Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Mutters Haus und Vaters Haus

Eine Woche Mama, eine Woche Papa

Wechselmodell, Doppelresidenzmodell, Paritätische Betreuung, alternierende Beherbergung, Zwei Zuhause, Pendelmodell, erweiterter Umgang

Wenn Eltern sich nach der Trennung die Alltags-Erziehung der Kinder teilen und die Kinder dazu in beiden Haushalten ein auch zeitlich gleichberechtigtes Zuhause haben, spricht man von Wechselmodell oder Doppelresidenz. Die Erscheinungsformen sind so vielfältig wie das Leben vor der Trennung. Bei den meisten dieser Familien pendeln die Kinder wochenweise. Andere haben einen davon abweichenden individuellen Rhythmus, der mit den elterlichen beruflichen Verpflichtungen zusammenhängt oder mit dem Terminkalender der Kinder. Das Nestmodell ist eine Erscheinungsform des Wechselmodells, bei dem die Eltern das Pendeln auf sich nehmen.

 

Es gibt zu dieser Form der getrennten gemeinsamen Erziehung Untersuchungen und Experten - mit Pro- und Contra-Argumenten. Man darf allerdings sagen, dass inzwischen aufgrund europaweiter langjähriger Erfahrungen mit diesem Modell auch eine wissenschaftliche Grundlage für die Aussage entsteht, dass dieses Nachtrennungsmodell grundsätzliche mehr Vorteile für Kinder hat als eine Ein-Eltern-Familie. Eine Auswertung von 60 Studien, veröffentlicht 2018, finden Sie weiter unten. Deutschland hinkt in der Umsetzung dieser Erkenntnisse allerdings Europa hinterher.

 

Hier überlebt weiter als typisch die Nachtrennungs-Rollenverteilung auf alleinerziehende Mutter und umgangsberechtigten Vater. Die professionellen Beteiligten an Familienkonflikten (Beratungsstellen, Jugendämter, Sachverständige, Richter, Verfahrensbeistände) verändern ihre Grundsatzhaltung in der Wechselmodellfrage nur allmählich, manchmal bringt erst ein Generationenwechsel auf der jeweiligen Position die Möglichkeit, das Wechselmodell vorurteilsfrei in Betracht zu ziehen.

 

Im Wesentlichen dreht es sich in Gerichtsverfahren seit der 2017er-BGH-Entscheidung "Anordnung auch gegen den Willen" um die Frage, ob das Wechselmodell auch bei sogenannten "Hochkonfliktfällen" angeordnet werden kann - insbesondere dann, wenn der Konflikt als Prozesstaktik von demjenigen inszeniert wird, der im Residenzmodell die überwiegende Betreuung hat und behalten will. In der Beratung des anderen Elternteiles geht es zunehmend darum, sich so zu verhalten, dass der andere für seine Verweigerungsstrategie nebst Manipulation der Kinder nicht am Ende noch mit dem alleinigen Sorgerecht belohnt wird.

 

Rechtlich befinden sich diese "moderneren", "exotischen" Familien, deren Zahl steigt, außerdem noch in einem weitgehend ungeregelten System. Das beginnt mit der Anmeldung beim Einwohnermeldeamt: Zwei gleichberechtigte Wohnsitze gibt es nicht. Auch gegenüber der Familienkasse muss der Bezugsberechtigte angegeben werden - eine hälftige Zahlung an beide gibt es nicht.

Wechselmodell - Pro und Contra

Dass Kinder einen festen Lebensmittelpunkt brauchen oder einen Hauptbezugselternteil, ist heute nicht mehr ein so kategorischer Grundsatz wie noch vor zehn Jahren.

 

Strittig ist aber, ob ein Wechselmodell auch funktionieren könnte, wenn folgende - wünschenswerte - Bedingungen nicht vorliegen:

  • beide Eltern sind von der Richtigkeit des Wechselmodells  überzeugt sind und vermitteln dies dem Kind
  • Bereitschaft und Fähigkeit zur Kooperation und zu häufigem Austausch besteht
  • die Wertschätzung des Anderen als Elternteil  ("Erziehungskollege") ist noch vorhanden ist
  • gewisse organisatorische Voraussetzungen sind ideal

Viele Juristen waren lange davon ausgegangen, dass ein Wechselmodell vom Gericht nicht gegen den Willen eines Elternteiles verordnet werden könne, zum einen aus gesetzlichen Gründen, zum anderen, weil es dann nicht funktionieren könne.

 

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15 - Neuland betreten, indem er theoretisch für möglich hält, dass ein Gericht ein Wechselmodell gegen den Willen einer Elternpartei anordnet. Das war bisher von den Oberlandesgerichten für unmöglich gehalten worden. Mehr zu dieser Entscheidung finden Sie weiter unten auf dieser Seite.

 

Wenn Sie sich mit Bedenkenträgern unterhalten ("Wechselmodelle funktionieren nie" - "Kinder brauchen ein festes einziges Zuhause" - "Wenn Eltern streiten, verstärkt das Wechselmodell den Loyalitätskonflikt" - "Der Vater will nur Unterhalt sparen" - "Der wöchentliche Wechsel bringt zu viel Unruhe"), berücksichtigen Sie bitte deren professionellen Blickwinkel. Wer beim Jugendamt oder beim Familiengericht arbeitet, hört vielleicht deshalb überwiegend von den negativen Seiten dieses Lebenskonzeptes, weil die Familien, bei denen alles gut läuft, keinen Beratungsbedarf haben und sozusagen eine "Dunkelziffer" darstellen.

 

Wenn man aber immer nur von gescheiterten Wechselmodellen hört, fehlt einem die Vorstellung, dass es getrennte Familien geben kann, für die das die zweitbeste Lebensform ist (die erstbeste ist das Zusammenleben in der harmonischen Familie).


In meiner Mediationspraxis habe ich vielfach von guten Erfahrungen mit solchen Modellen gehört. Ich bin daher auch als parteilich beauftragte Anwältin immer gern bereit, den Rahmen für ein solches Modell konkret mitzugestalten. Weil ich mich schon seit 20 Jahren beruflich mit dem Wechselmodell beschäftige, als es in Deutschland noch keine Lobby dafür gab,  und auch durch Veröffentlichungen in Erscheinung trete, habe ich bereits einer Vielzahl von Vätern helfen können, entsprechende Überzeugungsarbeit bei den Müttern, Verfahrensbeiständen, Jugendamt und Richtern zu leisten (Den umgekehrten Fall der vertauschten Mutter-Vater-Rollen hatte ich ein einziges Mal).

 

In einigen europäischen Nachbarländern wird das Doppelresidenzmodell inzwischen erfolgreich als "Regel" angewandt - s.u. die europäische Resoltuion aus 2015.

Deutschland hat dies bis 2018 noch nicht in Gesetze umgesetzt.

Der Koalitionsvertrag der Bundesregierung lässt auf gesetzgeberisches Tun hoffen.

 

 

Einen Buchtipp gebe ich hier sehr gern, weil die Autorinnen Ina Kiesewetter und Petra Wagner meine Expertenmeinung zum Thema Finanzielles und Rechtliches im Buch zitiert haben.

"Eine Woche Mama, eine Woche Papa" ist 2012 im Kreuz-Verlag erschienen und kostet 14,99 €.

Aachener Kanzlei für Familienrecht

Martina Mainz-Kwasniok

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht

Zertifizierte Mediatorin

Fachbuchautorin und Journalistin

Vorstoss aus Europa: Das Wechselmodell soll der gesetzliche Normalfall werden

 

Europarat unterzeichnet Resolution zur Doppelresidenz als Standardmodell

Am 02.10.2015 fand eine Sitzung der parlamentarischen Versammlung des Europarates in Straßburg statt. Alle Mitgliedsstaaten wurden aufgefordert, die Doppelresidenz/Wechselmodell, also die Betreuung von Trennungskindern durch beide Elternteile, als bevorzugtes anzunehmendes Modell im Gesetz zu verankern. Die Resolution wurde mit 46 Stimmen dafür: 0 Gegenstimmen und 2 Abwesenden einstimmig verabschiedet und soll von den Mitgliedsstaaten ratifiziert werden.

 

Eine erste Übersetzung im Wortlaut:

Gleichheit und gemeinsame elterliche Verantwortung: die Rolle der Väter

Parlamentarische Versammlung

1. Die Parlamentarische Versammlung fördert konsequent die Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsplatz und im Privatbereich. Wesentliche Verbesserungen in diesem Bereich, auch wenn sie immer noch nicht ausreichend sind, können in den meisten Mitgliedsstaaten des Europarates beobachtet werden. Innerhalb der Familie muss die Gleichstellung von Eltern gewährleistet und gefördert werden, von dem Moment an, wo das Kind auf die Welt kommt. Die Beteiligung beider Eltern in ihrer Erziehung des Kindes ist von Vorteil für dessen Entwicklung. Die Rolle der Väter gegenüber ihren Kindern, ebenso kleinen Kindern, muss besser anerkannt und angemessener bewertet werden.

2. Gemeinsame elterliche Verantwortung bedeutet, dass die Eltern bestimmte Rechte, Pflichten und Verantwortlichkeiten gegenüber ihren Kindern haben. Tatsache ist jedoch, dass Väter manchmal mit Gesetzen, Praktiken und Vorurteilen konfrontiert werden, die dazu führen können, ihnen die dauerhafte Beziehung zu ihren Kindern vorenthalten. In seiner Resolution 1921 (2013) “Die Gleichstellung der Geschlechter, der Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben und gemeinsame Verantwortung”, fordert die Versammlung die Behörden der Mitgliedstaaten auf, das Recht der Väter zu respektieren, um die gemeinsame Verantwortung sicherzustellen, dass das Familienrecht im Falle einer Trennung oder Scheidung die Möglichkeit der gemeinsamen Obsorge im besten Interesse für die Kinder, auf der Grundlage gegenseitiger Vereinbarung zwischen den Eltern, sicherstellt.

3. Die Versammlung möchte hierbei hervorheben, dass die Achtung des Familienlebens sowohl durch das Grundrecht der in Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (ETS No. 5), sowie durch zahlreiche internationale Rechtsinstrumente, zu bewahren ist. Für jeden Elternteil und sein Kind ist die Möglichkeit, zusammen zu sein, ein wesentlicher Bestandteil des Familienlebens. Eltern-Kind-Trennung hat unheilbare Auswirkungen auf ihre Beziehung. Eine solche Trennung sollte nur von einem Gericht und nur unter außergewöhnlichen Umständen mit ernsten Risiken für das Wohl des Kindes angeordnet werden.

4. Darüber hinaus ist die Versammlung überzeugt, dass die Entwicklung gemeinsamer Obsorge hilft, Geschlechterstereotypen in Bezug auf die Rolle von Frauen und Männern in der Familie zu überwinden, welche lediglich ein Spiegelbild der soziologischen Veränderungen darstellt, wie sie sich in den letzten fünfzig Jahren in Hinblick auf die Privat- und Familien-Sphäre entwickelt hat.

5. Angesichts dieser Überlegungen fordert die Versammlung die Mitgliedstaaten auf:

5.1. das Europäische Übereinkommen über die Ausübung von Kinderrechten (ETS Nr 160) und das Übereinkommen über den Umgang mit Kindern (ETS Nr 192) zu unterzeichnen und / oder zu ratifizieren, wenn sie es nicht bereits getan haben,

5.2. das Haager Übereinkommen von 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung, sofern sie es noch nicht gemacht haben, zu unterzeichnen und/ oder zu ratifizieren und diese in einer Form umzusetzen und zu implementieren, dass sichergestellt ist, dass jene Behörden, welche für die Durchsetzung zuständig sind, diesen umgehend nachkommen und sie befolgen.

5.3. sicherzustellen, dass die Eltern die gleichen Rechte gegenüber ihren Kindern nach dessen Rechtsvorschriften und Verwaltungspraxis haben, und jedem Elternteil das Recht garantieren, informiert zu werden, und ein Mitspracherecht bei wichtigen Entscheidungen, die das Leben und die Entwicklung ihres Kindes beeinflussen, im besten Interesse des Kindes zu erhalten.

5.4. von ihren Gesetzen jede Benachteiligung zu entfernen, die auf dem Familienstand der Eltern basiert, die ihr Kind anerkannt haben;

5.5. in ihre Gesetze den Grundsatz der Doppelresidenz (Wechselmodell) nach einer Trennung einzuführen, und Ausnahmen ausschließlich auf Fälle von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung, oder häuslicher Gewalt einzuschränken, mit jener Zeitaufteilung, in der das Kind mit jedem Elternteil lebt, die entsprechend den Bedürfnissen und Interessen des Kindes angepasst sind;

5.6. respektieren das Recht der Kinder in allen Angelegenheiten angehört zu werden, die sie betreffen, wenn sie ein ausreichendes Verständnis für die betreffenden Fragen besitzen;

5.7. berücksichtigen die geteilte Betreuung bei der Vergabe von Sozialleistungen;

5.8. setzen alle erforderlichen Schritte um, damit Entscheidungen in Bezug auf den Wohnsitz der Kinder und deren Zugang zu diesen Rechten voll durchgesetzt werden, inklusive dem Nachgehen von Beschwerden bezüglich Behinderung der Kindesübergaben;

5.9. Mediation im Rahmen der juristischen Familienverfahren, die Kinder involvieren, zu fördern, insbesondere durch die Einführung einer gerichtlich angeordneten Pflicht der Informationsberatung, um die Eltern aufzuklären, dass die Doppelresidenz (Wechselmodell) eine sinnvolle Option im besten Interesse des Kindes darstellt, und eine solche Lösung zu erarbeiten, indem sichergestellt wird, dass die Mediatoren eine angemessene Schulung erhalten und durch die Förderung der interdisziplinären Zusammenarbeit auf der Grundlage des “Cochemer Modells ” trainiert sind

5.10. stellen sicher, dass alle Fachkräfte, die während des Familien-Gerichtsverfahrens in Kontakt mit Kindern kommen, die notwendige interdisziplinäre Ausbildung auf die spezifischen Rechte und Bedürfnisse von Kindern der verschiedenen Altersgruppen besitzen, wie auch sonst bei allen Verfahren, in die Kinder involviert sind, den Leitlinien des Rates für eine kinderfreundliche Justiz entsprechen;

5.11. Elternschaftspläne zu fördern, die Eltern ermöglichen, die wichtigsten Aspekte, die das Leben der Kinder betreffen, selbst zu bestimmen und die Einführung der Möglichkeit für Kinder, eine Überprüfung der Vereinbarungen, die sie selbst betreffen, zu überprüfen bzw. zu bewerten, insbesondere ihrem Wohnort;

5.12. bezahlten Elternurlaub für Väter einzuführen, wobei ein Modell der nicht übertragbaren Karenzzeiten zu bevorzugen ist.

Politik: Wechselmodell im Koalitionsvertrag

Aus der Antwort der Bundesregierung vom 20. Juli 2018 auf die Kleine Anfrage der FDP und weiterer Abgeordneter – Drucksache 19/3317 – zu finanziellen Belastungen in Trennungsfamilien

Drucksache 19/ 3597

Vorbemerkung der Fragesteller

In der deutschen Gesellschaft hat in den vergangenen Jahren ein spürbarer Wandel im Rollenverständnis von Frauen und Männern bei der Betreuung von gemeinsamen Kindern Einzug gehalten: Immer häufiger möchten sich beide Elternteile aktiv an der Betreuung und Erziehung der Kinder beteiligen, wie beispielsweise die Nachfrage nach dem Elterngeld zeigt.

Durch eine Trennung der Eltern ändert sich nicht nur das Sozialgefüge für Eltern und Kinder, sondern die Trennung geht meist einher mit einer Verschiebung der finanziellen Lasten. Die von Gerichten angeordneten Entscheidungen orientieren sich dabei noch immer am Residenzmodell. Das führt nicht nur in Bezug auf die Betreuung und Erziehung, sondern vor allem bei der finanziellen Aufteilung der Elternverantwortung zu großen Auseinandersetzungen und Ungleichheiten. Durch solche Entscheidungen im Sinne des Klischees „Einer betreut, einer zahlt“, wobei der Mutter oft die Rolle der Erzieherin und dem Vater die des Ernährers zufällt, finden sich Paare in einem tradierten Rollenbild wieder. Alleinerziehende gelten dabei heute als besonders armutsgefährdet. Bei dieser Betrachtung wird jedoch teilweise außer Acht gelassen, dass es dem anderen Elternteil, der in der Pflicht ist, die Erziehung der Kinder zu finanzieren, oftmals nicht viel besser geht. Auch hier rutschen immer mehr Eltern in die Armut oder leben an der Armutsgrenze. Diese monetäre Schieflage ist für alle Beteiligten – insbesondere für Kinder – zusätzlich zur Trennung belastend. Im Mittelpunkt muss auch nach einer Trennung das Wohl der Kinder stehen.

 

Antworten der Bundesregierung – Auszüge -

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Rollenbilder für Männer und Frauen, gerade auch bei der Betreuung gemeinschaftlicher Kinder, mit den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnissen im Umfeld der Familie wandeln. Dies führt im Kindesunterhaltsrecht dazu, dass dieser Bereich seit Längerem auf dem Prüfstand steht.

Die Gesetzeslage, nach der grundsätzlich ein Elternteil nach Trennung und Scheidung die Kinder betreut und der andere Unterhalt in bar zu entrichten hat (§ 1606 Absatz 3 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs), stammt aus den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Sie ist damals als ein Signal der Gleichberechtigung der Geschlechter in das Gesetz aufgenommen worden. Die Betreuungsleistungen, damals noch regelmäßig allein den Müttern zugewiesen, sind seither dem vom Vater allein zu leistenden Unterhalt als gleichwertig anzusehen. In der Rechtspraxis bildet dieses Modell, das sogenannte Residenzmodell, immer noch den Regelfall („einer betreut, einer bezahlt“). Auch wenn das Gesetz bereits seit Langem geschlechtsneutral gefasst ist, wird die Betreuung in den meisten Fällen nach wie vor von den Müttern der Kinder übernommen.

 

Das Gesetz gibt aber kein Betreuungsmodell vor. Da es immer mehr Fälle gibt, in denen beide Eltern auch nach Trennung und Scheidung die Betreuung der Kinder übernehmen wollen, ist dem im Unterhaltsrecht Rechnung zu tragen. Wollen beide Eltern ihre Kinder getrennt, aber gemeinsam betreuen, so hat das Unterhaltsrecht hierfür Lösungsmodelle bereit zu halten. Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz hat hierzu im Mai 2015 ein Symposium durchgeführt und untersucht seither mögliche Lösungsansätze.

Auch in der kindschaftsrechtlichen Fachwelt gibt es schon seit geraumer Zeit eine kontroverse Debatte um die Frage, ob ein Wechselmodell (im Sinne einer genau oder nahezu hälftigen Betreuung des zwischen den Haushalten der Eltern wechselnden Kindes durch die Eltern) dem Kindeswohl dienlich ist und unter welchen Voraussetzungen es gegebenenfalls gerichtlich angeordnet werden kann. Trotz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 1. Februar 2017 (BGH, Beschluss vom 1. Februar 2017 – XII ZB 601/15 BGHZ 214, 31 ff.) sind noch viele Fragen offen, die auch die Systematik von Sorge- und Umgangsrecht als solche betreffen.

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz prüft deshalb intensiv auch die Frage nach einem etwaigen kindschaftsrechtlichen Reformbedarf.

(…)

Das Unterhaltsrecht ist am Residenzmodell orientiert. Damit ist es auf Fälle zugeschnitten, in denen der eine Elternteil die gemeinsamen Kinder im Wesentlichen alleine erzieht und der andere Elternteil lediglich Umgang ausübt. Eltern praktizieren mittlerweile allerdings auch vom Residenzmodell abweichende Modelle, indem sie beispielsweise beide wesentliche Teile der Betreuung des Kindes übernehmen. Zwar können sie die finanziellen Folgen ihrer Entscheidungen bereits heute einvernehmlich selbst regeln. Gleichwohl sind die gesetzlichen Folgen, die sich unterhaltsrechtlich aus ihrer Entscheidung ergeben, teilweise wenig befriedigend. Aus diesem Grund werden die gesetzlichen Bestimmungen gegenwärtig auf ihre Zeitgemäßheit geprüft und Ansätze für eine angemessene legislative Widerspiegelung der gesellschaftlichen Realität gesucht.

 

Im Kindschaftsrecht besteht ebenfalls Anlass zu einer grundlegenden Prüfung etwaigen Reformbedarfs. Zu diesem Zweck hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz die interne Arbeitsgruppe „Sorge- und Umgangsrecht, insbesondere bei gemeinsamer Betreuung nach Trennung und Scheidung“ ins Leben gerufen.

Diese Zielsetzungen sind zudem im Koalitionsvertrag verankert. Dort ist festgestellt, dass Eltern nach einer Trennung zumeist beide intensiv in die Erziehungsverantwortung für ihre Kinder eingebunden bleiben wollen. Zudem ist festgehalten, dass dies beim Umgang und im Unterhalt stärker berücksichtigt werden soll, wenn die Eltern sich über die Betreuungsform einig sind oder Gründe des Kindeswohls vorliegen (vgl. Koalitionsvertrag, Rn. 6243 ff.).

 

Mehr hier: https://kleineanfragen.de/bundestag/19/3597-finanzielle-belastungen-in-trennungsfamilien

Wissenschaftliche Dienste des Bundestages WD 9 - 3000 - 035/15
Die Wissenschaftlichen Dienste haben die Kontroverse über das Wechselmodell in Deutschland 2015 für die Politik ausgearbeitet, den rechtlichen Rahmen beleuchtet und den Forschungsstand im Ausland zusammengefasst. Insbesondere wurden die Veröffentlichungen von Dr. Kostka und Prof. Sünderhauf einander gegenübergestellt.
sünderhauf_2015_Bundestag.pdf
PDF-Dokument [357.5 KB]

Vorurteile gegen das Wechselmodell auf dem Prüfstand

Prof. Dr. Hildegund Sünderhauf beleuchtet die Argumente, die typischerweise gegen das Wechselmodell vorgebracht werden, wissenschaftlich. Es zeigt sich, dass die Begründungen der Oberlandesgerichte, die das Wechselmodell nicht gegen den Willen eines Elternteils anordnen, im Einzelfall widerlegt werden können. Der BGH hat 2017 in diesem Sinne die Rechtsprechung der OLGs gekippt. Prof. Sünderhauf legt dar, welche häufig genannten Voraussetzungen eines Wechselmodells gar nicht so zwingend erforderlich sind und blickt in die Länder, in denen das "Zwei-Zuhause"-Modell längst erfogreich als Normalfall nach Trennung von Eltern praktiziert wird.

 

Wer sich mit dem Wechselmodell intensiv befassen möchte, für den ist das Buch von Frau Prof. Sünderhauf "Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis" aus 2013 Pflichtlektüre.

Argumente in der Rechtsprechung kritisch beleuchtet
Abdruck aus der Zeitschrift FamRB 2013
Wechselmodell_Suenderhauf_FamRB.pdf
PDF-Dokument [388.5 KB]
Getrennt erziehen im Wechselmodell - Frühe Kindheit 02/2016
sünderhauf_2016_frühekindheitonline.pdf
PDF-Dokument [334.7 KB]

 

Bei YouTube gibt es einige Vorträge von Prof. Sünderhauf anzusehen.

Wechselmodell ist doch erzwingbar - Änderung der OLG-Rechtsprechung durch den BGH

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15 - Neuland betreten, indem er theoretisch für möglich hält, dass ein Gericht ein Wechselmodell anordnet. Das war vorher von den Oberlandesgerichten für unmöglich gehalten worden.

 

Der BGH hat entschieden, dass das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils gegen den Willen des anderen Elternteils ein paritätisches Wechselmodell, also die etwa hälftige Betreuung des Kindes durch beide Eltern, als Umgangsregelung anordnen darf. Auch die Voraussetzungen hat das Gericht näher bestimmt.

 

Darum geht es

Die Eltern sind geschieden, der Sohn 04/2003 geboren.

Sie sind gemeinsam sorgeberechtigt. Der Sohn hält sich bislang überwiegend bei der Mutter auf. Im Mai 2012 trafen die Eltern eine Umgangsregelung, nach welcher der Sohn den Vater alle 14 Tage am Wochenende besucht.

Im vorliegenden Verfahren erstrebt der Vater die Anordnung einer Umgangsregelung in Form eines paritätischen Wechselmodells. Er will den Sohn im wöchentlichen Turnus abwechselnd von Montag nach Schulschluss bis zum folgenden Montag zum Schulbeginn zu sich nehmen. Das Amtsgericht hat den Antrag des Vaters zurückgewiesen. Dessen Beschwerde ist vor dem Oberlandesgericht ohne Erfolg geblieben.

 

Wesentliche Entscheidungsgründe

Auf die hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde des Vaters hat der BGH den Beschluss des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Sache an dieses zurückverwiesen.

 

Vom Gesetzeswortlaut sei - entgegen der Auffassung aller bisher veröffentlichten Entscheidungen - auch eine Betreuung des Kindes durch hälftige Aufteilung der Umgangszeiten auf die Eltern erfasst.

Zwar orientiert sich die gesetzliche Regelung am Residenzmodell, also an Fällen mit überwiegender Betreuung durch einen Elternteil bei Ausübung eines begrenzten Umgangsrechts durch den anderen Elternteil.

Dies besagt aber nur, dass der Gesetzgeber die praktisch häufigste Gestaltung als tatsächlichen Ausgangspunkt der Regelung gewählt hat, nicht hingegen, dass er damit das Residenzmodell als gesetzliches Leitbild festlegen wollte, welches andere Betreuungsmodelle ausschließt.

 

Dass ein Streit über den Lebensmittelpunkt des Kindes auch die elterliche Sorge und als deren Teilbereich das Aufenthaltsbestimmungsrecht betrifft, spricht jedenfalls bei Bestehen des gemeinsamen Sorgerechts der Eltern nicht gegen die Anordnung des Wechselmodells im Wege einer Umgangsregelung.

Eine zum paritätischen Wechselmodell führende Umgangsregelung steht vielmehr mit dem gemeinsamen Sorgerecht im Einklang, zumal beide Eltern gleichberechtigte Inhaber der elterlichen Sorge sind und die im Wechselmodell praktizierte Betreuung sich als entsprechende Sorgerechtsausübung im gesetzlich vorgegebenen Rahmen hält.

Entscheidender Maßstab der Anordnung eines Umgangsrechts ist neben den beiderseitigen Elternrechten allerdings das Kindeswohl, das vom Gericht nach Lage des jeweiligen Einzelfalls zu prüfen ist. Das Wechselmodell ist anzuordnen, wenn die geteilte Betreuung durch beide Eltern im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl im konkreten Fall am besten entspricht.

 

Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Wechselmodell gegenüber herkömmlichen Umgangsmodellen höhere Anforderungen an die Eltern und das Kind stellt, das bei doppelter Residenz zwischen zwei Haushalten pendelt und sich auf zwei hauptsächliche Lebensumgebungen ein- bzw. umzustellen hat.

Das paritätische Wechselmodell setzt zudem eine bestehende Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit der Eltern voraus. Dem Kindeswohl entspricht es dagegen regelmäßig nicht, ein Wechselmodell zu dem Zweck anzuordnen, diese Voraussetzungen erst herbeizuführen. Ist das Verhältnis der Eltern erheblich konfliktbelastet, so liegt die auf ein paritätisches Wechselmodell gerichtete Anordnung in der Regel nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes. Wesentlicher Aspekt ist zudem der vom Kind geäußerte Wille, dem mit steigendem Alter zunehmendes Gewicht beizumessen ist.

 

Das Familiengericht ist im Umgangsrechtsverfahren zu einer umfassenden Aufklärung verpflichtet, welche Form des Umgangs dem Kindeswohl am besten entspricht. Dies erfordert grundsätzlich auch die persönliche Anhörung des Kindes. Im vorliegenden Fall hatte das Oberlandesgericht eine persönliche Anhörung des Kindes nicht durchgeführt, weil es zu Unrecht davon ausgegangen war, dass eine auf ein Wechselmodell gerichtete Umgangsregelung nach der gesetzlichen Regelung nicht möglich sei. Das Verfahren ist daher zur Nachholung der Kindesanhörung und zur erneuten Entscheidung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen worden.

 

BGH, Beschl. v. 01.02.2017 - XII ZB 601/15

Quelle: BGH, Pressemitteilung v. 27.02.2017

 

Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 1. Februar 2017 - XII ZB 601/15 - Neuland betreten, indem er theoretisch für möglich hält, dass ein Gericht ein Wechselmodell anordnet. Das war bisher von den Oberlandesgerichten für unmöglich gehalten worden.
BGH 1.2.2017 Doppelresidenz Wechselmodel[...]
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Aktuelle OLG-Entscheidungen zum Wechselmodell

OLG Bremen - Beschluss vom 16.08.2018 - 4 UF 57/18

OLG Hamm - Beschluss vom 29.08.2017 - 11 UF 89/17

Projektgruppe Doppelresidenz

Die Projektgruppe "Doppelresidenz" ist ein interdisziplinäres, vereins- und länderübergreifendes Netzwerk aus ProjektpartnerInnen von Professionen und Vereinen der Nachtrennungsthematik, sowie engagierten Einzelpersonen.

 

 

Am 9. November 2017 forderten namhafte WissenschaftlerInnen, Professionen und VertreterInnen von Verbänden die Politik auf, ein zeitgemäßes Familienrecht mit dem Leitbild der Doppelresidenz in Deutschland zu schaffen.
Nachfolgend die Erklärung und Begründung:

Familienleben ist heute durch die gemeinsame Verantwortung beider Eltern in Familie und Beruf gekennzeichnet. Frauen möchten nicht mehr nur auf die Zuständigkeit für Kinder, Haushalt und Familie reduziert werden. Männer nehmen in immer größerem Maße Verantwortung in Haushalt und Kinderbetreuung wahr. Die partnerschaftliche Aufteilung von Familienarbeit und Beruf ist heute ein von der Mehrzahl der Bevölkerung gewünschtes Familienbild.

Trotzdem leben noch immer die meisten Kinder nach einer Trennung überwiegend nur bei einem Elternteil. Dieses Modell wird durch den bestehenden rechtlichen Rahmen priorisiert. Dies wird den Bedürfnissen von Eltern und Kindern nicht mehr gerecht.

Die vorliegenden Ergebnisse der Bindungs- und Scheidungsforschung belegen eindrücklich die Stärken und Vorteile gemeinsamer Elternschaft in Form der Doppelresidenz gegenüber dem bisher in Deutschland bevorzugten Modell weitgehend alleinerziehender Elternschaft im Residenzmodell.

Gemeinsame Elternschaft in Form der Doppelresidenz nützt den Kindern, erhält und sichert ihnen die Beziehung zu beiden Eltern. Sie verteilt die erzieherischen und materiellen Lasten auf beide Eltern, vermeidet die Überlastung eines Elternteils, reduziert Streit und führt zu einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hiervon profitieren Eltern und Kinder.

Das Recht muss überall dort, wo es bisher an das Leitbild der „Hausfrauenehe“ und des „Alleinerziehendenmodells“ anknüpft, den Erfordernissen an ein zeitgemäßes, gleichberechtigtes Familienleben angepasst werden: beim Umgangs-, Sorge- und Unterhaltsrecht, im Jugendhilfe-, Sozial-, Melde- und Steuerrecht und allen weiteren berührten Rechtsgebieten.

Wir, die Unterzeichnenden, fordern daher die Politik auf, jetzt für Deutschland ein zeitgemäßes Familienrecht mit der Doppelresidenz als Leitbild zu schaffen, welches nicht nur internationalen Standards entspricht. Es soll auch dem Wunsch des überwiegenden Teils der Eltern nachkommen, nach einer Trennung ihre Kinder weiterhin gemeinsam zu erziehen und auch und vor allem den Kindern den für ihre Entwicklung wichtigen Kontakt zu beiden Eltern dauerhaft und umfangreich sichern.

BGH: Im Zweifel für die Doppelresidenz?

Eine mögliche Auslegung der Entscheidung vom 27.2.2017

Autor: Markus Witt, Sprecher des Bündnisses doppelresidenz.org
Dieser Artikel soll sowohl den rechtlichen Rahmen
beleuchten, aber auch die offenen, für die rechtliche
Praxis relevanten Punkte benennen und den
vorliegenden Forschungsstand rund um die
Doppelresidenz verdeutlichen. Vor allem soll er eine
bisher wenig beachtete Kernaussage der BGH-Entscheidung
aufzeigen: die rechtliche Vorrangstellung
der Doppelresidenz gegenüber dem Residenzmodell.
2018 Witt - Im Zweifel für die Doppelres[...]
PDF-Dokument [332.3 KB]

Wechselmodell zum Weiterlesen in der FamRZ:

„Kindesunterhalt und Wechselmodell – Eine vergleichende Perspektive“ von Dethloff und Kaesling in FamRZ 2018, 73

„Alternativentwurf eines Finanzierungsmodells bei Wechselbetreuung eines Kindes“ von Spangenberg in FamRZ 2017, 1383

„Das Wechselmodell“ von Wohlgemuth in FamRZ 2017, 676

„Die Unterhaltsrente im Wechselmodell – ein systemwidriges Danaergeschenk?“ von Maaß in FamRZ 2017, 673

„Wechselmodell ohne Barunterhaltspflicht?“ von Spangenberg in FamRZ 2016, 1426

„Wechselmodell ohne Barunterhaltspflicht!“ von Maaß in FamRZ 2016, 1428

„Wechselmodell in der Prozess- und Verfahrenskostenhilfe“ von Christl in FamRZ 2016, 959

OLG Stuttgart: Erhöhung des Umgangs von 40% auf 50% geht ohne Sachverständigengutachten

1. Eine gerichtliche Umgangsregelung, die im Ergebnis zu einer gleichmäßigen Betreuung des Kindes durch beide Eltern im Sinne eines paritätischen Wechselmodells führt, kann im Einzelfall
auch gegen den Willen eines Elternteils angeordnet werden (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 1. Februar 2017, XII ZB 601/15, FamRZ 2017, 532).


2. Bestehen unstreitig gute Bindungen der Kinder zu beiden Elternteilen und hat der umgangsberechtigte Elternteil bereits bisher einen wesentlichen Teil der Betreuungsleistung übernommen (vorliegend: rund 40%), so kann die Kindeswohldienlichkeit des Wechselmodells auch ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilt werden.

OLG Stuttgart - 18 UF 104/17 - vom 23.8.2017

Kürzung von Wechselmodell auf Umgang ist ungeeignet, um Elternstreit beizulegen

Die Beendigung eines Wechselmodell ist nicht geeignet, um das  Konflikt- und Manipulationsverhalten von Eltern positiv zu beeinflussen - und kann daher trotz solcher Konflikte bestehen bleiben, ohne dass das Kindeswohl gefährdet ist.

 

Der Fall:

2013 war dem Kindesvater das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder übertragen worden. In der Folgezeit haben die Eltern das Wechselmodell praktiziert, bis der Kindesvater dieses im Januar 2014 kurzfristig aufgekündigt und der Kindesmutter ein Umgangsrecht von donnerstags nach der Schule/dem Kindergarten bis Montagmorgen eingeräumt hat. Er sieht das Wechselmodell als gescheitert an, da die Konflikte zwischen den Eltern zu hoch seien.

Die Kindesmutter manipuliere die Kinder gegen ihn und zerstöre ihr Verhältnis zum Vater. Das Verhalten der Kindesmutter sei kindeswohlgefährdend, deshalb müsse ihr Einhalt geboten werden.

Es müsse ein Umgang vereinbart werden, der die Kinder dem negativen Einfluss der Mutter zumindest in der langen Dauer entzieht.

 

Aus den Gründen:

Das Gericht verkennt nicht das – weiterhin – hohe Konfliktverhalten der Eltern untereinander; im Gegenteil, dieses wurde in der mündlichen Verhandlung nochmals mehr als deutlich. (...) Nach Überzeugung des Gerichts – die vom Verfahrensbeistand und dem Jugendamt geteilt wird – ist der Konflikt der Eltern nicht über die (Neu-)Verteilung von Betreuungszeiten auflösbar. Die vom Vater behauptete negative Beeinflussung der Kinder durch die Mutter bleibt unberührt von der Aufenthaltsdauer der Kinder bei ihr.(...) Abschließende Regelungen bleiben dem von der Kindesmutter eingeleiteten Hauptsacheverfahren vorbehalten.

 

Hinweis:

Es handelte sich um ein Eilverfahren, in dem das Gericht eine höhere rechtliche Hürde hätte überwinden müssen ("dringendes Regelungsbedürfnis"), um die langjährige Praxis des Wechselmodells zu beenden.

 

AG Hannover - 618 F 491/14 - vom 10.02.2014

 

Überlegungen zum Wechselmodell

 

Text von Anne Ruland, Dipl. Sozialpädagogin, Mitarbeiterin der Katholischen Erziehungsberatungsstelle der Caritas in Alsdorf (Bistum Aachen), dort tätig u.a. in der Trennungs-Scheidungs-Beratung

veröffentlicht im Jahresbericht 2017, S. 13ff

 

Mit den folgenden Ausführungen möchte ich Mut machen, sich mit dem Für und Wider des sogenannten Wechselmodells auseinanderzusetzen und zu prüfen, ob es eine denkbare Alternative zum klassischen Residenzmodell darstellt. Im Wesentlichen beziehe ich mich hierbei auf Frau Prof. Dr. Sünderhauf, die als ehemalige Scheidungsanwältin und Autorin eines 900seitigen wissenschaftlichen Fachbuches zu dem Thema zu einer positiven Einstellung zum Wechselmodell kommt.

Bisher bleiben die meisten Kinder nach Trennung und Scheidung bei einem Elternteil (Residenzmodell), häufig bei den Müttern. Die Väter mutieren unfreiwillig zum „Wochenendpapa" und stehen in der Unterhaltspflicht. Andererseits klagen Mütter in der Beratung, dass Väter mit den Kindern lediglich Freizeit verbringen und keine Alltagsverantwortung tragen. Väter leiden unter der Verfügungsmacht der Mütter und der Entfremdung vom Kind. Oft fühlen sich Väter als Bittsteller, wenn sie den Wunsch nach mehr Umgang äußern.

 

Was beinhaltet das Wechselmodell?

Wechselmodell bedeutet: Kinderbetreuung durch beide getrennt lebende Eltern gleichermaßen, bei der die Kinder bei beiden Eltern zuhause sind, bei beiden Eltern übernachten und bei beiden Alltag und Freizeit erleben, beide Eltern gleichberechtigt Erziehungsverantwortung ausüben und die Kinder abwechselnd mindestens 30% bei jedem Elternteil leben.

Die Grenze zwischen einer Betreuung im Wechselmodell mit ungleichen Zeitanteilen und einer Betreuung im Residenzmodell mit viel Besuchskontakt ist fließend. Der Unterschied zwischen den Modellen liegt weniger in der quantitativen Zeitquote als im Zuhausesein bei beiden Eltern und in der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung von Mutter und Vater. Elterliche Verantwortung zeigt sich nicht nur im Alltag, sondern der gemeinsam erlebte Alltag befähigt erst zur Wahrnehmung elterlicher Verantwortung. Beispielsweise ermöglicht das Erleben des Schulalltags und der Hausaufgabensituation erst ein verantwortliches Mitentscheiden über die weiterführende Schule.

Der Beratungsalltag zeigt, dass es Müttern häufig schwer fällt, sich auf das Wechselmodell einzulassen; das eigene Mutterbild, Druck von außen (Irritationen, Skepsis und Kritik im Verwandten- und Freundeskreis) sowie weiterhin bestehende Aggressionen gegen und Kränkungen durch den ehemaligen Partner können hier eine große Rolle spielen.

Derzeit wird das Wechselmodell heftig diskutiert und zunehmend werden Familiengerichte mit entsprechenden Anträgen konfrontiert. Es gibt vehemente Befürworter (meist Väter) und andere, die dem Wechselmodell mit Zurückhaltung oder deutlicher Skepsis gegenüber stehen.

So lese ich vor der Bundestagswahl 2017 folgendes Statement der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der FDP, Katja Suding: „Außerdem wollen wir das sogenannte Wechselmodell als Modell zur Regelung der Betreuung minderjähriger Kinder zum Regelfall machen, wenn sich die Eltern nach der Trennung nicht über den gewöhnlichen Aufenthalt ihrer Kinder einigen können. Alle Eltern, die sich gütlich untereinander auf ein Betreuungsmodell verständigen, sollen das auch weiter tun. Im Streitfall aber sollen Familiengerichte das Wechselmodell als Standard anwenden. Wir sind der Ansicht, dass eine gemeinsame elterliche Betreuung dem Kindeswohl am besten entspricht." (Stimme der Familie, 64. Jahrgang, Heft 4/2017, s.1 1)

 

Vorbehalte gegen das Wechselmodell

Die kulturell deutsche Tradition ist geprägt von der Annahme der Primärzuständigkeit von Müttern, wenn es um die Verantwortlichkeit für Kinder und deren Betreuung geht. Diese traditionelle Rollenzuschreibung ist im Zusammenleben der Eltern in den meisten modernen Familien überwunden — nach Trennung und Scheidung lebt sie dann häufig wieder auf. Des Weiteren ist die Überzeugung verbreitet, dass Kinder ein Zuhause als Lebensmittelpunkt brauchen. Auch die organisatorische Umsetzung wie das Packen und Organisieren von Kleidung, Spielsachen und Schulutensilien wird als eine unzumutbare Belastung gesehen. Viele Fachleute halten das Wechselmodell bei schlechter Elternkommunikation und Hochstrittigkeit für ungeeignet und sehen in der Zustimmung beider Eltern eine Voraussetzung.

Dabei werden laut Sünderhauf international gute Erfahrungen auch mit dem gegen den Willen eines Elternteils angeordneten Wechselmodell gemacht, so in Schweden, Australien, Belgien und Frankreich.

Dazu hat der Bundesgerichtshof im Februar 2017 klargestellt: Ein Familiengericht kann das Wechselmodell als Umgangsregelung auch gegen den Willen des anderen Elternteils anordnen, wenn das dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Das Kind soll dazu aber grundsätzlich angehört werden.

Starke Konflikte gehören zum normalen Verlauf einer Scheidung. Der gerichtliche Sorgerechtsstreit wird oft zu einem Zeitpunkt geführt und entschieden, wo die Konflikte am stärksten sind und die Kooperation und Kommunikation besonders schlecht. Nicht selten steigern sich die Konflikte noch durch die rechtlichen Verfahren und dem damit einhergehenden Gefühl, jetzt um jeden Preis kämpfen und gewinnen zu müssen.

Wie Sünderhauf bin ich der Meinung, dass es vom Wohle des Kindes und nicht vom Wohlwollen eines Elternteils abhängen sollte, ob und wie der andere Elternteil seine Beziehung zum Kind fortsetzen kann. Anderenfalls würde die Kommunikations- und Kooperationsverweigerung eines Elternteils belohnt.

Der Beratungsalltag zeigt, dass durch eine (anwaltliche) Zuspitzung von Vorwürfen und Beschuldigungen ein Streitklima provoziert wird, das u.U. dann als Begründung gegen ein Wechselmodel' angeführt wird. Am Ende kollidiert dann die Durchsetzung parteilicher Interessen um jeden Preis (Gewinn des Rechtsstreites) mit dem Kindeswohl. Das geltende Unterhaltsrecht legt nahe, dass Anwälte betreuenden Elternteilen zur Wahrung ihrer Unterhaltsansprüche eher vom Wechselmodell abraten, unterhaltspflichtigen Elternteilen hingegen dazu raten. Dies mag im finanziellen Interesse der jeweiligen Mandanten sein, wird aber in vielen Fällen dem Kindeswohl nicht gerecht.

Skeptiker halten das Wechselmodell nur für möglich, wenn die Eltern unstrittig sind und gut kooperieren. Gute Kommunikation und Kooperation zwischen Vater und Mutter sind unbestritten von Vorteil für Kinder. Dies gilt aber für jedes Betreuungsmodell. Unter Fachleuten herrscht weitgehend Konsens darüber, dass auch parallele Elternschaft dem Kindeswohl zuträglich sein kann: Hier kommunizieren die Eltern möglichst wenig. Vater und Mutter haben klare Regelungen in allen relevanten Bereichen. Der jeweilige Elternteil, bei dem das Kind ist, ist zuständig für alle Belange. Wichtig ist, dass die Eltern sich nicht gegenseitig vor dem Kind abwerten oder die Kinder als Boten oder Spion instrumentalisieren. Flankierende Beratung kann die Eltern unterstützen.

Generell sind an die Kommunikation und Kooperation bei einem Wechselmodell keine anderen Anforderungen zu stellen, als bei einem Residenzmodell mit Umgangskonkakten.

Für ein gegen den Willen eines Elternteils angeordnetes Wechselmodell sollte eine begleitende Beratung zum Standard gehören.

 

Stimmen von Betroffenen

Kürzlich erzählte mir eine Mutter unter Tränen, ihr 12jähriger Sohn habe sich für das Wechselmodell entschieden und wolle nun eine Woche bei ihr und eine Woche bei seinem Vater leben. Dies könne sie sich nicht vorstellen, wie solle das funktionieren.

Sie wolle dies nicht, habe sich aber nach hartnäckigem Drängen des Sohnes auf ein halbjähriges Ausprobieren eingelassen. Nach einigen Wochen berichtet die Mutter, dass es ihr eigentlich gut gehe. In der kinderfreien Woche mache sie Überstunden und unternehme viel mit Freundinnen. Dann freue sie sich sehr auf ihren Sohn und genieße die gemeinsame Zeit. Auch empfinde sie leichte Genugtuung dabei, von ihrem Sohn zu hören, dass der Vater in der Hausaufgabensituation auch nicht immer nur der „coole Dad" sei

Die meisten Kinder wünschen sich ausreichenden Kontakt zu beiden Eltern. Bei Kiesewetter & Wagner (2015) lese ich von Simon, Lorenz, Felix, Max und Jörn:

Der 20jährige Simon, der bis zu Beginn seiner Ausbildung immer zusammen mit seinem Bruder hin- und hergewechselt ist, antwortet auf die Frage, ob er sich nicht zerrissen gefühlt habe, dass das Quatsch sei und dass man seiner Meinung nach eher zerrissen würde, wenn man nur noch bei einem Elternteil wohne. Er habe das super gefunden, beide sehen zu können.

Der 12jährige Lorenz erinnert sich: Als er vor drei Jahren, seine Eltern hatten sich gerade getrennt, in einer Gruppe mit anderen Trennungskindern erzählte, dass er zwei Zuhause habe, dass er sowohl seinen Papa als auch seine Mama immer sähe, da waren die anderen Kinder ganz überrascht. Die sahen ihre Väter nur alle zwei Wochen an den Wochenenden, manche hatten ganz den Kontakt verloren. Lorenz' Vater berichtet, dass sein Sohn damals sehr selbstbewusst und gestärkt aus der Gruppe kam. Gefragt nach Kontakten zu Freunden sagt Lorenz: „Meine guten Freunde wissen, dass ich mal bei Mama und mal bei Papa wohne. Und mit denen verabrede ich mich auch.'

Der 17jährige Felix ist überzeugt, dass, wenn er nur bei seiner Mutter gelebt hätte, er auch eine andere Erziehung genossen hätte und er quasi jetzt auch ein anderer Mensch sein würde.

Der gleichaltrige Max sagt: „Meine Freunde finden mich immer, die rufen entweder bei meiner Mama oder bei meinem Papa an. Und ich habe ja auch selbst ein Handy."

 

Im Wechselmodell wird kein Elternteil zum Besuchselternteil degradiert. Jörn, ein das Wechselmodell praktizierender Vater, sagt: „Ich werde als gleichwertiger Elternteil angesehen, auch vom Gefühl her ist das ganz wichtig für mich."

 

Chancen durch das Wechselmodell

Wechselmodellentscheidungen können eine befriedende Wirkung haben: Nach abgeschlossenem Sorgerechtsstreit treten Eltern laut Sünderhauf im Wechselmodell nur halb so häufig erneut in einen Rechtsstreit, wie Eltern im Residenzmodell.

Abwechselnde Betreuung und geteilte Verantwortung ermöglichen es Müttern und Vätern, sich trotz Trennung intensiv um ihre Kinder zu kümmern und diese an den jeweiligen Ressourcen der Eltern (z.B. Freunde und Verwandte, Talente, Persönlichkeit, Hobbies) teilhaben zu lassen.

Beide Elternteile bewahren ihre jeweilige emotionale Bindung zum Kind und auch die Bindungen des Kindes an seine Eltern bleiben erhalten. Bindung ist ein wesentlicher Resilienzfaktor.

Seit der Unterhaltsreform 2008 gibt es weniger Betreuungsunterhalt für Geschiedene, so dass viele Mütter -auch mit kleinen Kindern- erwerbstätig sein müssen. Im Wechselmodell können sie das leichter als im Residenzmodell.

Durch die Ermöglichung von Erwerbsarbeit der EItern kann Kinderarmut verhindert werden; hierdurch verbessern sich die Entwicklungschancen des Kindes. Der Zusammenhang zwischen ökonomischen Ressourcen und Teilhabe an Bildung und Kultur ist nachgewiesen (Langzeitstudie der Arbeiterwohlfahrt 2012 sowie Vierter Armutsbericht 2012).

Im Wechselmodell haben beide Eltern auch „Auszeiten" vom Kind; diese können vor Überforderung schützen. Halbwegs entspannte Eltern verhalten sich eher feinfühlig und dann in höchstem Maße dem Kindeswohl förderlich.

 

Nach Linda Nielsen (201 1, in Sünderhauf) reicht es aus, dass Eltern „fit and loving" sind: Sie sollten fürsorglich und dem Kind zugewandt sein sowie in der Lage, die Bedürfnisse des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen.

 

Ausschlusskriterien für ein Wechselmodell

Ausschlussgründe können Sucht und Gewalt, psychische Erkrankungen eines Elternteils, Kindesmissbrauch, die fehlende Bindung/Beziehung des Kindes zu einem Elternteil, die Ablehnung des Kindes durch einen Elternteil, die autonome Ablehnung des Wechselmodells durch das Kind sowie logistische Probleme (große Wohnraumdistanz, unregelmäßige Arbeitszeiten, Stillen) sein.

 

Abschließend möchte ich Susan Steinmann (in Sünderhauf) zitieren:

„Das Wechselmodel' [ist] im besten Fall flexibel, begreift die Individualität von Kindern und Familien, begreift, dass die andauernde und beharrliche Natur der Eltern-Kind-Bindung durch eine Scheidung nicht verschwindet, [es] fordert Stärke und Reife auf Seiten der Eltern, durch die Anforderung, in Zeiten persönlicher Entkräftung ihre Kinder an erste Stelle zu stellen, [es] anerkennt die Ursprungsfamilie als eine wertvolle Struktur für das Aufziehen von Kindern, auch wenn sie durch Scheidung gelöst wurde und ...greift die Realität der Veränderungen in Gesellschaft und Familie auf. Das Wechselmodell im schlimmsten Fall ist eine einfache rechtliche Formel, die technisch das Leben der Kinder zwischen zwei Eltern aufteilt, ohne Beachtung der spezifischen Bedürfnisse und Kapazitäten der Kinder und die versucht einen Krieg zwischen Eltern zu beenden, den diese nicht alleine beenden können oder wollen."

Letztlich muss sich das Betreuungsmodell am Wohl des Kindes orientieren, seine individuellen Fähigkeiten, Bedürfnissen und Bindungen berücksichtigen. Dafür kann das Wechselmodell durchaus häufiger als bisher eine Option sein.

Literatur:

Kiesewetter, Ina & Wagner, Petra: Eine Woche Mama, eine Woche Papa. Herder, Freiburg im Breisgau 2015

Sünderhauf, Hildegund: Wechselmodell: Psychologie — Recht — Praxis. Springer, Wiesbaden 2013

Deutscher Juristinnenbund zum Wechselmodell

In seiner Pressemitteilung vom 15.6.2018 hat der Deutsche Juristinnenbund e.V. (djb) zum Wechselmodell Stellung genommen, insbesondere zu den aktuellen Forderungen, das Wechselmodell als Leitbild oder als gesetzlichen Regelfall festzuschreiben. Laut djb-Präsidentin Prof. Dr. Maria Wersig sei das Wechselmodell als Regelvorgabe „keine Lösung“. Zwar könne auch in Konfliktfällen eine gemeinsame Betreuung gerichtlich angeordnet werden; entscheidend sei im Streitfall aber allein das Kindeswohl.

Es gebe aber keine zuverlässigen Studien, ob und unter welchen Bedingungen Wechselmodelle dem Kindeswohl entsprechen, etwa inwieweit Kinder die gemeinsame Betreuung durch beide Elternteile in zwei verschiedenen Wohnungen und die damit verbundenen häufigen Wechsel vom einen Haushalt in den anderen dauerhaft mittragen. Gleiches gelte für die Frage, ob sich ein etwaiger Wunsch ab einem bestimmbaren Alter erschöpft. Häufig zeigten sich erst in der praktischen Umsetzung dieses Betreuungsmodells dessen tatsächliche Defizite.

 

Unterhalt und Existenzsicherung stehen zur Diskussion

Weiter heißt es in der Pressemitteilung, dass die Frage des Unterhalts und dessen Durchsetzung derzeit nicht zufriedenstellend gelöst ist. Das Wechselmodell dürfe nicht als Geschenk an den barunterhaltspflichtigen Elternteil, in der Regel noch immer der Vater, missverstanden werden. Das Unterhaltsrecht biete zahlungsunwilligen Unterhaltsverpflichteten derzeit Anreize, sich über das Wechselmodell ihren Unterhaltspflichten zu entziehen, ohne echte Erziehungsverantwortung übernehmen zu wollen. Entscheidend sei, den Bedarf des Kindes sicherzustellen und abzudecken. Allein die Betreuung genüge nicht.

Besonders deutlich werde diese Problematik in den Fällen, in denen ein oder beide Elternteile Arbeitslosengeld II beziehen. Unterhalts- und Existenzsicherungsrecht müssen gemeinsame Betreuungsmodelle (bis hin zum Wechselmodell) ermöglichen, so der djb. Dabei müsse der Bedarf von Kindern, die zwischen zwei Haushalten pendeln, verlässlich abgesichert werden. Nicht das Wechselmodell stehe also zur Diskussion, sondern Unterhalt und Existenzsicherung. "Der Gesetzgeber ist gefordert, Mütter und Väter, die trotz Trennung gemeinsame Sorgeverantwortung übernehmen wollen, zu unterstützen und entsprechende für die Kinder passende Rahmenbedingungen zu gewährleisten," so die Präsidentin des djb.

 

Anhörung von Sachverständigen zum Wechselmodell

Am 15.3. stand das Thema „Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall“ auf der Tagesordnung der 20. Bundestagssitzung. Das Plenum beriet über einen Antrag der FDP-Fraktion „Getrennt leben – Gemeinsam erziehen: Familienrechtliches Wechselmodell als Regelfall einführen“ (19/1175) sowie einen Antrag der Fraktion DIE LINKE „Wohl des Kindes in den Mittelpunkt stellen – Keine Festschreibung des Wechselmodells als Regelmodell“ (19/1172). Bei der Debatte zeigte sich, dass alle Parteifraktionen eine gesetzliche Regelung des Wechselmodells begrüßen. Bis auf die FDP lehnten aber alle die Festschreibung des Wechselmodells als Regelfall ab.

Laut djb hat der Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz in seiner 13. Sitzung am 6.6.2018 nun auch beschlossen, eine öffentliche Anhörung von Sachverständigen zum Wechselmodell durchzuführen.

 

Quelle: djb-Pressemitteilung vom 15.6.2018

Wechselmodell: BVerfG lässt alle Rechtsfragen offen – es bleibt eine Einzelfallprüfung des Kindeswohls

 

BVerfG, Beschluss vom 24. 6. 2015 - 1 BvR 486/14

 

Der Fall:

Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Kindesvater, Prof. Dr. G., vor allem dagegen, dass die Gerichte ihm kein paritätisches Umgangsrecht ("Wechselmodell") eingeräumt haben und beanstandet die zugrunde liegende Gesetzeslage.

Das Kind wurde im September 2011 nichtehelich geboren. Es  lebt im Haushalt der Mutter, die die elterliche Sorge allein ausübt. Anträge des Vaters auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts, der Gesundheitssorge und der gemeinsamen elterlichen Sorge blieben erfolglos.

Mit Beschluss vom 3. Mai 2013 regelte das Amtsgericht Potsdam den Umgang des Vaters mit dem Kind dergestalt, dass dieser in den geraden Kalenderwochen von Freitag 15 Uhr bis Montag 8:30 Uhr Umgang mit seinem Sohn haben soll. Außerdem regelte es die Urlaubsumgänge. Da das Verhältnis zwischen den Eltern hoch strittig sei, seien die Umgangswechsel so zu gestalten, dass Begegnungen zwischen den Eltern möglichst vermieden und Übergabesituationen auf ein Minimum reduziert würden.

Auf die Beschwerde des Vaters änderte das Brandenburgische Oberlandesgericht mit Beschluss vom 13. November 2013 den Beschluss des Amtsgerichts dahingehend ab, dass der Vater zusätzlich zu den 14tägigen Wochenend-Umgängen auch in den ungeraden Kalenderwochen jeweils von Donnerstag 15 Uhr bis Freitag 8:30 Uhr haben soll, und traf eine präzisere Ferien- und Feiertagsregelung.

 Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer insbesondere eine Verletzung seiner Grundrechte aus Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG allein und in Verbindung mit Art. 2, 3 und 18 des völkerrechtlichen Übereinkommens über die Rechte des Kindes (Convention on the Rights of the Child) vom 20. November 1989 (Zustimmungsgesetz, BGBl 1992 II S. 121 - im Folgenden: UN-Kinderrechtskonvention). Die aktuelle Gesetzeslage, die nach überwiegender Auffassung der Rechtsprechung die Anordnung eines paritätischen Wechselmodells weder als Regelung des Umgangs noch des Aufenthaltsbestimmungsrechts zulasse, sei verfassungswidrig. Da das Elternrecht beiden Elternteilen gleichermaßen zustehe, bedürfe es einer gesetzlichen Regelung, die es den Gerichten ermögliche, ein Wechselmodell auch gegen den Willen eines Elternteils anzuordnen und damit rechtlich abzusichern, wenn dies dem Kindeswohl nicht widerspreche, hilfsweise ihm entspreche. Die Einschätzung des Oberlandesgerichts, wonach die paritätische Betreuung dem Kindeswohl nicht entspreche, verstoße außerdem gegen Art. 6 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 GG, da sie auf pauschalen, nicht tragfähigen Behauptungen beruhe und die Gerichte sich nicht mit seinem Vortrag auseinandergesetzt hätten, wonach selbst in hochstrittigen Elternkonflikten das Wechselmodell dem Kindeswohl besser entspreche als das Residenzmodell.

 

Das BVerfG:

Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur Entscheidung angenommen.

(…) Ob der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers überschritten und die Gesetzeslage damit verfassungswidrig wäre, wenn sie die gegen den Willen eines Elternteils getroffene Anordnung paritätischer Betreuung ausschlösse, bedarf hier ebenso wenig der Entscheidung wie die primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem Fachrecht eine solche Anordnung - sei es im Wege sorgerechtlicher Regelung, sei es als umgangsrechtliche Regelung - ausgeschlossen ist (vgl. etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 14; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17 ff.; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 17 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 14. März 2007 - 16 UF 13/07 -, juris, Rn. 17 ff.; Kinderrechtekommission des Deutschen Familiengerichtstags e. V., FamRZ 2014, S. 1157 [1163]; Coester, in: Staudinger, BGB (2009), § 1671, Rn. 23 und 261; Hennemann, in: Münchener Kommentar, BGB, 6. Aufl. 2012, § 1671, Rn. 91) oder nicht (vgl. etwa KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11 [jedoch nur im Ausnahmefall]; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 -, juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 37 ff.; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 49 ff.; Sünderhauf, Wechselmodell: Psychologie - Recht - Praxis, 2013, S. 376 ff.). Denn das Oberlandesgericht hat die Anordnung eines paritätischen Umgangsrechts auch aus verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Gründen des Kindeswohls abgelehnt, welche die Entscheidung eigenständig tragen.

Mangels Entscheidungserheblichkeit kann umgekehrt auch dahinstehen, ob die in den Ausführungen des Oberlandesgerichts anklingende Annahme zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils komme mit Blick auf das Elterngrundrecht des sorgeberechtigten Elternteils verfassungsrechtlich von vornherein nicht in Betracht.

(…)  Eine Verpflichtung des Gesetzgebers, bei fehlender Einigkeit der Eltern eine paritätische Betreuung als Regelfall der Zuordnung von Rechten und Pflichten getrennter Eltern vorzusehen, besteht auch nicht aufgrund völkerrechtskonformer Auslegung des Grundgesetzes im Lichte der UN-Kinderrechtskonvention, weil sich daraus eine solche Verpflichtung nicht ergibt. (…) Bei Sorgerechtsentscheidungen nach § 1671 BGB beziehungsweise Umgangsregelungen nach § 1684 BGB können Gründe des Kindeswohls einer paritätischen Betreuung entgegenstehen.

(…) Unabhängig davon, ob die in der angegriffenen Entscheidung anklingende Einschätzung des Oberlandesgerichts zutrifft, die Anordnung paritätischer Betreuung gegen den Willen eines Elternteils sei bereits von Verfassungs wegen ausgeschlossen, und ungeachtet der Frage, ob die Regelung der paritätischen Betreuung als Frage der elterlichen Sorge (so etwa OLG Saarbrücken, Beschluss vom 8. September 2014 - 6 UF 62/14 -, juris, Rn. 15; OLG Brandenburg, Beschluss vom 7. Juni 2012 - 15 UF 314/11 -, juris, Rn. 10, 17; KG, Beschluss vom 14. März 2013 - 13 UF 234/12 -, juris, Rn. 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. März 2011 - 8 UF 189/10 -, juris, Rn. 14 ff.) oder als Umgangsregelung (so etwa OLG Naumburg, Beschluss vom 26. September 2013 - 8 UF 146/13 -, juris, Rn. 14 f.; KG, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 18 UF 184/09 -, juris, Rn. 11; OLG Braunschweig, Beschluss vom 3. April 2014 - 3 UF 6/14 - juris, Rn. 17 ff.; AG Erfurt, Beschluss vom 1. Oktober 2014 - 36 F 1663/13 -, juris, Rn. 30, 35; AG Heidelberg, Beschluss vom 19. August 2014 - 31 F 15/14 -, juris, Rn. 50 ff.) einzuordnen ist, könnte über eine paritätische Betreuung des Kindes - die Möglichkeit dieser gesetzlichen Ausgestaltung unterstellt - nur nach der jeweiligen Lage des Einzelfalls unter Berücksichtigung des Kindeswohls und unter Beachtung der berechtigten Interessen der Eltern und des Kindes sachgerecht entschieden werden. (…) Dass die angegriffenen Entscheidungen diesen Maßstäben nicht genügen, ist nicht zu erkennen. Eine paritätische Betreuung entsprach - deren rechtliche Möglichkeit unterstellt - nach den insoweit überzeugenden Ausführungen des Oberlandesgerichts im vorliegenden Fall nicht dem Kindeswohl. Das Oberlandesgericht hat dies plausibel damit begründet, dass aufgrund anhaltender Spannungen ganz erhebliche Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den Eltern bestünden und es ihnen trotz zahlreicher Versuche der Fachkräfte und Gerichte auch zwei Jahre nach ihrer Trennung nicht gelungen sei, sich auf professionell begleitete Elterngespräche zu verständigen. Es hat sich hierbei auf seine eigenen Wahrnehmungen im Anhörungstermin, auf die Berichte des Jugendamts und des Verfahrensbeistands sowie den Inhalt der beigezogenen Sorgerechtsakten gestützt. Die erheblichen Differenzen zwischen den Eltern werden darüber hinaus durch die im Verfahren eingereichten Schriftsätze beider Elternteile belegt. Soweit der Beschwerdeführer dem Oberlandesgericht vorhält, es habe weder festgestellt, worin das vermeintliche Konfliktpotenzial der Eltern bestehe, noch habe es das zeitweilige "nahezu reibungslose" Funktionieren einer im März 2012 getroffenen Umgangsregelung bis zum Umgangsantrag der Mutter im November 2012 berücksichtigt, widerspricht dies den Feststellungen der beigezogenen Beschlüsse des Sorgerechtsverfahrens. Diese benennen diverse, die Ausübung des Umgangs betreffende Streitigkeiten während des vom Beschwerdeführer genannten Zeitraums, die in einem Fall sogar zu einem Polizeieinsatz und in einem anderen Fall dazu führten, dass das Kind aufgrund des gegenseitigen Misstrauens der Eltern wegen derselben Erkrankung unnötig ein zweites Mal in einer Klinik vorgestellt wurde. Dies zeigt eindrücklich, dass die Eltern nicht in der Lage sind, ihr Kind aus ihrem Konflikt herauszuhalten, sondern dass sie dieses aktiv in ihre Streitigkeiten einbeziehen. Vor diesem Hintergrund ist die vom Oberlandesgericht getroffene Prognose, wonach sich das bereits hohe Konfliktpotenzial der Eltern bei Praktizierung des Wechselmodells weiter steigern würde, nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat dies im Übrigen mit dem noch jungen Alter des Kindes und dem eigentlichen Bestreben des Vaters, das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind zu erlangen, begründet. Dass letzteres zu weiterem Konfliktstoff zwischen den Eltern führen würde, liegt auf der Hand. Gleiches gilt im Hinblick auf das Begehren des Vaters, das Kind während seiner Betreuungszeit in der Kindertagesstätte jederzeit zu sich nehmen zu dürfen. Denn damit zeigt er, dass er die von der Mutter getroffene Entscheidung, die Erziehungsangebote der Kindertagesstätte in dem von ihr gewünschten zeitlichen Umfang anzunehmen, nicht akzeptiert, was weiteres Konfliktpotenzial in sich birgt.

Da es der prognostischen Einschätzung des Fachgerichts als Tatsachengericht obliegt, ob eine paritätische Betreuung mit Blick auf das Kindeswohl in Betracht kommt oder nicht, und die vorliegend getroffene Prognose des Oberlandesgerichts keinerlei verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet, kam es auf die abstrakte Behauptung des Vaters, das Wechselmodell sei nach dem Stand der psychologischen Forschung selbst in hochstrittigen Elternkonflikten gegenüber dem Residenzmodell die dem Kindeswohl förderlichere Betreuungsalternative, nicht an.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

 

BVerfG, 24.06.2015 - 1 BvR 486/14

Räumliche Distanz als Herausforderung: Ungewöhnliches Umgangs-Modell

Lesenswert: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 05.11.2013 - Aktenzeichen 5 UF 27/13:

Ein Umgang von einer Woche jeden Monat kann auch gegen den Willen eines Elternteils dem Kindeswohl entsprechen.

Wechselmodell aus therapeutischer Sicht

Immer mehr Eltern möchten auch nach einer Trennung zu gleichen Teilen den Alltag und die Wochenenden mit ihren Kindern verleben und für sie gleichberechtigt verantwortlich sein. Als die scheinbar einfachste Lösung, um diesem Anspruch gerecht zu werden, wird häufig an den wochenweise Wechsel der Kinder zwischen den Eltern gedacht, das so genannte Wechselmodell.
Erfahrungen aus der Beratungspraxis zeigen, dass eine Umgangsregelung, welche die Möglichkeiten und Grenzen der beteiligten Eltern und Kinder präzise berücksichtigt und bereits vorhandene Alltagsrhythmen integriert, deutlich tragfähiger sein kann.

© FamThera Institut für Familientherapie und Systemische Beratung
Integriertes_Wechselmodell.pdf
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Stellungnahme der Kinderrechtekommission des Familiengerichtstages 2014

Deutscher Familiengerichtstag 2014
Stellungnahme "Das Wechselmodell im deutschen Familienrecht"
Wechselmodell_DFGT_2014.pdf
PDF-Dokument [319.8 KB]

2018: Auswertung von 60 internationalen Studien über Nachtrennungsfamilien

Familieneinkommen oder Konfliktniveau egal - das Wechselmodell tut allen Trennungskindern gut

Prof. Linda Nielsen hat mittlerweile 60 Studien rund um die Doppelresidenz ausgewertet. Ihr 2018 veröffentlichter Aufsatz darüber stützt die Annahme, dass die Doppelresidenz für Kinder ein geeigneteres Nachtrennungsmodell ist als das in Deutschland noch häufig gelebte „Alleinerziehenden-“ oder „Residenzmodell“.

 

Kurz zusammengefasst zeigten sich in Prof. Nielsens Auswertungen der 60 Studien folgende Ergebnisse:

In den veröffentlichten 60 englischsprachigen Studien fanden 34 Studien heraus, dass Kinder in der Doppelresidenz in allen untersuchten Punkten in Bezug auf Verhalten, emotionales, physisches und schulisches Wohlbefinden und die Beziehung zu Eltern und Großeltern besser abschnitten als Kinder im Residenzmodell. In weiteren 14 Studien hatten Kinder in der Doppelresidenz in einigen Punkten die gleichen Ergebnisse und in anderen bessere Ergebnisse verglichen mit Kindern im Residenzmodell. In 6 Studien konnten keine Unterschiede zwischen beiden Betreuungsmodellen festgestellt werden und in weiteren 6 Studien ergaben sich für Kinder in der Doppelresidenz in einem Merkmal schlechtere Ergebnisse als im Residenzmodell, aber gleiche oder bessere in den anderen Merkmalsausprägungen.

 

Besonders interessant war, wenn der Konflikt zwischen den Eltern betrachtet wurde: wird doch Streit zwischen den Eltern häufig als Grund benannt, der die Anordnung der Doppelresidenz kategorisch ausschließe. In den 19 Studien, welche sich auch mit dem Konflikt der Eltern beschäftigten, hatten Kinder, die in der Doppelresidenz lebten, in 9 Studien in allen untersuchten Merkmalen bessere Ergebnisse erzielt als Kinder in Einzelresidenz, gleiches oder bessere Ergebnisse in weiteren 5 Studien, gleiche Ergebnisse in 2 Studien und schlechtere Ergebnisse in einem Merkmal, aber gleiche oder bessere Ergebnisse in 3 Studien.

 

In der Zusammenfassung von Prof. Nielsen kommt dies sehr deutlich zum Ausdruck (Übersetzung durch Markus Witt, Sprecher doppelresidenz.org):

 

"Wie die in diesem Artikel zusammengefassten Studien zeigen, weist die Doppelresidenz (JPC - joint physical custody) bessere Ergebnisse als Einzelresidenz (SPC – sole physical custody) für Kinder auf, unabhängig von Familieneinkommen oder dem Konfliktniveau zwischen den Eltern. Das soll nicht heißen, dass Kinder nicht von einem Leben in Familien mit höherem Einkommen, niedrigerem Konflikt oder gut kooperierenden Eltern profitieren.

 

Was diese Studien aber aussagen ist, dass die besseren Ergebnisse für in Doppelresidenz lebende Kinder nicht auf ein höheres Familieneinkommen oder einen geringeren Konflikt zwischen deren Eltern zurückgeführt werden können.

 

Darüber hinaus zeigen alle 30 Studien, die die Beziehungen von Kindern zu ihren Eltern und anderen Verwandten untersuchten, bessere Ergebnisse für die Doppelresidenz-Kinder. Angesichts dessen gibt es eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Familieneinkommen und elterlicher Konflikt weniger eng mit dem Wohlergehen der Kinder verknüpft ist als die Qualität ihrer Beziehungen zu ihren Eltern, Stiefeltern und Großeltern.

 

Während Wissenschaftler die Faktoren weiter erforschen und die bessere Entwicklung von Kindern in Doppelresidenz-Familien erklären können ist bereits klar, dass die gemeinsame Elternschaft in Form der Doppelresidenz auf dem Vormarsch ist und Kinder von dieser neuen Familienform profitieren."

 

Der Aufsatz von Prof. Nielsen wurde 2018 im Journal of Child Custody unter dem Titel: „Joint versus sole physical custody: Outcomes for children independent of family income or parental conflict, Journal of Child Custody“ veröffentlicht.

 

Norwegische Studie 2017: Kindern mit zwei Zuhause geht es statistisch besser als Kindern in Ein-Eltern-Familien

Eine norwegische Studie, veröffentlicht Ende 2017, beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Jugendliche, die in ihrer Kindheit die Trennung ihrer Eltern erlebt haben, entwickeln. Dazu wurden 7.707 Jugendliche im Alter von 16 – 19 Jahren (Geburtsjahrgänge 1993 - 1995) im Jahr 2012 befragt und die Ergebnisse nach verschiedenen Faktoren ausgewertet. Die Daten stammen aus der Jugend @ hordaland Studie. Die Jugendlichen wurden in 6 Familienstrukturen klassifiziert.

 

Im Ergebnis konnte festgestellt werden, dass sich die Jugendlichen, welche in der Doppelresidenz aufgewachsen sind, nahezu gleich entwickelt haben wie Jugendliche, deren Eltern noch zusammen lebten. In einigen Bereichen entwickelten sich die Jugendlichen in der Doppelresidenz sogar besser als ihre Altersgenossen in zusammenlebenden Familien. Die Ergebnisse waren unabhängig vom Geschlecht und der Einkommenssituation feststellbar.

 

Im Gegensatz dazu wiesen Jugendliche, die mit nur einem Elternteil oder in Stieffamilien aufwuchsen, deutlich höhere Belastungs- und Stressindikatoren auf.

 

Zusammenfassend konnte festgestellt werden, das Jugendliche, die in Doppelresidenz bei beiden Eltern aufwachsen keine größeren Anpassungsprobleme haben als ihre Altersgenossen, deren Eltern nicht getrennt sind. Bemerkenswert an dieser Studie ist, dass die Jugendlichen hier neben den wissenschaftlichen Tests auch auf ihre eigenen Erfahrungen mit den verschiedenen Lebensmodellen zurückblicken konnten.

Dieses Projekt wurde von der norwegischen ExtraFoundation für Gesundheit und Rehabilitation ermöglicht.

 

Alternativen zum Wechselmodell

Mutters Haus - Vaters Haus

Wechselmodell und Alleinentscheidungsbefugnis

 

Auch beim gemeinsamen Sorgerecht ist gemäß § 1687 I 1 BGB eine gemeinsame Entscheidung der Eltern nur dann erforderlich, wenn es sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung handelt. Handelt es sich demgegenüber um ein alltägliches Problem, kann die Hauptbezugsperson dies allein entscheiden. Angelegenheiten des täglichen Lebens sind häufig vorkommende Situationen, die zwar eine sorgerechtliche Entscheidung der Eltern erfordern, deren Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes aber ohne Aufwand wieder abänderbar sind. Damit fallen beispielsweise die real im Vordergrund stehenden Fragen der Betreuung im Alltag in die Alleinentscheidungsbefugnis desjenigen Elternteils, bei dem das Kind rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Problem beim echten Wechselmodell: Keiner der Eltern kann für sich die Begriffe "Hauptbezugsperson" oder "gewöhnlicher Aufenthalt" allein in Anspruch nehmen. Die Folge: Jeder kann nur die Entscheidungen allein treffen, die nur seinen Alltag berühren. Alles, was auch den Alltag beim anderen Elternteil berühren würde, muss gemeinsam entschieden werden.

Wechselmodell und Einwohnermeldeamt / Wohnsitz

Zwar kann ein Wohnsitz gleichzeitig an mehreren Orten bestehen (§ 7 BGB), aber melderechtlich ist eine der Wohnungen laut § 12 MRRG die Hauptwohnung. Das neue Bundesmeldegesetz vom 01.11.2015 hat in § 22 Abs. 3 eine Abgrenzungshilfe: „In Zweifelsfällen ist die vorwiegend benutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen des Einwohners liegt“. Insoweit ist aber auch nicht vorgesehen, dass die Lebensbeziehungen eines Menschen an zwei Orten gleichwertig sein können.

 

Das BVerwG hatte im Urteil vom 30.09.2015 - 6 C 38.14 – Gelegenheit, sich mit der Doppelwohnsitzfrage zu befassen. Es ging um Kinder im Wechselmodell und um das Anliegen der Eltern, dass sie zwei gleichberechtigte Wohnsitze haben sollten. Das BVerwG sucht auch in solchen Fällen „angestrengt“ nach irgendeinem „Schwerpunkt der Lebensbeziehungen“:

 

Auch wenn die getrennt lebenden Eltern eines minderjährigen Kindes das Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell ausüben, ist im melderechtlichen Sinne die Wohnung nur eines der Elternteile die Hauptwohnung des Kindes. In Zweifelsfällen sei die überwiegend genutzte Wohnung dort, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt. Die Unterscheidung von Haupt- und Nebenwohnung nach diesen objektiven Kriterien diene dazu, einen eindeutigen Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit zahlreicher Behörden sowie für Rechte und Pflichten festzulegen, welche an die Wohnung einer Person gebunden sind. Die gebotene Unterscheidung zwischen Hauptwohnung und Nebenwohnung sei für den Vollzug des Meldegesetzes auch dann möglich, wenn die getrennt lebenden Eltern eines minderjährigen Kindes das Sorgerecht im paritätischen Wechselmodell ausüben. Zwar lasse sich dann regelmäßig nicht feststellen, welche Wohnung das minderjährige Kind überwiegend nutzt und wo der Schwerpunkt seiner Lebensbeziehungen liegt. In diesem Fall obliege es den sorgeberechtigten Eltern, gemeinsam eine ihrer Wohnungen als Hauptwohnung des Kindes zu bestimmen. Könnten sie sich nicht einigen, sei Hauptwohnung die Wohnung desjenigen Elternteils, dessen Wohnung bislang Hauptwohnung oder alleinige Wohnung des Minderjährigen war. Die Wohnung des anderen Elternteils sei als weitere Wohnung Nebenwohnung.

BVerwG, Urteil vom 30.09.2015 - 6 C 38.14 -

 

Anmerkung: Hier konnte das BVerwG den Fall willkürlich mit der Anknüpfung an den früheren Familienwohnsitz lösen – wäre aber hilflos gescheitert, wenn dieser aufgegeben worden wäre, beide Eltern sich neue Wohnungen gesucht hätten und die Kinder im wöchentlichen Wechsel nirgends fester verwurzelt wären als anderswo. Ich weiß nicht, ob die Richter dann gelost hätten – aber jedenfalls hätten sie sich der Aufgabe hingeben müssen, irgendwie die eine der Wohnungen für die Haupt- und die andere für die Nebenwohnung zu halten.

Wechselmodell und Kindes-Unterhalt

Bitte bis ganz unten lesen, denn hier stelle ich die Historie der BGH-Rechtsprechung 2007 - 2017 zum Unterhalt im Wechselmodell dar.

Das Unterhaltsrecht geht davon aus, dass das Kind einen Bedarf an Betreuung und Erziehung und zusätzlich einen Bedarf an Finanzmitteln hat. In der „intakten“ Familie steuern das beide Elternteile nach ihren Kräften bei. In der Trennungssituation fällt dieses normalerweise auseinander, und so hat der Gesetzgeber in § 1612a BGB festgelegt, dass die Betreuung und Naturalunterhalt durch den einen und die Unterhaltszahlung durch den anderen als gleichwertig gilt. Beim Wechselmodell fällt nun aber gerade diese klare Trennung der Betreuung und der Zahlungspflicht weg. § 1612a BGB gilt also nicht.

 

Der 2007er-Fall:

Von drei Kindern lebte ein Volljähriges überwiegend beim Vater, minderjährige Zwillinge mehr bei der Mutter. Man konnte ausrechnen, dass die Zwillinge zu 36 % vom Vater betreut wurden – also mehr, als bei den Umgangskontakten im „üblichen Umfang“. Er wollte eine Kürzung seiner Unterhaltspflicht für die Zwillinge nach der „Düsseldorfer Tabelle“ erreichen.

Die Entscheidung:

Nur wenn sich die Betreuungsanteile in etwa die Waage halten, komme eine Abweichung von der Pauschalierung der DT in Betracht. Dies sei hier bei einer errechneten Quote von 2/3 zu 1/3 noch nicht der Fall. Von daher verbleibt es nach dem BGH auch hier bei dem Grundsatz, dass der Elternteil, der in der Erziehung und Betreuung die Hauptverantwortung trägt, seiner Unterhaltspflicht durch die Gewährung von Naturalunterhalt nachkommt. Der andere Elternteil ist dann alleine barunterhaltspflichtig. Der Bedarf hierfür errechnet sich aus den Einkommens- und Vemögensverhältnissen dieses Elternteiles.

Wörtlich: „Diese Aufteilung von Bar- und Betreuungsunterhalt ist so lange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt, dieser mithin die Hauptverantwortung für ein Kind trägt. Das ist grundsätzlich auch dann der Fall, wenn sich ein Kind im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts bei einem Elternteil aufhält und sich die Ausgestaltung des Umgangs bereits einer Mitbetreuung annähert.“

BGH - Urteil vom 28. Februar 2007 – XII ZR 161/04

 

Der 2014er-Fall:

Die Eltern hatten in einem Ehevertrag bei Trennung vereinbart, dass die Tochter im Wechselmodell betreut werden solle. „Bezüglich der gemeinsamen Tochter vereinbaren die Parteien für die Zeit des Getrenntlebens und für die Zeit nach einer etwaigen Scheidung die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Diese soll nach dem sogenannten „Wechselmodell“ ausgeübt werden, bei dem die gemeinsame Tochter weiterhin wie bisher durch beide Elterneile in ungefähr gleichwertigem Umgang betreut wird.“
Eine Vereinbarung zum Kindesunterhalt enthält die Vereinbarung nicht.

 

Sie konkretisierten dies in der Praxis so, dass die Tochter sich jedes 2. Wochenende von Freitag bis Sonntag sowie unter der Woche an zwei Werktagen beim Vater aufhalte, jedoch ist der Rhythmus abhängig vom Schichtplan des Vaters, der Polizeibeamter ist. Die Mutter – Lehrerin – fängt alle Zeiten auf, an denen der Vater nicht kann. Beide verdienen etwa gleich viel. Jeder zahlt die Kosten, die in seinem Haushalt anfallen, die Mutter zahlt darüberhinaus Kleidung, sportliche Aktivitäten, Musikunterricht, Schulmaterialen, Krankenversicherung etc.

 

Die Mutter machte vollen Kindesunterhalt nach der Düsseldorfer Tabelle geltend.

 

Die Entscheidung:

OLG und BGH stellten fest, dass entgegen der Vereinbarung im Ehevertrag hier kein echtes Wechselmodell vorliege, sondern nur erweiterter Umgang, obwohl es rechnerisch 7 von 14 Tagen sind. Es sei keine gleichwertige Betreuung, da der Schwerpunkt der Alltagsgestaltung bei der Mutter liege und der Vater in der Praxis (wegen Schichtdienstes als Polizeibeamter) regelmäßig die Aufenthalte absage oder verkürze, so dass die Mutter einspringe. Außerdem habe die zeitliche Komponente nur Indizwirkung. Es komme auf die Hauptverantwortung an, die die Mutter trage, weil sie für das Organisatorische im Alltag des Kindes zuständig sei.

Also muss er im Prinzip - siehe die Entscheidung aus 2007 - vollen Unterhalt zahlen.

 

Jedoch sei im Einzelfall zu prüfen, ob er durch die Mehraufwendungen des erweiterten Umngangs (Ausstattung seiner Wohnung, Fahrtkosten) so belastet sei, dass eine Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle erfolgen müsse.Außerdem könne es sein, dass er während des Aufenthaltes bei sich Aufwendungen für das Kind tätige, die die Mutter echt entlasten und daher als "Bedarfsdeckung" anzurechnen wäre. Dabei darf es aber nicht um die Kosten gehen, die jeder Umgangsberechtigte sowieso durch die Umgangsausübung hat.

 

Der BGH verwies zur Ermittlung dieser konkreten Umstände an das OLG Frankfurt zurück.

 

BGH - Beschluss vom 12. März 2014 – XII ZR 234/13

vorher: OLG Frankfurt v. 06.03.2013 – 2 UF 394/12

Auf derselben Linie blieb der BGH im Urteil vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13, weil auch dort die Kinder an „nur“ sechs von 14 Tagen beim Vater waren.

 

Aus dem Urteil:

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die auf dem Residenzmodell beruhende und § 1606 Abs. 3 BGB tragende gesetzliche Beurteilung solange nicht in Frage zu stellen, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. Denn dann ist die Annahme gerechtfertigt, dass dieser Elternteil die Hauptverantwortung für das Kind trägt und dadurch den Betreuungsunterhalt leistet, während der andere Elternteil - auf der Grundlage nur seiner eigenen wirtschaftlichen Verhältnisse - zum Barunterhalt verpflichtet ist. Deshalb ändert sich an der aus dem Schwergewicht der Betreuung durch einen Elternteil folgenden Aufteilung zwischen Bar- und Betreuungsunterhalt nichts, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil seinerseits Betreuungs- und Versorgungsleistungen erbringt, selbst wenn dies im Rahmen eines über das übliche Maß hinaus wahrgenommenen Umgangsrechts erfolgt, dessen Ausgestaltung sich bereits einer Mitbetreuung annähert. Wenn und soweit der andere Elternteil gleichwohl die Hauptverantwortung für ein Kind trägt, muss es dabei bleiben, dass dieser Elternteil seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB durch die Pflege und Erziehung des Kindes erfüllt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 28; Senatsurteile vom 21. Dezember 2005 - XII ZR 126/03 - FamRZ 2006, 1015, 1017 und vom 28. Februar 2007 - XII ZR 161/04 - FamRZ 2007, 707 Rn. 16; aA Schürmann FamRZ 2014, 921; Sünderhauf NZFam 2014, 585).

Anders ist es nur zu beurteilen, wenn die Eltern sich in der Betreuung eines Kindes abwechseln, so dass jeder von ihnen etwa die Hälfte der Versorgungs- und Erziehungsaufgaben wahrnimmt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 29). Ob ein Elternteil die Hauptverantwortung für ein Kind trägt und damit seine Unterhaltspflicht im Sinne des § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB bereits durch Erziehung und Pflege erfüllt, ist eine Frage tatrichterlicher Würdigung. Dabei kommt der zeitlichen Komponente der von ihm übernommenen Betreuung zwar eine Indizwirkung zu, ohne dass sich allerdings die Beurteilung allein hierauf zu beschränken braucht (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 30 mwN).

Ergibt sich hingegen auch bei annähernd hälftiger Mitbetreuung ein deutliches Schwergewicht der Betreuungsverantwortung bei einem Elternteil, so ist von der regelmäßigen gesetzlichen Verteilung der Unterhaltsanteile nach § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB auszugehen. Der den anderen Elternteil infolge des erweiterten Umgangsrechts treffenden finanziellen Mehrbelastung kann dadurch Rechnung getragen werden, dass im Hinblick auf die von ihm getätigten Aufwendungen eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle erfolgt. Der Unterhalt kann zudem weitergehend gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt (Senatsbeschluss vom 12. März 2014 - XII ZB 234/13 - FamRZ 2014, 917 Rn. 37 f.).

(2) Dass das Oberlandesgericht im vorliegenden Fall ein Wechselmodell verneint hat, steht mit den aufgeführten Grundsätzen im Einklang.

Aufgrund der Betreuung der unterhaltsberechtigten Kinder durch den Antragsgegner an sechs von 14 Tagen hat das Oberlandesgericht übereinstimmend mit dem Amtsgericht den Schwerpunkt noch auf Seiten der Mutter gesehen. Es hat dabei maßgeblich auf die entsprechende Vereinbarung der Eltern abgestellt. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die von der Rechtsbeschwerde erhobene Rüge, der Antragsgegner habe durch detaillierte Berechnung dargelegt, dass sein Betreuungsanteil nicht bei 43%, sondern bei 46,67% liege, vermag einen Verfahrensfehler nicht aufzuzeigen. Denn das Oberlandesgericht ist insoweit übereinstimmend mit dem Amtsgericht davon ausgegangen, dass die vom Antragsgegner vorgetragenen Zeiten auf vorübergehenden Abweichungen beruhten, die sich etwa aus beruflich stärkerer Belastung eines Elternteils ergaben, und eine Orientierung an der von den Eltern getroffenen Vereinbarung, die bewusst nicht auf genau hälftige Anteile ausgerichtet gewesen sei, nicht in Frage stellen. Das hält sich im Rahmen zulässiger tatrichterlicher Würdigung und ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

(…)

c) Eine teilweise Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs hat das Oberlandesgericht zu Recht mangels konkreten Vorbringens des Antragsgegners verneint.

BGH-Urteil vom 5. November 2014 - XII ZB 599/13

Vorher: OLG Bremen, Entscheidung vom 17.05.2013 - 4 UF 9/13 -

Der BGH erklärt dann im Beschluss vom 20. 4. 2016 – XII ZB 45/15 - erneut, wie man im echten Wechselmodell korrekt rechnet:

 

Der BGH hat bereits mehrfach ausgeführt, dass bei einem strengen Wechselmodell beide Elternteile für den Barunterhaltsdarf des Kindes einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen. Hierzu können neben den Fahrtkosten insbesondere erhöhte Unterkunftskosten gehören, weil der im Tabellenbetrag enthaltene – und in einigen unterhaltsrechtlichen Leitlinien (z. B. Ziff. 21. 5. 2. der Süddeutschen Leitlinien) mit 20 % des Barunterhaltsanspruchs angesetzte – Anteil für die Deckung des Wohnbedarfs des Kindes möglicherweise nicht auskömmlich ist, um die Kosten für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern in den Wohnungen der beiden Elternteile vollständig abzubilden. Für den so ermittelten Bedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) haben die Eltern anteilig aufzukommen, wobei auf den Verteilungsmaßstab der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurückzugreifen ist. Weil zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Eltern beim Wechselmodell einen Teil des Unterhalts in Natur decken, findet ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern typischerweise nur in Form einer den Tabellenunterhalt nicht erreichenden Ausgleichszahlung statt.

Der BGH hat nochmal 2017 zusammengefasst, wie der Unterhalt im "echten Wechselmodell" funktioniert und berücksichtigt auch seine Kindergeld-Rechtsprechung. Das ist also derzeit die maßgebliche Vorgehensweise.

 

1. Im Fall des Wechselmodells haben grundsätzlich beide Elternteile für den Barunterhalt des Kindes einzustehen. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich nach dem beiderseitigen Einkommen der Eltern und umfasst außerdem die infolge des Wechselmodells entstehenden Mehrkosten (im Anschluss an Senatsbeschluss v.5.11.2014 – XII ZB 599/13)

2. Der dem Kind von einem Elternteil während dessen Betreuungszeiten im Wechselmodell geleistete Naturalunterhalt führt nicht dazu, dass ein Barunterhaltsanspruch nicht geltend gemacht werden kann. Der geleistete Naturalunterhalt ist vielmehr nur als (teilweise) Erfüllung des Unterhaltsanspruchs zu berücksichtigen.

3. Der Unterhaltsanspruch kann in zulässiger Weise vom Kind gegen den besser verdienenden Elternteil geltend gemacht werden. Dass er sich auf den Ausgleich der nach Abzug von den Eltern erbrachter Leistungen verbleibenden Unterhaltsspitze richtet, macht ihn nicht zu einem - nur zwischen den Eltern bestehenden - familienrechtlichen Ausgleichsanspruch.

4. Das Kindergeld ist auch im Fall des Wechselmodells zur Hälfte auf den Barbedarf des Kindes anzurechnen. Der auf die Betreuung entfallende Anteil ist zwischen den Eltern hälftig auszugleichen. Der Ausgleich kann in Form der Verrechnung mit dem Kindesunterhalt erfolgen (im Anschluss an Senatsbeschluss v. 20.4.2016 – XII ZB 45/15)

Bundesgerichtshof, Beschluss v. 11.1.2017 – XII ZB 565/15

Wenn Sie diese BGH-Entscheidungen zum Kindesunterhalt für Ihr Wechselmodell unpassend finden, können Sie sich abweichend individuell einigen. Mehr dazu finden Sie auf meiner Unterseite Wechselmodell und Unterhalt.

Zulässigkeit der Beschwerde der Eltern gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Geltendmachung von Kindesunterhalt im Rahmen eines Wechselmodells

 

Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Geltendmachung von Kindesunterhalt beim Wechselmodell ist mangels Beschwerdebefugnis nicht durch die Eltern angreifbar. Grundsätzlich steht den sorgeberechtigten Eltern gegen die Anordnung der Ergänzungspflegschaft ein eigenes Beschwerderecht zu, weil dadurch in ihr Sorgerecht eingegriffen wird (vgl. u.a.: OLG München FamRZ 2016,  1288 ; Meyer-Holz in: Keidel, 19. Auflage § 59 Rn. 70 m.w.N.). Allerdings steht dem Antragsgegner als Vater hier ohnehin nicht das Recht zu, die Kinder nach §  1629  Abs.  2  S. 2  BGB  zu vertreten. Die Eltern üben das paritätische Wechselmodell aus. In diesem Fall fehlt es aber verfahrensrechtlich an einer "Obhut" im Sinne von §  1629  Abs.  2  S. 2  BGB . Dies hat zur Folge, dass keiner der Eltern Kindesunterhaltsansprüche gegen den anderen geltend machen kann (vgl. u.a.: BGH FamRZ 2006,  1015 ; OLG Köln FamRZ 2015,  859 ; OLG Celle FamRZ 2015,  1210 ; Viefhues in: jurisPK, 8. Auflage Rn. 33f m.w.N.). Die Anordnung der Ergänzungspflegschaft zur Durchsetzung von Kindesunterhalt greift daher nicht in eine Rechtsposition des Antragsgegners ein.

OLG Hamm, Beschluss vom 07.06.2017 - Aktenzeichen 10 UF 68/17

 

Hinweis: Anders wäre es, wenn im Beschwerdeverfahren nachgewiesen werden könnte, dass es sich „nur“ um erweiterten Umgang handelt, nicht um ein echtes Wechselmodell, vgl. OLG Köln 10 UF 5/16 (nicht veröffentlicht)

Umgang und Wechselmodell: Berücksichtigung der Kosten bei den Kindesunterhaltsansprüchen (2012)

 

Die Ständige Fachkonferenz (SFK) 3 des Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) hatte sich in ihrer 16. Sitzung am 16.01.2012 sowie ihrer 17. Sitzung am 17.09.2012 mit der Berücksichtigung von Umgangskosten und den Kosten in den Fällen eines erweiterten Umgangs sowie beim Wechselmodell im Rahmen der Kindesunterhaltsberechnung befasst und folgende Gesamtstellungnahme erarbeitet.

Die SFK 3 ist der Auffassung, dass von einem echten Wechselmodell nur dann gesprochen werden kann, wenn die Eltern sich über alles geeinigt haben, auch über
die finanziellen Auswirkungen des Wechsel
SFK_3_Stellungnahme_Unterhalt_und_Umgang[...]
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BGH 2014: Außergewöhnlich viel Umgang ist doch unterhaltsrelevant

Wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil ein Umgangsrecht wahrnimmt, das weit über das übliche Maß hinausgeht, können die außergewöhnlich hohen Aufwendungen, die als reiner Mehraufwand für die Ausübung des erweiterten Umgangsrechts entstehen, dem Unterhaltsanspruch des Kindes nicht als bedarfsdeckend entgegengehalten werden (vor allem Fahrt- und Unterbringungskosten). Der Tatrichter kann die hohen Aufwendungen aber als Anlass dafür nehmen, den Barunterhaltsbedarf des Kindes um eine oder mehrere Einkommensgruppen der Düsseldorfer Tabelle herabzustufen.  

Der auf diesem Weg nach den Tabellensätzen der Düsseldorfer Tabelle ermittelte Unterhaltsbedarf kann (weitergehend) gemindert sein, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil dem Kind im Zuge seines erweiterten Umgangsrechts außerdem Leistungen erbringt, mit denen er den Unterhaltsbedarf des Kindes auf andere Weise als durch Zahlung einer Geldrente teilweise deckt.
BGH-Beschluss vom 12.3.2014 - XII ZB 234/13

Symposium 2015 zum Unterhaltsrecht bei Wechselmodell und erweitertem Umgang: viel diskutiert, kein Ergebnis

Am 4. Mai 2015 fand auf Einladung der Bundesregierung ein Symposium zum Unterhaltsrecht im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz statt.

Das Symposium behandelte die Frage, wie im Unterhaltsrecht auf eine wachsende Zahl von Fällen erweiterten Umgangs zu reagieren ist.

Nach §1606 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist bislang vorgesehen, dass „in der Regel“ ein Elternteil das Kind betreut, wogegen der andere Elternteil Bar-Unterhalt leistet. In der Praxis ist hingegen häufiger zu beobachten, dass beide Elternteile sich nach einer Trennung gemeinsam um die Kinder kümmern. Dies kann auch bis zum sogenannten „Wechselmodell“ gehen, bei dem beide Elternteile sich zu gleichen Anteilen die tatsächliche Sorge teilen.

Von Elternteilen, die den vollen Bar-Unterhalt entrichten und sich gleichzeitig intensiv um das Kind kümmern, wird diese gesetzliche Regelung oftmals als einseitig empfunden. In der Rechtsprechung wird dem bislang durch Modifizierungen bei der Unterhaltsberechnung Rechnung getragen. Vor diesem Hintergrund wird gefordert, dass die gesetzlichen Regelungen zum Kindesunterhalt diesem Wandel angepasst und flexibler gestaltet werden.

 

Auf dem Symposium diskutieren daher namhafte Vertreter aus dem Deutschen Bundestag, der Rechtsprechung, der Forschung und Lehre sowie aus den Verbänden über diese Herausforderung. Es wurde deutlich, dass auf die komplexen unterhaltsrechtlichen Fragen, die das gehäufte Auftreten von Fällen des erweiterten Umgangs oder des Wechselmodells aufwirft, keine schnellen gesetzgeberischen Antworten möglich sind. Vorrangig soll es in den weiteren Diskussionen deshalb darum gehen, in der Rechtsprechung und im Rahmen der „Düsseldorfer Tabelle“ den Fragen zu begegnen. Die im Gesetz aufgestellte Regel, dass ein Elternteil das Kind betreut, der andere Teil den Bar-Unterhalt bezahlt, ist weiterhin darauf zu überprüfen, ob sie den Regelfall in der Rechtspraxis korrekt abbildet. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass diese Diskussion fortzusetzen ist.

 

Die derzeitige unsichere Rechtslage bringt für die betroffenen Familien keinen Frieden. Manchmal wird um den Wohnsitz der Kinder gekämpft und um ein Quentchen mehr an Betreuungszeit, um Kindergeld und Kindesunterhalt für sich alleine beanspruchen zu können.

So unverständlich sich das anhört, aber in vielen Fällen ist der volle Kindesunterhalt für die weniger verdienenden Mütter unverzichtbarer Bestandteil ihrer Einnahmen, weil sie sich sonst keine Wohnung leisten können, in der das Kind ein eigenes Zimmer hat!

Wechselmodell und Ehegatten-Unterhalt

Die geschiedenen Eheleute haben einen fünfjährigen Sohn. Er lebt im wesentlichen bei der Mutter und geht in den Kindergarten. Der Vater ist schon im Vorruhestand.

Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Ehegattenunterhalt bietet der Vater an, dass das Kind wesentlich mehr Zeit mit ihm verbringen könne, damit die Mutter vollschichtig arbeiten kann.

Vor dem Amtsgericht verlor die Frau das Unterhaltsverfahren. Das OLG dreht die Entscheidung um und verurteilte den Mann zu Ehegattenunterhalt, weil die geschiedene Ehefrau angesichts des Betreuungsbedarfes des Kindes nicht Vollzeit arbeiten könne. Das wiederum hob der BGH auf.

Er verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Der BGH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung. Danach ist grundsätzlich auch der barunterhaltspflichtige Elternteil als Betreuungsperson in Betracht zu ziehen, wenn er dies ernsthaft und verlässlich anbietet.

BGH - Urteil vom 15.09.2010 - XII ZR 20/09

BGH 2016: Wechselmodell und Kindergeld

 

Kindergeld und Wechselmodell:

Die Viertellösung des BGH

Der Fall:

Die drei Kinder leben im Wechselmodell. Die Familienkasse zahlt das Kindergeld an die Mutter. Die Mutter hat davon einige Fixkosten getragen (Bekleidung, Schulutensilien, Mobilität und Versicherungen). Eine Unterhaltsregelung haben diese Eltern nicht getroffen. Beide haben Einkommen.

 

Grundlagen: Kindergeld als Steuervergütung

Das auf der Grundlage des Einkommensteuergesetzes gewährte staatliche Kindergeld wird als vorweggenommene Steuervergütung an die Eltern gezahlt. Anspruchsberechtigt ist immer nur ein Elternteil und zwar der, bei dem das Kind den Lebensmittelpunkt hat. Können die Eltern sich nicht einigen, z.B. beim Wechselmodell, trifft das Familiengericht eine für die Familienkasse bindende Entscheidung.  

 

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch

Der BGH hat einen sog. „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ kreiert, der nicht im Gesetz steht. Der Anspruch eines Elternteils auf Ausgleich des dem anderen Elternteil gezahlten Kindergelds ist ein Unterfall des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs. In Normalfällen wird dieser aber durch § 1612 b Abs. 1 BGB verdrängt.

 

Exkurs: Barunterhalt im Wechselmodell nach BGH

Der BGH hat bereits mehrfach ausgeführt, dass bei einem strengen Wechselmodell beide Elternteile für den Barunterhaltsdarf des Kindes einzustehen haben. Der Unterhaltsbedarf bemisst sich in diesem Fall nach den beiderseitigen zusammengerechneten Einkünften der Eltern und umfasst neben dem sich daraus ergebenden Regelbedarf insbesondere die nach den Umständen angemessenen Mehrkosten, die durch die Aufteilung der Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells entstehen. Hierzu können neben den Fahrtkosten insbesondere erhöhte Unterkunftskosten gehören, weil der im Tabellenbetrag enthaltene – und in einigen unterhaltsrechtlichen Leitlinien (z. B. Ziff. 21. 5. 2. der Süddeutschen Leitlinien) mit 20 % des Barunterhaltsanspruchs angesetzte – Anteil für die Deckung des Wohnbedarfs des Kindes möglicherweise nicht auskömmlich ist, um die Kosten für die Vorhaltung von zwei eingerichteten Kinderzimmern in den Wohnungen der beiden Elternteile vollständig abzubilden. Für den so ermittelten Bedarf (Regelbedarf und etwaiger Mehrbedarf) haben die Eltern anteilig aufzukommen, wobei auf den Verteilungsmaßstab der Einkommens- und Vermögensverhältnisse (§ 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB) zurückzugreifen ist. Weil zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass die Eltern beim Wechselmodell einen Teil des Unterhalts in Natur decken, findet ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich zwischen den Eltern typischerweise nur in Form einer den Tabellenunterhalt nicht erreichenden Ausgleichszahlung statt.

 

Das Kindergeld im Wechselmodell

Umstritten ist beim Vorliegen eines Wechselmodells die Aufteilung des gesetzlichen Kindergelds zwischen den Elternteilen. Der BGH hat zwischen den verschiedenen Auffassungen wie folgt entschieden:

Nach § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Hälfte zur Deckung seines Barbedarfs zu verwenden, wenn ein Elternteil im Sinne von § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB seine Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt. In allen anderen Fällen erfolgt die Anrechnung des Kindergelds gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB in voller Höhe auf den Barbedarf. Die Anrechnungsregel des § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB ist auf Fälle getrennt lebender Eltern zugeschnitten, in denen (nur) einer der beiden Elternteile das minderjährige Kind betreut, während der andere zur Zahlung des Barunterhalts verpflichtet ist. Mit der Auffangvorschrift des § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB wollte der Gesetzgeber ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs hingegen solche Fälle in den Blick nehmen, in denen das Kind entweder wegen Volljährigkeit einer Betreuung nicht mehr bedarf oder die Betreuung eines minderjährigen Kindes (etwa bei Fremdunterbringung) nicht wenigstens durch einen der beiden Elternteile erfolgt und deshalb von ihnen nur Barunterhalt zu leisten ist.

Keine dieser beiden Konstellationen, die der Gesetzgeber den beiden Anrechnungsregeln des § 1612 b Abs. 1 BGB zugrunde gelegt hat, liegt bei einem Wechselmodell vor. Indessen beruht die gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB vorgesehene Halbanrechnung des Kindergelds auf der grundlegenden gesetzgeberischen Erwägung, dass betreuende Elternteile mit der anderen Hälfte des Kindergelds bei der Erbringung ihrer Betreuungsleistungen unterstützt werden sollen. Dieser Zweck wird, was letztlich auch das Beschwerdegericht nicht anders sieht, bei der gleichwertigen Betreuung des Kindes durch beide Elternteile im Rahmen eines Wechselmodells nicht verfehlt. Eine Vollanrechnung des gesetzlichen Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf würde zudem dazu führen, dass der Kindergeldausgleich im Hinblick auf die im Wechselmodell gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen zu Gunsten des besserverdienenden Elternteils verzerrt würde.

Die Anrechnung des staatlichen Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach Maßgabe des § 1612b Abs. 1 BGB ist auch bei beiderseitiger Barunterhaltspflicht im Wechselmodell zwingend. Wie sich bereits aus seinem Wortlaut ergibt ("in allen anderen Fällen"), liegt dem Gesetz die Konzeption zugrunde, dass das gezahlte Kindergeld stets – je nach Sachverhaltsgestaltung entweder zur Hälfte oder vollständig – zweckgebunden als Einkommen des Kindes zu behandeln ist und deshalb ein bedarfsmindernder Vorwegabzug des Kindergelds vom Barunterhalt stattzufinden hat. Eine Kindergeldverteilung, die sich – wie die vom Beschwerdegericht für richtig befundene einkommensunabhängige Halbteilung zwischen den Elternteilen – von jeder Anrechnung des Kindergelds auf den Barunterhaltsbedarf des Kindes löst, lässt sich mit dem Gesetz insoweit nicht in Einklang bringen.

Etwas anderes kann auch nicht aus § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB hergeleitet werden. (…)

 

Die hälftige Anrechnung des Kindergelds auf den Barbedarf des Kindes nach § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB hat beim Wechselmodell zur notwendigen Folge, dass der besser verdienende Elternteil durch das Kindergeld in einem größerem Umfang entlastet wird. Ist der schlechter verdienende Elternteil unterhaltsrechtlich nicht leistungsfähig, kommt der auf den Barunterhalt entfallende Anteil des Kindergelds infolge der Anrechnung allein dem leistungsfähigen Elternteil zu Gute. Dem kann auch nicht ohne weiteres entgegengehalten werden, dass beim Wechselmodell auch der leistungsunfähige Elternteil – worauf das Beschwerdegericht hingewiesen hat – in der Zeit, in der sich das Kind in seinem Haushalt aufhält, jedenfalls durch Wohnungsgewährung und Verpflegung Naturalunterhaltsleistungen erbringt. Denn Wohnungsgewährung und Verpflegung, die dem Kind beim Wechselmodell durch einen Elternteil erbracht werden, erfassen nur einen (relativ) geringen Teil des – im Übrigen allein vom leistungsfähigen Elternteil aufzubringenden – sächlichen Gesamtbedarfs des Kindes. Es erscheint deshalb ebenfalls nicht angemessen, den in einem deutlich größeren Umfang zum Barunterhalt herangezogenen Elternteil wirtschaftlich lediglich durch die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld zu entlasten. Die sich daraus ergebenden Wertungskonflikte hat das Gesetz durch die Anrechnungsregel des § 1612b Abs. 1 Nr. 1 BGB zugunsten des Elternteils aufgelöst, der sich aufgrund seines höheren Einkommens in größerem Umfang am Barunterhalt für das Kind beteiligen muss.

Verlangt der nicht kindergeldbezugsberechtigte Elternteil insoweit die Hälfte des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils, ist es grundsätzlich seine Sache, die Haftungsanteile der Eltern am Barunterhalt darzulegen und zu beweisen. Eine solche Darlegung wird zudem in der Regel einen gesonderten Kindergeldausgleich entbehrlich machen, weil dann eine Gesamtabrechnung über den unterhaltsrechtlichen Ausgleich zwischen den Eltern unter An- und Verrechnung des an einen Elternteil gezahlten Kindergelds möglich ist. Ein Anspruch auf hälftige Auskehrung des auf den Barunterhalt entfallenden Kindergeldanteils wird beim Wechselmodell auch dann in Betracht kommen, wenn beide Elternteile nicht leistungsfähig sind.

Anders verhält es sich mit dem auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteil am Kindergeld. Dieser steht den Elternteilen beim Wechselmodell aufgrund der von ihren gleichwertig erbrachten Betreuungsleistungen hälftig zu.

 

Ergebnis:

Der Vater konnte die Auskehrung eines Viertels des Kindergelds – nämlich die Hälfte des auf den Betreuungsunterhalt entfallenden Anteils am Kindergeld – verlangen.

Der familienrechtliche Ausgleichsanspruch unterliegt jedoch für die Vergangenheit der Schranke des § 1613 Abs. 1 BGB, so dass dies rückwirkend erst ab Inverzugsetzung gilt.

Ihre Fixkosten konnte die Mutter nicht gegenrechnen, weil völlig unklar war, in welcher Höhe sie dies sowieso als Unterhalt hätte tragen müssen.

BGH, Beschluss vom 20. 4. 2016 – XII ZB 45/15

BVerfG 2012: kein Unterhaltsvorschuss vom Jugendamt im Wechselmodell

Im vom BVerwG entschiedenen Fall lebten die beiden Kinder nur kurz – drei Monate – im Wechselmodell. In dieser Zeit bekam der Vater UVG-Leistungen (Unterhaltsvorschuss). Er hatte angegeben, die Kinder würden bei ihm leben und die Mutter besuchen. Das Jugendamt forderte die UVG-Leistungen voll zurück, als es vom Wechselmodell erfuhr – mit Recht, so das BVerwG:

 

„Durch das UVG wollte der Gesetzgeber den Schwierigkeiten begegnen, die alleinstehende Elternteile und ihre Kinder haben, wenn sich ein Elternteil den Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem unterhaltsberechtigten Kind entzieht, hierzu ganz oder teilweise nicht in der Lage ist oder ein Elternteil verstorben ist (BT-Drs. 8/1952, S 1). (…)

Ein Kind lebt i.S.d. §1 Abs.1 Nr. 2 UVG bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Dem Sinn und Zweck des UVG entsprechend ist das Merkmal nur dann erfüllt, wenn der alleinstehende leibliche Elternteil wegen des Ausfalls des anderen Elternteils die doppelte Belastung mit Erziehung und Unterhalts-gewährung in seiner Person zu tragen hat. Abgrenzungsprobleme entstehen, wenn das Kind – wie hier die Kinder des Klägers – regelmäßig einen Teil des Monats auch bei dem anderen Elternteil verbringt. Für die Beantwortung der Frage, ob das Kind in derartigen Fällen nur bei einem seiner Elternteile lebt, ist, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat, entscheidend auf die persönliche Betreuung und Versorgung, die das Kind bei dem anderen Elternteil erfährt, und die damit einhergehende Entlastung des alleinerziehenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes abzuheben. Trägt der den Unterhaltsvorschuss beantragende Elternteil trotz der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes, weil der Schwerpunkt der Betreuung und Fürsorge des Kindes ganz überwiegend bei ihm liegt, so erfordert es die Zielrichtung des UVG, das Merkmal „bei einem seiner Elternteile lebt“ als erfüllt anzusehen und Leistungen nach dem UVG zu gewähren.

Wird das Kind hingegen weiterhin auch durch den anderen Elternteil in einer Weise betreut, die eine wesentliche Entlastung des den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteils bei der Pflege und Erziehung des Kindes zur Folge hat, ist das Merkmal zu verneinen.“

 

BVerwG Urteil vom 11.10.2012 – BVerwG 5 C 20.11Formularbeginn

BVerfG 2014: 2x Beamten-Familienzuschlag im Wechselmodell

Bei geschiedenen Beamten, deren Kind bei beiden Elternteilen zu gleichen Anteilen im wöchentlichen Wechsel wohnt, kann der jeweils entstehende Mehrbedarf die Gewährung des vollen kinderbezogenen Familienzuschlags rechtfertigen.

BVerwG 27.3.2014 - 2 C 2.13

 

Bitte beachten Sie: das Besoldungsrecht ist Ländersache. Die Länder können sich eigene Landesbesoldungsgesetze geben.

Wechselmodell und Hartz IV - Alleinerziehenden-Mehrbedarf?

Der Fall: Die Mutter war Hartz-IV-Bezieherin, lebte mit ihrem Kind getrennt von dessen Vater und bekam als Alleinerziehende den Mehrbedarf nach § 23 Absatz 3 SGB II. Sodann traf sie mit dem Vater des Kindes eine Elternvereinbarung, aufgrund der das Kind im wöchentlichen Wechsel zwischen den beiden Haushalten pendelte. Ihr wurde der Alleinerziehenden-Freibetrag gestrichen. Sie klagte dagegen mit dem Antrag, dass ihr der Mehrbedarf zumindest zur Hälfte zustehe. Das Bundessozialgericht gab ihr Recht.

Die Entscheidung:
Das Bundessozialgericht führte zum Zweck des Mehrbedarfs aus:
Alleinerziehende haben wegen der Sorge für ihre Kinder weniger Zeit, preisbewusst einzukaufen und müssen zugleich höhere Aufwendungen zur Kontaktpflege und zur Unterrichtung in Erziehungsfragen tragen. Alleinerziehende mit noch nicht schulpflichtigen Kindern sind zudem weniger mobil, müssen die nächstgelegen Einkaufsmöglichkeit nutzen und haben ein höheres Informations- und Kontaktbedürfnis.
Zweck des Mehrbedarfs ist es deshalb, den höheren Aufwand des allein erziehenden Elternteils für die Versorgung und Pflege beziehungsweise Erziehung der Kinder etwa wegen geringer Beweglichkeit und zusätzlichen Aufwendungen für Kontaktpflege oder Inanspruchnahme von Dienstleistungen Dritter in pauschalierter Form auszugleichen.
Im vorliegenden Fall des wöchentlichen Betreuungswechsels tritt nach Ansicht des Bundessozialgerichts in derjenigen Woche, in der sich das Kind der klagenden Mutter bei dem Vater aufhält, keine finanzielle oder sonst wie geartete Entlastung in einem Umfang ein, dass die Zuerkennung eines Mehrbedarfs nicht gerechtfertigt wäre. Während des jeweils eine Woche umfassenden Zeitraums der Betreuung des Kindes durch die Mutter sorgt diese allein für seine Pflege und Erziehung. Ihr entstehen während dieses Zeitraums infolge der Sorge für das Kind die dem pauschalierten Mehrbedarf zugrunde liegenden erhöhten Aufwendungen Eine finanzielle Entlastung tritt insoweit nicht ein, weil sich die Eltern die Kosten nach der getroffenen Vereinbarung in etwa hälftig teilen. In der Betreuungswoche wirkt sich die fehlende Arbeitsteilung mit einem Partner nach wie vor erheblich aus. Die erhöhten Aufwendungen, zum Beispiel für kostenaufwändigere Einkäufe und die Kosten der Kinderbetreuung zur Aufrechterhaltung der Außenkontakte, lassen sich in Fällen wie dem vorliegenden, in denen sich das Kind mindestens eine Woche bei dem einen, die andere Woche bei dem anderen Elternteil aufhält, nicht außerhalb der Betreuungszeit im erforderlichen Umfang kompensieren.
Daher hält es das Bundessozialgericht für geboten, in Fällen der vorliegenden Art den Mehrbedarf zur Hälfte anzuerkennen. Denn es könne nicht außer Acht gelassen werden, dass die klagende Mutter durch das Wechselmodell während des anderen Zeitraums, in dem der andere Elternteil für die Pflege und Erziehung des Kindes sorgt, keinen erhöhten Aufwendungen ausgesetzt sei.
Das Bundessozialgericht weist daraufhin, dass die vorstehenden Überlegungen nach seiner Ansicht nicht auf Fälle zu übertragen sind, bei denen tatsächlich ein abweichender Anteil an Betreuungsleistungen praktiziert wird. Ist ein Elternteil in geringerem als hälftigem zeitlichen Umfang für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig, so steht der Mehrbedarf allein dem anderen Elternteil zu. Die Zuerkennung des hälftigen Mehrbedarfs erscheint dem Bundessozialgericht aufgrund seiner Überlegungen auch nicht gerechtfertigt, wenn sich die Betreuung in kürzeren als wöchentlichen Intervallen vollzieht.

Die Bedeutung für andere Fälle:

Die Entscheidung hat nicht zwingend für alle Formen von Wechselmodellen Bedeutung. Entschieden wurde nur der Fall, in dem das Kind immer mindestens eine Woche am Stück bei einem lebt. Sind die Intervalle des Wechselns kürzer, lebt das Kind beispielsweise von Montag bis Donnerstagmittag bei der Mutter und von Donnerstagmittag bis Sonntag beim Vater, bekommen die Eltern den Mehrbedarf vielleicht nicht. Voraussetzung ist immer, dass sich die Eltern die Betreuung des Kindes und die Kosten in etwa gleichmäßig teilen. Wenn ein Elternteil weniger als die Hälfte der Zeit für die Pflege und Betreuung des Kindes zuständig ist, steht der Mehrbedarf nach Ansicht des Bundessozialgerichts allein dem anderen Elternteil zu.

Bundessozialgericht - Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 50/07

Umgang und Hartz IV: temporäre Bedarfsgemeinschaft?

Sozialgericht Dresden: Kürzung des Sozialgeldes in temporärer Bedarfsgemeinschaft

Einem Kind, das sich mehr als zwölf Stunden lang nicht im Haushalt der Mutter aufgehalten hat, um Umgang mit seinem Vater zu haben, sollte Hartz IV gekürzt werden, das ergebe sich aus der vom Bundessozialgericht entwickelten Konstruktion der temporären Bedarfsgemeinschaft. Das sah das Sozialgericht Dresden anders, ließ aber die Berufung zu, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Soweit ersichtlich liegt noch keine höchstrichterliche Entscheidung dazu vor, ob die Rechtsfigur der zeitweisen Bedarfsgemeinschaft zu einer Kürzung des Sozialgeldes des Kindes als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dem Elternteil, der das Umgangsrecht gewährt, führen kann. Az S 20 AS 5508/10, Urteil vom 26.3.2012


Wechselmodell und Schülerfahrtkosten

Das „Wechselmodell“ stößt in der rechtlichen Praxis immer wieder an Grenzen. Zum Beispiel bei den Schüler-Fahrtkosten. Selbst wenn ein Schüler wochenweise seinen Lebensmittelpunkt bei Mutter und Vater wechselt, bekommt er die Schülerfahrkarte nur für den Hauptwohnsitz (melderechtlich) erstattet.


Der Fall: Die Mutter wohnt nah am Gymnasium, der Vater weiter weg. Mit Hauptwohnsitz gemeldet war der Gymnasiast bei der Mutter, obgleich er wöchentlich pendelte. Das Einwohnermelderecht sieht keine zwei gleichberechtigten Hauptwohnsitze vor. Das Verwaltungsgericht traf die Entscheidung, die Stadt müsse die Hälfte der Fahrtkosten übernehmen.

Das Urteil: Das OVG Rheinland-Pfalz in Koblenz hat das Urteil jedoch abgeändert und die Klage abgewiesen. Für die Länge des Schulwegs sei allein die Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne maßgebend, so dass eine anteilige Fahrkostenerstattung auch dann ausscheide, wenn ein Schüler tatsächlich gleichermaßen bei beiden Elternteilen wohne. Schon aus dem Wortlaut der einschlägigen Bestimmungen des Landesschulgesetzes ergebe sich, dass für die Übernahme der Schülerfahrkosten nur eine Wohnung zu berücksichtigen sei. Hierbei könne es sich nach Sinn und Zweck der Vorschriften nur um die Hauptwohnung im melderechtlichen Sinne handeln. Unnötiger Verwaltungsaufwand werde durch die Anlehnung an das Melderecht vermieden.

Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17. Juni 2011, Aktenzeichen: 2 A 10395/11

 

PS: Die Stadt Aachen pflegt offenbar - ein Fall ist mir bekannt - die freundliche Praxis, beim Wechselmodell auch dann ihren vollen Beitrag zum School-and-Fun-Ticket der Aseag zu leisten, wenn ein Elternteil "zu nah" an der Schule wohnt und das Kind ausgerechnet dort gemeldet ist. Das ist sinnvoll, da es kein Ticket gibt, das nur die Teile eines Monats gilt, die das Kind sich beim weiter entfernt Wohnenden aufhält.

Auf dem 72. Deutschen Juristentag wurde auf der Grundlage des Gutachtens von Prof. Dr. Eva Schumann, Universität Göttingen, in der Abteilung Familienrecht über Reformbedarf im Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht diskutiert. Im Mittelpunkt der Diskussion standen geänderte Betreuungsformen, die sich im Gesetz wiederfinden sollten. Ein paritätisches Wechselmodell als Leitbild wurde abgelehnt, man einigte sich auf den Begriff "geteilte Betreuung". Die neue Aufteilung wird sich auch auf die Berechnung der Unterhaltszahlungen auswirken. Besonderes Gewicht wurde dem Kindeswohl und dem Kindeswillen beigemessen. Über die überarbeiteten Thesen (ab S. 13) wurde abgestimmt. Die daraus resultierenden Beschlüsse können Sie im Internet nachlesen. (ab Seite 9).

Grenzüberschreitendes Wechselmodell - VG Aachen verpflichtet das Land NRW dazu, eine Ausnahmegenehmigung zum Besuch einer Schule in den Niederlanden zu erteilen

 

Der Fall: Bis zur Scheidung ihrer Eltern hat die 12jährige ununterbrochen in den Niederlanden gelebt und dort die achtjährige Basisschool nahezu durchlaufen. Seit der Trennung der Eltern lebt sie wöchentlich von mittwochs bis freitags und alle zwei Wochen zusätzlich von freitags bis montags bei ihrem Vater in den Niederlanden.

Gemeldet ist sie bei der Mutter in Deutschland. International gibt es nicht die Möglichkeit eines zweiten Wohnsitzes in den Niederlanden.

Das Problem: Nach dem nordrhein-westfälischen Schulgesetz ist die Schulpflicht durch den Besuch einer deutschen Schule zu erfüllen.

Die Entscheidung: Hier liege aber ein wichtiger Grund für eine Ausnahme vor. Die Schülerin besitze neben der deutschen auch die niederländische Staatsangehörigkeit. Ihr Vater sei Niederländer.

Von Bedeutung sei auch die „Gemeinsame Erklärung zur gegenseitigen Anerkennung von schulischen Bildungsabschlüssen und Berechtigungen zwischen dem Königreich der Niederlande und dem Land NRW“. Darin werde das außerordentliche Interesse beider Seiten betont, in einem zusammenwachsenden Europa die Mobilität von Schülern und deren Familien durch eine Vereinfachung der Anerkennung schulischer Bildungsabschlüsse und eine Erleichterung des Wechsels zwischen den unterschiedlichen Schulsystemen zu fördern. Das niederländische Havo-Diplom, das die Schülerin anstrebe, entspreche der deutschen Fachhochschulreife.

Quelle: (VG Aachen 19.5.15, 9 K 2036/14) - Pressemitteilung des VG Aachen vom 3.6.15

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Aktualisiert zuletzt am

7.1.2019

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