Die Ehe selbst ist ein Vertrag.
Allerdings lesen die meisten Heiratswilligen vor dem Gang zum Standesamt nie das „Kleingedruckte“, nämlich das BGB. Bei den Eheverträgen, um die es in meiner Praxis geht, handelt es sich um individuelle „Störfallvorsorge" oder „Störfallregelung". Man kann das BGB nämlich auf sein individuelles Ehebild weitgehend anpassen.
Vertragliche Vereinbarungen unter Eheleuten sind in verschiedenen Lebenssituationen möglich: Vor der Hochzeit, während des Zusammenlebens, anlässlich einer Trennung oder Scheidung und ggf. auch zwischen geschiedenen Eheleuten.
Mehr über die Notwendigkeit vorsorgender Verträge, die man in guten Zeiten der Ehe schliesst, finden Sie hier.
Gerade bei den Ehepartnern, die eine vertragliche Regelung anstreben, besteht vielfach das Bedürfnis, von einem gemeinsamen Anwalt beraten zu werden. Dem liegt die laienhafte Vorstellung zugrunde, es gebe auf alle familienrechtlichen Fragen jeweils eine eindeutige Antwort, die sich womöglich unmittelbar aus dem Gesetz ergebe - und es bedürfe der anwaltlichen Dienstleistung nur im Sinne einer Auskunft darüber, was im Gesetz geregelt sei. Bei Verlobten, die planen wollen, tritt die Interessenkollision häufig nicht zum Vorschein, so dass eine gemeinsame Beratung sinnvoll ist. Anders aber bei getrenntlebenden Eheleuten, die die Scheidung vorbereiten wollen. Die gemeinsame anwaltliche Beratung getrennt lebender Eheleute kann zulässig sein. Zeichnen sich aber widerstreitende Interessen der Eheleute konkret ab, muss der Anwalt beide Mandate niederlegen. Dahr halte ich es für sauberer, dass bei den Scheidungsfolgeverträgen jeder Ehegatte eigene anwaltliche Beratung hat.
Wenn unter Laien die Rede davon ist, dass „mit Ehevertrag" geheiratet werden soll oder worden ist, dann meint der Volksmund damit häufig den Totalverzicht der schwächeren Partei auf die Solidarität, die der Ehebund nach dem Gesetz wirtschaftlich birgt. Wenig allgemeine Bekanntheit hat offenbar, dass ein Ehevertrag stattdessen oder kompensationshalber die Rechte der schwächeren Partei stärken, gesetzliche Anspruchsgrundlagen individualisieren oder zumindest ungewisse Ansprüche konkretisieren kann.
Seit 2004 sind Eheverträge nicht mehr in jedem Falle uneingeschränkt wirksam. Sie können auch anlässlich der Ehescheidung durch das Gericht noch überprüft und aufgehoben oder geändert werden, weil sie einer Inhalts- oder Ausübungskontrolle nicht standhalten.
Inhaltlich besteht weitgehende Gestaltungsfreiheit, begrenzt durch Sittenwidrigkeit und durch den Schutz der Rechte schwacher Beteiligter. Das sind z.B. minderjährige Kinder, auf deren Unterhalt nicht verzichtet werden darf. Aber auch der Trennungsunterhalt ist soweit geschützt, dass ein völliger Verzicht sittenwidrig wäre. Das Versorgungsausgleichsrecht enthält ebenfalls Regelungen zum Schutz der versorgungsausgleichsberechtigten Partei.
Demgegenüber haben die Eheleute relative Freiheit, wenn es um die sonstige Verteilung ihrer Güter geht. Ein vorsorgender Ehevertrag muss ausgewogen sein und darf dem gesetzlichen Leitbild der Ehe nicht widersprechen, sonst ist er ggf. nichtig (Inhalts- und Ausübungskontrolle nach der BGH-Lehre vom Kernbereich). Bei einem Scheidungsfolgenvertrag haben die Eheleute größere Freiheiten.
Beispiel: Die Eheleute planen Kinder, die Ehefrau soll auf Karriere verzichten, um die Kinder zu betreuen. Viel Streit über den Unterhalt im Scheidungsfall wird vorsorglich vermieden, wenn man im Ehevertrag festhält, dass die Ehefrau ehebedingte Nachteile aus der Rollenteilung hat und zwar welche. Siehe dazu auch meine Ausführungen auf der Seite "vorsorgende Vereinbarungen".
Im Prinzip ja, es darf nur nicht zu einem sittenwidrigen Ergebnis führen.
Vereinbarungen zum VA sind grundsätzlich zulässig und vom Gesetzgeber auch erwünscht. Allerdings unterliegt jede Vereinbarung nach § 6 VersAusglG gem. § 8 Abs. 1 VersAusglG der allgemeinen Inhalts- und Ausübungskontrolle nach den §§ 134, 138 und 242 BGB. Bei der Inhaltskontrolle geht es um die Sittenwidrigkeit des Vertrags bei dessen Abschluss gem. § 138 Abs. 1 BGB. Bei der Ausübungskontrolle geht es um die Frage, ob es dem begünstigten Ehegatten gem. § 242 BGB versagt ist, sich auf die Vereinbarung zu berufen.
1. Einseitig belastende Regelungen in Scheidungsfolgenvereinbarungen - wie hier Verzicht auf Versorgungsausgleich - unterfallen nur § 138 BGB, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass diese auf einer Störung der subjektiven Vertragsparität beruhen (Anschluss an BGHZ 178, 322).
2. Ein Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleich kann sittenwidrig sein, wenn dieser zulasten der Grundsicherung geht. Bei rentenfernen Jahrgängen ist es problematisch, die erforderliche Prognose, dass ein Ehegatte nur aufgrund des Verzichts auf die Grundsicherung angewiesen sein wird, zu stellen.
Mehr darüber erfahren Sie hier.
Ergebnis einer Mediation in der Trennungszeit ist in der Regel ein notarieller Scheidungsfolgevertrag.
Vereinbarungen zwischen Ehegatten unterliegen an sich keinen Formvorschriften. Enthält der Vertrag jedoch Absprachen, die der notariellen Beurkundung bedürfen, so ist nicht nur dieser Teil formbedürftig, sondern der gesamte Vertrag. Konkret: Immobilien (Eigentumswechsel oder Wohnrecht), Versorgungsausgleich, Zugewinnausgleich, nachehelicher Unterhalt.
Ein Grund, einen Ehevertrag mit dauernder Last (Unterhalt) zu ändern, ist die Veränderung oder der Wegfall der Geschäftsgrundlage.
Der Fall:
Seit seiner Scheidung 2005 zahlte der inzwischen fast 78-jährige Mann 1.000 Euro monatlichen Unterhalt an seine frühere Frau. Das hatte das Ehepaar damals in einem notariellen Ehevertrag vereinbart. Wann diese Verpflichtung zu Ende sein sollte, fehlte in der Vereinbarung. Der Ehemann verfügte lediglich über Altersrente und Ehrensold in Höhe von insgesamt 473 Euro monatlich, hatte jedoch als selbständiger Bauingenieur noch hinzu verdient. Das Gericht sah aber, dass die Einkünfte aus seiner selbstständigen Tätigkeit mit fortschreitendem Alter immer weniger wahrscheinlich würden und befreiten ihn von der Unterhaltslast.
Die Gründe:
In welchem Umfang das Einkommen aus Erwerbstätigkeit nach Erreichen der Regelaltersgrenze für Unterhaltsleistungen heranzuziehen sei, müsse im Einzelfall entschieden werden. Zu berücksichtigende Umstände könnten das Alter und die mit der fortgesetzten Erwerbstätigkeit zunehmende körperliche und geistige Belastung, aber auch die ursprüngliche Planung der Eheleute und die wirtschaftlichen Verhältnisse sein. Lege man dies zugrunde, entfalle die Unterhaltspflicht des Mannes. Zwar sei das Ehepaar offensichtlich davon ausgegangen, dass der Ehemann noch über das Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze hinaus erwerbstätig sein werde. Daraus folge aber nicht der Einsatz der daraus erzielten Einkünfte für den Unterhalt der Ehefrau auf unabsehbare Zeit.
Außerdem befinde sich der Mann in einer schwierigen finanziellen Lage. Unterhaltspflichtige haben Anrecht auf einen monatlichen Selbstbehalt, von dem sie ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten
können. Das Einkommen des Mannes liege weit unterhalb dieses Selbstbehalts. Er sei daher nicht mehr zur Unterhaltszahlung verpflichtet.
Oberlandesgericht Koblenz am 18. Juni 2014 (AZ: 9 UF 34/14)
BGH, Urteil vom 29. Januar 2014 - XII ZB 303/13 zu Wirksamkeit und Sittenwidrigkeit von Scheidungsfolgeverträgen (Gesamtwürdigung)
Selbst wenn die ehevertraglichen Einzelregelungen zu den Scheidungsfolgen jeweils für sich genommen den Vorwurf der Sittenwidrigkeit nicht zu rechtfertigen vermögen, kann sich ein Ehevertrag nach ständiger Rechtsprechung des Senats im Rahmen einer Gesamtwürdigung als insgesamt sittenwidrig erweisen, wenn das Zusammenwirken aller in dem Vertrag enthaltenen Regelungen erkennbar auf die einseitige Benachteiligung eines Ehegatten abzielt.
Das Gesetz kennt indessen keinen unverzichtbaren Mindestgehalt an Scheidungsfolgen zugunsten des berechtigten Ehegatten, so dass auch aus dem objektiven Zusammenspiel einseitig belastender Regelungen nur dann auf die weiter erforderliche verwerfliche Gesinnung des begünstigten Ehegatten geschlossen werden kann, wenn die Annahme gerechtfertigt ist, dass sich in dem unausgewogenen Vertragsinhalt eine auf ungleichen Verhandlungspositionen basierende einseitige Dominanz eines Ehegatten und damit eine Störung der subjektiven Vertragsparität widerspiegelt. Eine lediglich auf die Einseitigkeit der Lastenverteilung gegründete tatsächliche Vermutung für die subjektive Seite der Sittenwidrigkeit lässt sich bei familienrechtlichen Verträgen nicht aufstellen. Ein unausgewogener Vertragsinhalt mag zwar ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten sein. Gleichwohl wird das Verdikt der Sittenwidrigkeit in der Regel nicht gerechtfertigt sein, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere infolge der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten könnten.
Das Ansinnen eines Ehegatten, eine Ehe nur unter der Bedingung eines Ehevertrages eingehen oder - wie hier - fortsetzen zu wollen, begründet für sich genommen für den anderen Ehegatten noch keine Lage, aus der ohne weiteres auf dessen unterlegene Verhandlungsposition geschlossen werden kann. Etwas anderes mag unter Umständen bei einem erheblichen Einkommens- oder Vermögensgefälle zwischen den Ehegatten gelten, wenn der mit dem Verlangen auf Abschluss eines Ehevertrages konfrontierte Ehegatte erkennbar in einem besonderem Maße auf die Eingehung oder Fortführung der Ehe angewiesen ist, weil er ohne den ökonomischen Rückhalt der Ehe einer ungesicherten wirtschaftlichen Zukunft entgegensehen würde.
So liegt der Fall hier aber nicht, selbst wenn man zugunsten der Antragsgegnerin anführen will, dass sie nach ihren eigenen beruflichen Möglichkeiten für den Fall der Scheidung nur die Erzielung eines bescheidenen Einkommens zu erwarten hatte und sie unter dem Eindruck der Ankündigung des Antragstellers gestanden haben mag, ihr wegen vermeintlicher Verwirkung sämtlicher Unterhaltsansprüche keinerlei Unterhalt zahlen zu wollen. Denn andererseits besaß die Antragsgegnerin angesichts ihres Privatvermögens in Höhe von rund 115.000 € und den letztlich gegen ihren Willen nicht entziehbaren Rechtspositionen, die sie bezüglich Güterrecht, Versorgungsausgleich und Teilhabe am gemeinsamen Wertpapier- und Immobilienvermögen bereits erworben hatte, genügend wirtschaftliche Unabhängigkeit, um dem Ansinnen des Antragstellers entgegentreten oder auf die Gestaltung des Ehevertrages Einfluss nehmen zu können.
Das Beschwerdegericht hat auch das Vorbringen der Antragsgegnerin, dass diese eine Scheidung im Interesse des gemeinsamen Sohnes unbedingt vermeiden wollte und sie daher in einer Zwangslage gewesen sei, gewürdigt und hierin keinen tragfähigen Anhaltspunkt für eine Störung der subjektiven Vertragsparität erblickt, weil auch die Verhandlungsposition des Antragstellers davon geprägt gewesen sei, seinem Sohn eine Scheidung ersparen zu wollen. Dagegen ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern.
Soweit der Senat darauf hingewiesen hat, dass in einem objektiv benachteiligenden Vertragsinhalt ein gewisses Indiz für eine unterlegene Verhandlungsposition des belasteten Ehegatten zu sehen sein kann, hat das Beschwerdegericht dieses Indiz ersichtlich durch die Umstände des Vertragsschlusses, in dessen Vorfeld mehrere Monate lang unter Austausch von Entwurf und Gegenentwurf über den Inhalt des Ehevertrages verhandelt worden war, widerlegt gesehen. Auch hiergegen bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
Schließen Eheleute im Hinblick auf eine Ehekrise oder auf eine bevorstehende Scheidung unter anwaltlichem Beistand auf beiden Seiten nach langen Verhandlungen und genügender Überlegungszeit einen Vertrag zur umfassenden Regelung aller Scheidungsfolgen, kann zunächst davon ausgegangen werden, dass sie ihre gegenläufigen vermögensrechtlichen Interessen zu einem angemessenen Ausgleich gebracht haben und selbst eine besondere Großzügigkeit oder Nachgiebigkeit des einen Ehegatten nicht auf einer Störung der subjektiven Vertragsparität beruht.
Soweit die Antragsgegnerin ihre eigene anwaltliche Beratung durch die Behauptung, sie habe "vor Abschluss des Vertrages lediglich einmal mit einem Rechtsanwalt aus ihrem Bekanntenkreis telefoniert", zu relativieren sucht, hat sie bereits den widerstreitenden Vortrag des Antragstellers, sie habe ihren Rechtsanwalt mandatiert und auch bezahlt, nicht widerlegt. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts beruhte die Bereitschaft der Antragsgegnerin, den Ehevertrag mit einem für sie objektiv möglicherweise deutlich nachteiligen Inhalt abzuschließen, nicht auf einer ungleichen Verhandlungsposition, sondern vielmehr auf einer groben Fehleinschätzung über die Höhe der Kapitalerträge, welche die Antragsgegnerin nach Vertragsschluss mit ihrem dann vorhandenen Geld- und Wertpapiervermögen zukünftig würde erwirtschaften können. Dies hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung, zumal die Antragsgegnerin hierzu selbst vorträgt, dass sie vor Abschluss des Ehevertrages mit einem Finanzberater der D.-Bank Kontakt aufgenommen hatte, nach dessen Auskunft bei einem "Gesamtdepotwert von ca. 240.000 € monatliche Zinsen von 1.500 € erzielbar seien".
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ergibt sich eine Sittenwidrigkeit des Ehevertrages schließlich auch nicht daraus, dass der Antragsteller mit dem Vertrag das verwerfliche Ziel verfolgt habe, die Antragsgegnerin für den ihr vorgeworfenen Ehebruch unter Umgehung von gesetzlichen Wertungen (§ 1587 c Nr. 1 BGB bzw. § 27 VersAusglG) mit dem Ausschluss des Versorgungsausgleichs "bestrafen" zu wollen.
Ob dies überhaupt zutrifft, kann dahinstehen. Das Motiv des begünstigten Ehegatten, sich Genugtuung für die durch den Ehebruch des Partners erlittenen Verletzungen verschaffen zu wollen, könnte zwar entgegen der Auffassung des Antragstellers einem unter unfairen Verhandlungsbedingungen zustande gekommenen Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht zur Wirksamkeit verhelfen. Lässt sich indessen - wie hier - eine ungleiche Verhandlungsposition nicht feststellen, vermag eine solche Motivation umgekehrt für sich genommen dem Ehevertrag nicht den Makel der Sittenwidrigkeit anzuheften. Denn es kann nicht einleuchten, warum ein tatsächlich oder vermeintlich "betrogener" Ehegatte, der bei den Verhandlungen über einen Ehevertrag einen Ausschluss des Versorgungsausgleiches verlangt, subjektiv verwerflich handeln sollte, ein "nicht betrogener" Ehegatte in derselben Situation aber nicht.
1. Eine in einem Vergleich enthaltene Abgeltungsklausel, die vorsieht, dass mit Zahlung eines vereinbarten Betrages sämtliche - auch unbekannte - wechselseitigen Ansprüche der Ehegatten im Zusammenhang mit ihrer Trennung und Beendigung der Ehe abgegolten sein sollen, erfasst allein die bis zum Abschluss des Vergleichs entstandenen Ansprüche.
2. Nicht erfasst von einem solchen Vergleich wird hingegen ein sich erst aus dem Vorgang des Vergleichsschlusses selbst ergebender Schadensersatzanspruch des einen Ehegatten gegen den anderen (hier nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung durch Unterlassen einer Aufklärung eines Ehegatten über einen für dessen Bereitschaft zum Abschluss des Vergleichs offenkundig essentiellen, nur dem anderen Ehegatten bekannten Umstand).
Der Fall:
Am 16.7.2012 schlossen die Beteiligten im Rahmen eines anlässlich ihres Ehescheidungsverfahrens durchgeführten Mediationsverfahrens vor dem Amtsgericht Kiel einen Vergleich. Darin heißt es:
"Damit sind sämtliche Ansprüche auf Zugewinnausgleich und sonstige Ansprüche, die mit der Beendigung der Ehe/Trennung in Zusammenhang stehen, mit Ausnahme des noch durchzuführenden Versorgungsausgleiches, seien sie bekannt oder unbekannt, wechselseitig abgegolten."
Vor der Mediation hatte es finanzielles Hin und Her zwischen den Eheleuten sowie mit der Bank wegen unberechtigter Kontoverfügungen gegeben. Der Mann hatte gemeinsames Geld komplett auf seinen Namen umgebucht, daraufhin hatte die Frau seine Unterschrift gefälscht, um sich „ihre Hälfte“ im Wege der „Selbstjustiz“ zurück zu holen.
Die Frau wusste - dies war dem Mann klar - bei Abschluss des Vergleichs nicht, dass die Bank dem Mann diesen streitigen Betrag wegen der gefälschten Unterschrift erstattet hatte. Zwei Jahre später forderte die Bank dieses Geld aber von ihr zurück, zu Recht, weil sie es ohne Kontoverfügungsbefugnis ausgezahlt bekommen hatte. Das wollte sie nun wiederum vom Mann ersetzt haben.
Das Familiengericht Bremen wies ihren Antrag wegen der „Abgeltungsklausel“ ab.
Anders das OLG.
Aus den Gründen:
Dem Antragsgegner war - wie er im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 17.8.2018 freimütig eingeräumt hat - klar, dass die Antragstellerin den Vergleich mit der weit gefassten Abgeltungsklausel nur deshalb zu schließen bereit war, weil sie davon ausging, mit der Zahlung des im Vergleich benannten Betrages von 11.500 € zusammen mit dem von ihr vom Konto des Antragsgegners abgehobenen Betrag von 10.311,75 € das im Innenverhältnis unstreitig ihr allein zustehende, auf den Namen des Antragsgegners angelegte Geld vollständig zurückzuerhalten. Gleichwohl erwähnte er im Rahmen des zwischen den Beteiligten vor dem Amtsgericht Kiel geführten Mediationsverfahrens nicht, dass er sich zwischenzeitlich den von der Antragstellerin abgehobenen verfahrensgegenständlichen Betrag von der Bank hatte zurückerstatten lassen. Zu einer entsprechenden Aufklärung wäre der Antragsgegner angesichts der Gesamtsituation jedoch verpflichtet gewesen. Das Unterlassen der deshalb gebotenen Aufklärung der Antragstellerin stellt sich im vorliegenden Fall für den Senat als ein objektiv wie subjektiv besonders verwerflicher Verstoß gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, mithin als sittenwidrig i. S. des § 826 BGB dar (vgl. Palandt/Sprau, BGB , 77. Aufl., § 826 Rn. 4). (…)
Dieser Schadensersatzanspruch der Antragstellerin scheitert nicht an der im Vergleich vom 16.7.2012 enthaltenen Abgeltungsklausel. Dem Familiengericht ist allerdings darin zuzustimmen, dass die Abgeltungsklausel weit gefasst ist und nicht nur Ansprüche auf Zugewinn und Unterhalt, sondern ausdrücklich auch alle weiteren sonstigen bekannten oder unbekannten Ansprüche, die mit der Beendigung der Ehe bzw. mit der Trennung der Beteiligten in Zusammenhang stehen umfasst, mithin nicht nur vertragliche, sondern auch deliktische Ansprüche.
(…) Allerdings kann nach Auffassung des Senats die Abgeltungsklausel bei verständiger Würdigung nur dahingehend ausgelegt werden, dass lediglich alle bis zum Abschluss des Vergleichs entstandenen bekannten oder unbekannten Ansprüche wechselseitig abgegolten sein sollen. Nicht von der Abgeltungsklausel erfasst sind hingegen Ansprüche, die sich - wie hier der Anspruch nach § 826 BGB - erst aus dem Vorgang des Vergleichsschlusses selbst ergeben. Eine anderweitige Auslegung verbietet sich, weil niemand, der zur Bereinigung eines zurückliegenden Lebenssachverhalts vergleichsweise zu einem Schulderlass bereit ist, sich dadurch zugleich schutzlos gegenüber einem ihn schädigenden sittenwidrigen Verhalten seines Vertragspartners im Zusammenhang mit dem Abschluss des den Schulderlass beinhaltenden Vertrages stellen will. Vor diesem Hintergrund bedarf die Frage, ob der Antragsgegner sich nach Treu und Glauben (§ 242 BGB ) auf einen Ausschluss des Anspruchs der Antragstellerin durch die Abgeltungsklausel im Vergleich berufen könnte, wenn der Anspruch von ihr erfasst wäre, keiner Entscheidung.
(…) Es gibt keinen Vorrang des Anfechtungsrechts vor einer auf Schadensersatz gerichteten Haftung. Vielmehr kommt eine Haftung nach § 826 BGB neben dem Anfechtungsrecht nach § 123 BGB in Betracht (MünchKommBGB/Armbrüster, a.a.O. § 124 Rn. 9; Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 2). Dies gilt auch dann, wenn - wie hier - im Einzelfall eine Anfechtung ausscheidet, weil die Frist des § 124 BGB versäumt worden ist (BGH, NJW 1998, 302, 303 f.).
OLG Bremen - Beschluss vom 26.10.2018
4 UF 39/18
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Aktualisiert zuletzt am
22.11.2018
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