Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Berliner Testament und 2. Ehe

Kommt oft vor: das "Berliner Testament", ein gemeinsames Testament von Eheleuten, bei dem die Kinder "warten müssen", bis der zweite stirbt.

Aber was, wenn der Witwer neu heiratet? Und er dann die neue Ehefrau beschenkt oder ihr etwas vermacht? Haben die Kinder dann noch Rechte? Ja - sagt das OLG Hamm.

Ein nach dem Tode seiner ersten Ehefrau durch ein gemeinschaftliches Testament verpflichteter Ehemann kann durch die Bestimmung seiner Kinder zu Schlusserben an der schenkweisen oder testamentarischen Übertragung seines Vermögens an seine zweite Ehefrau gehindert sein. Ausgehend hiervon hat der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm die Aufteilung des Vermögens eines Erblassers zwischen seiner beschenkten und mit einem Vermächtnis bedachten zweiten Ehefrau und den zu Schlusserben bestimmten Kindern aus erster Ehe geregelt und damit das erstinstanzliche Urteil des Landgerichts Arnsberg vom 10.12.2015 (Az. 4 O 283/15 LG Arnsberg) im Wesentlichen bestätigt.

 

Die heute 54 Jahre alte Klägerin aus dem Kreis Soest ist die zweite Ehefrau des im Jahre 2015 im Alter von 71 Jahren verstorbenen Erblassers. Dieser war Chefarzt in einem Krankenhaus in Hamm. Im Jahre 1995 verfassten der Erblasser und seine erste Ehefrau ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben einsetzten und ihre drei Kinder, zwei in den Jahren 1967 und 1981 geborene Söhne und eine im Jahr 1969 geborene Tochter, zu Schlusserben bestimmten. Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb im Jahre 1997.

 

Mit seiner zweiten Ehefrau vereinbarte der Erblasser im Jahr der Eheschließung, 2001, einen Erb- und Pflichtteilsverzicht. Zeitgleich schenkte er ihr eine im Jahre 2000 für 210.000 DM erworbene, in Rheinland-Pfalz gelegene Eigentumswohnung. Im Jahre 2003 beendete der mit gesundheitlichen Einschränkungen belastete Erblasser seine berufliche Tätigkeit. In diesem Jahr spendete ihm die Klägerin eine Niere.

 

Mit einem im Jahr 2014 errichteten Testament bestimmte der Erblasser u.a., die Klägerin solle nach seinem Tode als Vermächtnis eines seiner beiden Mietshäuser erhalten. Einige Wochen vor seinem Tode vereinbarte der Erblasser mit seiner Bank, bei der er ein Termingeldkonto mit einem Guthaben in Höhe von ca. 159.000 Euro unterhielt, dass der Klägerin das Guthaben nach seinem Tode zustehen solle.

 

Nach seinem Tode stritten die Klägerin und die von ihr verklagten drei Kinder des Erblassers aus erster Ehe über die Schenkungen und Verfügungen des Erblassers zu Gunsten der Klägerin. Die Klägerin hat sodann die gerichtliche Klärung beantragt, nach der ihr die Beklagten das ihr vom Erblasser vermachte Mietshaus zu übertragen hätten und sie den Beklagten ihr zugewandte Vermögensgegenstände nicht zurück zu geben habe.

 

Die Klage war nur zum Teil erfolgreich. Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat zu Gunsten der Klägerin festgestellt, dass sie die in Rheinland-Pfalz gelegene Eigentumswohnung nicht zurück zu übertragen hat. Das weitergehende Klagebegehren hat der Senat abgewiesen.

Ein Anspruch auf Herausgabe der in Rheinland-Pfalz gelegenen Eigentumswohnung hätten die Beklagten nicht, so der Senat. Die schenkweise Überlassung dieser Wohnung durch den Erblasser an die Klägerin beeinträchtige die Beklagten als Schlusserben nicht. Insoweit sei - im Wege einer Gesamtbetrachtung - zu berücksichtigen, dass die Klägerin zeitgleich mit der Erlangung der Eigentumswohnung auch einen die Beklagten begünstigenden Pflichtteilsverzicht erklärt habe.

 

Überdies lasse sich auch nicht feststellen, dass die Schenkung ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers erfolgt sei, so dass auch diese Voraussetzung für einen Rückübertragungsanspruch der Erben fehle. Der bereits seit den 1990er Jahren unter gesundheitlichen Einschränkungen leidende Erblasser habe sich 2001 die künftige Unterstützung und Pflege durch die Klägerin sichern wollen. Dem medizinisch versierten Erblasser sei seinerzeit bewusst gewesen, dass sich sein Gesundheitszustand nicht verbessern, sondern nur verschlechtern würde. Es sei naheliegend, dass der Erblasser bei der Übertragung der Eigentumswohnung die Vorstellung gehabt habe, dass die Klägerin als approbierte Krankenschwester ihn künftig unterstützen und gegebenenfalls pflegen würde. Für diesen Bindungswillen spreche zudem, dass die Schenkung durch eine mögliche Ehescheidung auflösend bedingt gewesen sei. Sie sei daher durch ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers begründet.

 

Das vom Termingeldkonto entnommene Guthaben habe die Klägerin demgegenüber den Beklagten zu erstatten. Der Erblasser habe den die Beklagten benachteiligenden und die Klägerin begünstigenden Vertrag mit seiner Bank ohne ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse abgeschlossen. Die hinsichtlich der Schenkung der Eigentumswohnung in Rheinland-Pfalz angestellten Überlegungen seien auf die erst Jahre später erfolgte Zuwendung des Termingeldes nicht übertragbar. Die Schenkung des Termingeldes sei vielmehr missbräuchlich gewesen, weil sie auf eine Korrektur der im gemeinschaftlichen Ehegattentestament von 1995 angelegten Vermögensverteilung hinauslaufe, die der Erblasser im Jahre 2015 nicht mehr gewollt habe. Schon nach der Darstellung der Klägerin habe der Erblasser mit der Zuwendung vorrangig die Klägerin versorgen und im Alter absichern wollen. Insoweit habe er überwiegend im Fremdinteresse der Klägerin und nicht im eigenen Interesse gehandelt. Es sei ihm darum gegangen, sein Vermögen nach seinem Tode anders zu verteilen als es durch das gemeinschaftliche Testament im Jahre 1995 festgelegt worden sei.

 

Ein Anspruch auf Übertragung des Mietshauses stehe der Klägerin ebenfalls nicht zu. Zwar habe ihr der Erblasser diese Immobilie mit dem im Jahre 2014 errichteten Testament als Vermächtnis vermacht. Das Vermächtnis sei jedoch unwirksam, weil der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments durch das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1995 bereits in seiner Testierfreiheit beschränkt gewesen sei. Er habe die Rechte der Beklagten als Schlusserben durch das Vermächtnis beeinträchtigt. Hierzu sei der Erblasser nach dem Tode seiner Ehefrau nicht mehr befugt gewesen. Ab diesem Zeitpunkt habe er die im gemeinschaftlichen Testament getroffenen wechselbezüglichen Verfügungen, zu denen die Schlusserbeneinsetzung der Beklagten zähle, nicht mehr einseitig widerrufen können.

 

Rechtskräftiges Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 07.03.2017 (Az. 10 U 5/16 OLG Hamm)

 

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