Zwei Mal verheiratet: welche Ehefrau bekommt wie viel?
1. Ist der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen gegenüber dem geschiedenen Ehegatten nach § 1609 Nr. 3 BGB nachrangig, ist dessen Unterhaltsanspruch im Rahmen der Leistungsfähigkeit i.d.R.
nicht als sonstige Verpflichtung zu berücksichtigen. Der unterhaltsrechtliche Vorrang des geschiedenen Ehegatten wirkt sich bei der Billigkeitsabwägung nach § 1581 BGB vielmehr in Höhe des vollen
Unterhaltsbedarfs nach den ehelichen Lebensverhältnissen aus, da die Rangvorschriften des § 1609 BGB selbst Ausdruck einer gesetzlichen Billigkeitswertung sind.
2. Sind ein geschiedener und ein neuer Ehegatte nach § 1609 BGB gleichrangig, ist im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen eine Billigkeitsabwägung in Form einer Dreiteilung des
gesamten unterhaltsrelevanten Einkommens rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden (im Anschluss an BGH, Urt. v. 07.12.2011 – XII ZR 151/09).
3. Steht der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen im Bezug von Elterngeld, bleibt der nach § 11 Satz 1 BEEG geschonte Sockelbetrag des
Elterngeldes bei der Ermittlung des für die Dreiteilung verfügbaren Gesamteinkommens unberücksichtigt (Fortführung von BGH, Urt. v. 21.06.2006 – XII ZR 147/04).
4. Übt der neue Ehegatte des Unterhaltspflichtigen wegen der Betreuung der im Haushalt lebenden gemeinsamen minderjährigen Kinder keine
Erwerbstätigkeit aus, können ihm bei der Ermittlung des Gesamteinkommens fiktive Erwerbseinkünfte zugerechnet werden, wenn und soweit er im hypothetischen Fall einer Scheidung trotz der
Kindesbetreuung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit verpflichtet wäre. Während der ersten drei Lebensjahre des Kindes kommt dies aber auch dann nicht in Betracht, wenn der Unterhaltspflichtige als
Rentner selbst keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht.
BGH, Beschluss v. 07.05.2014 – XII ZB 258/13
BGH: Ehebedingter Nachteil bei Verlust des Arbeitsplatzes
Bei einem
betriebsbedingten und damit nicht ehebedingten Verlust des Arbeitsplatzes kann sich ein ehebedingter Nachteil auch daraus ergeben, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die
Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung zunächst nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine Stelle bewirbt, die seiner beruflichen Qualifikation und
seinen Fähigkeiten entspricht.
Auch in einem solchen Fall hat der Unterhaltsberechtigte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert zu bestreiten und
seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten
Nachteile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden.
BGH XII ZB 214/13, Beschluss vom 26.3.2014
OLG Hamm: Unterhalt verwirkt durch Missbrauchs-Vorwürfe
Wer dem Ehegatten, von dem er Unterhalt begehrt, Vorwürfe macht, die er nicht beweisen kann, riskiert seinen Unterhaltsanspruch.
Dem OLG Hamm lag folgender Fall vor:
Obwohl der Vorwurf des sexuellen Missbrauches gegen den Ehemann sich durch ein Gutachten nicht begelen ließ, wiederholte die Ehefrau ihren verdacht auch noch Jahre später, gegenüber dem jugendamt, den Kindern, der vermieterin, vor Gericht...
Die Ehefrau begehrt nachehelichen Unterhalt.
Die Entscheidung:
Das Unterhaltsverlangen der Ehefrau ist erfolglos geblieben. Der 2. Senat für Familiensachen des
Oberlandesgerichts Hamm hat ihren Anspruch auf Nachscheidungsunterhalt als verwirkt angesehen.
Die wiederholt und über mehrere Jahre ohne tatsächliche Anhaltspunkte auch Dritten gegenüber geäußerten
Missbrauchsvorwürfe seien objektiv geeignet gewesen, den Ehemann in der Öffentlichkeit nachhaltig verächtlich zu machen und hätten so seine familiäre, soziale und wirtschaftliche Existenz zerstören
können.
Oberlandesgericht Hamm, Beschluss vom 03.12.2013 - 2 UF 105/13
vgl. auch OLG Düsseldorf vom 11.7.2013 - 9 UF 57/13,
Verwirkung des Trennungsunterhaltes durch den Ehemann beleidigende und ehrverletztende emails an Dritte, nicht veröffentlicht
Eine Vergütung für die alleinige Nutzung der Ehewohnung kann auch zugesprochen werden, wenn ein Ehegatte während des Getrenntlebens aus einer Ehewohnung
weicht, für die beiden Ehegatten gemeinsam ein unentgeltliches Wohnungsrecht eingeräumt ist. Dies setzt nicht voraus, dass der Ehegatte, der in der Ehewohnung verbleibt, die Vorteile wirtschaftlich
verwerten kann, die ihm durch die ungeteilte Nutzung zuwachsen. Die familienrechtliche Nutzungsvergütung soll den Verlust des Wohnungsbesitzes und die damit einhergehenden wirtschaftlichen Nachteile
für den weichenden Ehegatten im Einzelfall und nach Billigkeit kompensieren.
BGH XII ZB 268/13, Beschluss vom 18.12.2013
Entscheidung des BGH zur Begrenzung eines vor der Unterhaltsrechtsreform titulierten Anspruchs auf Krankheitsunterhalt nach einer Ehedauer von etwa 20 Jahren: Auch wenn das Krankheitsbild der
Ex-Ehefrau nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen steht, also keine ehelichen Nachteile festzustellen sind, muss nach §1578b BGB
auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt werden. Eine Herabsetzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts ist nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden
Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet.
BGH XII ZB 309/11 - Beschluss vom 19.6.2013
Zur Beschaffung von Beweismitteln können einer Partei im Unterhaltsstreit Detektivkosten entstehen, zum Beispiel, um festzustellen, ob der Unterhaltsberechtigte in einer verfestigten
Lebensgemeinschaft lebt. Die Detektivkosten können zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz1 ZPO gehören. Das ist allerdings nur der Fall, wenn das Beweismittel im Rechtsstreit
verwertet werden darf. Das war hier nicht der Fall: Erstellung eines umfassenden personenbezogenen Bewegungsprofils mittels eines GPS-Geräts. Der BGH meint, eine punktuelle persönliche Beobachtung
hätte ausgereicht .
XII ZB 107/08, Beschluss vom 15.5.2013, BGH-Pressemitteilung
OLG Zweibrücken zur Berechnung von Trennungsunterhalt bei überdurchschnittlich guten Einkommensverhältnissen
Der Senat neigt dazu, sich der im Vordringen befindlichen Meinung der Oberlandesgerichte Köln, Brandenburg und Koblenz anzuschließen, wonach ein für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehendes Gesamteinkommen beider Eheleute bis zum Doppelten des Höchstbetrages der Düsseldorfer Tabelle es (noch) nicht gebietet, ohne besondere Anhaltspunkte auf die Verwendung von Teilen des Einkommens auf eine Vermögensbildung zu schließen. Ständig steigende Lebenshaltungskosten, das vielfältige Waren- und Dienstleistungsangebot an den Verbraucher und ein immer mehr auf Konsum ausgerichtetes Denken führen vielmehr dazu, dass bei einem Einkommen innerhalb der Grenzen der Düsseldorfer Tabelle für jeden Ehegatten noch keine Bereitschaft zur Vermögensbildung über die übliche und unterhaltsprägende Vorsorge hinaus zu erwarten ist. Innerhalb dieses Einkommensrahmens obliegt es dann dem Unterhaltspflichtigen, besondere Anhaltspunkte dafür darzulegen, dass tatsächlich Vermögen gebildet wurde. Diese sekundäre Darlegungslast (vgl. BGH a.a.O.) hat zum Inhalt, dass der Unterhaltsverpflichtete substantiiert darlegen muss, in welcher Weise Vermögen gebildet wurde. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsverpflichteten diesen Anforderungen genügt, muss die behauptete Vermögensbildung vom Unterhaltsberechtigten widerlegt und dies bewiesen werden (vgl. PfOLG Zweibrücken FamRZ 2012, 643). (…) Indes muss diese Frage vorliegend nicht abschließend entschieden werden, da der geltend gemachte Gesamtunterhaltsbedarf der Antragstellerin, der niedriger ist als der nach Quoten errechnete Bedarf, den Betrag von 2.550,00 € nicht bzw. nur bei Einbeziehung des Altersvorsorgebetrages überschreitet (vgl. BGH FamRZ 2012, 947 ff). Die Darlegung eines konkreten Bedarfs – die die Verhältnisse bis zur Trennung, nicht diejenigen nach der Trennung in allgemeiner Weise, jedoch ohne Vorlage von Belegen, darzustellen hat und an die im Übrigen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden dürfen – kann deshalb nicht gefordert werden.
OLG Zweibrücken, Beschluss vom 18.04.2013 - 6 UF 156/12
BGH: Ehebedingter Nachteil - Zur Darlegungslast
Um einen ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs bemisst sich dabei regelmäßig nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Haushaltsführung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte, wobei eine Schätzung entsprechend § 287 ZPO bei ausreichenden Grundlagen zulässig ist7.
Die Annahme, dass die Ehefrau ohne die Eheschließung heute in Tschechien eine Arbeitsstelle als Finanzbuchhalterin mit Berufserfahrung innehaben könnte, entspricht den nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geltenden Maßstäben. Die Ehefrau hat das erzielbare Einkommen mit Hilfe einer Stellenanzeige näher substantiiert. Da die Ehefrau über einen Hochschulabschluss verfügt, es sich um eine in ihr Berufsfeld fallende Tätigkeit handelt und die Höhe des Arbeitslohns nicht von einem vorausgegangenen beruflichen Aufstieg, sondern nur von einer entsprechenden Berufserfahrung abhängig ist, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen weiteren Vortrag der Ehefrau nicht für erforderlich gehalten hat. Denn unter diesen Umständen sind die mit der Widerlegung einer negativen Tatsache verbundenen spezifischen Schwierigkeiten ausgeräumt und ist die den Ehemann treffende Beweislast nicht mit überzogenen Anforderungen verbunden. Auf ein bloßes Bestreiten mit Nichtwissen konnte dieser sich demnach nicht mehr beschränken.
Eine exakte Feststellung des hypothetisch erzielbaren Einkommens des Unterhaltsberechtigten ist bei feststehenden Nachteilen schließlich nicht notwendig. Die Tatsachengerichte können sich vielmehr insoweit bei geeigneter Grundlage einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO bedienen. Für die Billigkeitsbetrachtung wird es dann in der Regel genügen, wenn das ungefähre Ausmaß der Einbuße feststeht, was im vorliegenden Fall aufgrund der bereits genannten Rahmenbedingungen gegeben ist.
Der Ausgangspunkt, dass das vom unterhaltsberechtigten Ehegatten in seinem Heimatland hypothetisch erzielbare Einkommen im Hinblick auf Kaufkraftunterschiede an das deutsche Preisniveau anzupassen ist, entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Dass das Berufungsgericht das Bruttoeinkommen auf der Grundlage des deutschen Steuer- und Sozialversicherungsrechts in ein Nettoeinkommen umgerechnet hat, ist demgegenüber zwar nicht folgerichtig, weil es auch insoweit auf die Verhältnisse in Tschechien ankommt. Die Revision macht aber nicht geltend, dass eine Berechnung nach den entsprechenden Vorschriften in Tschechien zu einem niedrigeren Nettoeinkommen geführt hätte.
Demnach ist auch die konkrete Bemessung des am ehebedingten Nachteil orientierten angemessenen Lebensbedarfs im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB nicht zu beanstanden, auf den das Berufungsgericht den Unterhalt ab März 2013 herabgesetzt hat.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 20. März 2013 – XII ZR 120/11
Ein ehebedingter Nachteil (§ 1578 b BGB) liegt nicht nur vor, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt von der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit absieht oder eine bereits ausgeübte
Erwerbstätigkeit aufgibt, sondern auch dann, wenn er ehebedingt seinen Arbeitsplatz wechselt und dadurch Nachteile erleidet.
BGH XII ZB 650/11, Beschluss vom 13.3.2013
Trotz Schwerbehinderung Vollzeit arbeiten ?
Den Senat überzeugt die auch in der Beschwerdeinstanz wiederholte Auffassung der Antragstellerin, lediglich der hälftige Betrag dieser tatsächlichen Einkünfte sei unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen, weil sie mit einem Grad von 60 mit dem Merkzeichen „G“ als schwerbehindert anerkannt und deshalb überobligatorisch erwerbstätig sei, nicht. Eine vom zuständigen Versorgungsamt erteilte Bescheinigung über die Schwerbehinderung einer Person ist nicht aussagekräftig hinsichtlich der Beantwortung der maßgeblichen Frage, ob diese infolge physischer und/oder psychischer Beeinträchtigungen nicht in der Lage ist, einer Vollerwerbstätigkeit nachzugehen. An diesbezüglichen verifizierbaren Angaben der Antragstellerin, die konkrete Anhaltspunkte für die Unzumutbarkeit vollschichtiger Erwerbstätigkeit nahelegen könnten, fehlt es. Zu berücksichtigen ist auch die Förderung von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte und die gesetzlich vorgegebene Rücksichtnahme auf die Arbeitsbedingungen entsprechender Personen.
OLG Köln, Beschluss vom 10.01.2013 - Aktenzeichen 4 UF 164/12
Private KV als ehebedingter Nachteil
Eine Ehefrau war über Ihren verbeamteten Mann beihilfeberechtigt und privat versichert. Sie war selbst nicht versicherungspflichtig erwerbstätig und konnte nach der Scheidung nicht mehr freiwillig in die gesetzliche Krankenversicherung zurück (§§ 6 Abs.3 a, 9 Abs.1 Nr.1, 186 SGB V SGB V, weil sie älter als 55 Jahre alt ist und in den letzten fünf Jahren nicht gesetzlich versichert war). Dieser Nachteil ist auf die Ehe mit dem Antragsteller zurück zu führen auch wenn der Umstand, dass die Antragsgegnerin nicht mehr in den gesetzlichen Krankenversicherungen Schutz erlangen kann, unmittelbar auf den gesetzlichen Regelungen beruht, die diesen Schutz für die Antragsgegnerin ausschließen. Daher gehörte zu ihrem nachehelichen Unterhaltsbedarf der Beitrag für die günstigste private Krankenversicherung incl. Selbstbehalt – und zwar unbefristet.
Beschluss des Kammergerichts Berlin vom 02.10.2012 (Az.: 13 UF 174/11)
BGH: Unterhalt, auch wenn Kinder über drei sind
Anforderungen an die Prüfung des Unterhaltsanspruchs wegen Betreuung von Kindern ab der Altersgrenze von drei Jahren; Verwendung einer wegen des Verlusts des Arbeitsplatzes erhaltenen Abfindung bei der Berechnung des zu zahlenden Unterhalts
a) Beim Unterhaltsanspruch wegen Betreuung von Kindern ab der Altersgrenze von drei Jahren ist zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder gesichert werden könnte (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770).
b) An die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts insbesondere aus kindbezogenen Gründen erforderlichen Darlegungen (hier: bei drei minderjährigen Kindern und von der Unterhaltsberechtigten zu leistenden Fahrdiensten an den Nachmittagen) sind keine überzogenen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an Senatsurteil vom 15. Juni 2011 - XII ZR 94/09 - FamRZ 2011, 1357).
c) Zur Beurteilung einer überobligationsmäßigen Belastung im Rahmen der Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist auch der Aspekt einer gerechten Lastenverteilung zwischen unterhaltsberechtigtem und unterhaltspflichtigem Elternteil zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurteile BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770 ; BGHZ 177, 272 = FamRZ 2008, 1739 und vom 21. April 2010 - XII ZR 134/08 - FamRZ 2010, 1050).
d) Hat der Unterhaltspflichtige nach dem - unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbaren - Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung erhalten und hat er im Anschluss daran eine neue Arbeitsstelle mit dauerhaft geringerem Einkommen gefunden, so ist die Abfindung bis zur Höchstgrenze des Bedarfs aufgrund des früheren Einkommens grundsätzlich für den Unterhalt zu verwenden (im Anschluss an Senatsurteile BGHZ 172, 22 = FamRZ 2007, 983 und vom 2. Juni 2010 - XII ZR 138/08 - FamRZ 2010, 1311; teilweise Aufgabe von Senatsurteil BGHZ 153, 358 = FamRZ 2003, 590).
e) Ob eine Aufstockung bis zum bisherigen Einkommen geboten ist und der bisherige Lebensstandard vollständig aufrechterhalten werden muss, beurteilt sich nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen, insbesondere auch nach der vom Unterhaltspflichtigen zu erwartenden weiteren Einkommensentwicklung.
BGH, Urteil vom 18.04.2012 - Aktenzeichen XII ZR 65/10
BGH: Unterhalt für Frau und Exfrau
zur "Dreiteilungsmethode"
BGH, Urteil vom 07.12.2011 - Aktenzeichen XII ZR 151/09
Das OLG Hamm hat in einer Entscheidung aus September 2011 das Recht des Betreuungsunterhalts seit der Reform 2008 wie folgt zusammengefasst:
„Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung des §§ 1570 BGB den nachehelichen Betreuungsunterhalt grundlegend umgestaltet. Er hat einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Obwohl der Betreuungsunterhalt nach §§ 1570 BGB als Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ausgestaltet ist, wird er vor allen Dingen im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Betreuung und Erziehung sicherzustellen.
Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 II BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich.
Zugleich hat der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt. Kind- oder elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus aus Gründen der Billigkeit führen könnten, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen
Die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln. Nur wenn das betroffene Kind einen Entwicklungsstand erreicht hat, in dem es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zeitweise sich selbst überlassen bleiben kann, kommt es aus kindbezogenen Gründen insoweit nicht mehr auf eine vorrangig zu prüfende Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung an
Kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Billigkeit entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste Gewicht und sind deswegen stets vorrangig zu prüfen.
Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts zum 1. 1. 2008 für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres grundsätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe i. S. von § 1570 I 3 BGB berufen. Das gilt sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist hingegen Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung. Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 II BGB). Die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils darf neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tageseinrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen.
Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils auch während der Zeit der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist.“
Im konkreten Fall hält der Senat eine Halbtagstätigkeit der Mutter in ihrem Beruf als Krankenschwester für zumutbar.
Auf eine Ausweitung der Betreuung der Kinder durch den Vater müsse sich die Mutter nicht verweisen lassen, da diese nicht dem Kindeswohl entspreche.
„Hinsichtlich G folgt dies bereits daraus, dass zwischen ihr und ihrem Vater seit fünf Jahren überhaupt keine Umgangskontakte mehr stattfinden, offenbar weil G den Kontakt verweigert. In einer solchen Situation müsste ein Umgang zunächst vorsichtig wieder angebahnt werden und könnte jedenfalls nicht ohne längere Übergangszeit die Betreuung durch die Kindesmutter ersetzen. Auch zwischen dem Kl. und B ist es nach Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung für die Dauer eines Jahres zu einer Unterbrechung des Umgangs gekommen, auch wenn dieser in der Zwischenzeit wieder aufgenommen ist.
Unabhängig hiervon aber steht einer erheblichen Ausweitung der Betreuung durch den Kl., wie das AG zu Recht hervorgehoben hat, der Umstand entgegen, dass eine Kommunikation zwischen den Kindeseltern nur schriftlich stattfindet. Noch in der mündlichen Verhandlung hat der Kindesvater auf Nachfrage des Senats spontan geäußert, dass er auf keinen Fall mit der Kindesmutter sprechen wolle. Eine Entlastung der Bekl. bei der Versorgung und Betreuung der Kinder, die ihr eine erhebliche Ausweitung der Erwerbstätigkeit ermöglichen würde, setzt voraus, dass der Kl. auch inhaltlich die Betreuung der Kinder in dieser Zeit übernimmt. Dann ist es zur Wahrung des Kindeswohls aber auch notwendig, dass sich die Kindeseltern über die Belange ihrer Kinder austauschen können. Ein solcher Austausch, soll er umfassend und effizient sein, kann nicht lediglich auf schriftlichem Wege erfolgen.“
OLG Hamm v. 14. 9. 2011 − 5 UF 45/11
BGH, Urteil vom 25. Januar 2012 - XII ZR 139/09
a) Haben die Parteien in einem Ehevertrag eine lebenslange Unterhaltsverpflichtung vereinbart, und hat sich die Rechtslage danach geändert (Möglichkeit der Befristung), bleibt es dem Unterhaltspflichtigen im Zweifel unbenommen, sich auf eine Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen.
b) Der Unterhaltsanspruch der nachfolgenden Ehefrau hat keine Auswirkung auf den Unterhaltsbedarf der früheren Ehefrau nach § 1578 BGB; dieser Anspruch ist allein im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen nach § 1581 BGB zu berücksichtigen (im Anschluss an Senatsurteil vom 7. Dezember 2011 XII ZR 151/09 - zur Veröffentlichung bestimmt).
OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2011 - II-2 UF 128/08
Bei Verpflichtung zur Teilerwerbstätigkeit kann als Betreuungsunterhalt nur die Differenz zwischen dem dadurch erzielbaren Einkommen und dem vollen Unterhalt als Aufstockungsunterhalt verlangt
werden.
Der Fall:
Die Ehe wurde nach 6 Jahren geschieden, da war die gemeinsame Tochter 6 Jahre alt. Über den nachehelichen Unterhalt für die Kindesmutter gab es einen Vergleich aus 2007, den der geschiedene Ehemann
mit der Begründung „Unterhaltsreform 2008“ ab Februar 2008 ändern wollte.
Das OLG befristete den Anspruch bis August 2010.
Die rechtlichen Fragen:
Das OLG wiederholt – wie die Gerichte seit 2008 schon oft bemerkt haben – dass die Reform keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Kinderbetreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verlangt, auch
wenn das Kind bei Trennung bzw. 2008 schon älter als drei Jahre war.
So lange die Tochter eine Ganztagsgrundschule (8-16 Uhr) besuchte, sah das OLG nur die Möglichkeit zu einer Teilerwerbstätigkeit der Mutter von 30 Wochenstunden, da die Tochter ansonsten zwischen 16
Uhr und der Rückkehr der Mutter vom Arbeitsplatz unbetreut gewesen wäre. Inzwischen besucht die Tochter eine Gesamtschule, wo sie ebenfalls von 8 bis 16 Uhr betreut wird. Jetzt hält das OLG eine
vollschichtige Erwerbstätigkeit für die Mutter für möglich. Dabei nimmt das OLG in Kauf, dass die 12jährige Tochter nach 16 Uhr kurzzeitig nicht betreut ist. In ihrem Alter könnten Kinder - im
Gegensatz zu Kindern im Grundschulalter - vorübergehend sich selbst überlassen bleiben.
Die Dauer der Befristung beruhte auf einzelfallbezogenen Kriterien und fiel hier mit dem 11. Geburstag der Tochter zusammen.
Der BGH hatte sich mit einer typischen Ehekonstellation zu befassen: Bei Scheidung war die Frau 53 Jahre alt und war in der Ehe über 25 Jahre lang nicht erwerbstätig gewesen. Das OLG Koblenz hatte einen nachehelichen Unterhaltsanspruch verneint, weil sie keine ausreichende Anzahl Bewerbungen vorgelegt hatte. Es hatte die Bemühungen um eine Arbeitsstelle als nicht ausreichend betrachtet. Der BGH hob die Entscheidung auf.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB, dass sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben muss, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen hat. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute.
Aber: Die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es vielmehr wie für das Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (Fortführung der Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 und vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789).
Außerdem führt die unzureichende Arbeitssuche noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche muss vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine reale Beschäftigungschance bestanden hat
Aufgrund des Vortrags der Klägerin scheint es aber zumindest naheliegend, dass die im Jahr 2007 53jährige Klägerin nach einer Erwerbsabstinenz von über 25 Jahren und bei - unstreitigen - gesundheitlichen Einschränkungen jedenfalls nicht sogleich eine Vollzeitstelle finden kann. Anders als in jenem Fall, der dem Senatsurteil vom 30. Juli 2008 ( XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 Rn. 23) zugrunde lag, traf die Klägerin auch nicht schon seit längerer Zeit eine Erwerbsobliegenheit, sondern waren die Parteien in dem abzuändernden Vergleich aus dem Jahr 2004 offenbar noch davon ausgegangen, dass der Klägerin - drei Jahre nach der Scheidung - kein eigenes Erwerbseinkommen anzurechnen ist.
Demnach hätte sich das Berufungsgericht zumindest mit dem Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, dass ihr aufgrund ihres Alters, ihrer langen Berufsabstinenz und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen aktuell jedenfalls eine Vollzeitstelle als Bürokauffrau oder Textilverkäuferin nicht offenstehe. Aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen lässt sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB demnach nicht verneinen.
Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich überdies nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die - wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571 , 1572 BGB - bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität finden, sondern auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 34).
In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht lediglich die Dauer der Ehe, die Kindererziehung (und Haushaltsführung) sowie die Dauer der Unterhaltszahlungen einbezogen. Das erscheint nicht ausreichend. Eine umfassende Würdigung hat vielmehr auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - seine während der Ehe durchgeführte berufliche Fortbildung und sein heute erzieltes Einkommen jedenfalls auch der Unterstützung durch die Klägerin zu verdanken hat. Nicht berücksichtigt ist auch, dass die Klägerin während der Arbeitslosigkeit des Beklagten nur einen reduzierten Unterhalt bezogen hat. Dieser Umstand rechtfertigt es, dass sie auch an einem später verbesserten Einkommen länger teilhaben kann. Zudem offenbarte der Beklagte seine wiederum erlangte Tätigkeit als IT-Berater erst mit erheblicher Verzögerung, was seine Unterhaltsbelastung vermindert hat. Es erscheint demnach naheliegend, dass das Berufungsgericht bei einer vollständigen Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte selbst bei - unterstellt - fehlenden ehebedingten Nachteilen zu einer längeren als der von ihm angenommenen Unterhaltsdauer gelangt wäre.
Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen an das OLG Koblenz.
BGH, Urteil vom 21.09.2011 - Aktenzeichen XII ZR 121/09
+++ BGH vom 13.7.2011: Betreuungsunterhalt lebt wieder auf, wenn nacheheliche Beziehung beendet wird +++
Zweck der gesetzlichen Neuregelung in § 1579 Nr. 2 BGB ist es, rein objektive Gegebenheiten bzw. Veränderungen in den Lebensverhältnissen des bedürftigen Ehegatten zu erfassen, die eine dauerhafte
Unterhaltsleistung unzumutbar erscheinen lassen. Entscheidend ist deswegen darauf abzustellen, dass der unterhaltsberechtigte frühere Ehegatte eine verfestigte
neue Lebensgemeinschaft eingegangen ist, sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herauslöst und zu erkennen gibt, dass er diese nicht mehr
benötigt. Kriterien wie die Leistungsfähigkeit des neuen Partners spielen hingegen keine Rolle.
Ein nach § 1579 Nr. 2 BGB beschränkter oder versagter nachehelicher Unter-haltsanspruch kann grundsätzlich wiederaufleben, wobei es einer umfassenden Zumutbarkeitsprüfung unter Berücksichtigung aller Umstände bedarf. Bei Beendigung der verfestigten Lebensgemeinschaft lebt ein versagter Unterhaltsanspruch regelmäßig
im Interesse gemeinsamer Kinder als Betreuungsunterhalt wieder auf. Für andere Unterhaltstatbestände gilt dies nur dann, wenn trotz der für eine gewisse Zeit
verfestigten neuen Lebensgemeinschaft noch ein Maß an nachehelicher Solidarität geschuldet ist, das im Ausnahmefall eine weitergehende nacheheliche
Unterhaltspflicht rechtfertigen kann.
BGH, Urteil vom 13. Juli 2011 - XII ZR 84/09
+++ BGH vom 30. März 2011 zum Betreuungsunterhalt nach dem 3. Lebensjahr: Kein Vorrang persönlicher Betreuung durch die Mutter +++
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein oder wesentlich auf das Alter des Kindes, etwa während der Kindergarten- und Grundschulzeit, abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
Aus den Gründen:
Das Berufungsgericht ist im Rahmen seiner Billigkeitsentscheidung zur Erwerbspflicht der Antragsgegnerin davon ausgegangen, dass der gemeinsame Sohn die Grundschule besucht und an zwei Tagen wöchentlich bis 15.00 Uhr im Kinderhort betreut wird. Dabei lässt es unberücksichtigt, dass der Schulhort nach den weiteren Feststellungen eine werktägliche Betreuung bis mindestens 17.00 Uhr anbietet. Weil der Gesetzgeber mit der Neuregelung des § 1570 BGB zum 1. Januar 2008 für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung durch die Eltern aufgegeben hat, hätte das Oberlandesgericht auch die bestehende Betreuungsmöglichkeit berücksichtigen müssen. Individuelle Umstände, die einer Betreuung im Schulhort in dem dort angebotenen Umfang entgegenstehen, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Zwar hat es ausgeführt, dass ein Kind im Kindergarten- und Grundschulalter ständiger Betreuung bedürfe und auch nicht stundenweise unbeaufsichtigt bleiben könne. Der berufstätige und zugleich betreuende Elternteil sei damit doppelt belastet, weil er das Kind umfassend versorgen und ihm gerade bei einer Betreuung in öffentlichen Einrichtungen im Interesse des Kindeswohls persönliche Zuwendung und Zuspruch gewähren müsse. Diese Erwägungen berücksichtigen schon nicht hinreichend, dass der gemeinsame Sohn an allen Werktagen nach der Schule bis mindestens 17.00 Uhr im Schulhort betreut werden könnte. Eine solche Auffassung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auf der Grundlage der gesetzlichen Neuregelung nicht haltbar.
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 30.03.2011 (Az.: XII ZR 3/09)
+++ BGH vom 2. März 2011: Fehlen des Anspruches auf Erwerbsminderungsrente kann ehebedingter Nachteil sein und damit eine Befristung ausschließen +++
Die Leitsätze:
a) Im Rahmen des Krankheitsunterhalts nach § 1572 BGB kann sich ein ehebedingter Nachteil aus der Aufgabe der Erwerbstätigkeit wegen Kindererziehung und Haushaltstätigkeit während der Ehe ergeben, wenn deswegen die Voraussetzungen für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht erfüllt sind. Denn nach § 43 Abs. 2 Nr. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nur dann Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit gezahlt haben.
b) Auch wenn keine ehebedingten Nachteile vorliegen, ist eine Herabsetzung oder zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhalts nur bei Unbilligkeit eines fortdauernden Unterhaltsanspruchs nach den ehelichen Lebensverhältnissen begründet. Bei der insoweit gebotenen Billigkeitsabwägung hat das Familiengericht das im Einzelfall gebotene Maß der nachehelichen Solidarität festzulegen, wobei vor allem die in § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB aufgeführten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind.
Der Sachverhalt:
Eheschließung 1984 , zwei Kinder, Trennung 2002. Während der Ehezeit ging die Frau keiner Erwerbstätigkeit nach. Inzwischen ist sie wegen einer nach der Trennung erstmals aufgetretenen Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis mit sekundärer Alkoholabhängigkeit dauernd erwerbsunfähig. Sie erhält Grundsicherung nach dem SGB XII sowie ein Pflegegeld.
Auf den Unterhaltsantrag hat das Amtsgericht den Anspruch bis zum 31. Dezember 2013 befristet.
Aus den Gründen des BGH:
Beim Krankheitsunterhalt wird auf das Einkommen abgestellt, das der kranke Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und Kindererziehung zur Verfügung hätte. Wenn die Krankheit nicht ehebedingt ist, ergibt sich der angemessene Lebensbedarf im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB bei vollständiger Erwerbsunfähigkeit also aus der Höhe der Erwerbsunfähigkeitsrente, wobei auch hier von der tatsächlichen Rente nach Durchführung des Versorgungsausgleichs auszugehen ist.
Beim Krankheitsunterhalt ist ein ehebedingter Nachteil auch dann denkbar, wenn die Krankheit selbst nicht ehebedingt ist: Wenn ein Unterhaltsberechtigter aufgrund der Rollenverteilung in der Ehe nicht ausreichend für den Fall der krankheitsbedingten Erwerbsminderung vorgesorgt hat und seine Erwerbsunfähigkeitsrente infolge der Ehe- oder Kindererziehung geringer ist als sie ohne die Ehe wäre oder sie vollständig entfällt.
Hat der unterhaltsberechtigte Ehegatte wegen der Kindererziehung und Haushaltstätigkeit in der relevanten Zeit nicht genügend Pflichtbeiträge gezahlt, kann die Erwerbsunfähigkeitsrente für eine alsbald anschließende Erwerbsunfähigkeit vollständig ausscheiden. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Frau wegen der Erziehung der gemeinsamen Kinder sowie der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit bis zur Trennung nicht erwerbstätig war. Nach der Trennung im Oktober 2002 konnte sie die erforderlichen Zeiten nicht mehr erfüllen, weil die Erkrankung schon bald so fortgeschritten war, dass im November 2003 eine Betreuung eingerichtet und sie im Mai 2004 stationär behandelt werden musste. Damit bildet die entfallene Möglichkeit zum Bezug einer Erwerbsunfähigkeitsrente hier einen ehebedingten Nachteil, der im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB zu berücksichtigen ist.
Diese Lücke durch eine ehebedingte Erwerbslosigkeit wird auch durch den durchgeführten Versorgungsausgleich nicht kompensiert. In solchen Fällen besteht der Nachteil im Verlust der ohne Ehe und Kindererziehung erzielbaren Erwerbsunfähigkeitsrente und ist auf die Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe zurückzuführen, ist somit ehebedingt.
Der sich daraus ergebende ehebedingte Nachteil entfällt allerdings mit dem Beginn der Altersrente.
Die Höhe dieses ehebedingten Nachteils hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, daher wurde zurückverwiesen.
BGH, Urteil vom 2. März 2011 - XII ZR 44/09
++ BGH vom 16. Februar 2011 zu ehebedingten Nachteilen ++
Leitsätze:
a) Für das Bestehen ehebedingter Nachteile kommt es vor allem darauf an, ob aus der tatsächlichen, nicht notwendig einvernehmlichen Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung Erwerbsnachteile entstanden sind (im Anschluss an Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - FamRZ 2010, 2059).
b) Gab der unterhaltsberechtigte Ehegatte während des Bestehens der ehelichen Lebensgemeinschaft seinen Arbeitsplatz auf, ist es jedenfalls grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob der unterhaltspflichtige Ehegatte damit einverstanden war oder nicht, so dass daraus entstandene Erwerbsnachteile ehebedingt sind. Etwas anderes gilt, wenn die Aufgabe (oder der Verlust) der Arbeitsstelle ausschließlich auf Gründen beruhte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen.
Der Fall:
Die Eheleute lebten zunächst vier Jahre in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen und heirateten im Dezember 1987. 1988 wurde ein Sohn geboren. 1993 gab die Ehefrau ihre Arbeit auf, um Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu übernehmen. Im Verfahren war streitig, ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes auf einem einvernehmlichen Entschluss der Eheleute beruhte oder auf dem alleinigen Entschluss der Ehefrau. Die Parteien trennten sich im Juni 2006. Auf den im Juni 2007 zugestellten Scheidungsantrag ist die Ehe rechtskräftig seit dem 1. Dezember 2008 geschieden worden. Die Ehefrau arbeitet jetzt bei einer Zeitarbeitsfirma, wo sie ca. 700 € mtl. weniger verdient als sie heute bei ihrem früheren Arbeitgeber verdienen würde.
Der Ehemann wurde zur Zahlung eines unbefristeten Unterhalts in Höhe von 502 € Elementarunterhalt und 124,80 € Altersvorsorgeunterhalt verpflichtet. Der BGH bestätigte das Urteil.
Aus den Gründen:
Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch die von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. (…) Ab welchem Zeitpunkt die Rollenverteilung praktiziert wird, ist nicht von Bedeutung. (…) Einem ehebedingten Nachteil steht demnach nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin den Entschluss zur Aufgabe ihres Arbeitsplatzes erst traf, als der gemeinsame Sohn bereits vier oder fünf Jahre alt war. Da die Antragsgegnerin anschließend trotz diverser Nebentätigkeiten die überwiegende Betreuung des Sohnes und des Haushalts übernahm, ist das Berufungsgericht mit Recht von einem auf der praktizierten Rollenverteilung beruhenden Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin ausgegangen. Ob die Aufgabe des Arbeitsplatzes gegen den Willen des Antragstellers erfolgte, ist jedenfalls im vorliegenden Fall nicht von Bedeutung. (…) Nach der Gesetzesformulierung kommt es darauf an, ob sich die Nachteile (vor allem) aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes oder aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben (§ 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB). Wie sich aus dem Wortlaut des Gesetzes ergibt, ist somit auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbetreuung und Haushaltsführung abzustellen. (…) Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Ehe der Parteien nach der Arbeitsplatzaufgabe durch die Klägerin über dreizehn Jahre fortgesetzt wurde. (…) Ein ehebedingter Nachteil liegt bei einer solchen Fallgestaltung nur dann nicht vor, wenn die Ehegestaltung für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das wäre der Fall, wenn die Antragsgegnerin ihren Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgegeben oder verloren hätte, die außerhalb der Ehegestaltung liegen, so etwa aufgrund einer von ihr persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder wegen einer betriebs- oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers. (…) Demnach kann kein Zweifel bestehen, dass die Gestaltung der Haushaltsführung den Anforderungen des § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB entspricht und zu dem vom Berufungsgericht im Umfang von monatlich 700 € festgestellten Erwerbsnachteil der Antragsgegnerin geführt hat. Bei bestehenden ehebedingten Nachteilen ist eine Befristung des nachehelichen Unterhalts regelmäßig nicht auszusprechen. Eine Befristung trotz fortbestehender ehebedingter Nachteile kommt nur unter außergewöhnlichen Umständen in Betracht, wofür nach den von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nichts ersichtlich ist.
BGH, Urteil vom 16. Februar 2011 - XII ZR 108/09
++ BVerfG 25.1.2011 zur Berechnung bei Ex-Frau und Ehefrau: Dreiteilungsmethode verfassungswidrig ++
Das Bundesverfassungsgericht hat den Bundesgerichtshof in die Schranken gewiesen. Der BGH hatte eine Methode „erfunden", wie der Ehegattenunterhalt zu
berechnen ist, wenn der Unterhaltspflichtige zwei Ehegatten zu unterhalten hat, z.B. weil der seiner Exfrau unterhaltsverpflichtete Ehemann wieder heiratet.
Ausgangspunkt dafür war das BGH-Urteil vom 30.07.2008 - XII ZR 177/06 (Theorie der Wandelbarkeit der ehelichen Verhältnisse), mit welchem eine sogenannte
Dreiteilungsmethode entwickelt wurde.
Die Idee des BGH: Die Einkommen aller Beteiligten (Ehemann, Exfrau und Ehefrau) werden zusammengerechnet und jedem steht davon ein Drittel zu. Für die Exfrau führte dies zu einer erheblichen Reduzierung ihres bisherigen Anspruches. Für die Beratungspraxis der Rechtsanwälte führte dies dazu, dass überhaupt Vorhersagen dazu getroffen werden konnten, wie ein Gericht entscheiden würde. Denn der Gesetzgeber hatte für solche Fälle keine konkrete Hilfe gegeben.
Das BVerfG: Genau da setzt aber die Kritik des Bundesverfassungsgerichts an: Wir haben in Deutschland Gewaltenteilung. Gesetzgebung ist politische Aufgabe. Es sei Sache des Gesetzgebers, Kriterien und Berechnungsweisen vorzugeben. Richterliche Rechtsfortbildung dürfe nicht so weit gehen, dass der Richter seine eigene Gerechtigkeitsvorstellung an die Stelle derjenigen des Gesetzgebers setze. Die Dreiteilungsmethode verlasse die unterhaltsrechtliche Systematik und nehme einen Systemwechsel vor, der dem Gesetz selbst nicht zu entnehmen sei. Die geänderte Auslegung hebe die gesetzliche Differenzierung zwischen Unterhaltsbedarf und Leistungsfähigkeit auf. Dieser neue Maßstab spiegele die ehelichen Lebensverhältnisse nicht mehr wider und löse sich in Gänze von der gesetzlichen Vorgabe.
Anmerkung: § 1353 BGB, wonach die Ehe auf Lebenszeit geschlossen wird und nicht eine zeitlich begrenzte Wirtschaftsgemeinschaft ist, rückt damit
wieder mehr ins Blickfeld, denn er wurde durch die Reform 2008 nicht abgeschafft. Urteile und Beschlüsse, die auf der Dreiteilungsmethode basieren, können wieder abgeändert werden. Wie dann zu rechnen ist, weiß allerdings noch niemand...
BVerfG, Beschluss v. 25.01.2011 - 1 BvR 918/10
++ BGH vom 12.1.2011 zum Rentner mit Selbständigen-Einkommen ++
Der Ehemann ist selbständiger Apotheker und ist auch nach Vollendung seines 65. Lebensjahres noch tätig. Es geht um den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt nach § 1573 Abs. 1 BGB
(Erwerbslosigkeitsunterhalt) und Kindesunterhalt für einen volljährigen Schüler.
Aus den Gründen:
Die ungeschmälerte Berücksichtigung sowohl des Erwerbseinkommens als auch des Renteneinkommens ist nicht rechtens. Die vom Beklagten nach Erreichen der Regelaltersgrenze fortgesetzte gewerbliche
Tätigkeit als Apotheker ist im Hinblick auf den Ehegattenunterhalt überobligatorisch. Denn der Beklagte ist aufgrund seines Alters nicht mehr zur Fortsetzung der Erwerbstätigkeit verpflichtet und
wäre demzufolge nicht daran gehindert, die Tätigkeit einzustellen.
Grundsätzlich macht es keinen Unterschied, ob der Unterhaltspflichtige in einem abhängigen Arbeits- oder Dienstverhältnis steht oder ob er gewerblich oder freiberuflich tätig ist. Ob eine nach
Überschreiten der Altersgrenze fortgesetzte Erwerbstätigkeit berufstypisch ist und der Lebensplanung der Ehegatten während des Zusammenlebens entspricht, findet erst Eingang bei der gesondert zu
beantwortenden Frage, in welchem konkreten Umfang das aus überobligatorischer Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen nach Billigkeitskriterien für den Unterhalt einzusetzen ist.
In welchem Umfang das Einkommen aus überobligatorischer Tätigkeit für den Unterhalt heranzuziehen ist, ist vielmehr nach den Grundsätzen von Treu und Glauben aufgrund der konkreten Umstände des
Einzelfalls zu beurteilen. Würde der Unterhalt etwa durch eine unzureichende Altersvorsorge des Unterhaltspflichtigen deutlich mehr geschmälert, als es bei dessen Eintritt in den Ruhestand
üblicherweise der Fall wäre, kann dies für eine erweiterte Heranziehung des Erwerbseinkommens sprechen. Ist hingegen im Rahmen des Versorgungsausgleichs dem Unterhaltsberechtigten bereits ein
beträchtlicher Teil der Versorgungsanwartschaften des Unterhaltspflichtigen übertragen worden, kann dies - ebenso wie die Aufteilung sonstigen für die Altersvorsorge gedachten Vermögens im Wege des
Zugewinnausgleichs - für eine nur eingeschränkte Anrechnung sprechen, wenn etwa die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit vorwiegend dem Zweck dient, die beim Unterhaltspflichtigen entstandene
Versorgungslücke durch besondere Erwerbsanstrengungen wieder aufzufüllen.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht wird sowohl für den Ehegattenunterhalt als auch für den Kindesunterhalt das anrechenbare Einkommen des Beklagten
entsprechend den obigen Regeln neu festzulegen haben.
BGH, Urteil vom 12. Januar 2011 - XII ZR 83/08 -
++ BGH, Versäumnisurteil vom 10.11.2010 zur Befristung und Herabsetzung bei konkretem Bedarf - XII ZR 197/08 ++
a) Ein umfassender Anspruch auf Aufstockungsunterhalt setzt voraus, dass der Unterhaltsberechtigte eine vollschichtige angemessene Erwerbstätigkeit ausübt oder ihn eine entsprechende Obliegenheit
trifft. Vermag der Unterhaltsberechtigte eine solche Tätigkeit nicht zu erlangen, ergibt sich der Anspruch zum Teil aus § 1573 Abs. 1 BGB - Erwerbslosigkeitsunterhalt.
b) Bei einer Bedarfsermittlung nach den konkreten Verhältnissen ist eigenes Erwerbseinkommen des Unterhaltsberechtigten zur Ermittlung der Bedürftigkeit nicht
gekürzt um einen Erwerbsbonus, sondern in vollem Umfang auf den Bedarf anzurechnen.
c) Der angemessene Lebensbedarf gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB bestimmt sich nach der Lebensstellung, die der Unterhaltsberechtigte ohne die Ehe und damit verbundene
Erwerbsnachteile erlangt hätte (im Anschluss an Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633).
Die - besseren - Verhältnisse des anderen Ehegatten sind für den sich nach der eigenen Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bemessenden Bedarf ohne
Bedeutung.
d) Zur Befristung des Unterhalts nach § 1573 Abs. 1, 2 BGB bei ehebedingten Nachteilen des Unterhaltsberechtigten.
Der Sachverhalt
Die Parteien sind geschiedene Eheleute und streiten um nachehelichen Unterhalt. Die Parteien heirateten 1982. Aus der Ehe sind 1985 und 1987 zwei Kinder hervorgegangen. Die Parteien trennten sich im August 2003 und sind seit August 2008 rechtskräftig geschieden.
Der Antragsteller ist Laborarzt und an einer Gemeinschaftspraxis beteiligt. Die Antragsgegnerin ist ausgebildete medizinisch-technische Assistentin (MTA). Sie ist in der Praxis des Antragstellers angestellt, ohne tatsächlich dort zu arbeiten, und bezieht dort ein Nettoeinkommen von etwa 1.000 € monatlich. Die Antragsgegnerin bewohnt die ehemalige Ehewohnung. Seinen Miteigentumsanteil an dem Einfamilienhausgrundstück hat ihr der Antragsteller nach der Trennung übertragen.
Die Entscheidung des OLG:
Das Berufungsgericht (OLG) ist von einem konkret zu bemessenden Unterhaltsbedarf der Antragsgegnerin in Höhe von monatlich 3.680 € (ohne Wohnbedarf - Kaltmiete) ausgegangen, den es im Einzelnen spezifiziert hat. Das Oberlandesgericht hat den Unterhalt stufenweise herabgesetzt und schließlich befristet. Der Antragsgegnerin seien durch die Ehe berufliche Nachteile entstanden, die sie dauerhaft daran hinderten, selbst in ausreichender Weise für ihren eigenen Unterhalt zu sorgen. Die Antragsgegnerin habe glaubhaft dargelegt, dass sie ohne Eheschließung die Möglichkeit gehabt hätte, eine Abteilungsleitung zu übernehmen. Die Höhe des nachehelichen Unterhalts sei aus Gründen der Billigkeit auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen. Nach Abwägung aller relevanten Umstände erscheine es nicht gerechtfertigt, nur den ehebedingten Verdienstausfall als alleinigen Maßstab für die Unterhaltshöhe heranzuziehen. Das Berufungsgericht hat eine stufenweise Herabsetzung des Unterhalts vorgenommen, zuletzt auf einen Bedarf von 2.600 € (ohne Wohnbedarf - Kaltmiete), der wegen der ausgesprochen guten Lebensverhältnisse in der Ehe über dem Lebenszuschnitt liege, den die Antragsgegnerin ohne die Ehe hätte finanzieren können.
Die Revisions-Entscheidung des BGH:
Das Urteil beruht nicht auf einer Säumnisfolge, sondern auf einer Sachprüfung.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts beruht der Anspruch nicht in vollem Umfang auf § 1573 Abs. 2 BGB (Aufstockungsunterhalt), sondern zum Teil auf § 1573 Abs. 1 BGB
(Erwerbslosigkeitsunterhalt).
Bei dem Scheinarbeitsverhältnis handelt es sich nicht um eine (nachhaltige angemessene) Erwerbstätigkeit, die den Antragsteller im Hinblick auf das künftige
Arbeitsplatzrisiko teilweise entlasten könnte.
Die vom Berufungsgericht durchgeführte konkrete Bedarfsermittlung nach § 1578 Abs. 1 BGB gibt keinen Anlass zu Beanstandungen.
Nach der Rechtsprechung des Senats bemisst sich der angemessene Lebensbedarf im Sinne von § 1578 b Abs. 1 BGB, der die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte (Senatsurteile vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 4. August 2010 - XII ZR 7/09 - FamRZ 2010, 1633 Rn. 32 jeweils mwN). Diesen Bedarf hat das Berufungsgericht mit 1.940 € festgestellt, was von der Revision nicht beanstandet worden ist und auch ansonsten keinen Bedenken begegnet.
Indem das Berufungsgericht bei der Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf hingegen wiederum den Lebenszuschnitt während der Ehe herangezogen hat, hat es verkannt, dass der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs sich auf die eigene Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten bezieht und nicht auf den Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Dieser gewährleistet dem Unterhaltsberechtigten die Teilhabe am höheren Lebensstandard des besser verdienenden Ehegatten, während der angemessene Lebensbedarf lediglich den durch eigene Erwerbstätigkeit möglichen Lebensstandard sichert. Da das Berufungsgericht damit die Untergrenze für eine Herabsetzung des Unterhalts verkannt hat, ist nicht auszuschließen, dass es bei einer zutreffenden rechtlichen Würdigung zu einer weitergehenden Herabsetzung des Unterhalts gelangt wäre.
Die vom Berufungsgericht nach § 1578 b Abs. 2 BGB vorgenommene Befristung bis zum 31. August 2023 ist hingegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist aufgrund dieser Feststellungen mit Recht von fortbestehenden ehebedingten Nachteilen der Antragsgegnerin ausgegangen. Nach der Rechtsprechung des Senats kommt in diesem Fall eine Befristung in der Regel nicht in Betracht (Senatsurteil vom 20. Oktober 2010 - XII ZR 53/09 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN). Dass hier etwa eine Ausnahme geboten sei, hat das Berufungsgericht insbesondere im Hinblick auf die Ehedauer, die Kinderbetreuung und die guten wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers im Rahmen tatrichterlicher Beurteilung fehlerfrei verneint. Ein angemessener Ausgleich ist in diesen Fällen im Wege der Herabsetzung des Unterhalts nach § 1578 b Abs. 1 BGB zu finden. Dass das Berufungsgericht - wie die Revision meint - damit das vor dem 1. Januar 2008 geltende Unterhaltsrecht perpetuiert - steht damit im Einklang, dass sich das Unterhaltsrecht insoweit nicht geändert hat (vgl. Senatsurteil vom 29. September 2010 - XII ZR 205/08 - zur Veröffentlichung bestimmt mwN).
+++ BGH 22.11.2010: Ansprüche nach langjähriger Hausfrauenehe +++
Der oberste Familiensenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat den Unterhaltsanspruch von Hausfrauen nach Scheidungen gestärkt. In dem am 22.11.2010
veröffentlichten Urteil stellte der BGH klar, dass in gewissen Fällen die Frau unbefristet Unterhalt erhalten muss (Az. XII ZR
202/08).
Der Fall betraf eine heute 58-jährige Frau, die nach 23 Jahren Ehe geschieden wurde. Sie hatte Haushalt und Kindererziehung übernommen, war mit ihrem Mann
umgezogen und hatte ihren Beruf als Motopädin nur noch stundenweise ausgeübt. Der Mann ging dann ein Verhältnis mit einer jüngeren Frau ein und wurde mit 54 Jahren noch einmal Vater. Während er als
Selbstständiger über ein Nettoeinkommen von mehr als 3500 Euro verfügte, erzielte sie als Ganztagskraft 1020 Euro netto. Auch ihr Rentenanspruch war mit 160 Euro monatlich sehr gering. Als
Selbstständiger hatte ihr Ex-Mann jedoch nur geringe Rentenanwartschaften, sodass ihr bei der Scheidung nur 50 Euro monatlich zusätzlich aus seiner Rente übertragen wurden.
Dennoch begrenzte das Oberlandesgericht Hamm ihren Unterhaltsanspruch. Ab dem Jahr 2012 sollte sie keinen Unterhalt mehr von ihrem Ex-Mann erhalten, sodass sie nur noch die monatlich 1020 Euro zur Verfügung gehabt hätte. Eine Altersversorgung hätte sie nicht mehr aufbauen können. Der Familiensenat des BGH hob das Urteil auf und verwies den Fall an das Oberlandesgericht zurück. Gerade in älteren Ehen mit einem Alleinverdiener sei die wirtschaftliche Verflechtung besonders groß. Die nacheheliche Solidarität sei hier besonders zu beachten und könne es gebieten, von einer Befristung oder Kürzung des Unterhalts abzusehen.
Das Recht des nachehelichen Unterhalts ist 2008 grundlegend reformiert worden. Geschiedene sollen nach einigen Jahren grundsätzlich wieder finanziell auf eigenen Beinen stehen. Das Gesetz enthält Soll-Vorschriften und erlaubt Ausnahmen nach „Billigkeit". Der BGH in Karlsruhe legte das Gesetz jetzt zugunsten von Hausfrauen aus, die in der Ehe über Jahrzehnte auf einen eigenen Beruf verzichteten.
+++ BGH 20.10.2010: zu ehebedingten Nachteilen, Darlegungslast und Schätzungsmöglichkeiten des Richters +++
Leitsatz: Nachehelicher Unterhalt: Berücksichtigung ehebedingter Nachteile bei der Billigkeitsentscheidung über die Beschränkung des Anspruchs
1. Um den ehebedingten Nachteil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des § 1578b Abs. 1 Satz 1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhaltsberechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§ 1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt grundsätzlich den ehebedingten Nachteil (Rn.23).
2. Der Unterhaltsberechtigte kann im Einzelfall seiner - sekundären - Darlegungslast genügen, wenn er vorträgt, dass in dem von ihm erlernten Beruf Gehaltssteigerungen in einer bestimmten Höhe mit zunehmender Berufserfahrung bzw. Betriebszugehörigkeit üblich sind (Rn.32).
3. Bei feststehenden Nachteilen ist eine exakte Feststellung zum hypothetisch erzielbaren Einkommen des Unterhaltsberechtigten nicht notwendig. Die Tatsachengerichte können sich bei geeigneter Grundlage einer Schätzung entsprechend § 287 ZPO bedienen (Rn.33).
Das Gericht muss in der Entscheidung jedoch die tatsächlichen Grundlagen seiner Schätzung und ihre Auswertung in objektiv nachprüfbarer Weise angeben (Rn.33).
4. Bei den in § 1578b BGB aufgeführten Kriterien handelt es sich um objektive Umstände, denen kein Unwerturteil bzw. keine subjektive Vorwerfbarkeit anhaftet, weshalb im Rahmen der Abwägung des § 1578b BGB keine Aufarbeitung ehelichen Fehlverhaltens stattfindet (Rn.27).
+++ BGH 6.10.2010: ehebedingte Nachteile, Versorgungsausgleich, Vertrauen +++
Der Fall:
Die Parteien streiten um nachehelichen Aufstockungsunterhalt.
Die 1952 geborene Antragstellerin und der 1949 geborene Antragsgegner schlossen im November 1980 die Ehe, aus der ein 1982 geborener Sohn hervorgegangen ist. Im Januar 2003 trennten sich die Parteien.Nach ihrer Ausbildung zur Gymnastiklehrerin war die Antragstellerin von 1971 bis 1973 als Sportlehrerin an einem Gymnasium tätig. In der Folgezeit absolvierte sie eine Ausbildung zur Motopädin und war - ab der Heirat nur noch mit zwölf Stunden wöchentlich - in diesem Beruf tätig. Ab der Geburt des gemeinsamen Sohnes war sie zunächst nicht erwerbstätig und übernahm den Haushalt und die Kindeserziehung. Ab Oktober 1987 arbeitete sie wieder - bis zur Scheidung mit reduzierter Stundenzahl und seit August 2008 vollschichtig - in ihrem Beruf als Motopädin.
Sie begehrt einen unbefristeten Unterhalt in der zugesprochenen Höhe.
Aus den Gründen:
Der vom Einkommen des besser verdienenden Ehegatten abgeleitete Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen bietet dem geschiedenen Ehegatten jedoch keine Lebensstandardgarantie.
Danach ist bei der Billigkeitsabwägung vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche
Nachteile können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von Haushaltsführung oder Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der
Dauer der Ehe ergeben.
Nach § 1578 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 BGB ist somit vorrangig zu berücksichtigen, ob ehebedingte Nachteile eingetreten sind, die schon deswegen
regelmäßig einer Begrenzung oder Befristung des nachehelichen Unterhalts entgegenstehen, weil der Unterhaltsberechtigte dann seinen eigenen angemessenen Unterhalt nicht selbst decken kann. Denn ein
ehebedingter Nachteil ergibt sich in der Regel daraus, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte nachehelich nicht die Einkünfte erzielt, die er ohne die Ehe und Kinderbetreuung erzielen würde.
Dabei ist die Dauer der Ehe allein kein entscheidendes Kriterium, wenn beide Ehegatten während der Ehe vollschichtig berufstätig waren und die Einkommensdifferenz lediglich auf ein unterschiedliches Qualifikationsniveau zurückzuführen ist, das bereits zu Beginn der Ehe vorlag.
Zu Recht ist das Berufungsgericht hier davon ausgegangen, dass die Antragstellerin keine ehebedingten Nachteile erlitten hat.
Nachdem der Antragsgegner ehebedingte Nachteile der Antragstellerin in Abrede gestellt hatte, hat die Antragstellerin nach den Feststellungen des Oberlandesgerichts solche Nachteile nicht substantiiert vorgetragen.
In der Regel werden die aus der ehebedingten Erwerbsunterbrechung resultierenden Nachteile in der Altersvorsorge eines Ehegatten durch den Versorgungsausgleich
ausgeglichen.
Anderes gilt nur dann, wenn der Nachteil in der Versorgungsbilanz des Unterhaltsberechtigten nicht oder nur teilweise ausgeglichen worden ist, etwa wenn der unterhaltspflichtige Ehegatte schon
während der Ehezeit als Rentner keine eigene Altersvorsorge mehr aufgebaut hat, die im Rahmen der Ehescheidung ausgeglichen werden könnte.
Zu berücksichtigen ist aber, dass die eigene angemessene Lebensstellung der Antragstellerin nur wenig über dem Mindestbedarf liegt, während der Antragsgegner im
Rahmen seiner selbständigen Erwerbstätigkeit ein deutlich höheres Einkommen erzielt, das rechnerisch einen Unterhaltsanspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen in Höhe von 1.272 EUR monatlich
begründen würde. Auch die Altersversorgung der Antragstellerin ist, wenngleich sie für die Ehezeit vollständig zwischen den Parteien ausgeglichen wurde, nur sehr begrenzt. In der langen Ehe hat sie
lediglich eigene gesetzliche Rentenanwartschaften in Höhe von rund 160 EUR erworben, die durch den Versorgungsausgleich um gut 50 EUR aufgestockt worden sind. Auch unter Berücksichtigung der weiteren
vorehelich erworbenen Anwartschaften und des im Zugewinnausgleich erhaltenen Vermögens von gut 30.000 EUR, von dem nach der Einschätzung des Berufungsgerichts nur rund 23.000 EUR verblieben sind,
ergibt sich keine ausreichende Grundlage für eine dauerhafte Altersvorsorge. Die Antragstellerin ist deswegen darauf angewiesen, bis zum Rentenbeginn noch eine
adäquate weitere Altersvorsorge aufzubauen.
Die Entscheidung des Berufungsgerichts ist aufzuheben und das Verfahren ist zur erneuten Feststellung der entscheidungsrelevanten Billigkeitsgesichtspunkte sowie zur abschließenden tatrichterlichen Billigkeitsprüfung auf der Grundlage der Rechtsprechung des Senats an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
BGH - Urteil vom 06.10.2010- XII ZR 202/08
++ BGH 15.9.2010: Verlängerung des Betreuungsunterhalts über das dritte Lebensjahr hinaus - zur Abschaffung des Altersphasenmodells++
Im Rahmen der Billigkeitsentscheidung über eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen nach § 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB ist stets zunächst der individuelle Umstand zu
prüfen, ob und in welchem Umfang die Kindesbetreuung auf andere Weise gesichert ist oder in kindgerechten Betreuungseinrichtungen gesichert werden könnte. Denn mit der Neugestaltung des nachehelichen
Betreuungsunterhalts in § 1570 BGB hat der Gesetzgeber für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres den Vorrang der persönlichen Betreuung aufgegeben (im Anschluss an die Senatsurteile vom 17.
Juni 2009 - XII ZR 102/08 - FamRZ 2009, 1391 und BGHZ 180, 170 = FamRZ 2009, 770). Ein Altersphasenmodell, das bei der Frage der Verlängerung des Betreuungsunterhalts aus kindbezogenen Gründen allein
oder wesentlich auf das Alter des Kindes abstellt, wird diesen Anforderungen nicht gerecht. Az XII ZR 20/09, Urteil vom 15.09.2010
++ BGH 15.9.2010: Mögliche Mitbetreuung des Vaters muss unterhaltsrechtlich berücksichtigt werden ++
Die geschiedenen Eheleute haben einen fünfjährigen Sohn. Er lebt im wesentlichen bei der Mutter und geht in den Kindergarten. Der Vater ist schon im Vorruhestand.
Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ehegattenunterhalt bietet der Vater an, dass das Kind wesentlich mehr Zeit mit ihm verbringen könne, damit die Mutter vollschichtig arbeiten kann.
Vor dem Amtsgericht verlor die Frau das Unterhaltsverfahren. Das OLG dreht die Entscheidung um und verurteilte den Mann zu Ehegattenunterhalt, weil die geschiedene Ehefrau angesichts des Betreuungsbedarfes des Kindes nicht Vollzeit arbeiten könne. Das wiederum hob der BGH auf.
Er verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Der BGH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach ist grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet (BGH, Urteil vom 15.09.2010, XII ZR 20/09).
++ BGH 7.7.2010: Krankheit des unterhaltsbedürftigen Ehegatten ist regelmäßig kein ehebedingter Nachteil ++
Krankheiten unterhaltsbedürftiger Ehegatten (hier: schwere depressive Störung) stellen in der Regel keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter fallen vornehmlich Einbußen, die sich aus der
Rollenverteilung in der Ehe ergeben und nicht solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.
Der Sachverhalt:
Antragsgegnerin und Antragsteller hatten im Jahr 1994 geheiratet. Für die Antragsgegnerin war es im Alter von 37 Jahren die dritte Ehe. Die Ehe blieb kinderlos. Der Antragsteller ist Beamter. Die
Antragsgegnerin verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung. Wegen Depressionen verlor sie ihren Job als Lagerarbeiterin. Inzwischen bezieht die Antragsgegnerin eine Rente wegen voller
Erwerbsminderung. Das Familiengericht hat einen nachehelichen Unterhalt zugesprochen, aber befristet.
Die hiergegen gerichtete Berufung beim OLG sowie die Revision der Antragsgegnerin beim BGH blieben erfolglos.
Aus den Gründen des BGH:
Seit dem 1.1.2008 ist gem. § 1578b Abs. 2 BGB eine Befristung auch für den nachehelichen Krankheitsunterhalt nach § 1572 BGB zulässig.
Die Krankheit eines unterhaltsbedürftigen Ehegatten stellt regelmäßig keinen ehebedingten Nachteil dar. Hierunter sind vornehmlich Einbußen zu verstehen, die sich aus der Rollenverteilung in der Ehe
ergeben, nicht dagegen solche, die aufgrund sonstiger persönlicher Umstände oder schicksalhafter Entwicklungen eingetreten sind.
Nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des OLG litt die Antragsgegnerin schon lange vor der Heirat an einer depressiven Störung. Dass die Erkrankung gleichwohl - ausnahmsweise -
ehebedingt war, hatte das Berufungsgericht zutreffend verneint. Die Erkrankung stand nicht im Zusammenhang mit der Rollenverteilung in der Ehe oder sonstigen mit der Ehe verbundenen Umständen. Dass
sich eine psychische Erkrankung - wie im vorliegenden Fall - im Zusammenhang mit Ehekrise und Trennung verstärkt, begründet für sich genommen keinen ehebedingten Nachteil.
Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass der Unterhaltspflichtige im Einzelfall unabhängig von der Ehe für die Krankheit des Unterhaltsbedürftigen (mit-)verantwortlich sein kann und dies als
Billigkeitsgesichtspunkt zu berücksichtigen ist. Die Abwägung aller für die Billigkeitsentscheidung nach § 1578 b BGB in Betracht kommenden Gesichtspunkte ist dabei Aufgabe des Tatrichters. Dieser
hatte im vorliegenden Fall solche Umstände allerdings zu Recht nicht festgestellt.
Es war auch nicht von einer engen wirtschaftlichen und sozialen Verflechtung der Parteien auszugehen. Die Antragsgegnerin war bei der Eheschließung bereits 37 Jahre alt. Es handelte sich zudem um
ihre dritte Ehe. Ein besonderes Vertrauen auf den Fortbestand der Unterhaltsverpflichtung war deshalb unter Berücksichtigung aller Umstände nicht gerechtfertigt. Dass die Antragsgegnerin gleichwohl
Dispositionen im Hinblick auf fortwährende Unterhaltsleistungen getroffen hatte, wurde vom OLG nicht festgestellt.
BGH - 7.7.2010 -XII ZR 157/08
++ OLG Jena: Alte Unterhaltsschulden können verfallen ++
Das Thüringer OLG in Jena ist der Meinung, dass Ansprüche auf rückständigen Unterhalt, der jahrelang nicht geltend gemacht worden ist, gemäß § 242 BGB verwirkt
sein können.
Die Verwirkung gehört zur „Unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens". Sie setzt voraus, dass der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht
geltend macht, obwohl er dazu in der Lage wäre (sog. Zeitmoment), und dass der Verpflichtete sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Berechtigten darauf
einrichten durfte und sich darauf eingerichtet hat, dieser werde sein Recht auch künftig nicht mehr geltend machen (sog. Umstandsmoment).
Rückständiger Unterhalt kann grundsätzlich der Verwirkung unterliegen. Dies gilt sogar und insbesondere, wenn die Ansprüche tituliert sind (Urteil, Notarvertrag,
Vergleich, Jugendamtsurkunde).
Das minderjährige Kind wollte sich darauf berufen, dass Anspruchsverjährung gegenüber seinen Eltern bis zur Volljährigkeit des Kindes gehemmt sind gemäß § 204 S.
2 BGB. Das Verhalten der Mutter, die als gesetzlicher Vertreter für das Beitreiben des Unterhaltes zuständig war, wurde ihm jedoch zugerechnet.
Das Umstandsmoment ist nach der Rechtsprechung des BGH erfüllt, wenn zum Zeitmoment besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Unterhaltsverpflichtete
sich nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass der Unterhaltsberechtigte sein Recht nicht mehr geltend machen werde. Allerdings
sind die Anforderungen an das Umstandsmoment auch nicht zu überspannen, weil ein Unterhaltsschuldner erfahrungsgemäß seine Lebensführung nach den ihm zur Verfügung stehenden Einkünften anzupassen
pflegt. Sieht ein Unterhaltsgläubiger von der zeitnahen Durchsetzung seiner Ansprüche ab, erweckt sein Verhalten regelmäßig den Eindruck, er sei in dem
fraglichen Zeitraum nicht bedürftig. Diese Grundsätze gelten auch, soweit es rechtshängige oder - wie es hier der Fall ist - titulierte Forderungen betrifft. Es
gibt keinen Rechtssatz dahin, dass solche Forderungen nicht der Verwirkung unterliegen. Gerade in Fällen titulierter Forderungen kann auf Grund des Absehens des Gläubigers von der zeitnahen
Durchsetzung seiner Ansprüche nach Treu und Glauben der Eindruck der Nichtgeltendmachung erweckt werden, da die Durchsetzung titulierter Forderungen jedenfalls in der Regel näher liegt als bei nicht
titulierten Forderungen.
Ob sich der Unterhaltsschuldner darauf einstellen durfte, dass die Beklagten ihre Unterhaltsansprüche für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr geltend machen wird, ist eng mit der Frage des
Zeitmoments verknüpft, das maßgeblich vom Verhalten der Beklagten beeinflusst wird. Auch dies ist vorliegend nach Meinung des Oberlandesgerichts Thüringen
erfüllt.
Dabei dürfen bei Unterhaltsansprüchen an das Zeitmoment der Verwirkung keine strengen Anforderungen gestellt werden. Von einem Unterhaltsgläubiger muss eher als von einem Gläubiger anderer
Forderungen erwartet werden, dass er sich zeitnah um die Durchsetzung des Anspruchs bemüht. Anderenfalls können Unterhaltsrückstände zu einer erdrückenden Schuldenlast
anwachsen. Diese Erwägungen treffen auch auf titulierte Unterhaltsansprüche zu, die, wie im vorliegenden Fall, erst nach ihrer Titulierung fällig geworden sind. Entscheidend ist der
Schuldnerschutz. Der Schuldnerschutz verdient es somit auch im Falle der Titulierung künftig fällig werdender Unterhaltsforderungen besonders beachtet zu werden,
weshalb auch in diesen Fällen das Zeitmoment bereits nach dem Verstreichenlassen einer Frist von etwas mehr als einem Jahr als erfüllt anzusehen sein kann.
Auch das Umstandsmoment ist erfüllt, weil der Unterhaltsschuldner sich hier nach Treu und Glauben darauf einrichten durfte, dass Unterhalt für die Vergangenheit nicht mehr geltend gemacht wird,
nachdem die Kindesmutter 5 Jahre die Zwangsvollstreckung aus dem Kindesunterhaltstitel nicht betrieben hat.
Thüringer Oberlandesgericht, Beschluss vom 1. April 2010 - 2 WF 85/09
++ OLG Düsseldorf 7.7.2010: Verwirkung des Unterhaltsanspruchs durch Verschweigen von Einkünften ++
Verschweigt der unterhaltsberechtigte Ehegatte eigene Einkünfte, obwohl der Unterhaltsverpflichtete gezielt nach solchen Einkünften gefragt hat, und verhandelt er so zur Sache, so liegt ein Verwirkungstatbestand vor, auch wenn die verschwiegenen Einkünfte verhältnismäßig gering waren und nur über einen begrenzten Zeitraum erzielt wurden. Az II-8 UF 14/10, Urteil vom 7.7.2010
++ OLG Köln 12.1.2010: Unterhalt ist nicht zum Sparen gedacht. Deckelung des 3/7-Quotenunterhaltes durch Anwendung der Sättigungsgrenze ++
Grundsätzlich wird Trennungsunterhalt so berechnet, dass dem Unterhaltspflichtigen 4/7, dem Berechtigten 3/7 des verfügbaren gemeinsamen Einkommens zugeordnet wird. Unterhalt ist aber nicht zum Ansparen gedacht. „Der Unterhaltsanspruch ist auf diejenigen Mittel zu beschränken, die eine Einzelperson auch unter Berücksichtigung hoher Ansprüche sinnvollerweise ausgeben kann", sagt OLG Köln vom 12.01.2010 - 4 UF 93/09. Damit ist die lange in Rechtsprechung und Literatur umstrittene "Sättigungsgrenze" erneut manifestiert. Im Urteil wird der Ehefrau ein monatlicher Bedarf von rd. 4.700 € zugestanden, von denen allerdings fast 2.000 € allein auf das Wohnen im großzügigen Eigenheim entfallen. Ihren eigenen Verdienst muss sie darauf anrechen, nur den Rest muss der Ehemann zuschiessen, auch wenn er nach seinem Einkommen und der 3/7-Methode eine höhere Leistungsfähigkeit hätte. Die Lektüre des Urteils ist im Hinblick auf die konkreten Beträge, die als angemessen erachtet werden für Kultur, Hobbies, Urlaub etc., interessant.
++ BGH 18.11.2009: Gleichbehandlung von erster und zweiter Ehe in Unterhaltsfragen ++
Der geschiedene Ehemann kann die Herabsetzung des Unterhalts für die geschiedene Ehefrau verlangen, wenn er wieder geheiratet hat und nunmehr auch seiner neuen Ehefrau unterhaltspflichtig ist. In
welchem Umfang das sein soll, bestimmt sich allerdings nicht nach der frei wählbaren Rollenverteilung innerhalb der neuen Ehe, sondern wird nach den strengeren Maßstäben bemessen, die auch für
geschiedene Ehegatten gelten. Im Rahmen der Unterhaltsberechnung hat der Bundesgerichtshof nicht akzeptiert, dass die neue - anders als die geschiedene Ehefrau - nicht erwerbstätig ist. Daher sei die
Erwerbsobliegenheit der neuen Ehefrau zum Zwecke der Gleichbehandlung so zu ermitteln, als wäre die neue Ehe ebenfalls geschieden. XII ZR 65/09. Achtung,
durch BVerfG 25.1.2011 (Dreiteilungsmethode verfassungswidrig) z.T. überholt!
++ BGH 25.11.2009: Anpassung eines pauschalen Unterhaltsvergleichs nach Änderung von Gesetz oder Rechtsprechung ++
Ist in einem pauschalen Unterhaltsvergleich keine Geschäftsgrundlage niedergelegt, kann dies für einen Ausschluss der Anpassung an die abweichenden tatsächlichen Verhältnisse bei Vertragsschluss sprechen. Wenn sich die Geschäftsgrundlage geändert hat (§ 313 BGB), weil sich die tatsächlichen Verhältnisse, das Gesetz oder die höchstrichterliche Rechtsprechung geändert haben, ist die Abänderbarkeit dadurch aber regelmäßig nicht ausgeschlossen. XII ZR 8/08
++ BGH 14.10.2009: Angemessener Lebensbedarf beim nachehelichen Unterhalt ++
Der angemessene Lebensbedarf, der nach § 1578 b BGB die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, bemisst sich nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfügung hätte. Grundsätzlich muss mindestens das Existenzminimum erreicht werden. XII ZR 146/08
++ BGH 27.5.2009: nacheheliche Solidarität bei schwerer Erkrankung ++
In dem vom BGH zu prüfenden Fall hatten die Parteien im Jahre 1972 geheiratet, als die Ehefrau 16 Jahre alt und schwanger war. Aus der Ehe sind insgesamt vier
Kinder hervorgegangen, von denen nur noch die 1987 geborene Tochter, die im Haushalt der Mutter lebt, unterhaltsbedürftig ist. Die Ehe wurde 1998 geschieden.
Die geschiedene Ehefrau ist wegen einer im Jahre 1989 diagnostizierten Darmkrebserkrankung seit 1993 als zu 100 % schwerbehindert eingestuft und bezieht eine
Erwerbsunfähigkeitsrente, die sich gegenwärtig auf rund 1.040 € beläuft. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einer geringfügigen Erwerbstätigkeit in Höhe von monatlich 349 €. Der geschiedene Ehemann
erzielt als Beamter unterhaltsrelevante Nettoeinkünfte in Höhe von rund 2.500 €.
Das Oberlandesgericht Hamm hatte den Ehemann zu lebenslangem Unterhalt verurteilt. Die vom Ehemann begehrte Befristung des
Unterhalts hatte es abgelehnt.
Mit seiner Revision beim BGH hat der Ehemann weiterhin eine Befristung seiner Unterhaltspflicht beantragt. Die Ehefrau hat mit Ihrer Anschlussrevision eine weitere Erhöhung ihres
Unterhaltsanspruchs begehrt.
Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen, das angefochtene Urteil auf die Anschlussrevision der Klägerin aufgehoben und die Sache insoweit an das Oberlandesgericht Hamm
zurückverwiesen.
Nach der gesetzlichen Regelung in § 1578 b Abs. 2 Satz 1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn ein unbegrenzter
Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Im Rahmen dieser Billigkeitsabwägung ist vorrangig zu berücksichtigen, inwieweit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den
eigenen Unterhalt zu sorgen. Solche Nachteile können sich nach § 1578 b Abs. 1 Satz 3 BGB vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus der Gestaltung von
Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der Dauer der Ehe ergeben.
Solche ehebedingten Nachteile hatte das Oberlandesgericht hier nicht festgestellt, zumal die Erkrankung der Klägerin nicht durch die Ehe bedingt, sondern
schicksalhaft ist.
Der Bundesgerichtshof hat darauf hingewiesen, dass sich § 1578 b BGB nach dem Willen des Gesetzgebers nicht auf die Kompensation ehebedingter Nachteile beschränkt, sondern auch eine darüber hinausgehende nacheheliche Solidarität berücksichtigt. Dieser Umstand gewinnt besonders beim nachehelichen Krankheitsunterhalt gemäß § 1572 BGB an Bedeutung, bei dem die Krankheit selbst regelmäßig nicht ehebedingt ist. Auch der Umfang dieser geschuldeten nachehelichen Solidarität
ist unter Berücksichtigung der im Gesetz genannten Umstände, also der Dauer der Pflege oder Erziehung gemeinschaftlicher Kinder, der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der
Ehe sowie der Dauer der Ehe zu bemessen.
Nach diesen Kriterien hatte der Bundesgerichtshof in einem früheren Fall die Befristung des nachehelichen Krankheitsunterhalts eines geschiedenen Ehemannes auf
drei Jahre bestätigt, weil die Ehe lediglich 11 Jahre gedauert hatte, von denen die Ehegatten nur fünf Jahre zusammen gelebt hatten. Der unterhaltsberechtigte Ehemann verfügte dort über zwei Renten,
die ihm einen deutlich über dem Existenzminimum liegenden Lebensstandard sicherten, während eine fortdauernde Unterhaltspflicht für die unterhaltspflichtige Ehefrau zu einer spürbaren Belastung
geführt hätte.
Im vorliegenden Fall hat der Bundesgerichtshof dagegen eine Befristung abgelehnt und dabei der nachehelichen Solidarität der Ehegatten eine ausschlaggebende Bedeutung eingeräumt. Maßgebend dafür waren die Umstände beim Eheschluss (Alter der Ehefrau, Schwangerschaft,
Aufgabe der Berufsausbildung) und der Verlauf der 26-jährigen Ehe, in der sich die Ehefrau ausschließlich der Haushaltsführung und Kindererziehung gewidmet hatte. All dies begründet ein besonders
schutzwürdiges Vertrauen, das bei der Frage nach einer Befristung und Begrenzung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen war.
Bundesgerichtshof, Urteil vom 27. Mai 2009 XII ZR 111/08
++ OLG Oldenburg 26.5.2009: Unterhaltsanspruch nach familienbedingtem Studienabbruch ++
Nach dem seit dem 1.1.2008 geltenden Unterhaltsrecht ist der nacheheliche Unterhalt eines geschiedenen Ehegatten auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen und zu begrenzen, oder auch zu befristen. Hat der bedürftige Ehegatte keine gemeinsamen Kinder mehr zu betreuen, besteht ein
Unterhaltsanspruch gegen den anderen Ehegatten nur dann, wenn sogenannte ehebedingte Nachteile gegeben sind. Entscheidend ist, welchen Lebensstandard der bedürftige Ehegatte auch ohne die Ehe erreicht hätte.
In dem vom OLG entschiedenen Fall hatte die Ehefrau vor der Geburt des gemeinsamen Kindes und vor der Heirat ein Lehramtsstudium begonnen. Nach 3-jährigem Studium hatte sie dieses Studium mit der
Geburt eines Kindes abgebrochen und den Vater kurze Zeit später geheiratet. Neun Jahre später hat sie dann eine Ausbildung im Groß- und Einzelhandel abgeschlossen. Damit konnte sie aber auf Dauer
nicht das gleiche Einkommen erzielen, wie sie es als Lehrerin hätte erzielen können. Der 13. Zivilsenat des OLG Oldenburg hat entschieden, dass der
unterhaltspflichtige Ehemann diesen ehebedingten Nachteil auszugleichen habe, auch wenn es der Ehefrau möglich gewesen wäre, ihr Studium später fortzusetzen. Die
wirtschaftlichen Folgen einer im Vertrauen auf eine bestehende Partnerschaft getroffenen Entscheidung müssten von beiden Partnern getragen werden.
Da der Ehemann bereits seit Ehescheidung im Jahr 2002 Unterhalt an seine geschiedene Frau zahlt, hatte die Ehefrau im Prozess selbst eine Befristung des Unterhaltsanpruchs nur für weitere elf Jahre,
bis Ende des Jahres 2013 beantragt. Diesem Antrag hat das OLG stattgegeben.
Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 26. Mai 2009 - 13 UF 28/09
+++ BGH 18.3.2009 zum Umfang der Erwerbsobliegenheit neben Kinderbetreuung ++
Die Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts beruhen auf einer nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die vereinbarte oder praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Kinderbetreuung (BT-Drucks. 16/6980 S. 9). Die Umstände gewinnen durch das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung des gemeinsamen Kindes weiter an Bedeutung. Insoweit hat der Senat bereits ausgeführt, dass die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit neben dem nach der Erziehung und Betreuung in Tageseinrichtungen verbleibenden Anteil an der Betreuung nicht zu einer überobligationsmäßigen Belastung des betreuenden Elternteils führen darf (Senatsurteil vom 16. Juli 2008 - XII ZR 109/05 - FamRZ 2008, 1739, 1748 f.), die ihrerseits wiederum negative Auswirkungen auf das Kindeswohl entfalten könnte. Denn selbst wenn ein Kind ganztags in einer kindgerechten Einrichtung betreut und erzogen wird, was dem betreuenden Elternteil grundsätzlich die Möglichkeit zu einer Vollzeittätigkeit einräumen würde, kann sich bei Rückkehr in die Familienwohnung ein weiterer Betreuungsbedarf ergeben, dessen Umfang im Einzelfall unterschiedlich sein kann. Dann ist eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils trotz der Vollzeitbetreuung des Kindes noch eingeschränkt ist.
BGH – 18.3.2009 – XII ZR 74/08
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Aktualisiert zuletzt am 7.2.2014
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