Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Jugendamtsurkunde zur Anerkennung von Kindesunterhalt

Was ist eigentlich eine Jugendamtsurkunde?

 

Angenommen, die Eltern sind sich einig, dass der Vater für das Kind monatlich einen bestimmten Betrag zu zahlen hat, der sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt. Freiwillig und pünktlich zahlt er.

Dann hat das Kind (vertreten durch die Mutter) dennoch das Recht, auch eine Sicherheit für diese Verpflichtung zu verlangen. Sicherheiten schaffen Juristen mit Hilfe „vollstreckbarer Titel". Ein solcher Titel ist die Jugendamtsurkunde. In dieser Urkunde erkennt der Vater an, dass er dem Kind den bestimmten Betrag schuldet. Die Mutter kann verlangen, dass der Vater dieses Anerkenntnis abgibt, denn es ist kostenfrei. Tut der Vater dies auf Aufforderung nicht, kann er auf Unterhalt verklagt werden, obwohl er bis dahin immer freiwillig gezahlt hat - und muss dann die Verfahrenskosten tragen. Es ist also immer anzuraten, die Urkunde auf Anforderung zu errichten!

 

Was muss ich als Unterhaltsberechtigter tun?

 

Sie fordern den Unterhaltspflichtigen auf, in einer bestimmten Höhe eine Jugendamtsurkunde errichten zu lassen und setzen eine Frist, bis zu der das geschehen sein muss. Wählen Sie die Frist nicht kürzer als vier Wochen, weil man einen früheren Termin beim Urkundsbeamten des Jugendamtes vielleicht nicht bekommt.

 

Wenn der Unterhaltspflichtige das nicht tut?

 

Die Weigerung wird so verstanden, dass der Pflichtige sich nicht rechtlich binden will. Daraus wird die Besorgnis abgeleitet, dass die bislang freiwillige Zahlung eingestellt werden könnte. Diese Besorgnis rechtfertigt bereits die Klageerhebung.
Selbst wenn der Unterhaltspflichtige den Unterhaltsanspruch im Gerichtsverfahren unverzüglich anerkennt, werden ihm doch die Kosten des Verfahrens auferlegt, denn er hat durch sein Verhalten Anlass zur Klageerhebung gegeben. Der Unterhaltsberechtigte kann also Unterhaltsklage einreichen, obwohl bisher gezahlt wurde und die Höhe nicht streitig ist.

 

Was muss ich als Zahlungspflichtiger tun?

 

Zunächst: Keine Unterschrift ohne anwaltlichen Rat! Wenn Sie nämlich einen Zahlbetrag anerkannt haben, kann es schwierig bis unmöglich werden, eine Abänderung zu bekommen, wenn Ihre Verhältnisse sich später ändern. Dazu unten mehr.

 

Dann: Sie müssen bei Ihrem örtlichen Jugendamt einen Termin vereinbaren, dort die Angaben zur Person und zum Kind machen und mitteilen, nach welcher Einkommensgruppe der „Düsseldorfer Tabelle" Sie freiwillig zahlen wollen.

 

Die vollstreckbare Ausfertigung der Jugendamtsurkunde wird dann durch das Jugendamt an den kinderbetreuenden Elternteil geschickt.

 

Was, wenn wir über die Höhe nicht einig sind?

 

Dann ist trotzdem die Anerkennung beim Jugendamt (erstmal) der richtige Weg. Der Verpflichtete lässt das eintragen, was er für richtig hält. Gestritten wird dann nur noch um den „Spitzenbetrag", um die Differenz. Das macht den Streitwert des Gerichtsverfahrens kleiner (wird billiger). Auch das muss aber mit anwaltlichem Schriftverkehr begleitet werden.

 

Wie lange gilt die Jugendamtsurkunde?

 

Die Urkunden sind in der Regel nicht befristet. Dadurch gelten sie sogar über die Zeit der Minderjährigkeit hinaus. Aber: Nach Volljährigkeit wird der Unterhaltsanspruch in den meisten Fällen geringer: auch der andere Elternteil, der das Kind betreut hat, ist zum Barunterhalt verpflichtet. Ab Volljährigkeit des Kindes wird das Kindergeld vollständig auf den Unterhaltsbedarf angerechnet. Ausbildungsvergütung wird im wesentlichen auch auf den Bedarf angerechnet.

Daher empfehle ich meinen Mandanten, die Urkunde ausdrücklich auf die Zeit der Minderjährigkeit zu befristen!

Wer das nicht tut, läuft in eine Falle - siehe unten.

 

Verändert sich der Betrag, der tituliert wurde?

 

Die Düsseldorfer Tabelle sieht vor, dass am 6., 12. (und 18.) Geburtstag automatisch mehr Bedarf fürs Kind gezahlt werden muss. Außerdem wird der Mindestunterhalt, der die Berechnungsbasis der Tabelle ist, vom Gesetzgeber alle zwei Jahre angepasst. Außerdem kann die Kindergeldhöhe sich gesetzlich ändern. Die meisten Jugendamtsurkunden sind „dynamisch", d.h. es wird kein fester Euro-Betrag tituliert, sondern z.B. „120% des Mindestunterhaltes des am 9.12.2012 geborenen Kindes unter Anrechnung des halben Kindergeldes". Ändern sich die Bezugsgrößen, ändert sich automatisch der Zahlbetrag, ohne dass die Beteiligten etwas tun müssen.

 

Es gibt einige Fälle, in denen ich meinen Mandanten in Abweichung davon empfehle, statisch zu titulieren, also einen genauen Betrag anzuerkennen, der sich nicht ändert.

 

Was passiert, wenn sich Umstände ändern?

 

Angenommen, der Vater hat "120% des Mindestunterhaltes" anerkannt. Dann hatte er bis 2017 zwischen 2.701 € und 2.700 € unterhaltsrelevantes Einkommen, ab 2018 zwischen 3.101-3.500 € unterhaltsrelevantes Einkommen. Sein Einkommen kann sich ändern, nach oben oder unten. Die Parteien können dann einvernehmlich die alte Urkunde außer Kraft setzen und eine neue schaffen. Sind sie aber uneinig, muss derjenige eine Abänderungsklage erheben, der eine Änderung zu seinen Gunsten will.

 

Achtung: Die Änderung gilt nicht rückwirkend, auch wenn die Veränderung der Umstände schon länger zurückliegt.

 

Was tun, wenn nicht gezahlt wird?

 

Die „vollstreckbare Ausfertigung der Jugendamtsurkunde" ist ein wichtiges Dokument, das für den Tag X verwahrt werden muss, an dem die Zahlung nicht eingeht. Dann kann man mit anwaltlicher Hilfe aus ihr vollstrecken. Bei der Vollstreckung hat man die Wahl wie bei jedem anderen Zahlungstitel: Gerichtsvollzieher, Bankkontopfändung, Arbeitgeberpfändung usw. - was einem am aussichtsreichsten erscheint. Die Kosten der Vollstreckung musss der Unterhaltsgläubiger vorstrecken (oder VKH), aber sie erhöhen die Schulden, die vollstreckt werden.

 

Kann man auch beim Notar anerkennen?

 

Ja auch der Notar kann den Unterhalt titulieren. Das ist nicht ganz kostenfrei, weil eine Auslagenpauschale anfällt. Die notarielle Form rate ich an, wenn die 08/15-Vorgabe des Jugendamt-Formulares nicht passt, weil es Abweichungen vom Normalfall gibt, z.B. eine Befristung wegen absehbarer Änderungen, oder wenn die Vereinbarung im Zusammenhang mit anderen Vereinbarungen (Ehegattenunterhalt, Zugewinn etc.) steht.

 

Geht das auch für Volljährige?

 

Es gibt auch nach Volljährigkeit die kostenfreie Möglichkeit, bei dem Jugendamt eine neue Jugendamtsurkunde errichten zu lassen, nämlich bis zum 21. Lebensjahr.

 

Achtung, Falle!

Keine einseitige Änderung möglich

Rechengrundlage muss festgehalten sein

Wenn Sie ein Mal durch eine unbefristete Jugendamtsurkunde eine Unterhaltshöhe anerkannt haben, können Sie das einseitig nicht mehr ändern. In einem Fall des AG Düren hatten sich beim Vater die Verhältnisse geändert, so dass er zum Jugendamt ging, sich eine „Mangelfallberechnung“ erstellen ließ und nun statt der 100% nur noch niedrigere Beträge anerkannt.

 

Das klappt so nicht, sagt das OLG Köln, und macht deutlich, dass eine Abänderung zugunsten des Pflichtigen auch in einem Gerichtsverfahren nur klappen kann, wenn er die Berechnungsgrundlagen und deren tatsächliche Veränderung nachweisen kann. Daraus ziehen wir bitte den Schluss: Keine Jugendamtsurkunde ohne vorherige anwaltliche Unterhaltsberechnung zur Kenntnis der Gegenseite!

 

OLG Köln: „Das Amtsgericht hat verkannt, dass nach §§ 59 Abs. 1 Nr. 3 , 60 SGB VIII errichtete Jugendamtsurkunden als Vollstreckungstitel keine materielle Rechtskraft begründen, weshalb sie auch nicht den Beschränkungen des § 238 FamFG unterliegen, die auf der Rechtskraft eines abzuändernden Unterhaltstitels beruhen (BGH, Urteil vom 04.05.2011 - XII ZR 70/09, FamRZ 2011, 1041 -1045, zitiert nach [...] Rn. 23; Zöller/Lorenz, ZPO , 30. Aufl., § 239 FamFG Rn. 3). Der Umfang der Abänderung einer Vereinbarung oder einer vollstreckbaren Urkunde richtet sich gemäß § 239 Abs. 2 FamFG allein nach materiellem Recht. Unterhaltsvereinbarungen oder Jugendamtsurkunden, denen eine Vereinbarung der Beteiligten zugrunde liegt, sind zwar auch danach nicht frei abänderbar. Eine Abänderung kommt nur dann in Betracht, wenn diese wegen nachträglicher Veränderungen nach den Grundsätzen über den Wegfall oder die Änderung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB ) geboten ist.

Fehlt es hingegen an einer solchen Vereinbarung, weil die Jugendamtsurkunde einseitig erstellt wurde, kommt eine materiell-rechtliche Bindung an eine Geschäftsgrundlage nicht in Betracht (BGH, a.a.O., Rn. 24). Für Beteiligte, die an der Erstellung der Jugendamtsurkunde nicht mitgewirkt haben, scheidet auch eine sonstige Bindung aus; sie können im Wege des Abänderungsantrags ohne Bindung an die vorliegende Urkunde einen höheren Unterhalt verlangen (BGH, a.a.O., Rn. 25 m.w.N.). So liegt der Fall hier. Es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die antragstellenden Kinder oder ihre gesetzliche Vertreterin an der Errichtung der Jugendamtsurkunden vom 05.08.2013 beteiligt gewesen wären. Aus den Urkunden geht hervor, dass der Antragsgegner vor der Urkundsperson erschienen war; weitere Personen werden nicht genannt.

(…)

Die Jugendamtsurkunden vom 20.05.2011 sind auch nicht durch die am 05.08.2013 vor dem Jugendamt der StädteRegion B2 errichteten Jugendamtsurkunden ersetzt bzw. abgeändert worden. Bei den Urkunden vom 20.05.2011 handelt es sich um vollstreckbare Jugendamtsurkunden gemäß §§ 59 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 , 60 SGB VIII , deren Abänderung sich nach § 239 FamFG richtet. Dabei stellt § 239 FamFG die einzige verfahrenrechtliche Möglichkeit dar, um eine Jugendamtsurkunde formell wirksam abzuändern. Die Herabsetzung des in einer Jugendamtsurkunde titulierten Unterhaltsanspruchs kann nicht durch eine neue Jugendamtsurkunde bzw. Abänderungsurkunde erfolgen, sondern nur durch Einreichung eines Abänderungsantrags nach § 239 FamFG (Prütting/Helmes/Bömelburg, FamFG , 3. Aufl., § 239 Rn. 20, vgl. zu § 323 ZPO a.F.: OLG Brandenburg, Beschluss vom 12.10.2005 - 9 UF 108/05 , zitiert nach [...] Rn. 11; AG Aachen, Urteil vom 25.10.2002 - 21 F 218/02, FamRZ 2003, 461, zitiert nach [...] Rn. 21 f.; AG Halle-Saalkreis, Urteil vom 02.04.2004 - 28 F 2355/03, FamRZ 2005, 284, zitiert nach [...]; Wieczorek/Schütze/Büscher, ZPO -Großkommentar, 3. Aufl., § 323 Rn. 122).

Da die Wirkung der urkundlichen Abänderung vom 05.08.2013 somit ins Leere geht, könnte sich der Antragsgegner auch gegen eine Vollstreckung der Antragsteller aus den Jugendamtsurkunden vom 20.05.2011 nicht mir Erfolg unter Berufung auf die Abänderungsurkunden zur Wehr setzen. Der Durchsetzung etwa eines hierauf gestützten Vollstreckungsgegenantrags stünde entgegen, dass den Jugendamtsurkunden vom 20.05.2011 - wie ausgeführt - die Rechtswirksamkeit nur durch ein Abänderungsverfahren gemäß § 239 FamFG genommen werden könnte (vgl. AG Aachen, a.a.O.).

 

OLG Köln - Beschluss vom 31.03.2015 (26 WF 7/15)

 

Abänderung wegen neuer Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle 2018

Ob die Neugestaltung der DT 2018 eine Abänderung bestehender Titel erlaubt, kann ich Ihnen zurzeit noch nicht sagen. Es gibt dazu viel Meinung, noch keine Rechtsprechung (Stand Ende 02/2018).

 

Zu berücksichtigen ist folgendes:

 

1. Handelt es sich um eine gerichtliche Verurteilung?

Das ist günstig, weil die Abänderungsschwelle des § 238 FamFG niedriger als bei § 239 FamFG liegt und weil die Rechengrundlage klar ist. Die Neufassung des § 238 FamFG hat gegenüber 323 ZPO sprachlich klargestellt, dass auch die Änderung der höchstrichterlichen rechtsprechung ein verfahren zulässig macht, soweit also ok. Fraglich ist aber, ob die nötige "Abänderungsschwelle" erreicht ist, denn die Veränderung muss nach Abs. 4 "wesentlich" sein. Die Änderung der Einkommensgruppen ansich ist schon wesentlich, aber es kommt auf die Auswirkungen an. Hier geistern verschiedene Prozenthürden durch die Literatur (5%? 10%).

3000 € Vater-Einkommen ergab 2017 für ein 15j. Kind bei der Mutter einen Zahlbetrag von 456 € (120%), und ergäbe 2018 441 € (115%). Faktisch also eine Senkung um 15 € und damit deutlich weniger als 5%. Selbst in der höchsten Einkommensgruppe kommt man bei einem Kind also nicht über die Schwelle. Interessant ist die Frage, ob die Änderungsbeiträge bei mehreren Kindern an dieser Stelle addiert werden, weil ja jedes Kind ein eigenen Verfahrensgegner ist, keine Gesamtgläubigerschaft.

 

2. Handelt es sich um einen gerichtlichen Vergleich oder um eine notarielle Vereinbarung?

Dann ist nach § 239 FamFG vorzugehen und es ist die Abweichung von den Vorstellungen der Parteien maßgeblich. Bei gesetzlichem Unterhalt gilt § 313 BGB (Wegfall der Geschäftsgrundlage). Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut (so langjährige BGH-Formulierung). Bei Unterhaltsvereinbarungen wird der Geschäftswille der Vertragsparteien dabei regelmäßig auf der gemeinschaftlichen Erwartung vom Fortbestand einer bestimmten Rechtslage aufgebaut sein (vgl. BGH 25. 11.2009 - XII ZR 8/08 ). Bei äquivalenzstörender Veränderung ist eine Anpassung an den (ggf. hypothetischen) Parteiwillen vorzunehmen, sofern der benachteiligten Partei ein Festhalten an der bisherigen Regelung nicht zuzumuten ist.

Ist die Einkommensgruppe, die dem titulierten Prozentsatz entspricht, Teil der Vorstellungen gewesen? In der Praxis sicherlich. Der Kindesunterhalt wird ja fast immer an die DüssTab angelehnt.

Für das Abänderungsverfahren ist es allerdings schon eine Zulässigkeitshürde, wenn die Vorstellungen nie aktenkundig geworden sind. Daher müsste man argumentieren, wenn die DüssTab irgendwie im Schriftverkehr in Bezug genommen wurden, dass die Gruppierung nach Einkommen durchaus zu den beiderseitigen Vorstellungen gehörte. Vielleicht ist diese Hürde in der Praxis gar nicht so hoch.

Aber: Auch eine schwerwiegende Veränderung der Vertragsgrundlage ist unerheblich, wenn ein Festhalten an der Vereinbarung nicht unzumutbar ist, so BGH - Beschluss vom 11.02.2015 (XII ZB 66/14). Wie bei § 238 FamFG wird also auch hier eine Wesentlichkeitsgrenze beachtet werden.

Und dann – siehe oben.

 

3. Handelt es sich um eine einseitige Unterwerfung (JA-Urkunde, not. Schuldanerkenntnis?).

Der Sache nach gilt hier nicht § 239 I FamFG, wenn der Urkunde keine Vereinbarung der Parteien zugrunde liegt (könnte sich aus dem außergerichtlichen anwaltlichen Schriftverkehr ergeben – dazu unten).

Sonst: Der Schuldner ist materiellrechtlich gebunden. Der Titel ist zugleich Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB.

Was er zur Abänderung vortragen muss, ist streitig:

Meinung a): Heutige Unrichtigkeit genügt. Wenn in der Urkunde keine Grundlagen genannt sind, muss der Schuldner nur vortragen, dass der Titel nicht mit der materiellen Rechtslage übereinstimmt – so OLG Nürnberg Beschluss vom 14.10.2003 (10 WF 3007/03). Das wäre ja der Fall, wenn das bereinigte Einkommen nach der DüssTab einem anderen Zahlbetrag entspräche.

Problem: Die DüssTab ist kein materielles Recht, hat keine Gesetzeskraft, ist nur Empfehlung. Kann das Ergebnis also überhaupt „unrichtig“ sein? Gegenrede: In der Praxis wird die DüssTab gehandhabt, also ob es ein Gesetz sei.

Meinung b) Jede Veränderung berechtigt zur Abänderung: Wegen der Einseitigkeit ist hier nur die Änderung der Sach- und Rechtslage maßgeblich, nicht eine Änderung der Geschäftsgrundlage. Dasselbe Problem: Ist die Änderung der DüssTab eine Änderung der Rechtslage? Oder der Sachlage? Könnte man beides verneinen oder bejahen.

Meinung c) Lediglich Unzumutbarkeit prüfen! Laut OLG Düsseldorf - Beschluss vom 28.02.2012 (II-1 UF 306/11) sind 239 FamFG / 313 BGB anzuwenden. Führt die Unterhaltshöhe zur Unzumutbarkeit (Selbstbehalt!), wird abgeändert. Dann aber wieder: die Beträge sind so klein, dass es daran wohl scheitert.

Meinung d) Veränderung + Unzumutbarkeit prüfen, vgl. OLG Hamm - Beschluss vom 08.06.2011 (II-8 UF 252/10), BGH - Urteil vom 04.05.2011 (XII ZR 70/09), OLG Hamm - Beschluss vom 16.11.2011 (II-8 UF 96/11), OLG Hamm - Beschluss vom 20.03.2013 (8 UF 211/12), OLG Saarbrücken - Beschluss vom 11.02.2014 (9 UF 71/14). Im Ergebnis aber wieder dasselbe: es scheitert an der Unzumutbarkeit, wenn nicht gar an beidem.

 

4. Handelt es sich zwar um einen einseitigen Titel, aber als Ergebnis von Verhandlungen oder im Rahmen einer Gesamteinigung?

Dann gilt wieder dasselbe wie unter 2, bei Vergleichen, so BGH - Beschluss vom 07.12.2016 (XII ZB 422/15).

 

Mein persönliches heutiges, dem weiteren Denken und Anregungen unterworfenes Fazit:

Da der Zahlbetrag durch die Änderung der DüssTab 2018 nur um wenige Euro abweicht, wird eine Abänderung nur in Betracht kommen, wenn die Verhältnisse des Pflichtigen dramatisch beengt sind, z.B. er bisher schon nur den notwendigen Selbstbehalt eines nicht-Erwerbstätigen hatte. In allen anderen Fällen dürfte das Abänderungsverlangen scheitert, sei es an der „Wesentlichkeit“ oder „Zumutbarkeit“. Dafür spricht m.E. auch, dass die OLG-Senate, die über die DüssTab miteinander verhandeln, das Thema der Abänderung sicher auch gesehen haben und ganz sich nicht die Justiz im Massengeschäft Unterhalt mit Abänderungsverfahren überrollen wollten. Die DüssTab hat ja genau das Gegenteil zum Ziel: Entlastung der Justiz durch Generalisierung unter Hinnahme von Einzelfallungerechtigkeit.

 

Um Rechtsfortbildung zu betreiben, eignen sich daher nur Fälle, in denen beim Auftreten mehrerer Kinder der Gesamtbetrag erheblich ist und der Schuldner durch die titulierten Beträge deutlich unter den jetzt zu seinem Einkommen passenden Bedarfskontrollbetrag gerät.

Auch mehr Unterhalt gibts bei Jugendamtsurkunden nur im Abänderungsverfahren

 

Wenn in einer Urkunde – etwa einer Jugendamtsurkunde – der Unterhaltspflichtige aus seiner Sicht den vollständigen Unterhalt und nicht nur einen Teilbetrag titulieren wollte, kann ein höherer Unterhalt nur im Wege des Abänderungsverfahrens verlangt und nicht wegen des Zusatzbetrags das Leistungsverfahren betrieben werden (BGH, FamRZ 2009, 314).

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Aktualisiert zuletzt am

20.2.2018

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