Wer als Deutscher im Ausland lebt - hier z.B. in den Niederlanden oder Belgien - muss
sich besondere Gedanken über das Erbrecht machen. Dasselbe gilt für Inländer, die mit einem Ausländer verheiratet sind.
Auch wer sich mit diesem Thema schon befasst hatte, muss evtl. umdenken, und ein bereits errichtetes Testament überprüfen und überarbeiten lassen.
Nach drei Jahren Übergangszeit gilt ab 17.08.2015 die neue EU-Erbrechtsreform 650/2012. Auf Todesfälle ist sie damit anwendbar, wenn diese ab dem 17.8.2015 eintreten. Egal ist, wann evtl. das Testament errichtet wurde. Das bedeutet: Ältere Testamente erzeugen möglicherweise nicht mehr die gewünschte Rechtsfolge.
Jeder, der irgendwelchen Bezug zum Ausland hat, hat Handlungsbedarf.
Das betrifft hier natürlich viele Grenzgänger.
In Zeiten der Globalisierung bedeutet das für eine Vielzahl von Bürgern, dass für sie ab Mitte August 2015 ein anderes Erbrecht gilt. Betroffen sind in erster Linie Personen, die dauerhaft in einem Staat leben, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzen, Rentner, die ihren Lebensabend überwiegend im Ausland verbringen und Menschen, die sich in ein ausländisches Pflegeheim begeben. Auch junge Menschen, die z.B. aus beruflichen Gründen nur zeitweise im Ausland leben und die eine Rückkehr in die Heimat planen, können von der Neuregelung betroffen sein. Die einfache Regel, nach der jeder Deutsche nach deutschem Recht, jeder Franzose nach französischem Recht beerbt wird, stimmt künftig nicht mehr. Ausländische Rechtsordnungen können sich erheblich von den deutschen erbrechtlichen Regelungen unterscheiden.
Im Gegensatz zur Feststellung der Staatsangehörigkeit, bereitet die Bestimmung des letzten gewöhnlichen Aufenthalts möglicherweise praktische Probleme.
Die Verordnung regelt nämlich nicht, wie der letzte gewöhnliche Aufenthalt zu definieren ist. Schwierigkeiten bei der Bestimmung werden besonders dort auftreten, wo Erblasser an mehreren Orten gelebt haben.
Um den gewöhnlichen Aufenthalt i.S.d. EU-ErbVO festzustellen, ist eine Gesamtbeurteilung der Lebensumstände des Erblassers vor seinem Ableben erforderlich:
Art. 21 der EU-ErbVO sieht allerdings eine Ausnahme vor:
In den Fällen, in denen sich bei der Gesamtbeurteilung der Lebensumstände eines Erblasser ergibt, dass er eine engere Bindung zu einem anderen Staat hatte, kann vom Regelgrundsatz des letzten gewöhnlichen Aufenthalts abgesehen werden.
Der Nachlass wird dann der Rechtslage des Staates unterstellt, zu dem der Erblasser eine scheinbar engere Bindung gehabt hatte.
Das könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn man sich zwar für längere Zeit, aber von vorneherein nur vorübergehend im Ausland aufgehalten hatte (aus beruflichen Gründen) und die Rückkehr in das Heimatland beabsichtigt war.
Die neue Regelung gilt in 25 Mitgliedsstaaten der EU. Dänemark, Irland und Großbritannien haben die Verordnung nicht übernommen. Dennoch gilt auch bei einem Erbfall in einem Drittstaat (Dänemark, Irland, Großbritannien und Nicht-EU-Staaten) das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts.
Die neue Verordnung betrifft die Rechtsnachfolge von Todes wegen, also den Übergang von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten auf den Erben. Gleichgültig dabei ist, ob es sich um eine gesetzliche Erbfolge oder um eine testamentarische Bestimmung handelt.
Auch das Pflichtteilsrecht richtet sich nach der EU-Verordnung.
Grundsätzlich kommt es durch die EU-ErbVO auch nicht mehr zu einer Nachlassspaltung.
Das bewegliche als auch auf das unbewegliche Vermögen des Erblassers ist.
Unentgeltliche Zuwendungen (z.B. Sparbücher und Lebensversicherungen) zugunsten Dritter sind jedoch nicht betroffen.
Deutschland kennt die Rechtsfigur des gemeinsamen Testamentes von Ehegatten, auch „Berliner Testament“ genannt. Vorsicht! In anderen EU-Ländern gibt es das nicht.
Hier ist die Rechtslage wegen fehlender Rechtsprechung unklar. Denn nach Definition unterfallen gemeinschaftliche Testamente sowohl Art. 24 und Art. 25 EU-ErbVO.
Das Problem der Unklarheit hat praktische Bedeutung für die Bindungswirkung bei Ehegatten: Können sie sich der Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten mit wechselbezüglichen Verfügungen entziehen, indem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt verlegen und anschließend das Testament widerrufen? Art. 24 EU-ErbVO ermöglicht das; Art. 25 EU-ErbVO nicht.
Man muss dazu auf eine Klarstellung durch den EUGH warten.
Für mehrseitige Erbverträge gibt es eine Sonderregel: Sie sind nur dann zulässig, wenn jedes einzelne zur Anwendung kommende Recht der unterzeichnenden Personen sie für zulässig erklärt.
Des Weiteren kommt für die materielle Wirksamkeit, die Bindungswirkung und die Auflösungsmöglichkeit nur das Recht in Frage, mit dem der Erbvertrag die engste Bindung aufweist.
Leider erklärt die EU-ErbVO auch hier nicht nähergehend, welche Kriterien für diese Bindung zu berücksichtigen sind.
Bei mehrseitigen Erbverträgen gilt außerdem Art. 25 Abs. 3 der EU-ErbVO. Hiernach ist es bei einer Rechtswahl ausreichend, wenn lediglich eine Vertragspartei die Staatsangehörigkeit des gewählten Rechts besitzt.
Die wichtigste Möglichkeit, um viele der Probleme zu umgehen, ist die Rechtswahl.
Der Erblasser kann als das anzuwendende Recht sein Heimatrecht selbst bestimmen. Heimatrecht bedeutet: man hat diese Staatsangehörigkeit.
Ein Deutscher, der in Vaals, Kelmis, Maastricht, Gemmenich, Kerkrade, Raeren, Eupen oder sonstwo in EU-Ausland wohnt, kann also wählen, dass er nach deutschem Recht beerbt werden will. Für viele Grenzgänger, die sich dem deutschen Recht näher fühlen, wird das die zu empfehlende Lösung sein.
Andererseits:
Wenn man eine erbrechtliche Lösung sucht, die nach deutschem Recht unmöglich wäre (z.B. wegen des Pflichtteiles), eröffnet der Auslandswohnsitz kreative Möglichkeiten.
Art. 22 der EU-ErbVO die Rechtswahl in der Form einer letztwilligen Verfügung erfolgen. Genau wie für das Testament selbst gilt also:
Hilfreiche Informationen über das Erbrecht der Mitgliedstaaten können auf der Webseite des Rats der Notariate der Europäischen Union unter http://www.successions-europe.eu abgerufen werden.
Am 03.12.2014 hat die Bundesregierung den vom Bundesministerium für Justiz un Verbraucherschutz vorgelegten Gesetzentwurf zur Durchführung der europäischen Erbrechtsverordnung beschlossen. Ziel des Gesetzes ist es, die Nachlassplanung und -abwicklung in Erbfällen mit Auslandsberührung erheblich zu vereinfachen.
In Sachen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Erbsachen orientiert sich der Gesetzesentwurf am Auslandsunterhaltsgesetz. Zugleich führt der Entwurf aber eine eigene Verfahrensregel für das mit der EU-ErbVO eingeführte Nachlasszeugnis ein.
Die Vorschriften zum Erbschein werden somit an die neuen Vorgaben der EU zum europäischen Nachlasszeugnis angepasst. Ziel ist es, die Ausstellung beider Dokumente bei demselben Gericht zu bündeln.
Außerdem sollen Doppelregelungen beseitigt werden, indem verfahrensrechtliche Vorschriften zum Erbschein in das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen übertragen werden.
Hier finden Sie den Entwurf der Bundesregierung samt Stellungnahme des Bundesrats und der Gegenäußerung im Volltext.
Das Europäische Nachlasszeugnis ist ein vereinheitlichtes Dokument, das es Erben und Testamentsvollstreckern in allen EU-Ländern (zumindest in allen EU-Ländern, in denen die Verordnung gilt) erlaubt, ihre Rechtsstellung schnell und einheitlich nachzuweisen.
Das hat einen entscheidenden Vorteil: Das Beantragen mehrerer Dokumente in verschiedenen Ländern, in denen der Erblasser Nachlass besaß, entfällt damit.
Da das Europäische Nachlasszeugnis nur als beglaubigte Abschrift und nicht in Ausfertigung ausgehändigt wird, ist es auch nur sechs Monate gültig.
Für innerdeutsche Erbfälle muss weiterhin der Erbschein beantragt werden.
Antragsberechtigt sind nach Eu-ErbVO folgende Personen:
Nachlassgläubiger sind nicht antragsberechtigt!
Im Vergleich zum deutschen Erbschein sind die Angaben zur Beantragung des Europäischen Erbscheins deutlich umfangreicher.
So sind, neben Angaben zu geschlossenen Eheverträgen (des Erblassers) auch Angaben zum gesetzlichen Güterstand und zum beabsichtigten Zweck des Zeugnisses zu machen.
Da das Kollisionsrecht der einzelnen Mitgliedsstaaten noch nicht harmonisiert ist, ist eine einheitliche Bestimmung des Güterrechts bisher nicht möglich. Das kann in der Praxis zu Schwierigkeiten führen.
Durch ihren universellen Charakter deckt die neue EU-ErbVO auch Erbfälle ab, die in einem Bezug zu Drittstaaten stehen. Die internationale Zuständigkeit der Gereichte bestimmt sich dabei nach Art. 3-15 ErbVO.
1. Gewöhnlicher Aufenthalt nicht in der EU, keine Rechtswahl
Sofern der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in einem EU-Staat hatte, kommt Art. 4 der ErbVO nicht zur Anwendung. Jedoch greift Art. 10 ErbVO, sofern der Erblasser zwar in einem Drittstaat verstorben ist, er jedoch einen Bezugspunkt innerhalb der EU hatte und keine Rechtswahl getroffen hat.
Der Bezugspunkt kann entweder durch Nachlass in einem EU-Staat oder durch eine Staatsangehörigkeit begründet sein.
Sofern der Erblasser sowohl Nachlass in einem Staat als auch dessen Staatsangehörigkeit besaß, ist dieser Staat grenzübergreifend für den gesamten Nachlass zuständig.
Hatte der Erblasser mehrere Staatsangehörigkeiten und besaß er in verschiedenen Ländern Nachlassgegenstände, so kann der Erbe wählen, welches Gericht er anruft.
Sofern sich keine Zuständigkeit eines Staates ergibt, ist jeder Staat für den in seinem Territorium befindlichen Nachlass zuständig.
2. Gewöhnlicher Aufenthalt in der EU bei Rechtswahl eines Drittstaates
Sofern der Erblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in der EU gehabt hatte und er per Rechtswahl das Recht eines Drittstaates gewählt hat, so muss das fremde Recht per Art. 4 ErbVO Anwendung finden.
3. Gewöhnlicher Aufenthalt nicht in der EU, Rechtswahl eines EU-Staates
Sofern der Erblasser in einem Drittstaat verstirbt, er aber per Rechtswahl das Erbrecht eines EU-Staates gewählt hat,
kommt die Zuständigkeit der Gerichte über Art. 7 Buchst. b) oder c) zustande. Ebenso in Betracht kommen Art. 9, 10 oder 11 ErbVO.
Quelle: Deubner-Verlag
HÖHERE FREIBETRÄGE BEI ERBSCHAFT UND SCHENKUNG – EuGH
Die bis zum Jahre 2011 in Deutschland geltenden Freibetragsregelungen für Schenkungen und Erwerbe von Todes wegen waren europarechtswidrig. So urteilte am 4. September 2014 der EuGH in einem Verfahren (Rs. C-211/13), das die EU-Kommission gegen die Bundesrepublik angestrebt hatte.
Das damalige Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz sah für den Fall, dass sich ein Teil des übertragenen Vermögens in Deutschland befindet vor, dass der Freibetrag geringer ausfällt, wenn sowohl der Erblasser zur Zeit seines Todes oder der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung als auch der jeweilige Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer nicht in Deutschland ansässig waren, als wenn einer der Genannten zum maßgeblichen Zeitpunkt im Inland ansässig gewesen wäre. Nach Ansicht des EuGH stellte dies eine nach Art. 63 Abs. 1 AEUV verbotene Beschränkung des Kapitalverkehrs dar.
Eine etwaige Rechtfertigung gem. Art. 65 Abs. 1 Buchst. a AEUV verneinte der Gerichtshof. Insbesondere sei die unterschiedliche Behandlung für objektiv miteinander vergleichbare Situationen vorgeschrieben worden, auch rechtfertigende zwingende Gründe des Allgemeinwohls lägen nicht vor.
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Aktualisiert zuletzt am
11.8.2015
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