BGH, Beschluss vom 21. März 2012 - XII ZB 447/10 - OLG Oldenburg
AG Nordhorn
a) Das Familiengericht hat den Termin in einer Scheidungssache so zu bestimmen, dass es den beteiligten Ehegatten nach Zugang der Ladung möglich ist, unter Einhaltung der Zweiwochenfrist nach § 137
Abs. 2 Satz 1 FamFG eine Folgesache anhängig zu machen. Zur Vorbereitung eines Antrags muss den Ehegatten zusätzlich eine Woche zur Verfügung stehen.
b) Bei einer den genannten Vorgaben nicht entsprechenden Terminsbestimmung haben die Ehegatten einen Anspruch auf Terminsverlegung. In diesem Fall bedarf es einer Terminsverlegung nicht, wenn sie
Folgesachen noch bis zur münd-lichen Verhandlung anhängig machen. Die Folgesachen werden dann Bestand-teil des Scheidungsverbunds.
c) Zur rechtzeitigen Geltendmachung einer Folgesache genügt es, wenn diese innerhalb der gesetzlichen Frist vor dem Verhandlungstermin anhängig gemacht wird, auf den die Scheidung ausgesprochen
wird.
Psychologische Gutachten: Begleitperson oder Tonaufzeichnung erlaubt
Ein aufgrund einer gerichtlichen Anordnung medizinisch oder psychologisch zu begutachtender Verfahrensbeteiligter hat das Recht, eine Begleitperson zu einem
Untersuchungstermin bzw. einem Explorationsgespräch des Sachverständigen mitzubringen. Die Begleitperson darf sich allerdings nicht äußern oder sonst am Verfahren beteiligen. Das hat jetzt das OLG
Hamm entschieden.
In einem Umgangsverfahren sollte der Kindesvater durch eine Psychologin begutachtet werden. Der Kindesvater kannte die Sachverständige schon aus dem vorangegangenen
Verfahren und wollte sie wegen Befangenheit ablehnen. Das misslang ihm.
Dann wollte er gern das Gespräch aufzeichnen oder eine Begleitperson als Zeugen mitbringen. Beides verwehrte ihm die
Sachverständige.
Darauf lehnte er sie wieder wegen Befangenheit ab. Das OLG Hamm traf eine salomonische Entscheidung: zwar gebe es aus Gesetz oder Rechtsprechung keinen Rechtsanspruch auf Tonaufzeichnung oder Begleitperson – und deshalb sei das Verhalten der Sachverständigen kein
Befangenheitsgrund.
Zugleich hat das OLG Hamm die Sachverständige angewiesen, bei ihren Gesprächen mit dem Kindesvater einen Zeugen oder eine Tonaufzeichnung zuzulassen.
Andernfalls habe ein zu Begutachtender, so der Senat, keine Möglichkeit, gegenüber Wahrnehmungsfehlern des Sachverständigen
effektiven Rechtsschutz zu erlangen. Behaupte er nach dem Vorliegen des schriftlichen Gutachtens ein in diesem in tatsächlicher Hinsicht unzutreffend dargestelltes Explorationsgespräch, werde sich
der Sachverständige in der Regel auf die Richtigkeit seiner Aufzeichnungen berufen.
Wenn dann nicht ausnahmsweise objektive Umstände deren Unrichtigkeit belegen würden, habe der Beteiligte ohne das Hinzuziehen einer später als Zeuge zur Verfügung
stehenden Begleitperson keine Möglichkeit, die von ihm behauptete Unrichtigkeit zu beweisen.
Gegenüber diesem wesentlichen Verfahrensgesichtspunkt müsse die Besorgnis einer etwaigen Beeinflussung des Untersuchungsgangs durch die bloße Anwesenheit einer
Begleitperson hingenommen werden. Eine etwaige Beeinflussung könne der gerichtliche Sachverständige zudem in seinem Gutachten thematisieren, so dass das Gericht diesen Umstand bei seiner Entscheidung
würdigen könne.
Der Begleitperson sei allerdings eine Beteiligung am Untersuchungsgespräch durch Fragen, Vorhalte oder sonstige Äußerungen nicht zu gestatten, andernfalls wäre eine
Störung oder Beeinflussung der medizinischen oder psychologischen Begutachtung zu befürchten.
OLG Hamm, Beschl. v. 02.02.2015 - 14 UF 135/14
Quelle: OLG Hamm, Pressemitteilung v. 13.03.2015
Welche Qualifikationen muss ein familienpsychologischer Gutachter haben? Das OLG Saarbrücken hat entschieden, dass das
Familiengericht in Verfahren wegen möglicher Kindeswohlgefährdung eine ausreichende Qualifikation für die Erstellung psychologischer Gutachten sicherstellen muss. Bei der Trennung von Säugling und
Mutter muss unter Umständen ein Psychologe oder Facharzt bestellt werden.
Der Fall
Die im September 2018 geborene Tochter wurde kurz nach der Geburt vom Jugendamt in Obhut genommen und einer Pflegefamilie
übergeben. Bereits im Mai 2018 war das vorliegende Verfahren aufgrund einer Gefährdungsanzeige eingeleitet worden und zur Frage der Erziehungsfähigkeit der Eltern die Einholung eines
familienpsychologischen Gutachtens angeordnet worden. Die Gutachterin führte zu ihrer Qualifikation aus, sie sei Diplom-Sozialpädagogin mit einer Ausbildung als
Sachverständige beim Institut für Lösungsorientierte Arbeit in Bielefeld.
Wesentliche Aussagen der Entscheidung
Die erfolgreiche Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache zur
erneuten Entscheidung an das Familiengericht.
Das bereits vorgeburtlich eingeleitete Gerichtsverfahren leidet an einem wesentlichen Mangel: Für eine Entscheidung waren
aufwändige Ermittlungen, u.U. auch durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens, erforderlich (§ 69 Abs. 1 Satz 3 FamFG). Unter Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz wurden die den
Beschluss begründenden Tatsachen nicht hinreichend zuverlässig aufgeklärt.
Das FamG hat sich dem Gutachten und dem Vortrag vorbehaltlos ohne kritisches Hinterfragen der fachlichen Qualifikation der
Sachverständigen angeschlossen. Angeordnet war ein psychologisches Gutachten; die bestellte Sachverständige
ist Diplom-Sozialpädagogin und lediglich „als Sachverständige ausgebildet“.
Die Zusatzqualifikation für die Erstattung psychologischer Gutachten in
Kindeswohlgefährdungsverfahren wurde nicht bewertet. Gerade im Falle des § 163 Abs. 1 Satz 2 FamFG wird zusätzlich die entsprechend erworbene Berufserfahrung
vorausgesetzt. Ein Hinterfragen der Qualifikation der Sachverständigen wäre hier umso notwendiger gewesen.
Denn psychologische Gutachten treffen Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes aufgrund
eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern anhand von psychologischen Kenntnissen, basierend auf psychologischer Diagnostik, Methodenlehre und Analyse.
Vorliegend kommt hinzu, dass der denkbar schärfste Eingriff in das Elternrecht der
Mutter in Rede steht - Wegnahme eines Neugeborenen - und die Mutter 2011 wegen des Verdachts einer Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis psychiatrisch (teil-)stationär behandelt wurde. Der
stärkste Eingriff in das Elternrecht muss in Gegenüberstellung zur Erziehungsfähigkeit der Mutter durch einen erfahrenen Gutachter bewertet werden, der
Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist.
Eine - jedenfalls die Fortdauer der Fremdunterbringung des Kindes verfassungsrechtlich rechtfertigende -
Kindeswohlgefährdung wird nicht indirekt durch die von der Sachverständigen erhobenen Anschlusstatsachen oder davon unabhängig mittels vom Familiengericht festgestellter Tatsachen belegt.
Dies gilt nach dem sich nunmehr darbietenden Erkenntnisstand umso mehr, als der Mutter jetzt vom Jugendamt doch ermöglicht wurde, mit dem Kind eine entsprechende
Einrichtung zu beziehen.
Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, als die Sachverständige - was somit auch gegen
ihre ausreichende fachliche Qualifikation spricht - im Termin ausdrücklich die Alternative einer gemeinsamen Unterbringung verworfen hat, weil dieses auf jüngere Mütter ausgerichtet sei, die noch
unsicher im Umgang mit dem Kind seien.
Folgerungen aus der Entscheidung
Im Rahmen des angeforderten Gutachtens sind Aussagen zu Art, Schwere und Wahrscheinlichkeit einer Schädigung des Kindes
aufgrund eingeschränkter Erziehungsfähigkeit der Eltern zu beurteilen, da es sich um den schwersten Eingriff in das Elternrecht handelt. Das Gericht hat die Pflicht, die Qualifikation des
Sachverständigen zu prüfen. Ein erfahrener Sachverständiger, der Diplom-Psychologe oder Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ist, muss die Erziehungsfähigkeit der Mutter
begutachten.
Der Senat weist insbesondere darauf hin, dass die gemeinsame Unterbringung von Mutter und Kind in einer entsprechenden
Einrichtung selbst dann fortzuführen ist, wenn die Fortschritte der Mutter nicht zufriedenstellend sind; sie also aus Sicht der Einrichtung und/oder des Jugendamts nicht ausreichend an sich arbeite
und deren Geduld strapaziere, solange die Mutter die Grundregeln der Einrichtung beachtet.
Wenn und solange diese Unterbringungsform zur Abwendung der hier vordringlichen
Kindeswohlgefährdung noch ausreichend geeignet ist, kann sie nicht zugunsten einer intensiver in das Elternrecht der Mutter eingreifenden Hilfeform eingestellt werden.
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 16.10.2018 – 6 UF 112/18
Die nach § 87 Abs. 2 FamFG erforderliche Zustellung einer gerichtlich
gebilligten Umgangsvereinbarung im Ordnungsmittelverfahren ist nur dann wirksam, wenn sie im Amtsbetrieb durch das Familiengericht erfolgt. Eine Zustellung lediglich im Beteiligtenbetrieb
(Parteibetrieb) ist nicht ausreichend.
Gemäß § 87 Abs. 2 FamFG darf die Vollstreckung nur beginnen, wenn der Beschluss bereits zugestellt ist oder gleichzeitig zugestellt ist. Die Vorschrift des § 87 Abs. 2
FamFG beschränkt ihrem Wortlaut nach das Zustellungserfordernis zwar nur auf Beschlüsse, so dass vertreten wird, dass die Vorschrift des § 87 Abs. 2 FamFG über dessen Wortlaut hinaus dahingehend
auszulegen ist, dass nicht nur Beschlüsse, sondern auch weitere Vollstreckungstitel wie gerichtlich gebilligte Vergleiche zum Umgang nach § 86 Abs. 1 Nr. 2 FamFG i.V.m. § 156 Abs. 2 FamFG der
Zustellung vor der Vollstreckung bedürfen (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 16.12.2016, 15 WF 22/16, juris Rdn. 6; OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.11.2011, 5 WF 151/11; juris Rdn. 5; Giers in Keidel,
FamFG, 19. Aufl, 2017, § 87 Rdn. 12; Feskorn in Zöller, ZPO, 32. Aufl., 2018, § 87 FamFG, Rdn. 4; Hammer in Prütting/Helms, FamFG, 4. Aufl., 2018, § 87 Rdn. 9). Einer solchen, über den Wortlaut
hinausgehende Auslegung bedarf es aber nur dann, wenn nicht der gerichtliche Billigungsbeschluss, der den Vergleich erst vollstreckbar macht, sondern auch der Vergleich selbst als Vollstreckungstitel
betrachtet wird. Vollstreckungstitel wird die einvernehmliche Regelung über den Umgang erst dann, wenn das Gericht diese durch Beschluss billigt (vgl. § 156 Abs. 2 FamFG). Mithin ist jedenfalls der
Beschluss über die gerichtliche Billigung zuzustellen. Da die Vollstreckung aber auch einen Vergleich voraussetzt, ist nicht nur der Billigungsbeschluss sowie der hierin in Bezug genommene Vergleich
zuzustellen. § 87 Abs. 2 FamFG ist dahingehend auszulegen, dass er der Zustellung sowohl des Billigungsbeschlusses als auch des Vergleichs bedarf. Die Zustellung hat eine Warnfunktion und bietet dem
Vollstreckungsschuldner gleichzeitig rechtliches Gehör im Vollstreckungsverfahren (vgl. Giers in Keidel, FamFG, aaO, § 87 Rdn. 11).
OLG Oldenburg: Beschluss vom 10.8.2018 11 WF 104/18