Ehebedingte Nachteile im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 2 BGB können nicht mit den geringeren
Rentenanwartschaften begründet werden, die durch die Unterbrechung der Erwerbstätigkeit während der Ehe verursacht wurden, wenn für diese Zeit ein
Versorgungsausgleich stattgefunden hat. Nachteile in der Versorgungsbilanz sind dann in gleichem Umfang von beiden Ehegatten zu tragen und somit vollständig
ausgeglichen.
Ein ehebedingter Nachteil, der darin besteht, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte auch nachehelich geringere Versorgungsanrechte erwirbt, als dies bei hinweggedachter Ehe der Fall wäre, ist
grundsätzlich als ausgeglichen anzusehen, wenn er für diese Zeit Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen erhält oder jedenfalls erlangen kann.
BGH, Beschluss vom 4.7.2018, XII ZB 122/17
Der Fall:
Die Frau ist seit 2008 – nach der Ehe - erwerbsunfähig. Eine staatliche Rente bekommt sie nicht, weil sie ehebedingt nicht die notwendigen Versicherungszeiten hat.
Sie bekommt nach der Scheidung Unterhalt, zunächst bis 2017 inclusive Altersvorsorgeunterhalt, dann noch Elementarunterhalt, herabgesetzt auf den angemessenen Lebensbedarf (nicht mehr der eheliche), dies befristet bis 2021. Dies ist das Erreichen ihrer Regelaltersgrenze. Dagegen wehrt sie sich.
Interessant ist, dass der BGH bei der Billigkeitsabwägung in der Unterhaltsfrage auch die sonstigen wirtschaftlichen Scheidungsfolgen (Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich) betrachtet.
Über dieselbe Ehe urteilte der BGH bereits am 20. Juni 2018 (XII ZB 84/17), da ging es um den Zugewinnausgleich. Dort hatte der Senat ausgeführt:
"Der Antragsteller hat durch seine Beitragszahlung in der Ehezeit ein Versorgungsanrecht in monatlicher Höhe von 708,95 € erworben. Angesichts dieser Größenordnung konnte das geteilte Versorgungsvermögen beim Ärzteversorgungswerk - auch in Relation zu der rund siebzehnjährigen Ehezeit - durchaus die den primären Versorgungssystemen obliegende Funktion erfüllen, dem Versorgungsberechtigten eine selbständige (Basis-) Absicherung für den Fall von Alter oder Invalidität zu bieten.“
Außerdem berücksichtigte der Senat, dass sie mindestens 57.000 € Zugewinnausgleich zugesprochen bekommen hatte.
Daraus ergab sich insgesamt:
Die Begrenzung und Befristung des Unterhaltsanspruches wurde daher vom BGH abgesegnet, so dass ihr für das BGH-Verfahren mangels Erfolgsaussicht keine VKH gewährt wurde.
BGH, Beschluss vom 4.7.2018, XII ZB 122/17
OLG Celle, Beschluss vom 12.04.2016, 10 UF 313/15
Hochzeit 1989, Zwei Kinder (1990 und 1993), Trennung 12/1999, Scheidung 06/2001.
Unterhaltsvergleich von 05/2002 über 300 € Nachscheidungsunterhalt.
2008: erstes Abänderungsverfahren durch den Ex-Ehemann, beendet mit Einigung über vorübergehende Herabsetzung auf 175 € bis zur Volljährigkeit des zweiten Sohnes in 2011.
2012: zweites Abänderungsverfahren durch den Ex-Ehemann mit dem Begehr der Befristung des Unterhaltes aufgrund des Fehlens ehebedingter Nachteile.
Die Erwerbsbiographie der Frau:
Die Antragsgegnerin hatte rund zwei Jahre vor Eheschließung eine Ausbildung zur Arzthelferin begonnen. Dieses Ausbildungsverhältnis wurde arbeitgeberseitig während der Probezeit aufgrund einer ersten rheumatischen Erkrankung der Antragsgegnerin nach einer früheren Yersinien-Infektion gekündigt. Nach entsprechender medikamentöser Einstellung kam es bis und unmittelbar nach der Eheschließung nicht zu einem erneuten Ausbildungsvertrag. In der Ehe konzentrierte sich die Antragsgegnerin neben zeitweiligen geringfügigen Tätigkeiten auf die Haushaltsführung sowie die Betreuung der gemeinsamen Kinder. Nach der Ehe absolvierte die Antragsgegnerin bis Juni 2003 erfolgreich eine Ausbildung zur Kauffrau für Bürokommunikation, ohne in diesem Bereich in der Folgezeit eine berufliche Stellung begründen zu können. Seit 2004 bezieht sie - zuletzt mit Bescheid vom 24. Februar 2015 unter Befristung bis zum 28. Februar 2017 in Höhe von rund 850 € - durchgängig eine jeweils befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung, die allerdings „nicht ausschließlich auf ihrem Gesundheitszustand, sondern auch auf den Verhältnissen des Arbeitsmarktes beruht“. Daneben übt sie eine geringfügige Tätigkeit aus, aus der sie bereinigt durchschnittlich rund 375 € erzielt. Sie hat mit einem aus ihrer Familie erhaltenen Erbe sowie unter ergänzender Fremdfinanzierung Wohneigentum erworben, das unter Berücksichtigung zu leistender Zinszahlungen zu einem verbleibenden Wohnvorteil führt.
Aus den Gründen des OLG:
Einer Befristung (bzw. Herabsetzung) des titulierten Unterhaltsanspruchs in Höhe von monatlich 300 € aus dem Vergleich steht im Streitfall durchgreifend entgegen, daß dem Antragsteller jedenfalls nicht der Nachweis gelungen ist, daß die Antragsgegnerin keine in dieser Höhe fortwirkenden ehebedingten Nachteile erlitten hat (§ 1578b BGB).
a) Die Antragsgegnerin hat ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich des Bestehens derartiger fortwirkender ehebedingter Nachteile entsprochen.
Bei hinweggedachter Eheschließung hätte die Antragsgegnerin nach ihrem plausiblen Vortrag Ende der Achtzigerjahre des vorigen Jahrhunderts im Anschluß an ihre gesundheitliche Wiederherstellung nach dem ersten Auftreten ihrer rheumatischen Erkrankung eine Ausbildung - wie bereits einmal aufgenommen - als Arzthelferin, als Fremdsprachenkorrespondentin oder etwa - wie später tatsächlich erfolgreich abgeschlossen - als Kauffrau aufgenommen und diese erfolgreich abgeschlossen. Sie hätte eine entsprechende vollschichtige Tätigkeit in ihrem Ausbildungsberuf aufgenommen und sich in einer solchen nachhaltig etabliert sowie sich in zumindest durchschnittlicher Weise fortentwickelt. Dabei hätte sie im Rahmen der Wahl des Arbeitgebers, des Arbeitsplatzes sowie der Art ihrer konkreten Beschäftigung ihrer grundsätzlich angelegten gesundheitlichen Einschränkung Rechnung getragen, so daß letztere einer dauerhaft vollschichtigen Berufsausübung aufgrund deren konkreter Ausgestaltung nicht entgegenstehen würde. Aus einer derartigen Tätigkeit würde sie im hier maßgeblichen Zeitraum ein Nettoeinkommen in Höhe von allermindestens 1.486 € erzielen.
b) Die derart vorgetragene hypothetische Entwicklung sowie das angegebene sich daraus für die Antragsgegnerin ergebende Nettoeinkommen erscheinen naheliegend; der insofern beweisbelastete Antragsteller hat sie zudem nicht zu widerlegen vermocht.
Soweit der Antragsteller insofern pauschal behauptet, die Antragsgegnerin habe nach dem ersten Auftreten ihrer rheumatischen Erkrankung zu keinem Zeitpunkt mehr eine entsprechende Ausbildung aufnehmen geschweige denn erfolgreich abschließen oder gar in einem entsprechenden Beruf vollschichtig arbeiten können, ist dies bereits durch den tatsächlichen Geschehensablauf durchgreifend widerlegt. Die Antragsgegnerin hat tatsächlich nach der Trennung der Beteiligten und neben der alleinigen Betreuung der beiden damals teilweise noch grundschulpflichtigen Söhne eine Berufsausbildung zur Kauffrau absolviert und erfolgreich abgeschlossen. (…)
Damit steht zur Überzeugung des Senats hinreichend sicher fest, daß sie wie von ihr geltend gemacht Ende der Achtzigerjahre auch in Vollzeit eine Berufsausbildung absolvieren und eine Berufstätigkeit in den vorgetragenen Berufsfeldern hätte aufnehmen sowie sich in ihrem erlernten Beruf jedenfalls bis 2004 hätte etablieren können.
Aus den vorgelegten Teilerwerbsunfähigkeitsbescheiden nebst umfangreicher Anlagen ergibt sich weiter, daß die Antragstellerin selbst in der Folgezeit aus der begründeten Sicht von Arbeitsverwaltung wie Sozialbehörden sowie rechtlich nach wie vor jedenfalls in nicht unerheblichem Maße arbeitsfähig ist. Dies wird noch dadurch unterstrichen, daß sie auch tatsächlich eine teilschichtige entgeltliche Tätigkeit ausübt.
Das von der Antragsgegnerin erzielbare Nettoeinkommen hat der Antragsteller schließlich jedenfalls in Höhe eines Betrags von 1.400 € unstreitig gestellt
c) Auf der Grundlage des danach zugrunde zu legenden hypothetischen Verlaufs und eines entsprechenden Nettoeinkommens stellt sich unproblematisch ein ehebedingter Nachteil in jedenfalls der von der Antragsgegnerin verteidigten Höhe der bestehenden Titulierung von 300 € dar. Insofern spielt es nicht einmal eine entscheidende Rolle, ob man von dem von der Antragsgegnerin insofern plausibel dargelegten und vom Antragsteller nicht widerlegten Betrag von 1.468 € oder lediglich den unstreitig gestellten 1.400 € ausgeht.
Ein ehebedingter Nachteil der Antragsgegnerin liegt nicht vor im Umfang ihres tatsächlich erzielten Erwerbseinkommens (rund 375 €) sowie der tatsächlich (nach wie vor befristet) bezogenen EU-Rente (rund 850 €), also von zusammen rund 1.225 €. Ohne Bedeutung bleibt insofern der - ihr auf der Ebene ihres Unterhaltsbedarfs allerdings anzurechnende - (Netto-) Wohnvorteil, da dieser seinerseits unstreitig nicht ehebedingt ist.
Allerdings wird der ehebedingte Nachteil für die Antragsgegnerin nicht bereits durch eine schlichte Berechnung nach der Formel 1.468 € bzw. 1.400 € hypothetisches Netto-Erwerbseinkommen ohne Ehe ./. 375 € tatsächliches Netto-Erwerbseinkommen ./. 850 € EU-Rente = 243 € bzw. 175 € vollständig erfaßt. Denn mit dem für die Nachteilsermittlung maßgeblichen Bezug eines um (1.468 € - 375 € =) 1.093 € bzw. (1.400 € - 375 € =) 1.025 € höheren Netto-Erwerbseinkommens wäre zugleich auch der Erwerb entsprechender Rentenansprüche verbunden, die der Antragsgegnerin aber tatsächlich entgehen. Dieser zusätzliche Nachteil hinsichtlich des Erwerb von Altersvorsorgeanwartschaften entspricht grundsätzlich dem - typischerweise zusätzlich zum Elementarunterhalt bestehenden - Altersvorsorgeunterhaltsanspruch, der für die hier in Rede stehenden Jahre 2015 und 2016 auf Beträge in der genannten Höhe gut 239 € bzw. 222 € ausmacht. Selbst wenn man dabei berücksichtigt, daß für die Antragsgegnerin im Rahmen der Ermittlung der EU-Rente auch für die Zeit bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze - wenn auch angesichts ihrer ganz beschränkt selbst erworbenen Rentenanwartschaften nur in engem Rahmen - Zurechnungen erfolgt sind, verbleibt insofern aber allemal ein Nachteil in Höhe weiteren 125 €.
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Aktualisiert zuletzt am
13.8.2018
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