Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Kindesunterhalt im Wechselmodell

S. Hofschläger / www.pixelio.de

Wenn Eltern sich nach der Trennung die Alltags-Erziehung der Kinder teilen und die Kinder dazu in beiden Haushalten ein Zuhause haben, spricht man von Wechselmodell. Die Erscheinungsformen sind so vielfältig wie das Leben vor der Trennung.

 

 

Bei manchen Familien pendeln die Kinder wochenweise. Andere haben einen Rhythmus, der mit den elterlichen beruflichen Verpflichtungen zusammenhängt oder mit dem Terminkalender der Kinder.
Wissenschaftlich gibt es dazu Untersuchungen und Experten - mit Pro- und Contra-Argumenten. Rechtlich jedoch befinden sich diese Familie noch in einem völlig ungeregelten System. Das beginnt mit der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt: Zwei gleichberechtigte Wohnsitze gibt es nicht. Auch gegenüber der Familienkasse muss der Bezugsberechtigte angegeben werden - eine hälftige Zahlung an beide gibt es nicht. Allerdings nehmen die Fälle in der Praxis zu, immerhin gibt es inzwischen Rechtsprechung zu dem Thema.

Lösungen für Unterhaltsvereinbarungen

"Pendeln" Kinder zwischen beiden Haushalten, so dass beide Eltern sowohl Betreuungsaufwand als auch Fixkosten in erheblich größerem Umfang haben, gibt es verschiedene Berechnungsansätze.

 

Im besten Fall sollte eine Einigung auf das Wechselmodell mit sich bringen, dass die Eltern sich auch über diese Kosten einigen können. Denn ein Wechselmodell lebt davon, dass die Eltern an einem Strang ziehen und lösungsorientiert vorgehen statt gegeneinander.

 

Für eine solche Lösung, wie sie oft in Mediationen erarbeitet wird,

gibt es zwei Denkansätze:

1. Alle außerhäusigen Kosten (Schule, Kleidung, Hobbies ...) werden vom Kindergeld bestritten, der Rest hälftig geteilt. Was im jeweiligen Haushalt anfällt (Essen, Wohnen, gemeinsame Freizeitgestaltung) trägt der jeweilige Elternteil. Oftmals ist das Vertrauen der Eltern sogar noch groß genug, um dafür ein gemeinsames Konto einzurichten, zu dem beide Zugang haben und einander Rechenschaft ablegen.

Aber:

Diese hälftige Aufteilung ist ungerecht, wenn die Eltern sehr unterschiedlich gut verdienen. Dann bietet sich alternativ an:

 

2. Aus dem unterschiedlichen Einkommen der Eltern eine "Haftungsquote" errechnet. Wer 70% des Gesamteinkommens hat, zahlt auch 70% der Kinderkosten.

Das OLG Köln hat dieses Modell in seine Unterhaltsleitlinien 2011 aufgenommen und der BGH verfährt im Prinzip so - jedoch nur für die echten 50:50-Modelle.

Praktisch umsetzen lässt sich dies wiederum durch Einzahlungen auf ein gemeinsames Konto, zu dem jeder zweckgebunden Vollmacht hat.

 

Tipp: So lange zwischen den Eltern selbst noch eine Unterhaltsbeziehung besteht, kann einfach der Mehrverdiener die Bar-Kosten decken und zu 3/7 vom Ehegatten-Unterhalt abziehen. Das ist die unkomplizierste Lösung, die zu einer annähernd identischen Einkommensverteilung unterm Strich führt wie alle komplizierten Methoden.

 

Achtung:

Die Gerichte wollen nicht bei allen Familien nachzählen, wieviel Tage das Kind sich wo aufhält. Liegt also nicht ein wirklich genaues 50:50-Modell vor (z.B. weil die Kinder wöchentlich wechseln), gilt bei allen anderen Modellen des sog. "erweiterten Umganges" zur Entlastung der Gerichte immer konsequent die Düsseldorfer Tabelle zugunsten des Elternteils, bei dem das Kind 51% oder mehr lebt!

Die praktische Bedeutung des „Wechselmodells“ nimmt so zu, dass nun schon mehrere Fälle bis zum BGH hochgekommen sind, was aus anwaltlicher Sicht sehr zu begrüßen ist – sorgt es doch für mehr Rechtsklarheit.

 

Die aktuelle Entscheidung des BGH vom 11.01.2017 beantwortet eine Reihe von Fragen zum Wechselmodell, die in der Literatur diskutiert worden sind.

Der BGH hat 2017 zusammengefasst, wie der Unterhalt im "echten Wechselmodell" funktioniert und berücksichtigt auch seine Kindergeld-Rechtsprechung. Das ist also derzeit die maßgebliche Vorgehensweise.

 

 

1. Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (im Anschluss an Senatsbeschluss v.5.11.2014 – XII ZB 599/13)

 

2. Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.

 

3. Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem - nur zwischen den Eltern bestehenden - familienrechtlichen Ausgleichsanspruch.

 

4. Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 20.4.2016 – XII ZB 45/15)

 

Der Fall:

Die Kinder sind 10 und 16, die Eltern waren nie verheiratet und haben sich nach der Trennung auf die Betreuung der Kinder im paritätischen Wechselmodell geeinigt.

Aus den Gründen:

Der Antragsgegner ist nicht schon wegen der von ihm geleisteten hälftigen Kinderbetreuung nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB vom Barunterhalt befreit. Die Annahme, dass der Kindesunterhalt beim Wechselmodell stets durch den von beiden Eltern geleisteten Naturalunterhalt gedeckt wäre, betrifft nicht die Bemessung, sondern vielmehr die Erfüllung des Unterhaltsanspruchs.

Die gesondert zu beantwortende Frage der Erfüllung setzt neben der Bedarfsermittlung insbesondere eine vorherige Festlegung der von den Eltern geschuldeten Unterhaltsanteile gem. § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB voraus.

Der Unterhaltsbedarf bemisst sich beim Wechselmodell nach den beiderseitigen Einkommen der Eltern unter Vorwegabzug der angemessenen Selbstbehalte und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Bedarf (Regelbedarf) insbesondere die Mehrkosten des Wechselmodells. Der Bedarf lässt sich nicht in zwei gesondert zu ermittelnde Beträge aufspalten, die für jeden Elternteil nach dessen jeweiliger alleiniger Unterhaltspflicht zu berechnen wären.

Diese Unterhaltsberechnung führt nicht zu einem – vom Unterhalt verschiedenen – Ausgleichsanspruch der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Mutter gegen den Antragsgegner. Dass der Anspruch nicht auf den vollen und nicht durch eigene bezifferte Leistungen des Antragsgegners gedeckten Unterhalt, sondern nur auf die hälftige Differenz der von den Eltern nicht gedeckten Anteile gerichtet ist, stellt sich als Begrenzung des Anspruchs dar und erklärt sich aus der Annahme, dass jeder Elternteil neben den bezifferten Leistungen vor allem durch Naturalunterhalt auch die Hälfte des weiteren Bedarfs abdeckt.

Der Anspruch dient dann vor allem noch dem Zweck, eine angemessene, an der jeweiligen Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Eltern am Kindesunterhalt zu erzielen, und richtet sich auf die durch die Leistungen des besser verdienenden Elternteils noch nicht gedeckte Unterhaltsspitze.

Auch im Fall des Wechselmodells ist § 1612b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB anzuwenden, sodass die Hälfte des Kindergeldes gem. § 1612b Abs. 1 Satz 2 BGB den Barbedarf mindert. Der Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergeldes ist ein Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs, der i.d.R. gem. § 1612b BGB durch eine Anrechnung des hälftigen Kindergeldes auf den Barbedarf des minderjährigen Kindes erfüllt wird, die den das Kindergeld nicht beziehenden Elternteil entlastet.

Der in § 1612b BGB vorgesehene Mechanismus führt indessen beim Wechselmodell nicht zum vollständigen Ausgleich des Kindergeldes. Zwar wird die auf den sächlichen (Bar‑)Bedarf des Kindes entfallende Kindergeldhälfte regulär auf den Barbedarf angerechnet und kommt damit den Eltern im Ergebnis entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugute. Die auf die Betreuung entfallende Kindergeldhälfte verbleibt hingegen zunächst bei dem das Kindergeld beziehenden Elternteil und ist wegen der gleichwertigen Betreuungsleistungen der Eltern gesondert auszugleichen. Dies kann zur Vereinfachung auch in Form der Verrechnung der beiderseitigen Leistungen verwirklicht werden, damit ein Elternteil nur noch die nach Abzug der Hälfte des auf die Betreuung entfallenden Kindergeldanteils verbleibende Unterhaltsspitze zu zahlen hat.

Der BGH weist auch darauf hin, dass die Kosten für Tanzkurse und Musikschulen nicht automatisch Mehrbedarf, sondern durch den Regelbedarf teilweise abgedeckt und nur mit dem übersteigenden Betrag zu berücksichtigen sind.

Die Kindergarten- und Hortkosten sind ebenso wie die Fahrtkosten für den Schul- und Kindergartentransfer der Kinder als deren Mehrbedarf zu berücksichtigen. Mit dem Mehrbedarf korrespondierende Leistungen des anderen Elternteils sind zu berücksichtigen und konkret darzulegen.

 

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15

Quotenberechnung beim Wechselmodell

 

„Das Oberlandesgericht hat die Anteile der Eltern, mit denen diese sich am Kindesunterhalt zu beteiligen haben, unter Vorwegabzug des sogenannten angemessenen Selbstbehalts ermittelt. Das entspricht der Rechtsprechung des Senats (Senatsurteile BGHZ 188, 50 =FamRZ 2011, 454Rn. 34 ff. mwN und vom 26. November 2008 - XII ZR 65/07 -FamRZ 2009, 962Rn. 32).

 

Die von der Rechtsbeschwerde befürwortete Quotierung allein aufgrund des Verhältnisses der Nettoeinkommen (ebenso jurisPR-FamR/Maes 10/2016 Anm. 2) ist verfehlt. Eine solche Quotierung würde die Leistungsfähigkeit der Eltern, die sich aus dem für den Unterhalt verfügbaren Einkommen oberhalb des Selbstbehalts ergibt, nicht widerspiegeln. Bei einer Quotierung nach dem gesamten Einkommen würden auch solche Einkommensteile in die Anteilsberechnung einbezogen, die von Gesetzes wegen für den Unterhalt nicht zur Verfügung stehen.

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist auch nicht nur der notwendige Selbstbehalt abzuziehen. Dies wäre nur bei Eingreifen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB gerechtfertigt. Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, weil der Bedarf der Kinder von den beiderseitig barunterhaltspflichtigen Eltern aufgebracht werden kann, ohne dass deren angemessener Selbstbehalt berührt wird (vgl. Senatsurteil BGHZ 188, 50 =FamRZ 2011, 454Rn. 34 ff. mwN).“

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15

Auch im Wechselmodell bleibt es ein Unterhaltsanspruch des Kindes, kein elterlicher Ausgleichsanspruch

 

„Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt die Unterhaltsberechnung des Oberlandesgerichts nicht zu einem - vom Unterhalt verschiedenen - Ausgleichsanspruch der am vorliegenden Verfahren nicht beteiligten Mutter gegen den Antragsgegner.

Die Rechtsbeschwerde beruft sich darauf, dass die der Mutter angerechneten Leistungen für einzelne Zeitabschnitte den von ihr zu tragenden Unterhaltsanteil überstiegen und zu negativen Beträgen führen. Dadurch verändert sich indessen nicht der Charakter des Anspruchs als Unterhaltsanspruch. Zwar ist der zuerkannte Anspruch vom Oberlandesgericht als Ausgleichsanspruch bezeichnet worden (vgl. auch Bausch/ Gutdeutsch/SeilerFamRZ 2012, 258, 260; zum Ausgleich des Kindergelds vgl. Senatsbeschluss vom 20. April 2016 - XII ZB 45/15 -FamRZ 2016, 1053Rn. 12).

 

Der Anspruch wird aber im vorliegenden Verfahren von den durch die Mutter vertretenen Kindern in zulässiger Weise als Unterhaltsanspruch geltend gemacht. Dass der Anspruch nicht auf den vollen und nicht durch eigene bezifferte Leistungen des Antragsgegners gedeckten Unterhalt, sondern nur auf die hälftige Differenz der von den Eltern nicht gedeckten Anteile gerichtet ist, stellt sich als Begrenzung des Anspruchs dar und erklärt sich aus der Annahme, dass jeder Elternteil neben den bezifferten Leistungen vor allem durch Naturalunterhalt auch die Hälfte des weiteren Bedarfs abdeckt. Der Anspruch dient dann vor allem noch dem Zweck, eine angemessene, an der jeweiligen Leistungsfähigkeit orientierte Beteiligung der Eltern am Kindesunterhalt zu erzielen, und richtet sich auf die durch die Leistungen des besser verdienenden Elternteils noch nicht gedeckte Unterhaltsspitze.

 

Der Anspruch ist - wie ausgeführt - mangels einer anderweitigen Bestimmung der Eltern nach § 1612 Abs. 2 BGB auf Geld gerichtet. Der Anspruch ist auch nicht durch die Leistungen des anderen Elternteils (hier der Mutter) gedeckt, denn diese haben - mangels Anrechnungsbestimmung des Leistenden als insoweit freiwillige Leistungen Dritter, insoweit nicht Unterhaltspflichtiger, keine Erfüllungswirkung. Auch eine Haushaltsaufnahme nach § 1612 Abs. 2 Satz 2 BGB liegt nicht vor. Die Vorschrift ist auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltsbedarf des Kindes in vollem Umfang und kontinuierlich im Haushalt des Barunterhaltspflichtigen erbracht wird.

 

Dass der Anspruch seiner Natur nach einen Ausgleichsanspruch darstellt, könnte sich mithin nur dann ergeben, wenn der Antragsgegner eine über den geschuldeten Unterhalt hinausgehende Leistung zu erbringen hätte, was hier aber nicht der Fall ist.“

 

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15

Wohnmehrkosten im Wechselmodell:

konkret vortragen

 

„Die vom Oberlandesgericht vorgenommene vereinfachende Schätzung der auf das jeweilige Kind entfallenden Wohnmehrkosten (vgl. FAKommFamR/Müting 5. Aufl. § 1606 BGB Rn. 34; Scheiwe FF 2013, 280, 284; JokischFuR 2014, 28; aA WohlgemuthFamRZ 2014, 84, 85; FPR 2013, 157, 158) stößt hingegen auf durchgreifende Bedenken.

Ob und in welchem Umfang wechselmodellbedingte Mehrkosten auftreten, beurteilt sich aus einem Vergleich der auf das Kind entfallenden tatsächlichen mit den in den Tabellenbedarf einkalkulierten Wohnkosten, welche üblicherweise mit jeweils 20 % des Tabellenbetrags pauschaliert werden. Zieht man für den Vergleich hingegen die kalkulatorischen Wohnkosten aus den sich nach den Einzeleinkommen ergebenden Tabellenbeträgen heran, so orientiert sich die Bemessung am Einkommen der Eltern, ohne dass geprüft wird, ob ein entsprechender Einkommensteil auch für die Wohnkosten verwendet wird. Auch besteht die Gefahr widersprüchlicher Ermittlung, wenn etwa - wie im vorliegenden Fall - der Unterhaltspflichtige im Eigenheim lebt und Wohnkosten bereits bei der Ermittlung des Wohnvorteils als Einkommensbestandteil Berücksichtigung gefunden haben.

Der Senat hat dementsprechend bereits in anderen Zusammenhängen eine allein am Einkommen orientierte Bemessung des Wohnwerts abgelehnt (vgl. Senatsurteil vom 22. April 1998 - XII ZR 161/96 -FamRZ 1998, 899, 902zur sog. Drittelobergrenze). Ein konkreter Vortrag der Beteiligten zu den Wohnmehrkosten ist daher unerlässlich.“

 

Der BGH verwies zurück an das OLG Dresden: „Bei der erneuten Ermittlung wird das Oberlandesgericht auch die weiteren korrekturbedürftigen Positionen (etwa Mehraufwand für Wohnung auf Seiten der Mutter) zu berücksichtigen haben.“

 

Bundesgerichtshof: Beschluss vom 11.01.2017 – XII ZB 565/15

Aus den Leitlinien des OLG Köln zum 50:50-Wechselmodell

12.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht/Haftungsanteil
Sind bei (...)  Praktizierung eines echten Wechselmodells (Betreuung 50:50) beide Eltern zum Barunterhalt verpflichtet, haften sie anteilig nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB für den Gesamtbedarf (vgl. Nr.13.3).

(...)

13.3 Beiderseitige Barunterhaltspflicht
Bei anteiliger Barunterhaltspflicht ist vor Berechnung des Haftungsanteils nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB das bereinigte Nettoeinkommen jedes Elternteils gem. Nr. 10 zu ermitteln. Hiervon ist bei Unterhaltsansprüchen nicht privilegierter volljähriger Kinder ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (1.300 € Stand 01/2017) abzuziehen.


Der Haftungsanteil nach § 1606 Abs. 3 S. 1 BGB errechnet sich nach der Formel:
Bereinigtes Nettoeinkommen eines Elternteils (N1 oder N2) abzüglich 1.300 € mal (Rest-)Bedarf gemäß 13.1./13.2. (R), geteilt durch die Summe der bereinigten Nettoeinkommen beider Eltern (N1 + N2) abzüglich 2.600 (=1.300+ 1.300) €.
Haftungsanteil Elternteil 1 = (N1 – 1.300) x R : (N1 + N2 – 2.600).


Der so ermittelte Haftungsanteil ist auf seine Angemessenheit zu überprüfen und kann bei Vorliegen besonderer Umstände (z.B. behindertes Kind) wertend verändert werden.
Bei volljährigen Schülern, die in § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB minderjährigen Kindern gleichgestellt sind, wird der Sockelbetrag bis zum notwendigen Selbstbehalt (880€/1.080 €) herabgesetzt, wenn der Bedarf der Kinder andernfalls nicht gedeckt werden kann.

Leitlinien 01/2017

Kindergeld und Wechselmodell:

Die Viertellösung des BGH 2016

 

Der Fall:

Die drei Kinder leben im Wechselmodell. Die Familienkasse zahlt das Kindergeld an die Mutter. Die Mutter hat davon einige Fixkosten getragen (Bekleidung, Schulutensilien, Mobilität und Versicherungen). Eine Unterhaltsregelung haben diese Eltern nicht getroffen. Beide haben Einkommen.

 

Grundlagen: Kindergeld als Steuervergütung

Das auf der Grundlage des Einkommensteuergesetzes gewährte staatliche Kindergeld wird als vorweggenommene Steuervergütung an die Eltern gezahlt. Anspruchsberechtigt ist immer nur ein Elternteil und zwar der, bei dem das Kind den Lebensmittelpunkt hat. Können die Eltern sich nicht einigen, z.B. beim Wechselmodell, trifft das Familiengericht eine für die Familienkasse bindende Entscheidung.  

 

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch

Der BGH hat einen sog. „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ kreiert, der nicht im Gesetz steht. Der Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergelds ist ein Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs. In Normalfällen wird dieser aber durch § 1612 b Abs. 1 BGB verdrängt.

 

Das Kindergeld im Wechselmodell

Umstritten ist beim Vorliegen eines Wechselmodells die Aufteilung des gesetzlichen Kindergelds zwischen den Elternteilen. Der BGH hat zwischen den verschiedenen Auffassungen wie folgt entschieden:

Nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, wenn ein Elternteil im Sinne von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt. In allen anderen Fällen erfolgt die Anrechnung des Kindergelds gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 2 BGB in voller Höhe auf den Barbedarf. Die Anrechnungsregel des § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf Fälle getrennt lebender Eltern zugeschnitten, in denen (nur) einer der beiden Elternteile das minderjährige Kind betreut, während der andere zur Zahlung des Barunterhalts verpflichtet ist. Mit der Auffangvorschrift des § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs hingegen solche Fälle in den Blick nehmen, in denen das Kind entweder wegen Volljährigkeit einer Betreuung nicht mehr bedarf oder die Betreuung eines minderjährigen Kindes (etwa bei Fremdunterbringung) nicht wenigstens durch einen der beiden Elternteile erfolgt und deshalb von ihnen nur Barunterhalt zu leisten ist.

Keine dieser beiden Konstellationen, die der Gesetzgeber den beiden Anrechnungsregeln des § 1612b Abs. 1 BGB zugrunde gelegt hat, liegt bei einem Wechselmodell vor. Indessen beruht die gemäß § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB vorgesehene Halbanrechnung des Kindergelds auf der grundlegenden gesetzgeberischen Erwägung, dass betreuende Elternteile mit der anderen Hälfte des Kindergelds bei der Erbringung ihrer Betreuungsleistungen unterstützt werden sollen. Dieser Zweck wird, was letztlich auch das Beschwerdegericht nicht anders sieht, bei der gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile im Rahmen eines Wechselmodells nicht verfehlt. Eine Vollanrechnung des gesetzlichen Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf würde zudem dazu führen, dass der Kindergeldausgleich im Hinblick auf die im Wechselmodell gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen zu Gunsten des besserverdienenden Elternteils verzerrt würde.

Die Anrechnung des staatlichen Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach Maßgabe des § 1612b Abs. 1 BGB ist auch bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht im Wechselmodell zwingend. Wie sich bereits aus seinem Wortlaut ergibt ("in allen anderen Fällen"), liegt dem Gesetz die Konzeption zugrunde, dass das gezahlte Kindergeld stets – je nach Sachverhaltsgestaltung entweder zur Hälfte oder vollständig – zweckgebunden als Einkommen des Kindes zu behandeln ist und deshalb ein bedarfsmindernder Vorwegabzug des Kindergelds vom Barunterhalt stattzufinden hat. Eine Kindergeldverteilung, die sich – wie die vom Beschwerdegericht für richtig befundene einkommensunabhängige Halbteilung zwischen den Elternteilen – von jeder Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes löst, lässt sich mit dem Gesetz insoweit nicht in Einklang bringen.

Etwas anderes kann auch nicht aus § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hergeleitet werden. (…)

Die hälftige Anrechnung des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB hat beim Wechselmodell zur notwendigen Folge, dass der besser verdienende Elternteil durch das Kindergeld in einem größerem Umfang entlastet wird. Ist der schlechter verdienende Elternteil unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergelds infolge der Anrechnung allein dem leistungsfähigen Elternteil zu Gute. Dem kann auch nicht ohne weiteres entgegengehalten werden, dass beim Wechselmodell auch der leistungsunfähige Elternteil – worauf das Beschwerdegericht hingewiesen hat – in der Zeit, in der sich das Kind in seinem Haushalt aufhält, jedenfalls durch Wohnungsgewährung und Verpflegung Naturalunterhaltsleistungen erbringt. Denn Wohnungsgewährung und Verpflegung, die dem Kind beim Wechselmodell durch einen Elternteil erbracht werden, erfassen nur einen (relativ) geringen Teil des – im Übrigen allein vom leistungsfähigen Elternteil aufzubringenden – sächlichen Gesamtbedarfs des Kindes. Es erscheint deshalb ebenfalls nicht angemessen, den in einem deutlich größeren Umfang zum Barunterhalt herangezogenen Elternteil wirtschaftlich lediglich durch die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld zu entlasten. Die sich daraus ergebenden Wertungskonflikte hat das Gesetz durch die Anrechnungsregel des § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB zugunsten des Elternteils aufgelöst, der sich aufgrund seines höheren Einkommens in größerem Umfang am Barunterhalt für das Kind beteiligen muss.

 

Verlangt der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil insoweit die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils, ist es grundsätzlich seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen. Eine solche Darlegung wird zudem in der Regel einen gesonderten Kindergeldausgleich entbehrlich machen, weil dann eine Gesamtabrechnung über den unterhaltsrechtlichen Ausgleich zwischen den Eltern unter An- und Verrechnung des an einen Elternteil gezahlten Kindergelds möglich ist. Ein Anspruch auf hälftige Auskehrung des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils wird beim Wechselmodell auch dann in Betracht kommen, wenn beide Elternteile nicht leistungsfähig sind.

Anders verhält es sich mit dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteil am Kindergeld. Dieser steht den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihren gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu.

 

Ergebnis:

Der Vater konnte die Auskehrung eines Viertels des Kindergelds – nämlich die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld – verlangen.

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt jedoch für die Vergangenheit der Schranke des § 1613 Abs. 1 BGB, so dass dies rückwirkend erst ab Inverzugsetzung gilt.

Ihre Fixkosten konnte die Mutter nicht gegenrechnen, weil völlig unklar war, in welcher Höhe sie dies sowieso als Unterhalt hätte tragen müssen.

BGH, Beschluss vom 20.4.2016 – XII ZB 45/15

Durchsetzung des Kindesunterhalts beim Wechselmodell: 1628 oder Ergänzungspfleger?

 

Im Fall eines Wechselmodells bei der Kinderbetreuung kann die Übertragung der Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung des Kindesunterhalts auf einen Elternteil gemäß § 1628 BGB vorzugswürdig gegenüber der Einsetzung eines Ergänzungspflegers sein. Ein Vertretungsausschluss setzt einen konkreten Interessengegensatz im Einzelfall voraus. Das hat das OLG Frankfurt am Main 2016 entschieden.

 

Der Fall

Zwei Kinder, Wechselmodell, gemeinsames Sorgerecht. Der Vater zahlt an die Mutter Kindesunterhalt, die Mutter meint „zu wenig“. Das Amtsgericht übertrug der Mutter im Wege einer einstweiligen Anordnung die Entscheidung über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen für die Kinder allein.

Dagegen wendet sich der Vater mit seiner Beschwerde. Da auch die Mutter zum Barunterhalt herangezogen werden könne, liege eine Interessenkollision vor, die die Einsetzung eines Ergänzungspflegers gebiete.

 

Wesentliche Aussagen der Entscheidung

§ 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB sieht vor, dass der Obhutselternteil auch bei gemeinsamer elterlicher Sorge befugt ist, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den anderen Elternteil allein zu vertreten.

Bei gemeinsamer elterlicher Sorge im Fall eines paritätischen Wechselmodells ist aber kein Elternteil befugt, in alleiniger Vertretung des Kindes dessen Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend zu machen, denn in diesem Fall betreuen beide das Kind, und eine alleinige Obhut i.S.d. § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nicht. In diesem Fall kommt zum einen die Bestellung eines Pflegers für das Kind in Betracht, zum anderen aber auch der Antrag eines Elternteils, ihm gem. § 1628 BGB die Entscheidung zur Geltendmachung von Kindesunterhalt allein zu übertragen.

Das OLG hält den Lösungsweg über § 1628 BGB für vorzugswürdig, weil die Entscheidung über das Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens, die dem Verfahren vorausgeht, unabhängig von der Vertretung des Kindes im Verfahren zu beurteilen ist.

Die Übertragung der alleinigen Entscheidungsbefugnis zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen gegen den mitsorgeberechtigten Elternteil führt gem. § 1629 Abs. 1 Satz 3 BGB unmittelbar zur Alleinvertretungsbefugnis des anderen Elternteils. Die Einsetzung eines Ergänzungspflegers ließe – sofern ihre Voraussetzungen nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 BGB überhaupt erfüllt sind – die Frage des Ob der Einleitung eines Unterhaltsverfahrens noch ungeklärt.

Der in der Literatur vertretenen Ansicht, für die Geltendmachung von Unterhalt für Kinder, die von gemeinsam sorgeberechtigten Eltern im Wechselmodell betreut werden, sei zur Vermeidung von Interessenkonflikten immer ein Ergänzungspfleger einzusetzen (Götz, FF 2015, 149 und Seiler, FamRZ 2015, 1850), schließt sich das OLG nicht an.

Zwar ist ein abstrakter Interessengegensatz zwischen dem vertretenden Elternteil und dem Kind nicht von der Hand zu weisen, denn wenn das Kind von beiden Elternteilen zu gleichen Teilen betreut wird, sind die zu seiner Vertretung bei der Geltendmachung von Unterhalt berechtigten Elternteile immer auch in eigenen Interessen berührt. Das OLG geht aber davon aus, dass ein Vertretungsausschluss nach § 1796 BGB als Eingriff in die elterliche Sorge nicht ohne Weiteres wegen eines abstrakten Interessengegensatzes erfolgen darf, sondern einen im Einzelfall festzustellenden konkreten Interessengegensatz voraussetzt.

 

Vorteil

Die Bestellung eines Ergänzungspflegers gem. § 1909 BGB löst zusätzliche Kosten aus, denn dieser kann für seine Tätigkeit eine Vergütung verlangen, § 1915 Abs. 1 Satz 2 BGB. Dagegen ist eine einstweilige Anordnung mit einem Antrag nach § 1628 BGB schnell und relativ kostengünstig durchzusetzen.

 

Praxishinweis

Das OLG hat des Weiteren bestätigt, dass die Anhörung der betroffenen Kinder gem. § 159 Abs. 1 Satz 2 FamFG unterbleiben konnte und die Entscheidung im Wege einer einstweiligen Anordnung getroffen werden durfte (so auch OLG Hamburg, Beschl. v. 27.10.2014 – 7 UF 124/14). Die Beschwerde ist gem. § 57 Satz 2 Nr. 1 i.V.m. § 58 ff FamFG zulässig, wenn die Regelung eines Teilbereichs der elterlichen Sorge betroffen ist.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 17.10.2016 – 6 UF 242/16

 

Jugendamt: Beistandschaft im Wechselmodell

DIJuF
Beistandschaftstag 2016
Arbeitsgruppe 16, Petra Birnstengel
Wechselmodell und Unterhalt – Dürfen/Müssen Fachkräfte der Beistandschaft Hilfe-
stellungen bieten?
Wechselmodell und Unterhalt Handout für [...]
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Symposium 2015 zum Wechselmodell: viel diskutiert, kein Ergebnis

Am 4. Mai 2015 fand auf Einladung der Bundesregierung ein Symposium zum Unterhaltsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz statt.

Das Symposium behandelte die Frage, wie im Unterhaltsrecht auf eine wachsende Zahl von Fällen erweiterten Umgangs zu reagieren ist.

Nach §1606 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bislang vorgesehen, dass „in der Regel“ ein Elternteil das Kind betreut, wogegen der andere Elternteil Bar-Unterhalt leistet. In der Praxis ist hingegen häufiger zu beobachten, dass beide Elternteile sich nach einer Trennung gemeinsam um die Kinder kümmern. Dies kann auch bis zum sogenannten „Wechselmodell“ gehen, bei dem beide Elternteile sich zu gleichen Anteilen die tatsächliche Sorge teilen.

Von Elternteilen, die den vollen Bar-Unterhalt entrichten und sich gleichzeitig intensiv um das Kind kümmern, wird diese gesetzliche Regelung oftmals als einseitig empfunden. In der Rechtsprechung wird dem bislang durch Modifizierungen bei der Unterhaltsberechnung Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, dass die gesetzlichen Regelungen zum Kindesunterhalt diesem Wandel angepasst und flexibler gestaltet werden.

Auf dem Symposium diskutieren daher namhafte Vertreter aus dem Deutschen Bundestag, der Rechtsprechung, der Forschung und Lehre sowie aus den Verbänden über diese Herausforderung. Es wurde deutlich, dass auf die komplexen unterhaltsrechtlichen Fragen, die das gehäufte Auftreten von Fällen des erweiterten Umgangs oder des Wechselmodells aufwirft, keine schnellen gesetzgeberischen Antworten möglich sind. Vorrangig soll es in den weiteren Diskussionen deshalb darum gehen, in der Rechtsprechung und im Rahmen der „Düsseldorfer Tabelle“ den Fragen zu begegnen. Die im Gesetz aufgestellte Regel, dass ein Elternteil das Kind betreut, der andere Teil den Bar-Unterhalt bezahlt, ist weiterhin darauf zu überprüfen, ob sie den Regelfall in der Rechtspraxis korrekt abbildet. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass diese Diskussion fortzusetzen ist.

 

Die derzeitige unsichere Rechtslage bringt für die betroffenen Familien keinen Frieden. Manchmal wird um den Wohnsitz der Kinder gekämpft und um ein Quentchen mehr an Betreuungszeit, um Kindergeld und Kindesunterhalt für sich alleine beanspruchen zu können.

 

ISUV- Presseerklärung zum Symposium

 

Wenn die Kinder nach Trennung der Eltern zwei Zuhause haben: Wer deckt den Bedarf der Kinder – wer zahlt was, wieviel an wen?

Der Interessenverband Unterhalt und Familienrecht (ISUV) begrüßt es, dass die für Familienrecht zuständigen Referentinnen und Referenten des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz (BJMV) die Diskussion über Praktikabilität eines Wechselmodells nach Trennung und Scheidung eröffnet haben. Am 4. April fand dazu ein Symposium im BMJV zum Thema Kindesunterhalt und Wechselmodell statt. An dem Treffen nahmen die rechtspolitischen Sprecherinnen von CDU/CSU Sabine Sütterlin-Waak und SPD Sonja Steffen, Richter des BGH und Richter/innen von Oberlandesgerichten sowie Vertreter/innen anderer Verbände teil. ISUV war durch den Bundesvorsitzenden Josef Linsler und Pressesprecher Claus Marten, Fachanwalt für Familienrecht, vertreten. „Wir begrüßen es, dass das Unterhaltsrecht im Wechselmodell gemeinsam mit den Vertretern von Betroffenen diskutiert und auf den Weg gebracht werden soll. Gerade im Familienrecht ist es wichtig, dass Gesetze von den Betroffenen nicht nur als Gesetz, sondern als Recht anerkannt werden.“, hob Linsler hervor. Der ISUV spricht sich dafür aus, dass der Gesetzgeber die Umsetzung eines Wechselmodells – also die gelebte gemeinsame Elternschaft nach Trennung und Scheidung – fördert. Das Wechselmodell bietet für gemeinsame Elternschaft nach Trennung und Scheidung einen guten strukturellen Rahmen, weil es „nicht dividiert, sondern die Eltern integriert“. (Linsler).

 

Für die Umsetzung eines Wechselmodells in der Praxis hält ISUV die Regelung folgender Aspekte für wichtig:

 

  • Die Anteile am Barunterhalt sollten sich, am Einkommen, am Betreuungsaufwand des jeweiligen Elternteils sowie am objektiven Verbrauch des Kindes orientieren.
  • Möglichen Mehrbedarf – beispielsweise Klassenfahrten, Musikunterricht, etc. – teilen sich die Eltern entsprechend.
  • Betreuungsaufwand sollte ab einem Verhältnis von 20 : 80 % bei der Bemessung des Kindesunterhalts berücksichtigt werden.
  • Umgekehrt sollte bei wachsenden Betreuungszeitanteilen die Erwerbstätigkeitsverpflichtung des Elternteils angemessen sinken.
  • Beide Eltern legen ihr Einkommen offen und besprechen den Bedarf des Kindes/der Kinder.
  • Eine grobe Orientierung für die Bemessung der Höhe des Bedarfs kann möglicherweise weiterhin die Düsseldorfer Tabelle geben.
  • Es muss selbstverständlich sein, dass jeder Elternteil die Kosten der laufenden Lebenshaltung in der Zeit trägt, in der sich das Kind in seinem Haushalt aufhält.
  • Unterhaltsrechtliche Vereinbarungen zwischen den Eltern sind wohl unumgänglich.
  • Sozialrechtliche und steuerrechtliche Fragen tangieren den Unterhalt stark, beispielsweise beitragsfreie Mitversicherung in der Krankenversicherung oder private Versicherung, Wohngeld, Freibeträge, Kindergeld. Vorteile sind zu nutzen. Sie müssen bei Vereinbarungen der Eltern miteinbezogen werden.
  • Es ist auch immer der auf Grund des Wechselmodells anfallende individuelle Mehrbedarf zu ermitteln.
  • Bei allen Streitfragen greift zuerst Mediation. Bei Uneinigkeit trotz Mediation entscheidet dann das Familiengericht. Mediation sollte bei allen Streitfragen immer vorgeschaltet sein.

Alle Erfahrungen mit Fällen, in denen Eltern nach Trennung und Scheidung das Wechselmodell erfolgreich mit den Kindern leben, zeigen: Erforderlich ist mehr Kommunikation und Verhandlung sowie die Bereitschaft für Kompromisse zwischen den Eltern. Dieser „Mehraufwand“ lohnt sich aber „in jedem Fall“. Schließlich wird auf diese Weise mehr Transparenz ins Dickicht des Unterhaltsrechts gebracht, mehr Gerechtigkeit für beide Seiten geschaffen. Das wirkt integrativ-verpflichtend, transparent nicht autoritär von „Oben“ aufoktroyiert. Ein zwischen beiden Elternteilen „ausgehandelter“ Unterhalt ist erfahrungsgemäß ein „sicherer“ Unterhalt, er wird gezahlt.

Formelle Vorgehensweise bei Unterhaltsantrag im Wechselmodell

Wenn die gemeinsam sorgeberechtigten Kindeseltern ein echtes Wechselmodell praktizieren und der eine Elternteil Ansprüche des Kindes auf Barunterhalt gegen den anderen Elternteil gerichtlich geltend zu machen beabsichtigt, hat er die Wahl, ob er entweder die Bestellung eines Pflegers für das Kind herbeiführt oder ob er nach §  1628   BGB  bei dem Familiengericht beantragt, die Entscheidung über die Geltendmachung von Kindesunterhalt auf ihn allein zu übertragen. Das Wahlrecht zwischen diesen beiden Möglichkeiten ist nicht durch besondere Kautelen eingeschränkt (BGH, Urt. v. 21. 12. 2005, Az.  XII ZR 126/03, NJW 2006, S.  2258  ff.).
Die Übertragung der Entscheidung nach §  1628   BGB  kann auch durch einstweilige Anordnung erfolgen.
OLG Hamburg, Beschluss vom 27.10.2014 - 7 UF 124/14

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Aktualisiert zuletzt am 26.6.2018

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