der gesetzlichen Rentenversicherung gebündelt werde. Zudem würden die Kosten für die Verwaltung kleiner Anrechte vermieden (BT-Drucks. 16/10144, S. 58). Die höhere Wertgrenze des § 17 VersAusglG sieht der Gesetzgeber dagegen dadurch gerechtfertigt, dass bei der Teilung betrieblicher Anrechte aus den internen Durchführungswegen der Arbeitgeber, anders als bei Anrechten aus einem externen Durchführungsweg, unmittelbar mit den Folgen einer internen Teilung konfrontiert sei, also die Verwaltung der Ansprüche betriebsfremder Versorgungsempfänger übernehmen müsse. Das mögliche Interesse der ausgleichsberechtigten Person an der systeminternen Teilhabe müsse in diesen Fällen zurückstehen, bleibe aber insoweit gewahrt, als sie nach § 15 VersAusglG über die Zielversorgung entscheide, die durchaus auch bessere Bedingungen bieten könne als das zu teilende betriebliche Anrechte (BT-Drucks. 16/10144, S. 60). Der Gesetzgeber hat das Problem möglicher Transferverluste infolge der externen Teilung gesehen (BT-Drucks. 16/10144, 38). Er hat es sogar als Problem der Vergleichbarmachung im alten Recht auf Grundlage der BarwertVO beschrieben (BT-Drucks. 16/10144, S. 33f.). Im Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG sieht er aber praktische Erfordernisse das Interesse an einer optimalen Teilhabe überwiegen, im Falle des § 17 VersAusglG bewertet er die Interessen der Arbeitgeber höher als das Interesse der ausgleichsberechtigten Person an einer optimalen Teilhabe.

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Der BGH hält § 17 VersAusglG deshalb für verfassungsgemäß, weil dessen Anwendung nicht zu einer strukturellen, sondern nur zu einer zeitweiligen Ungleichbehandlung führe. Das hält der erkennende Senat zwar im Hinblick auf den absinkenden BilMoG-Zins für zutreffend. Nach Ansicht des erkennenden Senats reicht das aber für die Annahme der Verfassungsmäßigkeit des § 17 VersAusglG nicht aus. Das Problem sieht der erkennende Senat zum einen in einem viel zu hohen Grenzwert, welcher zu aus Sicht des Senats erheblichen und damit verfassungswidrigen Verletzungen des Halbteilungsgrundsatzes führen kann und auch schon geführt hat, und zum anderen darin, dass dieser Grenzwert auch noch nur anrechtsbezogen gilt, also in einem einzigen Versorgungsausgleichsverfahren auch noch mehrfach zu erheblichen Transferverlusten führen kann (vgl. BGH FamRZ 2016, 1435), schließlich in dem langen Zeitraum, in dem es unter Anwendung des § 17 VersAusglG zu erheblichen Verfehlungen des Halbteilungsgrundsatzes gekommen ist.

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4) Indem § 17 VersAusglG die Möglichkeit von Transferverlusten im vorliegend geschilderten Ausmaß bereits über einen Zeitraum von jedenfalls acht Jahren ermöglicht hat, verstößt er nach Ansicht des erkennenden Senats gegen das sich aus Art. 6 Abs. 1 iVm Art. 3 Abs. 2 GG folgende Gebot der gleichwertigen Teilhabe beider Ehegatten am während der Ehezeit erworbenen Altersvorsorgevermögen (Halbteilungsgrundsatz; vgl. BVerfG, Beschl. v. 2.5.2006 – 1BvR 1275/97, FamRZ 2006, 1000). Im Zusammenspiel mit § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG verstößt er zudem zugleich gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil es für die gesonderte Behandlung der in § 17 VersAusglG genannten Rechte in dem beschriebenen Korridor (Wertgrenze) keinen hinreichenden rechtfertigenden Grund gibt. Der erkennende Senat geht von einer teils schon realisierten (Renteneintritt der ausgleichsberechtigten Person), teils mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kommenden erheblichen Verletzung des Halbteilungsgrundsatzes in dem Zeitraum (maßgebliches Ehezeitende) aus, in dem der BilMoG-Zins den jeweils gültigen Garantiezins nach § 2 DeckungsrückstellungsVO um mehr als 2% überstiegen hat. Das war nach Ansicht des erkennenden Senats jedenfalls von September 2009 bis September 2017, also über einen Zeitraum von acht Jahren der Fall, als ein BilMoG-Zins von 2,91% einem Garantiezins von 0,9% gegenübergestanden hat. Das fußt darauf, dass der Sachverständige in dem Verfahren vor dem OLG Hamm (Beschl. v. 6.2.2012 – 12 UF 207/10, FamFR 2012, 184, Rn. 14) bei vorsichtiger Schätzung angenommen hat, dass überrechnungsmäßige Zinserträge (Überschussbeteiligungen) den (jeweiligen) Garantiezins im Durchschnitt um einen Prozentpunkt übersteigen (zur wechselseitigen Abhängigkeit von Garantiezins und Überschussbeteiligung vgl. auch Hauß, FS Brudermüller, S. 279). Das Überschreiten des zu erwartenden Ertrags der Zielversorgung um mehr als 1% führt im Zusammenspiel mit der Verwendung abweichender Sterbetafeln (vgl. BGH FamRZ 2016, 781 Rn. 25) zu einer zwangsläufigen Abweichung der Zielversorgung von der Ausgangsversorgung von mehr als 10%, was der Senat in Anlehnung an die Wesentlichkeitsgrenzen, welche in Abänderungsverfahren gelten (§§ 48, 238f. FamFG), auch vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BVerfG als verfassungsrelevante Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG einstuft.

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a) Das BVerfG hat allerdings eine Realteilung, die zum Entstehen gleich hoher Anrechte führt, nicht als verfassungsrechtlich geboten angesehen (vgl. BVerfG FamRZ 1986, 543ff.). Der Gesetzgeber ist danach verfassungsrechtlich nicht gehalten, die gerechteste und zweckmäßigste Regelung zu treffen (aaO, Rn. 59). Der BGH sieht in Bezugnahme hierauf den Halbteilungsgrundsatz bei externer Teilung im Sinne einer auf den Zeitpunkt der Scheidung bezogenen Tauschgerechtigkeit auch unter Berechnung des Kapitalwerts mit dem BilMoG-Zins als gewahrt an (BGH, FamRZ 2016, 781, Rn. 37ff). Etwaige Transferverluste aufgrund unterschiedlicher Zinssätze und biometrischer Grundlagen könnten etwa durch eine höhere Sicherheit des begründeten Anrechts im Hinblick auf eine Dynamik im Leistungsstadium bei einem Transfer in ein versicherungsförmiges Anrecht kompensiert werden. Das Kompensationsargument erscheint dem Senat deswegen nicht tragfähig zur Begründung der hier vorliegenden erheblichen Verwerfungen, weil es nur in seltenen Fällen zu Arbeitgeberinsolvenzen kommt, welche sich in der beschriebenen Weise auf das Ergebnis einer durchgeführten externen Teilung auswirken.

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b) Das BVerfG hat– bezogen auf Art. 3 Abs. 1 GG - ausgeführt (aaO Rn. 18):

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„Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, unter steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen können typisierende und generalisierende Regelungen notwendig sein. Dabei entstehende Härten und Ungerechtigkeiten müssen hingenommen werden, wenn die Benachteiligung nur eine kleine Anzahl von Personen betrifft und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Stehen die wirtschaftlichen Folgen einer solchen Regelung jedoch in einem Missverhältnis zu den mit der Typisierung verbundenen Vorteilen, so genügt diese dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG nicht (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Gleiches gilt für Typisierungen, die aus Praktikabilitätsgründen erfolgen (vgl. BVerfGE 21, 12 <27 f.>; 27, 220 <230>; 40, 65 <82>).“

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Diese Überlegungen schlagen nach Ansicht des erkennenden Senats auch auf den sich aus Art. 3 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG herzuleitenden Halbteilungsgrundsatz durch. Sie führen nach Ansicht des Senats zudem gleichzeitig dazu, dass § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG i.V.m. § 17 VersAusglG auch den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verletzt. Der erkennende Senat ist der Ansicht, dass die negativen Folgen der externen Teilung von Anrechten aus den internen Durchführungswegen i.S.d. § 17 VersAusglG ohne oder gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person nicht nur eine kleine Anzahl ausgleichsberechtigter Ehegatten treffen, sondern bislang über einen Zeitraum von acht Jahren zumindest 90% derjenigen, bei denen § 17 VersAusglG zur Anwendung gekommen ist (vgl. Jaeger, FamRZ 2010, 1714ff.). Es muss davon ausgegangen werden, dass hiervon eine mittlere fünfstellige Zahl an ausgleichsberechtigten Personen betroffen ist. Nach dem Geschäftsbericht der Versorgungsausgleichskasse für 2016 verwaltete diese Ende 2016 einen Gesamtbestand von 19.721 Versicherten. Auf der einen Seite ist davon auszugehen, dass ein Teil dieser Versicherungsverhältnisse unter Wahrung der Grenzen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG begründet worden ist. Auf der anderen Seite ist ist die Versorgungsausgleichskasse gem. § 15 Abs. 5 S. 2 VersAusglG nur sogenannter Auffangversorgungsträger in den Fällen, in denen die ausgleichsberechtigte Person keinen Zielversorgungsträger selbst benannt hat. Insoweit ist davon auszugehen, dass ein erheblicher Teil der betroffenen ausgleichsberechtigten Personen für einen anderen Zielversorgungsträger optiert hat, etwa, um dort bereits bestehende Anrechte auszubauen. Geht man von jahresdurchschnittlich 170.000 Scheidungen aus (Mittelwert der Jahre 2009-2017) und nimmt an, dass in nur 5% der betroffenen Fälle die Scheidung mit einer externen Teilung im Versorgungsausgleich unter Anwendung des § 17 VersAusglG verbunden war, sind von dieser Norm in den acht Jahren von September 2009 bis September 2017 insgesamt 68.000 Personen betroffen, wobei es jedenfalls in 90% der Fälle (61.200) zu wesentlichen Verletzungen des Halbteilungsgrundsatzes gekommen ist. Selbst wenn man hiervon einen Sicherheitsabschlag von 50% machen würde: es handelt sich nach Ansicht des erkennenden Senats ersichtlich nicht um eine kleine Zahl.

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Im Anwendungsbereich des § 14 VersAusglG ist nur ein Teil der Anrechte betroffen, wobei die dort geltenden Grenzwerte für eine externe Teilung auf Verlangen des Versorgungsträgers ohne Zustimmung der ausgleichsberechtigten Person nach Ansicht des erkennenden Senats  zu noch hinnehmbaren Transferverlusten führen. Der erkennende Senat ist aber weiter der Ansicht, dass der Verstoß gegen den Gleichheitssatz in den weitaus meisten Fällen, in denen der Grenzwert des § 14 VersAusglG überschrittten, derjenige des § 17 VersAusglG aber noch eingehalten wird, zumindest bis September 2017 auch eine verfassungsrechtlich relevante Intensität erreicht hat. Diese geht, wie die Berechnungen von Jaeger und Hauß und die Berechnungen, welche dem Gesetzentwurf zur Abschaffung des § 17 VersAusglG zugrunde liegen, und letztendlich auch der vom BGH (FamRZ 2016, 781) entschiedene Fall exemplarisch zeigen, über den vom Senat angesetzten Grenzwert von 10% teilweise sehr weit hinaus. Einzuräumen ist allenfalls, dass aktuell die Intensität mit dem Absinken des BilMoG-Zinses fortschreitend abnimmt, was aber die Gefahr einer wieder zunehmenden Intensität in der Zukunft nicht beseitigt. So wurde die bisherige Diskrepanz zwischen BilMoG-Zins und aktuellem Marktzins allein auf eine positive Zinsentwicklung in den Jahren 2008 und 2009 zurückgeführt, die sich auf den geglätteten Durchschnittszins der nachfolgenden Jahre erheblich ausgewirkt hat. Dieser Effekt kann sich jederzeit wiederholen. Der erkennende Senat ist weiter der Ansicht, dass die wirtschaftlichen Folgen der durch § 17 VersAusglG sehr weitreichend eröffneten externen Teilung in einem deutlichen Missverhältnis zu den mit der Vorschrift bezweckten Vorteilen stehen. Ziel des § 17 VersAusglG ist, den Trägern der betrieblichen Altersversorgung bei den internen Durchführungswegen in weitem Umfang zu ersparen, die geschiedenen Ehegatten ihrer Arbeitnehmer in ihr Versorgungssystem aufnehmen zu müssen. Die Aufnahme dieser geschiedenen Ehegatten in ihr Versorgungssystem würde die Versorgungsträger allerdings nicht wirtschaftlich belasten, weil sie bei interner Teilung deren Kosten je hälftig auf die Arbeitnehmer und ihre Ehegatten umlegen können (§ 13 VersAusglG) und bei der Schaffung eines Anrechts für die ausgleichsberechtigte Person im Übrigen deren biometrische Faktoren der Berechnung der zu zahlenden Rente in genau der gleichen Weise zugrunde legen können wie bei der ausgleichspflichtigen Person. Die Aufnahme betriebsfremder Pesonen in ihr Versorgungssystem wäre für die Träger der betrieblichen Altersversorgung im Übrigen auch kein Novum, wie sich am Beispiel  der Hinterbliebenenversorgung zeigt (vgl. Hauß, FS Brudermüller, S. 286). Der erkennende Senat hält es daher für unzumutbar, dass das Ziel einer – weitgehend – gleichwertigen Teilhabe am Altersvorsorgevermögen im Falle der Scheidung dem Interesse der Träger der betrieblichen Altersversorgung in einem derart wirtschaftlich einschneidenden Umfang untergeordnet wird. Die entstehenden Transferverluste sind zu hoch und sie treten in zu vielen Fällen ein, um im dargestellten Umfang durch typisierende und generalisierende Regelungen zur Ordnung von Massenerscheinungen gerechtfertigt zu sein; dies insbesondere deshalb, weil die Massenerscheinung auch bei einer deutlichen Absenkung des Grenzwerts und seiner einmaligen Anwendung auf sämtliche betrieblichen Anrechte der ausgleichspflichtigen Person – im Sinne einer internen Teilung - ebenfalls geordnet wäre.

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5) Der Senat verkennt nicht, dass sich im vorliegenden Fall die Verzinsung des Anrechts des Antragsgegners bei der V nicht nach dem zum Ehezeitende maßgeblichen BilMoG-Zins, sondern nach dem Garantiezins der für das Anrecht abgeschlossenen Rückdeckungsversicherung richtet, der, bezogen auf den Stichtag zum Ehezeitende, mit 3,25% sogar noch über dem entsprechenden stichtagsbezogenen BilMoG-Zins (3,12%) lag. Dies ändert nur nichts daran, dass auch bei der vorliegenden Sonderkonstellation eine externe Teilung gegen den Willen der Antragstellerin nur dann möglich ist, wenn § 17 VersAusglG verfassungsgemäß ist. Davon geht der Senat, wie dargelegt, nicht aus.

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6) Der Senat geht davon aus, dass dem Problem weder durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 17 VersAusglG, noch durch Anwendung des § 42 VersAusglG begegnet werden kann.

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a) Zwar hält der Senat, wie dargelegt, die externe Teilung betrieblicher Anrechte aus den internen Durchführungswegen gegen den Willen der ausgleichsberechtigten Person nicht grundsätzlich für verfassungswidrig, sondern vielmehr in den durch § 14 Abs. 2 Nr. 2 VersAusglG gezogenen Wertgrenzen angesichts der dann hinnehmbaren, geringeren Verwerfungen für noch tragbar. Die Wertgrenze des § 17 VersAusglG erscheint dem Senat dagegen wesentlich zu hoch und angesichts des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift auch nicht durch verfassungskonforme Auslegung absenkbar. Das wird auch daran deutlich, dass nach den Ausführungen der V bereits der Kapitalwert von 7.522,86 €, welcher den Anwendungsbereich des § 17 VersAusglG eröffnet, eine Rentenerwartung (der ausgleichspflichtigen Person) in Höhe von 155,- € monatlich repräsentiert.

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b) Ein verfassungskonformes Ergebnis lässt sich aus Sicht des Senats nach der überzeugenden Begründung durch den BGH aber auch nicht dadurch erreichen, dass – etwa über die Anwendung des § 42 VersAusglG – dem Versorgungsträger für die Wertermittlung im Versorgungsausgleich, abweichend von der handelsbilanziellen Bewertung, die Verwendung eines stichtagsbezogenenen, marktgerechten Zinssatzes bei externer Teilung aufgegeben wird. Das hätte seinerseits, wie der BGH überzeugend dargelegt hat, Friktionen mit dem handelsbilanziellen Ansatz der Rückstellungen für das betroffene Anrecht zur Folge. Zudem besteht das Problem, einen für das jeweilige Ehezeitende passenden marktgerechten Zinssatz zu ermitteln (vgl. auch Ruland, FamRZ 2016, 867, 869). Jede Verwendung eines nicht geglätteten Zinssatzes sähe sich ihrerseits im Hinblick auf die Grundrechte der Versorgungsträger (Art. 12 und 14 GG) verfassungsrechtlichen Bedenken ausgesetzt, soweit die externe Teilung auf ihrer Grundlage durchgeführt würde. Es muss letztlich auch mit der Möglichkeit gerechnet werden, dass bei einer Ermittlung durch verschiedene Sachverständige unterschiedliche und damit auch schwer vermittelbare Ergebnisse, verbunden mit einem entsprechenden Prognoserisiko, erzielt würden. Zudem würde eine solche Handhabung gerade nicht den Erfordernissen des „Massengeschäfts“ Versorgungsausgleich gerecht. Sie wäre schlicht in der Praxis nicht umsetzbar.

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c) Auch folgt der Senat der Begründung des BGH dafür, dass nicht mit einem modifizierten BilMoG-Zinssatz gerechnet werden kann. Der BGH sieht hierfür die vom OLG Nürnberg gefundene Begründung (vgl. OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.1.2014 - 11 UF 1498/13, Rn. 51), hierdurch werde der BilMoG-Zinssatz auf eine quasi risikolose Komponente beschränkt, was sich dadurch rechtfertige, dass der Versorgungsträger zukünftig die Zahlung von Beiträgen zur Insolvenzsicherung für die halbierte Rentenzusage erspare, mangels eines inneren Zusammenhangs zwischen dem Risikozuschlag und dem Beitrag zur Insolvenzsicherung nicht als tragfähig an (BGH, aaO, Rn. 53).

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7) Folge der vom erkennenden Senat angenommenen Verfassungswidrigkeit des § 17 VersAusglG ist, dass nach Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage einzuholen ist, ob § 17 VersAusglG verfassungswidrig ist.

Aus der Stellungnahme des Deutschen Anwaltvereins aus August 2019 dazu:

Im Ergebnis bleibt daher festzuhalten, dass die vom Gesetzgeber in § 17 VersAusglG eröffnete Möglichkeit, ehezeitlich erworbene Versorgungsanrechte der betrieblichen Altersversorgung, die im Durchführungsweg der Direktzusage oder betrieblichen Unterstützungskasse erfolgt, in Abhängigkeit vom Scheidungszeitpunkt und zur Wahlmöglichkeit der Zielversorgung zur Benachteiligung der ausgleichsberechtigten Person führt.
19 Dies ist umso gravierender, als § 17 VersAusglG einen hohen Grenzwert für die externe Teilung zulässt. Derzeit beträgt der Grenzwert des § 17 VersAusglG 80.400 €. Der Durchschnittsverdiener erzielt bei 40 Jahren Erwerbstätigkeit eine Rente in Höhe von 1.322 € (40 x 33,05). Der Kapitalwert dieser Rente beträgt derzeit knapp 290.000 €. Die externe Teilung einer Versorgung bis zu einem Wert von knapp 30% einer Durchschnittsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in ein Versorgungssystem mit meist deutlich geringeren Rentenerwartungen, stellt eine Verletzung der das eheliche Güter- und Versorgungsrecht prägende Halbteilungsprinzips dar.
Eine Begründung für den gegenüber § 14 II VersAusglG fast elffach höheren Grenzwert für die Zulassung der externen Teilung ist nicht erkennbar. Das Argument, bei der Direktzusage und einer Versorgung aus einer betrieblichen Unterstützungskasse sei dem Versorgungsträger die Verwaltung von Anrechten betriebsfremder Personen nicht zuzumuten11, versagt. Diese Versorgungen gewähren nahezu immer auch eine Hinterbliebenenversorgung und leisten damit ohnehin an ‚betriebsfremde‘ Personen. Bei diesen Versorgungszusagen handelt es sich auch häufig um große betriebliche Versorgungssysteme12, in denen professionelle Verwaltungsstrukturen herrschen.

Aktualisiert am 30.08.2019

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