Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Das familiengerichtliche Verfahren (FamFG)

Das niedersächsische Familienministerium zusammen mit dem Justizministerium hat aus Anlaß der Einführung des FamFG eine 132-seitige Broschüre herausgegeben. Der Inhalt gilt bundesweit und richtet sich eher an die professionellen Akteure als an die Eltern selbst, bietet aber denen, die sich als Laie mit der Materie vertraut machen wollen, einen sehr umfassenden Einstieg. Dem ist nichts hinzuzufügen, daher biete ich Ihnen hier diese Broschüre zum Lesen und Herunterladen an.

 

Aus dem Einführungstext:

„Die vorliegende Broschüre soll dabei helfen, sich mit den Neuregelungen vertraut zu machen, und gleichzeitig gegenseitiges Verständnis für die jeweilige Sichtweise der professionellen Akteure wecken, denn die mit der Einführung des FamFG verbundenen Ziele können nur in Kooperation und im Verständnis einer gemeinsamen Verantwortung für das Wohl der betroffenen Kinder erreicht werden.

Die Darstellungen beschränken sich auf die für Kinder häufig besonders belastenden Verfahren wegen Trennung und Scheidung auf der einen und Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung auf der anderen Seite. Wenn Eltern sich trennen, stellt sich regelmäßig die Frage, wie Sorge- und Umgangsrecht für die gemeinsamen Kinder geregelt werden sollen. Können die Eltern sich hierüber nicht einigen, rufen sie ggf. das Familiengericht an. Die eingeleiteten Verfahren sind dann häufig von Konflikten auf der Elternebene bestimmt, was zu Verfahrensverzögerungen und –erschwernissen führen kann. In Verfahren wegen Trennung und Scheidung steht deshalb die Stärkung der  Selbststeuerungskompetenzen und der Einigungsfähigkeit der Beteiligten im Vordergrund.

Bei Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung geht es dagegen nicht in erster Linie darum, einen Konflikt zwischen den Eltern aufzulösen sondern vielmehr darum, eine bestehende oder drohende Gefährdung des Kindes so schnell und effektiv wie möglich abzuwenden.

Trotz dieser Unterschiede liegt den Neuregelungen des Verfahrens in Kindschaftssachen eine einheitliche Philosophie zugrunde: Im Vordergrund steht das – möglichst zeitnahe – Finden von kindeswohldienlichen Antworten, nicht die Entscheidung über Sieg und Niederlage der am gerichtlichen Verfahren Beteiligten."

Informationsschrift des Niedersächsischen Familienministerium und Justizministeriums
Das familiengerichtliche Verfahren
bei Trennung und Scheidung
und bei Verfahren wegen
Kindeswohlgefährdung.
Zu Aufgaben und Vorgehen
der professionellen Akteure
nach dem FamFG.
Familiengerichtliches_Verfahren_bei_Tren[...]
PDF-Dokument [2.3 MB]

Die 2-Wochen-Frist des § 137 FamFG

BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 447/10 - OLG Oldenburg
AG Nordhorn
a) Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen.
b) Bei einer den genannten Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung haben die Ehegatten einen Anspruch auf Terminsverlegung. In diesem Fall bedarf es einer Terminsverlegung nicht, wenn sie Folgesachen noch bis zur münd-lichen Verhandlung anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestand-teil des Scheidungsverbunds.
c) Zur rechtzeitigen Geltendmachung einer Folgesache genügt es, wenn diese innerhalb der gesetzlichen Frist vor dem Verhandlungstermin anhängig gemacht wird, auf den die Scheidung ausgesprochen wird.

Psychologische Gutachten: Begleitperson oder Tonaufzeichnung erlaubt

 

Ein aufgrund einer gerichtlichen Anordnung medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Verfahrensbeteiligter hat das Recht, eine Begleitperson zu einem Untersuchungstermin bzw. einem Explorationsgespräch des Sachverständigen mitzubringen. Die Begleitperson darf sich allerdings nicht äußern oder sonst am Verfahren beteiligen. Das hat jetzt das OLG Hamm entschieden.

 

In einem Umgangsverfahren sollte der Kindesvater durch eine Psychologin begutachtet werden. Der Kindesvater kannte die Sachverständige schon aus dem vorangegangenen Verfahren und wollte sie wegen Befangenheit ablehnen. Das misslang ihm.

Dann wollte er gern das Gespräch aufzeichnen oder eine Begleitperson als Zeugen mitbringen. Beides verwehrte ihm die Sachverständige.

Darauf lehnte er sie wieder wegen Befangenheit ab. Das OLG Hamm traf eine salomonische Entscheidung: zwar gebe es aus Gesetz oder Rechtsprechung  keinen Rechtsanspruch auf Tonaufzeichnung oder Begleitperson – und deshalb sei das Verhalten der Sachverständigen kein Befangenheitsgrund.

 

Zugleich hat das OLG Hamm die Sachverständige angewiesen, bei ihren Gesprächen mit dem Kindesvater einen Zeugen oder eine Tonaufzeichnung zuzulassen.

 

Andernfalls habe ein zu Begutachtender, so der Senat, keine Möglichkeit, gegenüber Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Behaupte er nach dem Vorliegen des schriftlichen Gutachtens ein in diesem in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend dargestelltes Explorationsgespräch, werde sich der Sachverständige in der Regel auf die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen berufen.

Wenn dann nicht ausnahmsweise objektive Umstände deren Unrichtigkeit belegen würden, habe der Beteiligte ohne das Hinzuziehen einer später als Zeuge zur Verfügung stehenden Begleitperson keine Möglichkeit, die von ihm behauptete Unrichtigkeit zu beweisen.

Gegenüber diesem wesentlichen Verfahrensgesichtspunkt müsse die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsgangs durch die bloße Anwesenheit einer Begleitperson hingenommen werden. Eine etwaige Beeinflussung könne der gerichtliche Sachverständige zudem in seinem Gutachten thematisieren, so dass das Gericht diesen Umstand bei seiner Entscheidung würdigen könne.

Der Begleitperson sei allerdings eine Beteiligung am Untersuchungsgespräch durch Fragen, Vorhalte oder sonstige Äußerungen nicht zu gestatten, andernfalls wäre eine Störung oder Beeinflussung der medizinischen oder psychologischen Begutachtung zu befürchten.

 

OLG Hamm, Beschl. v. 02.02.2015 - 14 UF 135/14

Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 13.03.2015

Herausnahme eines Kindes wegen Erziehungsunfähigkeit nur nach qualifiziertem SV-Gutachten

Welche Qualifikationen muss ein familienpsychologischer Gutachter haben? Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass das Familiengericht in Verfahren wegen möglicher Kindeswohlgefährdung eine ausreichende Qualifikation für die Erstellung psychologischer Gutachten sicherstellen muss. Bei der Trennung von Säugling und Mutter muss unter Umständen ein Psychologe oder Facharzt bestellt werden.

 

Der Fall

Die im September 2018 geborene Tochter wurde kurz nach der Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen und einer Pflegefamilie übergeben. Bereits im Mai 2018 war das vorliegende Verfahren aufgrund einer Gefährdungsanzeige eingeleitet worden und zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern die Einholung eines familienpsychologischen Gutachtens angeordnet worden. Die Gutachterin führte zu ihrer Qualifikation aus, sie sei Diplom-Sozialpädagogin mit einer Ausbildung als Sachverständige beim Institut für Lösungsorientierte Arbeit in Bielefeld.

 

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

Die erfolgreiche Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Entscheidung an das Familiengericht.

Das bereits vorgeburtlich eingeleitete Gerichtsverfahren leidet an einem wesentlichen Mangel: Für eine Entscheidung waren aufwändige Ermittlungen, u.U. auch durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, erforderlich (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz wurden die den Beschluss begründenden Tatsachen nicht hinreichend zuverlässig aufgeklärt.

Das FamG hat sich dem Gutachten und dem Vortrag vorbehaltlos ohne kritisches Hinterfragen der fachlichen Qualifikation der Sachverständigen angeschlossen. Angeordnet war ein psychologisches Gutachten; die bestellte Sachverständige ist Diplom-Sozialpädagogin und lediglich „als Sachverständige ausgebildet“.

Die Zusatzqualifikation für die Erstattung psychologischer Gutachten in Kindeswohlgefährdungsverfahren wurde nicht bewertet. Gerade im Falle des § 163 Abs. 1 Satz 2 FamFG wird zusätzlich die entsprechend erworbene Berufserfahrung vorausgesetzt. Ein Hinterfragen der Qualifikation der Sachverständigen wäre hier umso notwendiger gewesen.

Denn psychologische Gutachten treffen Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern anhand von psychologischen Kenntnissen, basierend auf psychologischer Diagnostik, Methodenlehre und Analyse.

Vorliegend kommt hinzu, dass der denkbar schärfste Eingriff in das Elternrecht der Mutter in Rede steht - Wegnahme eines Neugeborenen - und die Mutter 2011 wegen des Verdachts einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis psychiatrisch (teil-)stationär behandelt wurde. Der stärkste Eingriff in das Elternrecht muss in Gegenüberstellung zur Erziehungsfähigkeit der Mutter durch einen erfahrenen Gutachter bewertet werden, der Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist.

Eine - jedenfalls die Fortdauer der Fremdunterbringung des Kindes verfassungsrechtlich rechtfertigende - Kindeswohlgefährdung wird nicht indirekt durch die von der Sachverständigen erhobenen Anschlusstatsachen oder davon unabhängig mittels vom Familiengericht festgestellter Tatsachen belegt. Dies gilt nach dem sich nunmehr darbietenden Erkenntnisstand umso mehr, als der Mutter jetzt vom Jugendamt doch ermöglicht wurde, mit dem Kind eine entsprechende Einrichtung zu beziehen.

Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die Sachverständige - was somit auch gegen ihre ausreichende fachliche Qualifikation spricht - im Termin ausdrücklich die Alternative einer gemeinsamen Unterbringung verworfen hat, weil dieses auf jüngere Mütter ausgerichtet sei, die noch unsicher im Umgang mit dem Kind seien.

 

Folgerungen aus der Entscheidung

Im Rahmen des angeforderten Gutachtens sind Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern zu beurteilen, da es sich um den schwersten Eingriff in das Elternrecht handelt. Das Gericht hat die Pflicht, die Qualifikation des Sachverständigen zu prüfen. Ein erfahrener Sachverständiger, der Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, muss die Erziehungsfähigkeit der Mutter begutachten.

Der Senat weist insbesondere darauf hin, dass die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind in einer entsprechenden Einrichtung selbst dann fortzuführen ist, wenn die Fortschritte der Mutter nicht zufriedenstellend sind; sie also aus Sicht der Einrichtung und/oder des Jugendamts nicht ausreichend an sich arbeite und deren Geduld strapaziere, solange die Mutter die Grundregeln der Einrichtung beachtet.

Wenn und solange diese Unterbringungsform zur Abwendung der hier vordringlichen Kindeswohlgefährdung noch ausreichend geeignet ist, kann sie nicht zugunsten einer intensiver in das Elternrecht der Mutter eingreifenden Hilfeform eingestellt werden.

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2018 – 6 UF 112/18

 

Wirksame Zustellung einer Umgangsvereinbarung

Die nach § 87 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustellung einer gerichtlich gebilligten Umgangsvereinbarung im Ordnungsmittelverfahren ist nur dann wirksam, wenn sie im Amtsbetrieb durch das Familiengericht erfolgt. Eine Zustellung lediglich im Beteiligtenbetrieb (Parteibetrieb) ist nicht ausreichend.

Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt ist. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG beschränkt ihrem Wortlaut nach das Zustellungserfordernis zwar nur auf Beschlüsse, so dass vertreten wird, dass die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG über dessen Wortlaut hinaus dahingehend auszulegen ist, dass nicht nur Beschlüsse, sondern auch weitere Vollstreckungstitel wie gerichtlich gebilligte Vergleiche zum Umgang nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 156 Abs. 2 FamFG der Zustellung vor der Vollstreckung bedürfen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11; juris Rdn. 5; Giers in Keidel, FamFG, 19. Aufl, 2017, § 87 Rdn. 12; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 87 FamFG, Rdn. 4; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 87 Rdn. 9). Einer solchen, über den Wortlaut hinausgehende Auslegung bedarf es aber nur dann, wenn nicht der gerichtliche Billigungsbeschluss, der den Vergleich erst vollstreckbar macht, sondern auch der Vergleich selbst als Vollstreckungstitel betrachtet wird. Vollstreckungstitel wird die einvernehmliche Regelung über den Umgang erst dann, wenn das Gericht diese durch Beschluss billigt (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG). Mithin ist jedenfalls der Beschluss über die gerichtliche Billigung zuzustellen. Da die Vollstreckung aber auch einen Vergleich voraussetzt, ist nicht nur der Billigungsbeschluss sowie der hierin in Bezug genommene Vergleich zuzustellen. § 87 Abs. 2 FamFG ist dahingehend auszulegen, dass er der Zustellung sowohl des Billigungsbeschlusses als auch des Vergleichs bedarf. Die Zustellung hat eine Warnfunktion und bietet dem Vollstreckungsschuldner gleichzeitig rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren (vgl. Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 11).

OLG Oldenburg: Beschluss vom 10.8.2018 11 WF 104/18

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7.1.2019

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