Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Erwerbsbemühungen / Erwerbsobliegenheit

beim Kindesunterhalt und Ehegattenunterhalt

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Wer eine "Erwerbsobliegenheit" hat, aber keine Arbeit, der muss sich Arbeit suchen - und zwar mit demselben zeitlichen Aufwand, wie er arbeiten müsste (d.h. z.B. 35 Stunden wöchentlich mit der Suche verbringen und das dokumentieren). Wer den Richter nicht überzeugen kann, dass seine Erwerbslosigkeit nicht an ihm liegt, dem kann - egal ob Pflichtiger oder Bedürftiger - ein Einkommen unterstellt werden, das sog. fiktive Einkommen. Wer den Richter mit dem Satz abspeisen will "Ich bin beim Arbeitsamt gemeldet und frage da regelmäßig nach", der wird vom Richter hören, dass man beim Arbeitsamt keine Arbeit findet.

BGH zur Darlegungs- und Beweislast beim Ehegattenunterhalt

Der unterhaltsberechtigte Ehegatte trägt im Rahmen des Unterhaltsanspruchs wegen Erwerbslosigkeit die Darlegungs- und Beweislast nicht nur dafür, dass er keine reale Chance auf eine Vollzeitarbeitsstelle hat, sondern auch dafür, dass dies in gleicher Weise für eine geringfügige Beschäftigung (sog. Mini-Job) und auch für eine Erwerbstätigkeit im Rahmen der Gleitzone nach § 20 Abs. 2 SGB IV (sog. Midi-Job) zutrifft.
BGH, Urteil vom 18.1.2012, Az XII ZR 178/09

BGH zur realen Beschäftigungschance

 a) Für die Feststellung, dass für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance bestehe, sind insbesondere im Bereich der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB strenge Maßstäbe anzulegen.

b) Dass der Unterhaltspflichtige aus dem Ausland stammt und über keine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt, rechtfertigt allein noch nicht die Schlussfolgerung, dass für ihn keine reale Beschäftigungschance im Hinblick auf eine sozialversicherungspflichtige Vollzeitstelle bestehe.

BGH, Beschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12

 

Der Antragsgegner ist türkischer Staatsangehöriger kurdischer Herkunft. Er ist im Jahr 2001 nach Deutschland gekommen. Er verfügt über einen Realschulabschluss, aber keine abgeschlossene Berufsausbildung. Es geht um Unterhalt für sein minderjähriges Kind.


Aus dem Urteil: „Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter wird auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz dahin gebildet werden können, dass sie nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Dies gilt auch für ungelernte Kräfte oder für Ausländer mit eingeschränkten deutschen Sprachkenntnissen. Auch die bisherige Tätigkeit des Unterhaltsschuldners etwa im Rahmen von Zeitarbeitsverhältnissen ist noch kein hinreichendes Indiz dafür, dass es ihm nicht gelingen kann, eine besser bezahlte Stelle zu finden. Das gilt auch dann, wenn der Unterhaltspflichtige überwiegend im Rahmen von geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB IV gearbeitet hat. Zu den insbesondere im Rahmen von § 1603 Abs. 2 BGB zu stellenden Anforderungen gehört es schließlich auch, dass der Unterhaltspflichtige sich um eine Verbesserung seiner deutschen Sprachkenntnisse bemüht. Mangels eines entsprechenden Erfahrungssatzes erscheint es vielmehr nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner eine Vollzeitstelle erlangen kann. Auch die bisherige Tätigkeit in geringfügiger Beschäftigung steht dem nicht entgegen. Etwa unzureichende Sprachkenntnisse können den Antragsgegner nicht mehr ohne weiteres entlasten, nachdem seine Unterhaltspflicht mit der Geburt des Antragstellers bereits 2004 einsetzte. Dass der Antragsgegner, wie es in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt ist, bemüht ist, sich fortzubilden und eine Ausbildung zu absolvieren, um seinem Kind in der Zukunft einmal Unterhalt zahlen zu können, genügt schließlich nicht.“

 

 

"Der Beweis, dass für den Antragsgegner keine reale Erwerbsmöglichkeit für eine Vollzeittätigkeit bestehe, wird unter den Umständen des vorliegenden Falls mangels gegenteiliger Erfahrungssätze nur durch den Nachweis zu führen sein, dass der Antragsgegner sich hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat. Hierzu reicht es nicht aus, dass der Antragsgegner sich auf die ihm vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote beworben hat. Dass der Antragsgegner ein höheres Einkommen als das vom Oberlandesgericht angenommene (7,30 € pro Stunde) erzielen kann, ergibt sich schon aus seiner Beschwerdebegründung, nach welcher er bereits 2010/2011 in einem befristeten Vollzeitarbeitsverhältnis bei einem Zeitarbeitsunternehmen stand, aus dem er einen Stundenlohn von 7,60 € erzielte.


Sollte dem Antragsgegner der entsprechende Nachweis nicht gelingen, so wird bei einem für den Mindestunterhalt (auch im Hinblick auf das 2008 geborene weitere Kind des Antragsgegners) weiterhin unzureichenden Einkommen zu prüfen sein, ob und inwiefern dem Antragsgegner eine zusätzliche Nebentätigkeit zumutbar ist. Auch wenn der Unterhalt aufgrund eines wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit lediglich fiktiven Einkommens festzusetzen ist, trifft den Antragsgegner eine Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit im selben Umfang wie einen seine Erwerbsobliegenheit erfüllenden Unterhaltsschuldner."

Bewerbungsbemühungen einer 53jährigen Hausfrau

Der BGH hatte sich mit einer typischen Ehekonstellation zu befassen: Bei Scheidung war die Frau 53 Jahre alt und war in der Ehe über 25 Jahre lang nicht erwerbstätig gewesen. Das OLG Koblenz hatte einen nachehelichen Unterhaltsanspruch verneint, weil sie keine ausreichende Anzahl Bewerbungen vorgelegt hatte. Es hatte die Bemühungen um eine Arbeitsstelle als nicht ausreichend betrachtet. Der BGH hob die Entscheidung auf.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist Voraussetzung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB, dass sich der Ehegatte unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel nachhaltig bemüht haben muss, eine angemessene Tätigkeit zu finden, wozu die bloße Meldung beim Arbeitsamt nicht genügt. Er trägt im Verfahren zudem die uneingeschränkte Darlegungs- und Beweislast für seine Bemühungen und muss in nachprüfbarer Weise vortragen, welche Schritte in welchem zeitlichen Abstand er im Einzelnen in dieser Richtung unternommen hat. Die Beweiserleichterung nach § 287 Abs. 2 ZPO kommt ihm nicht zugute.

Aber: Die Anzahl der zum Unterhalt wegen Erwerbslosigkeit vom Anspruchsteller vorgetragenen Bewerbungen ist nur ein Indiz für seine dem Grundsatz der Eigenverantwortung entsprechenden Arbeitsbemühungen, nicht aber deren alleiniges Merkmal. Für ausreichende Erwerbsbemühungen kommt es vielmehr wie für das Bestehen einer realistischen Erwerbschance vorwiegend auf die individuellen Verhältnisse und die Erwerbsbiografie des Anspruchstellers an, die vom Familiengericht aufgrund des - ggf. beweisbedürftigen - Parteivortrags und der offenkundigen Umstände umfassend zu würdigen sind (Fortführung der Senatsurteile vom 30. Juli 2008 - XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 und vom 27. Januar 1993 - XII ZR 206/91 - FamRZ 1993, 789).

Außerdem führt die unzureichende Arbeitssuche noch nicht notwendig zur Versagung des Anspruchs aus § 1573 Abs. 1 BGB. Die mangelhafte Arbeitssuche muss vielmehr für die Arbeitslosigkeit auch ursächlich sein. Eine Ursächlichkeit besteht nicht, wenn nach den tatsächlichen Gegebenheiten des Arbeitsmarktes sowie den persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten des Unterhalt begehrenden Ehegatten für ihn keine reale Beschäftigungschance bestanden hat

Aufgrund des Vortrags der Klägerin scheint es aber zumindest naheliegend, dass die im Jahr 2007 53jährige Klägerin nach einer Erwerbsabstinenz von über 25 Jahren und bei - unstreitigen - gesundheitlichen Einschränkungen jedenfalls nicht sogleich eine Vollzeitstelle finden kann. Anders als in jenem Fall, der dem Senatsurteil vom 30. Juli 2008 ( XII ZR 126/06 - FamRZ 2008, 2104 Rn. 23) zugrunde lag, traf die Klägerin auch nicht schon seit längerer Zeit eine Erwerbsobliegenheit, sondern waren die Parteien in dem abzuändernden Vergleich aus dem Jahr 2004 offenbar noch davon ausgegangen, dass der Klägerin - drei Jahre nach der Scheidung - kein eigenes Erwerbseinkommen anzurechnen ist.

Demnach hätte sich das Berufungsgericht zumindest mit dem Vortrag der Klägerin auseinandersetzen müssen, dass ihr aufgrund ihres Alters, ihrer langen Berufsabstinenz und ihrer gesundheitlichen Einschränkungen aktuell jedenfalls eine Vollzeitstelle als Bürokauffrau oder Textilverkäuferin nicht offenstehe. Aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen lässt sich ein Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen Erwerbslosigkeit nach § 1573 Abs. 1 BGB demnach nicht verneinen.

Die bei der Befristung und Herabsetzung des Unterhalts anzustellende Billigkeitsabwägung beschränkt sich überdies nicht auf den Ausgleich ehebedingter Nachteile, sondern hat darüber hinaus die vom Gesetz geforderte nacheheliche Solidarität zu berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Unterhaltstatbestände, die - wie der Alters- oder Krankheitsunterhalt nach §§ 1571 , 1572 BGB - bereits ihre Begründung in der nachehelichen Solidarität finden, sondern auch für den Aufstockungsunterhalt nach § 1573 Abs. 2 BGB (Senatsurteil vom 8. Juni 2011 - XII ZR 17/09 - FamRZ 2011, 1381 Rn. 34).

In dieser Hinsicht hat das Berufungsgericht lediglich die Dauer der Ehe, die Kindererziehung (und Haushaltsführung) sowie die Dauer der Unterhaltszahlungen einbezogen. Das erscheint nicht ausreichend. Eine umfassende Würdigung hat vielmehr auch zu berücksichtigen, dass der Beklagte - wie für das Revisionsverfahren zu unterstellen ist - seine während der Ehe durchgeführte berufliche Fortbildung und sein heute erzieltes Einkommen jedenfalls auch der Unterstützung durch die Klägerin zu verdanken hat. Nicht berücksichtigt ist auch, dass die Klägerin während der Arbeitslosigkeit des Beklagten nur einen reduzierten Unterhalt bezogen hat. Dieser Umstand rechtfertigt es, dass sie auch an einem später verbesserten Einkommen länger teilhaben kann. Zudem offenbarte der Beklagte seine wiederum erlangte Tätigkeit als IT-Berater erst mit erheblicher Verzögerung, was seine Unterhaltsbelastung vermindert hat. Es erscheint demnach naheliegend, dass das Berufungsgericht bei einer vollständigen Berücksichtigung der vorstehenden Aspekte selbst bei - unterstellt - fehlenden ehebedingten Nachteilen zu einer längeren als der von ihm angenommenen Unterhaltsdauer gelangt wäre.

Der BGH hat die Entscheidung aufgehoben und zurückverwiesen an das OLG Koblenz.

BGH, Urteil vom 21.09.2011 - Aktenzeichen XII ZR 121/09

OLG Koblenz 10.2.2016

Erwerbsobliegenheit und Trennungsunterhalt:

„Schonfrist“ von einem Jahr gilt nicht für jeden

Als Faustregel gilt: Der Ehegatte, der während der Ehe nicht berufstätig war, muss sich erst nach Ablauf des ersten Trennungsjahres (12 Monate) um eigenes Einkommen kümmern – das fehlende Geld bekommt er über den Trennungsunterhalt. Das OLG Koblenz hat am 10.2.2016 (7 WF 120/16) aber eine Ausnahme von dieser Regel gemacht.

Das Amtsgericht hatte der Antragstellerin nur für insgesamt sechs Monate Trennungsunterhalt ohne Berücksichtigung eines eigenen Einkommens zugesprochen und danach ein fiktives Einkommen in Höhe ihres zuletzt erzielten bereinigten Nettoeinkommens angerechnet.

Das OLG bestätigte diese Entscheidung: „War der Trennungsunterhalt begehrende Ehegatte während des ehelichen Zusammenlebens (weitgehend) erwerbstätig, kann er bereits mit der Trennung zur Aufnahme oder Fortsetzung seiner Erwerbsbemühungen verpflichtet sein.“

Grundregel: Trennungsjahr als Orientierungsphase      

Gemäß § 1361 Abs. 2 BGB kann der nicht erwerbstätige Ehegatte nur dann darauf verwiesen werden, seinen Unterhalt durch eine Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen, wenn dies von ihm nach seinen persönlichen Verhältnissen, insbesondere wegen einer früheren Erwerbstätigkeit und unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe, und nach den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Ehegatten erwartet werden kann.

Das Trennungsjahr wird dabei als Orientierungsphase bewertet, nach deren Ablauf eine entsprechende Erwerbstätigkeit ausgeübt werden muss (OLG Köln, Beschl. v. 18.10.2011 – 4 UF 170/11).

Warum wich dieser Fall von der Regel ab?

Die Antragstellerin, Diplom-Betriebswirtin mit dem Schwerpunkt Steuerrecht, zog mit dem Antragsgegner zusammen und nahm eine Erwerbstätigkeit bei einer Steuerberatungsfirma auf, verlor diese Stelle allerdings mit Ablauf der Probezeit.

Danach sprach sie beim Arbeitsamt vor und bewarb sich in der Folge verschiedentlich. Dann kam es zur ehelichen Trennung.

Somit ist davon auszugehen, dass sie sowieso wieder einer Erwerbstätigkeit nachgehen wollte, sodass die Trennung für ihr Erwerbsleben keinen Einschnitt bedeutete und sie ohne Weiteres ihre Bemühungen um Arbeit umgehend fortsetzen konnte und musste.

In der Zeit seit der Trennung von April bis November 2015 legte sie nur drei Bewerbungen und eine Absage vor. Das sind völlig unzureichende Bemühungen, für ihren Unterhalt selbst zu sorgen. Zudem soll sie zum Wintersemester 2015 ein zweites Studium – Jura – begonnen haben, um ihre Kenntnisse in Steuern und Recht vertiefen. Diese Zweitausbildung muss der Antragsgegner nicht finanzieren.

Ein ernsthaftes Bemühen um eine Erwerbstätigkeit ist nicht ersichtlich.

Auch ist anzunehmen oder jedenfalls nicht ausgeschlossen, dass die Antragstellerin binnen sechs Monaten eine Arbeit hätte finden können.

OLG Koblenz, Beschluss vom 10.02.2016 – 7 WF 120/16

OLG Brandenburg 2019: Trotz Hartz IV Kindesunterhalt, denn 1.200 € netto sind immer erzielbar, wenn man sich bemüht

 

1. Unterlässt ein Unterhaltsverpflichteter eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit, obwohl er diese bei gutem Willen ausüben könnte, können deswegen nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden.

2. Voraussetzung für die Zurechnung fiktiver Einkünfte ist neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen.

3. Dem Unterhaltspflichtigen darf auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise erzielt werden kann.

OLG Brandenburg - Beschluss vom 27.06.2019 - 10 UF 139/17

 

Der Fall:

Das minderjährige Kind begehrt Kindesunterhalt. Sein Vater bezieht Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) . Um Arbeitsstellen habe er sich bemüht. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass er den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule habe. Für anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit unter Einsatz von Hilfsmitteln oder Arbeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, sei er nicht geeignet. Hinzu kämen seine erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen. Der Senat hat dazu ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In einer Größenordnung zwischen 50 und 120 € mtl. (verschiedene Zeiträume) wurde der Vater auf Basis eine fiktiven Vollzeit-Einkommens verurteilt.

Aus den Gründen:

(…) Mit Rücksicht auf die soeben dargestellten Anforderungen im Rahmen der gesteigerten Erwerbsobliegenheit kann sich der Antragsgegner nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, er sei aufgrund seiner tatsächlichen Einkünfte, das sind Leistungen nach dem SGB II , auch unter Berücksichtigung des notwendigen Selbstbehalts für nicht Erwerbstätige von 880 €, nicht in der Lage, für den Antragsteller Unterhalt zu zahlen.

Denn der Antragsgegner hat sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht.

Soweit der Unterhaltspflichtige keine Arbeit hat, muss er sich ausreichend um eine Beschäftigung bemühen. Zu den Arbeitsplatzbemühungen gehört neben der regelmäßig erforderlichen Meldung beim Arbeitsamt eine intensive Privatinitiative in Form von rechtzeitigen Bewerbungen auf Stellenangebote in Zeitungen u. ä., eigenen Stellenannoncen sowie mündlichen und schriftlichen Bewerbungen, wobei grundsätzlich 20 bis 30 Bewerbungen im Monat zumutbar sind. Denn der Arbeitsuchende muss praktisch die gesamte Zeit, die ein voll Erwerbstätiger berufstätig wäre, für die Arbeitssuche aufwenden. Dabei dürfen sich die Bewerbungsbemühungen nicht auf den Wohnort des Unterhaltspflichtigen beschränken.

Der Antragsgegner hat erstmals in der Beschwerdeinstanz auf Anordnung des Senats überhaupt konkretere Angaben zu seinen Bewerbungsbemühungen gemacht. Mit Schriftsatz vom 29.04.2019 hat er als Anlage 4 drei Aufstellungen über getätigte Bewerbungen vorgelegt. Hierbei handelt es sich offensichtlich um von der Arbeitsverwaltung ausgegebene Formulare, welche der Antragsgegner ausgefüllt hat. Danach hat er sich am 07.09.2018 auf vier Arbeitsstellen beworben, ebenso am 26.10.2018. In der Zeit vom 17.01.2019 bis zum 02.04.2019 hat es danach acht weitere Bewerbungen gegeben. Dass diese Bewerbungen tatsächlich erfolgt sind, hat der Antragsteller im Schriftsatz vom 08.05.2019 mit Nichtwissen bestritten. Darauf kommt es aber nicht an. Selbst wenn man zu Gunsten des Antragsgegners unterstellte, dass die vorgetragenen Bewerbungen erfolgt seien, reichen diese schon von der Anzahl her nach den genannten Grundsätzen nicht aus, um der gesteigerten Erwerbsobliegenheit zu genügen.

c)

Mithin ist der Antragsgegner so zu behandeln, als hätte er sich ausreichend und damit erfolgreich um eine Erwerbstätigkeit bemüht. Folglich ist ihm ein fiktives Einkommen aus vollschichtiger Berufstätigkeit zuzurechnen. Dabei sind im vorliegenden Fall aber die beim Antragsgegner vorhandenen erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen zu berücksichtigen.

Gleiches gilt für seinen schulischen und beruflichen Werdegang.

Der Sachverständige Prof. Dr. K... ist in seinem Gutachten vom 06.03.2019 nachvollziehbar zu dem Ergebnis gelangt, dass der Antragsgegner zwar eine Vollzeittätigkeit ausüben könne, aber im Hinblick auf bestehende Leistungsausschlüsse nur alle leichten und fallweise mittelschweren Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, und zwar sowohl im Dienstleistungsbereich als auch im gewerblichen Bereich, ausführen könne. Diese Feststellungen sind von keinem Beteiligten in Zweifel gezogen worden; allerdings ziehen die Beteiligten unterschiedliche Schlüsse aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Eine Einwendung gegen die medizinischen Feststellungen des Sachverständigen findet sich insbesondere auch nicht in dem Schriftsatz des Antragsgegners vom 01.04.2019. Dort wird lediglich darauf hingewiesen, dass die Angaben des Antragsgegners zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang vom Sachverständigen nicht ganz zutreffend wiedergegeben worden seien. Hieraus zieht der Antragsgegner den Schluss, dass nicht alle vom Sachverständigen genannten Verweisungstätigkeiten für ihn in Betracht kämen. Dies berührt aber nicht die medizinischen Feststellungen der Sachverständigen im engeren Sinne.

Nach dem Gutachten scheiden Tätigkeiten im Bereich der Garten- und Landschaftspflege, wie sie der Antragsgegner nach seinen Angaben im Senatstermin vom 20.09.2018 in der Vergangenheit angestrebt hat, ebenso aus wie der vom Sachverständigen angesprochene Beruf des Landschaftsgärtners. Denn diese Berufe sind durch häufige mittelschwere und schwere Arbeiten gekennzeichnet. Nicht anders verhält es sich mit einer grundsätzlich in Betracht zu ziehenden Tätigkeit als Bauhelfer. Nach der Rechtsprechung des Senats kann allerdings bei einem nicht gesundheitlich eingeschränkten Arbeitsfähigen mittleren Alters sogar dann, wenn er eine formelle Berufsqualifikation nicht erlangt hat, anzunehmen sein, dass er aufgrund der Tarifverträge im Baugewerbe zumindest den dort jeweils ausgewiesenen Mindestlohn als Bauhelfer erzielen könnte. Dies kommt hier aber mit Rücksicht auf die gesundheitlichen Einschränkungen des Antragsgegners nicht in Betracht.

Im Hinblick auf das eingeschränkte Leistungsvermögen scheidet schließlich auch ein für den Antragsgegner erzielbares Bruttoeinkommen von monatlich 2500 €, wie es der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 04.04.2019 ermittelt hat, aus. Es mag sein, dass ein solches Einkommen für einen in Vollzeit als Verkäufer, Kundenberater oder Disponent für Malerbedarf im Großhandel tätigen Beschäftigten grundsätzlich erzielbar ist. Auch kann zu Gunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass eine solche Tätigkeit sogar mit dem eingeschränkten Leistungsprofil, wie es sich aus dem Sachverständigengutachten ergibt, auszuüben wäre, es sich also überwiegend um leichte oder nur fallweise mittelschwere Arbeiten handelt. Denn es ist im Hinblick auf die schulische und berufliche Bildung sowie die intellektuellen Fähigkeiten des Antragsgegners nicht realistisch, dass er - auch bei erheblichen Erwerbsbemühungen - eine solche Stelle erlangen und erfolgreich ausüben könnte.

Der Antragsgegner hat unstreitig lediglich den Schulabschluss der 10. Klasse der Förderschule. Schon vor diesem Hintergrund hat er nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass für ihn anspruchsvolle leichtere körperliche Arbeit oder auch Tätigkeiten, die mit Schriftwechsel zu tun hätten, nicht in Betracht kämen.

Auch der weitere berufliche Werdegang, wie er sich aus dem mit Schriftsatz vom 23.08.2018 vorgelegten Lebenslauf ergibt, hat den Antragsgegner schon von der Art der ausgeübten Tätigkeiten nicht befähigt, qualifizierteren Beschäftigungen nachzugehen. So war er nach dem Schulabschluss zwei Jahre im Rahmen von "Förderjahren zum Zwecke der berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme" bei der T... in B... tätig. Im Anschluss hat er beim I... den Abschluss des Bau- und Metallmalers erlangt. Seit Januar 2002 war er - abgesehen von einer im März 2004 endenden etwa ein Jahr andauernden Beschäftigung als Schlossergehilfe - arbeitslos. Mithin kann er schon seit etwa 15 Jahren keine nennenswerte Berufspraxis vorweisen.

Hinzu kommt, dass der Antragsgegner nicht über die für eine Tätigkeit als Verkäufer oder Kundenberater erforderliche geistige Flexibilität verfügt. Dies ist insbesondere bei der Anhörung im Senatstermin vom 06.06.2019 deutlich geworden, als es dem Antragsgegner erst nach mehrmaliger Hilfestellung gelang, seinen aktuellen Status als arbeitslos gemeldete Person mit Arbeitsberater beim Jobcenter einerseits und Bewerbungstrainer beim Maßnahmeträger andererseits nachvollziehbar darzustellen.

d)

Da nach den vorstehenden Ausführungen der Ansatz eines fiktiven Bruttostundenlohns in Höhe des Mindestlohns im Baugewerbe ausscheidet, hat sich das für den Antragsgegner erzielbare Einkommen an dem gesetzlichen Mindestlohn zu orientieren, der sich im Unterhaltszeitraum in den Jahren 2017 und 2018 auf 8,84 € brutto in der Stunde belaufen hat und im Jahr 2019 auf 9,19 € brutto in der Stunde angehoben worden ist. Damit allein hat es aber nicht sein Bewenden. Denn bei der Bemessung des fiktiven Einkommens ist nicht an die untersten beruflichen Möglichkeiten anzuknüpfen.

Vielmehr muss sich der Unterhaltsschuldner so behandeln lassen, als würde er eine nach seinen Fähigkeiten gut bezahlte Stelle einnehmen.

Der Antragsgegner hätte sich also nicht allein um eine seinem Leistungsprofil entsprechende Stelle mit einer Vergütung nach dem Mindestlohngesetz bemühen müssen, sondern auch Bemühungen entfalten müssen, eine besser dotierte Stelle zu erlangen. Ausreichende Bewerbungsbemühungen unterstellt, kann davon ausgegangen werden, dass er dann auch etwas über dem Mindestlohn bezahlte Beschäftigungen hätte finden können. Daher kann angenommen werden, dass der Antragsgegner in den Jahren 2017 und 2018 einen Bruttostundenlohn von 9,50 € und im Jahr 2019 einen solchen von 10 € hätte erzielen können.

e)

Der Antragsgegner ist unterhaltsrechtlich jedenfalls verpflichtet, vollschichtig, d.h. 40 Stunden in der Woche bzw. 173,33 Stunden im Monat, berufstätig zu sein. Eine Ausweitung der Tätigkeit auf bis zu 48 Stunden in der Woche, was ein nach § 3 ArbZG zulässiges Tätigwerden auch am Samstag beinhalten würde, kann vom Antragsgegner nicht verlangt werden, zumal er nach den übereinstimmenden Angaben der Beteiligten im Senatstermin vom 06.06.2019 mit dem Antragsteller regelmäßigen Umgang alle 14 Tage am Wochenende von Freitag, 17:00 Uhr, bis Sonntag, 16 Uhr, pflegt. Hinzu kommen die gesundheitlichen Einschränkungen beim Antragsgegner. Diese gebieten es, die Phasen der körperlichen Regeneration nicht zu knapp zu bemessen.

Die Wochenenden sind daher arbeitsfrei zu halten.

f)

Nach alledem ergeben sich auf der Grundlage einer 40-Stunden-Arbeitswoche monatliche Bruttoeinkommen von 1646,67 € in den Jahren 2017 und 2018 sowie 1733,33 € im Jahr 2019. Bei einer Versteuerung nach Steuerklasse 1 und einem Kinderfreibetrag sowie Abzug der Sozialversicherungsbeiträge errechnen sich folgende monatliche Nettoeinkünfte:

- 1.191,46 € im Jahr 2017,

- 1.197,62 € im Jahr 2018,

- 1.261,17 € im Jahr 2019.

 

Daraus errechnete das OLG Brandenburg unter Berücksichtigung fiktiver Fahrtkosten und Selbstbehaltes die Leistungsfähigkeit für Kindesunterhalt.

 

OLG Brandenburg 2016

Mindestunterhalt für minderjährige Kinder: Wer nicht zahlen kann, muss das sehr ausführlich begründen

Den Gerichten genügt es nicht, wenn ein Unterhaltspflichtiger bloß sein Einkommen offenlegt und damit seine Leistungsunfähigkeit belegt. Zusätzlich muss er von sich aus, ungefragt, noch Angaben zu seinem Alter, seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang machen. Er muss sich also ausführlich dafür „entschuldigen“, nicht genug zu verdienen, um den Mindestunterhalt bezahlen zu können.

Sonst bekommt er nicht einmal Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung bewilligt. Auch bei gesundheitlichen Problemen greifen Auskunfts- und Darlegungspflichten.

Der Fall

Das 2003 geborene Kind verlangt Mindestunterhalt. Der Vater will nicht zahlen und bekommt für diese Verteidigung gegen den Anspruch keine Verfahrenskostenhilfe. Deshalb geht der Fall zum OLG.

Die Entscheidung des OLG Brandenburg

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Das OLG stellt klar, dass sich die Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB) des Vaters nicht feststellen lässt. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Wenn seine tatsächlichen Einkünfte nicht ausreichen, um den Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes zu decken, trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen.

Er muss insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einsetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit ausüben. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er das Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, tatsächlich erzielt. Zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zählen daher auch Einkünfte, die der Unterhaltspflichtige in zumutbarer Weise erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt.

Der Unterhaltsschuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Lebensstellung. Im vorliegenden Fall hat der Vater aber hinsichtlich eines ihm möglichen Einkommens schon keine hinreichenden Ausführungen zu seiner Vorbildung und seinem vollständigen beruflichen Werdegang gemacht. So fehlen z.B. Angaben über den Zeitpunkt und das Niveau seines Schulabschlusses ebenso wie eine lückenlose Darstellung seines Ausbildungsgangs, seiner nach dem Ausbildungsabschluss ausgeübten Tätigkeiten und seiner dabei erzielten Einkommen.

Also lässt sich nicht ausschließen, dass der Vater den beanspruchten Unterhalt bei Erfüllung seiner einfachen Erwerbsobliegenheit ohne Beeinträchtigung seines angemessenen Selbstbehalts leisten kann.

OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2016 – 13 WF 244/16

 

BVerfG 2012: Zurechnung fiktiver Einkünfte

 

Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -

Pressemitteilung Nr. 51/2012 vom 06. Juli 2012

Beschlüsse vom 18. Juni 2012

 

1 BvR 774/10

1 BvR 1530/11

1 BvR 2867/11


Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Zurechnung fiktiver

Einkünfte des Unterhaltspflichtigen bei der Bemessung des Kindesunterhalts


 

In den vorliegenden Verfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht

erneut mit den Voraussetzungen befasst, die an die Feststellung der

Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen zu

stellen sind. Reicht das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen unter

Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht

gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, können

ihm grundsätzlich fiktiv die Einkünfte zugerechnet werden, die er

erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare

Erwerbstätigkeit ausüben würde.

 

Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 774/10 stammt aus Ghana und ist

der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig. Als Küchenhilfe bezieht er

einen Nettoverdienst von rund 1.027 € monatlich. Das Amtsgericht

verurteilte ihn, an seinen minderjährigen Sohn den Mindestunterhalt von

damals 199 € im Monat zu zahlen. Es sei davon auszugehen, dass er als

ungelernte Arbeitskraft bei entsprechenden Bemühungen eine

Erwerbstätigkeit finden könne, die mit einem Bruttostundenlohn von 10 €

vergütet werde, sodass er von dem sich ergebenden Nettoeinkommen unter

Berücksichtigung des Selbstbehalts in Höhe von 900 € den

Mindestunterhalt in Höhe von 176 € decken könne. Den Fehlbetrag von 23 €

müsse er mit einer Nebentätigkeit erwirtschaften.

 

Der 1953 geborene Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1530/11, gelernter

Baumaschinist und Betonfacharbeiter, ist körperlich behindert und lebt

von Sozialleistungen. Das Amtsgericht verurteilte ihn zur Zahlung des

Mindestunterhalts in Höhe von damals 285 € im Monat, wobei es

unterstellte, dass der Beschwerdeführer bei überregionalen Bemühungen

eine Arbeit, beispielsweise als Nachtportier oder Pförtner, finden

könne, durch die er ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.235 € monatlich

erzielen könne.

 

Der körperlich behinderte Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2867/11

lebt ebenfalls von Sozialleistungen. Er wurde vom Amtsgericht zur

Zahlung eines Unterhalts von 225 € monatlich verpflichtet. Seine

körperlichen Einschränkungen entbänden ihn nicht davon, alles ihm

Mögliche zur Sicherung des Unterhalts seines minderjährigen Kindes zu

unternehmen. Da er keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit

gemacht habe, sei fiktiv von seiner Fähigkeit zur Zahlung des

Mindestunterhalts auszugehen.

 

Die von den Beschwerdeführern jeweils eingelegten Rechtsmittel hatten

vor den Oberlandesgerichten keinen Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten

Senats hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie die

Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche

Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, und die Sachen jeweils

an das zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung zurückverwiesen.

 

Den Beschlüssen liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

 

Eltern haben gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte

Erwerbsobliegenheit. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu

beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv

erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der

Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit

unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könnte.

Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die

Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Auch im Rahmen der

gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben

die Gerichte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im

Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den

beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Wird die Grenze des Zumutbaren eines

Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen

Dispositionsfreiheit des Verpflichteten als Folge der

Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der

verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht der

wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen.

 

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte zur Begründung der Leistungsfähigkeit

setzt zweierlei voraus: Zum einen muss feststehen, dass subjektiv

Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen

die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für

den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen

Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation,

Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein

entsprechender Arbeitsstellen abhängt.

 

Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht,

weil sie keine tragfähige Begründung für die Annahme enthalten, der

Beschwerdeführer könnte bei einem Arbeitsplatzwechsel bzw. bei

ausreichenden, ihm zumutbaren Bemühungen um einen Arbeitsplatz ein

Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen

Höhe erzielen.

 

1. Im Verfahren 1 BvR 774/10 hat das Oberlandesgericht ohne nähere

Begründung und ohne seine eigene Sachkunde näher darzulegen

festgestellt, einem ungelernten Mann sei es möglich, einen

Bruttostundenlohn von 10 € zu erzielen. Dass es sich dabei an den

persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und

an den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hat, ist

der angegriffenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Oberlandesgericht

hat sich insbesondere nicht mit dem derzeit für eine ungelernte Kraft

erzielbaren Lohn bzw. den aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen

Branchen auseinandergesetzt.

 

Soweit sich der Beschwerdeführer zusätzlich gegen die Anrechnung

fiktiver Einkünfte aus einer geringfügigen Nebentätigkeit wendet, ist

seine Verfassungsbeschwerde dagegen unzulässig, weil er eine Verletzung

seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht dargetan hat. Eine

Obliegenheit zur Erzielung von Nebeneinkünften, die dem

Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsberechnung fiktiv zugerechnet

werden können, ist nur dann anzunehmen, wenn und soweit ihm die Aufnahme

einer weiteren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des

Einzelfalls zumutbar ist und ihn nicht unverhältnismäßig belastet.

Danach ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang es ihm unter Abwägung

seiner besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie seiner

gesundheitlichen Belastung mit der Bedarfslage des

Unterhaltsberechtigten zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit

auszuüben, und ob der Arbeitsmarkt entsprechende Nebentätigkeiten für

den Betreffenden bietet. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit

beim Unterhaltsverpflichteten. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan,

dass und aus welchen Gründen ihm die Aufnahme einer Nebentätigkeit nicht

möglich bzw. nicht zumutbar ist.

 

2. In den Verfahren 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11 haben die Gerichte

zwar zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführer sich nicht

ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht haben. Sie haben jedoch

ebenfalls keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie

zu der Auffassung gelangt sind, dass die Beschwerdeführer bei Einsatz

ihrer vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer ihren persönlichen

Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wären, ein

Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen

Höhe zu erzielen. Zu dieser Feststellung hätte es einer konkreten

Prüfung unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der

Beschwerdeführer, ihres Alters und ihrer krankheitsbedingten

Einschränkungen sowie der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem

Arbeitsmarkt bedurft. Ohne diese konkrete Prüfung hätten die Gerichte

nicht auf die volle Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführer in Höhe des

titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen.

 

Hartz-IV-Vater wird zu 240 € Kindesunterhalt verurteilt

Auch nach diesen Entscheidungen des Verfassungsgerichts werden Eltern „gnadenlos“ zum Mindestunterhalt verurteilt, auch wenn sie Hartz-IV-Bezieher sind – jedenfalls dann, wenn sie nicht ausführlich darlegen können, warum sie trotz ausreichender Bemühungen keine Arbeitsstelle finden oder trotz Arbeitsstelle nicht leistungsfähig sind. Letzteres kann bei Kleinverdienern mit vielen Kindern der Fall sein.

Das Problem wird sich bei Vollstreckung stellen, denn einem nackten Mann greift niemand in die Tasche. Dennoch lohnt es sich, den Unterhalt festsetzen zu lassen: Es wachsen Schulden an, die evtl. später zu realisieren sind, wenn der Elternteil zu Einkommen oder Vermögen kommt. Und ganz langfristig ist die Unterhaltspflichtverletzung für das Kind ein wichtiges Argument, wenn der Vater später im Pflegeheim ist und das Sozialamt Unterhalt verlangt.

 

Der Fall:

Das Kind ist knapp 3, der Vater Anfang 30. Er hat den Hauptschulabschluss nach der Klasse 10. Eine Berufsausbildung zum Gärtner hat er abgebrochen, bei Zeitarbeitsfirmen gearbeitet und in einer Autowäsche für einige Monate monatlich über 1.300 € netto verdient.

Diese Arbeitsstelle verlor er - nach eigenen Angaben schuldlos - im Herbst des Jahres 2014 und ist seitdem arbeitslos. Mittlerweile bezieht er Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV).

Dennoch muss er Mindestunterhalt zahlen (in diesem Fall mtl. 236 €, ab 2016 mtl. 240 €). So sah es das AG Marl, bestätigt durch das OLG.

Die Entscheidung des OLG Hamm:

Zu Recht habe das Familiengericht dem Vater ein fiktives Einkommen angerechnet, das die Zahlung des begehrten Kindesunterhalts ohne Gefährdung seines notwendigen Selbstbehalts zulasse.
Eltern seien gegenüber minderjährigen, unverheirateten Kindern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht). Seine eigene Arbeitskraft habe der unterhaltspflichtige Elternteil einzusetzen. Unterlasse er dies, könnten auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der unterhaltspflichtige Elternteil eine reale Beschäftigungschance habe.

Dabei habe der Unterhaltspflichtige das Fehlen der Beschäftigungschance darzulegen und zu beweisen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter gelte insoweit selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz, nach welchem sie auch als ungelernte Kräfte nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel habe sich der Unterhaltspflichtige nachhaltig darum zu bemühen, eine angemessene Vollzeittätigkeit zu finden.

Die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit genüge nicht. Ebenso nicht, wenn sich der Unterhaltspflichtige lediglich auf die vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote bewerbe. Er müsse nachprüfbar vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand unternommen habe, um eine Erwerbsmöglichkeit zu finden.

Im vorliegenden Fall habe der Antragsgegner offensichtlich keine Erwerbsbemühungen entfaltet. Dazu fehle jeglicher Vortrag. So könne nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner das vom Familiengericht geschätzte monatliche Nettoeinkommen von über 1.300 € nicht erzielen könne. Bei seiner Tätigkeit in einer Autowäsche habe er dieses Einkommen tatsächlich für einige Monate erhalten.

Durchgreifende Gründe dafür, dass der Antragsgegner bei ausreichenden Bemühungen ein solches Nettoeinkommen inklusive Überstundenvergütung nicht wieder erzielen könnte, habe er nicht benannt. Zudem komme die Aufnahme einer Nebentätigkeit in Betracht, wenn der Antragsgegner den Kindesunterhalt nicht mit dem aus einer Haupterwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen sicherstellen könne. Auch darauf habe bereits das Familiengericht zu Recht hingewiesen.

OLG Hamm, Beschluss vom 23.12.2015 - 2 UF 213/15

 

OLG Brandenburg: 8,50 € Mindestlohn / Stunde kann jede ungelernte Kraft verdienen

Im Rahmen von Unterhaltsprozessen kann das neue Mindestlohngesetz jetzt eine Rolle spielen.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 07.08.2014 – 9 UF 159/13:
"Es kann davon ausgegangen werden, dass eine zwar ungelernte, aber erfahrene Bürokraft mindestens ein Entgelt in Höhe des künftigen Mindestlohns von 8,50 € erzielen kann. Die Ehefrau befindet sich mit 47 Jahren im mittleren Erwerbsalter. Sie ist zwar – auch wenn sie eine Ausbildung als Bäckereifachverkäuferin abgeschlossen hat – als ungelernt anzusehen, da sie in dem Bereich, der aufgrund ihrer Situation für eine Erwerbstätigkeit in Betracht kommt, keine Ausbildung aufgenommen oder beendet hat.
Dass sie nicht als Bäckereifachverkäuferin arbeiten will, ist zu akzeptieren. Da sie aber über Berufserfahrung verfügt, kann sie nicht geltend machen, sie habe auf dem Arbeitsmarkt keine Chance. Auch in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit kann sie bei ausreichenden Bemühungen einen Arbeitsplatz finden. Ausgehend von einem künftigen Mindestlohn von 8,50 €, den eine zwar ungelernte, aber erfahrene Bürokraft erzielen kann, ist davon auszugehen, dass die Ehefrau jedenfalls monatlich brutto 1.470 € = netto 1.076 € (Steuerklasse I, 0,5 Kinderfreibetrag) verdienen könnte."

BVerfG: jedenfalls im VKH-Prüfverfahren dürfen 8,50€ nicht einfach unterstellt werden

Das Kammergericht Berlin zitiert in seinem Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az. 13 WF 263/14 – eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. August 2014 zum Mindestlohn:

Zwar ist richtig, dass der Mindestlohn derzeit 8,50 € brutto/Stunde beträgt. Dafür, dass die Antragsgegnerin aber tatsächlich Zugang zu diesem Teil des Arbeitsmarktes hat, sind bislang keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist vielmehr daran zu erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 27. August 2014 (1 BvR 192/12, FamRZ 2014, 1977 [bei juris Rz. 22]) - allerdings für einen ungelernten Arbeiter, wohingegen die Antragsgegnerin IHK-geprüfte Fachgehilfin im Gastgewerbe ist - entschieden hat, dass ein Gericht, das ohne weitere Feststellungen zu der Auffassung gelangt, ein Bruttostundenlohn von 8,50 € sei erzielbar, den im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren eingeräumten Entscheidungsspielraum überschreite. Zur Vermeidung eines Grundrechtsverstoßes gelte Entsprechendes von der Feststellung, durch eine Nebentätigkeit könnten weitere 150 €/Monat hinzuverdient werden: Derartige Feststellungen dürfen, so das Bundesverfassungsgericht, nur unter Berücksichtigung der Erwerbsbiografie und nach Darlegung der persönlichen Umstände getroffen werden; für die Zurechnung eines Nebenverdienstes sei der Stundensatz und die fiktiv angenommene zeitliche Beanspruchung darzulegen.

KG · Beschluss vom 25. Februar 2015 · Az. 13 WF 263/14

 

BGH zur Nebentätigkeit (zusätzlich zu fiktiver Vollzeittätigkeit)

Es geht um den Mindestunterhalt für minderjährige Kinder.
Aus den Gründen:
 
Zwar ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsgegner in Anbetracht des von ihm vorgetragenen - und vom Oberlandesgericht unterstellten - Einkommens (monatlich 568 € brutto aus seiner Tätigkeit im Restaurant mit einem rechnerischen Stundenlohn von ca. 4,70 € und 240 € aus Schlagzeugunterricht) durch die bisher ausgeübten Tätigkeiten seiner Obliegenheit zur bestmöglichen Ausnutzung seiner Erwerbsfähigkeit nicht genügt hat.

Die Rechtsbeschwerde rügt aber insoweit zu Recht, dass das Oberlandesgericht auf das Vorbringen der Antragstellerin, der Antragsgegner habe zu Zeiten des Zusammenlebens mit ihrer Mutter aus seiner Tätigkeit in der Gastronomie ein wesentlich höheres Einkommen erzielt, nicht eingegangen ist. Damit hat die Antragstellerin hinreichend bestritten, dass der Antragsgegner in der Gastronomie jedenfalls nicht deutlich mehr als den vorgetragenen Lohn von nur 568 € brutto bei 28 Wochenstunden erzielen kann. Da der Mindestunterhalt in §  1612 a  Abs.  1   BGB  gesetzlich festgelegt ist, liegt die Darlegungs- und Beweislast für seine mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit beim Antragsgegner als Unterhaltsschuldner.

Abgesehen von der Frage, ob der Antragsgegner aus seiner Tätigkeit im Restaurant und als Musiker nicht ein höheres Einkommen erzielt oder erzielen kann, hätte das Oberlandesgericht jedenfalls erwägen müssen, ob ihm neben der unterstellten Vollzeittätigkeit auch die Ausübung einer Nebentätigkeit möglich ist, die vom Unterhaltspflichtigen im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach §  1603  Abs.  2   BGB  zur Sicherung des Existenzminimums seines Kindes grundsätzlich zu verlangen ist (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 -  XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18). Auch die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit fällt in die Darlegungs- und Beweislast des Antragsgegners. Allein aus der Tatsache, dass er mit weiteren eigenen Kindern und Kindern seiner Partnerin zusammenlebt, folgt für sich genommen noch nicht, dass ihm eine Nebentätigkeit nicht zumutbar sei. Demnach ist nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner das bislang bezogene Einkommen etwa aus Schlagzeugunterricht auch neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit weiter erzielen kann.
BGH, Beschluss vom 24.09.2014 - XII ZB 111/13

Kein Recht der Eltern auf Ausbildung, wenn der Mindestunterhalt eines Kindes sichergestellt werden muss

Oberlandesgericht Hamm, 12 UF 225/14 – Beschluss vom 24.04.2015

Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt jedenfalls dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalt zurück, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und aufgrund seiner Schulausbildung sowie sonstigen beruflichen Erfahrung in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.

Der Fall:

Ein 11jähriger Junge lebt beim Vater und begehrt von der Mutter Mindestunterhalt.

Die inzwischen 35-jährige Mutter stammt aus Mexiko und hat bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung, aber in Mexiko die allgemeine Hochschulreife erworben. Nachdem sie ein erstes Studium abgebrochen hatte, begann sie ein Studium des International Business. Sie lernte den Vater ihres Kindes kennen, heiratete ihn im Jahr 2001 und lernte die deutsche Sprache. Nach der Geburt des Sohnes blieb sie zunächst zu Hause. Später begann sie eine Ausbildung zur Erzieherin, die sie abbrach. Im Juli 2010 begann sie eine Ausbildung, die sie im März 2011 abbrach. Im Sommer 2011 nahm sie erneut das Studium Internationales Business auf, welches sie im Sommer 2013 abbrach. Ab November 2013 bezog sie zunächst Leistungen nach dem SGB II. Im August 2014 begann sie eine zweijährige Ausbildung/Umschulung zur Veranstaltungskauffrau. Diese brach sie im Oktober 2014 ab. Seit dem 24.11.2014 ist sie angestellt und verdient mtl. rund 1.425,00 € netto.

Es geht um den Kindesunterhalt ab November 2013.

Für die Zeit ab Dezember 2014 (tatsächliche Einkünfte) entscheidet das OLG:

Nach Abzug der vollen Fahrtkosten verbleiben der Antragsgegnerin noch 1.234,37 €. Ihr fehlten damit nach Abzug des vollen Selbstbehalts im Dezember 2014 knapp 40,00 €, ab Januar 2015 knapp 120,00 € um aus ihrem tatsächlichen Einkommen den Mindestunterhalt für ihr Kind zu zahlen. Diese tatsächlich nicht vorhandenen Beträge sind ihr fiktiv zuzurechnen, da sie in der Lage wäre, durch eine Nebentätigkeit entsprechende Einkünfte zu erzielen. Neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit ist der Antragsgegnerin eine Nebentätigkeit im Umfang von vier Stunden in der Woche zuzumuten, mit denen sie ein weiteres Einkommen von zumindest 120,00 € monatlich erzielen könnte. Wenn die Antragsgegnerin neben ihrer vollschichtigen Tätigkeit weitere vier Stunden arbeiten würde, käme sie auf eine Wochenarbeitszeit von 44 Wochenstunden und läge damit innerhalb der gem. § 3 ArbZG zulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Darüber hinaus ist bei der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit auf die spezifische Arbeits- und Lebenssituation des Pflichtigen abzustellen (OLG Hamm, FamRZ 2010, 985). Angesichts ihrer geregelten Arbeitszeiten, der einfachen Entfernung zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle von 17,4 km, dem Umstand, dass sie diese Wegstrecke mit dem PKW und damit in kurzer Zeit zurücklegen kann und schließlich vor dem Hintergrund, dass sie keine weiteren Kinder zu betreuen hat, ist es ihr ohne weiteres zuzumuten, eine zusätzliche (geringfügige) Nebentätigkeit aufzunehmen, die sie in die Lage versetzt, die fehlenden Beträge für den Mindestunterhalt zu erwirtschaften. In Betracht kommt beispielsweise eine Nebentätigkeit als Thekenkraft im Fitnessstudio/Tanzschule oder als Aushilfskraft in einer Bäckerei oder Tankstelle. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen oder die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit hat der Unterhaltsschuldner. Da die Antragsgegnerin anscheinend bislang nicht einmal auf die Idee gekommen ist, neben ihrer Vollzeittätigkeit eine Nebentätigkeit auszuüben, können entsprechende Bemühungen nicht festgestellt werden. Von einer realen Beschäftigungschance ist angesichts der Zeit, die der Antragsgegnerin hierfür zur Verfügung steht – in den frühen Morgenstunden, den Abendstunden oder am Wochenende – bei lebensnaher Betrachtung auszugehen.

Für die Zeit davor rechnet das OLG ihr die späteren tatsächlichen Einkünfte als erzielbar (fiktiv) an:

Der Streit zwischen den Beteiligten, welches Einkommen die Antragsgegnerin als ungelernte Arbeitskraft hätte erzielen können, hat sich durch die tatsächliche Entwicklung erledigt. Die Antragsgegnerin erzielt inzwischen als Sachbearbeiterin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.425,37 €. Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, schon ein Jahr früher eine solch dotierte Stelle zu finden, wenn sie sich hinreichend bemüht hätte, denn ihre berufliche Qualifikation hat sich in dem einen Jahr nicht wesentlich gesteigert. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihre dreimonatige Ausbildung/Umschulung ihre beruflichen Kenntnisse so wesentlich vorangebracht hätte, dass sich hierdurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht hätten.

OLG Köln zur gesteigerten Obliegenheit gegenüber Minderjährigen

OLG Köln zu der Frage der gesteigerten Erwerbsbemühungen eines für ein minderjähriges Kind barunterhaltspflichtigen Vaters (OLG Köln Beschluss vom 29.01.2010 - 4 WF 6/10):
Aus den Gründen:

Dass es ihm grundsätzlich möglich ist, in Deutschland so viel zu verdienen, dass er sogar mehr als den Mindestunterhalt zahlen kann, steht fest. Dass er sich nach der wohl betriebsbedingten Kündigung allerdings ausreichend um eine neue Arbeitsstelle bemüht hat, steht nicht fest.
Nach den von ihm selbst vorgelegten Bewerbungslisten hat er in der Zeit nach seiner Kündigung Ende April 2009 bis Mitte November 2009 75 Bewerbungsschreiben verfasst, monatsdurchschnittlich also 11,5.
Das reicht nach der Rechtsprechung keineswegs aus
. Vielmehr ist mindestens ein doppelt so umfangreicher Bewerbungsaufwand zu verlangen, ein Aufwand, der einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit entspricht. Nach seinen eigenen Angaben hat sich der Antragsteller auch noch nicht bei Zeitarbeitsfirmen oder privaten Arbeitsvermittlern bemüht.

Das Amtsgericht hat auch darauf hingewiesen, dass er sich gegebenenfalls auch unterhalb seines Ausbildungsniveaus bewerben muss. Selbst wenn sein Einkommen dann geringer sein sollte, ist doch bei einer Unterhaltspflicht für nur ein Kind (Ehefrau und Mutter sind nachrangig) davon auszugehen, dass er jedenfalls den Mindestunterhalt für ein Kind verdienen kann u. U. auch mit Hilfe eines Nebenjobs. Bislang reichen die Bemühungen des Antragstellers nicht aus, um festzustellen, dass er zur Leistung des Mindestunterhaltes nicht in der Lage sein könnte.

OLG Köln zum Umfang der Bewerbungsbemühungen

OLG Köln, Beschluss vom 30.03.2011, 4 WF 51/11:

1. Ein unterhaltsberechtigter Ehegatte, der ohne Arbeit ist, genügt seiner Erwerbsobliegenheit nicht, wenn er für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten lediglich rund 40 Bewerbungen vorlegen kann. Dabei ist ihm auch die Einarbeitung in neue Tätigkeitsbereiche, die Beschäftigungschancen bieten, zuzumuten.

2. Genügt der unterhaltsberechtigte Ehegatte seiner Erwerbsobliegenheit nicht, so ist ihm ein Nettoeinkommen von etwa 1.000 EUR fiktiv zuzurechnen.

Aus den Gründen:

Mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht das Verfahrenskostenhilfegesuch der Antragsgegnerin für die Folgesache nachehelicher Unterhalt mangels Erfolgsaussichten zurückgewiesen. Die vorgelegten Bewerbungen reichen zur Erfüllung der unterhaltsrechtlichen Erwerbsobliegenheit weder quantitativ noch qualitativ aus. Es wurden ohne näheren Sachvortrag nur rund 40 Bewerbungen für einen Zeitraum von über 6 Monaten vorgelegt. Dies reicht quantitativ bei weitem nicht aus. Zu beanstanden ist zudem, dass sich die Antragsgegnerin - abgesehen von einer Bewerbung auf eine Stelle als Verkäuferin – nur als Bürokraft beworben hat. Tätigkeitsbereiche, in denen gerichtsbekannt erheblicher Bedarf an Arbeitskräften besteht, wie etwa in der Kinder- und Seniorenbetreuung sowie vor allem im Bereich Pflege, wurden in die Bewerbungsbemühungen nicht einbezogen. Der 47-jährigen Antragsgegnerin kann durchaus zugemutet werden, sich in neue Tätigkeitsbereiche einzuarbeiten.

OLG Dresden zu leichtfertigem Arbeitsplatzwechsel

Ein Vater war sieben Jahre lang bei einem Betrieb unbefristet beschäftigt gewesen und hat dort rund 2.300 Euro monatlich netto verdient. Im März 2012 kündigte er dort, um bei einem Veranstalter mittelalterlicher Märkte zu arbeiten (befristet von April bis Dezember, Lohnerwartung 3.000 Euro netto). Nun könnte man meinen, der Vater habe das Richtige getan, um seine Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt zu erhöhen – aber weit gefehlt.

Im Nachhinein ist man nämlich immer klüger: Bereits im Mai musste er sich mit einer Lohnabsenkung auf 2.000 € zufrieden geben, weil die Veranstaltungen nicht wie erwartet liefen, im Dezember wurde das Arbeitsverhältnis nicht verlängert. Der Vater meinte, das habe er nicht vorhersehen können, die Richter sahen das anders. Bei einer beruflichen Veränderung, die sich nachhaltig auf die Einkünfte auswirke, sei zu prüfen, ob der Unterhaltsverpflichtete die Leistungsunfähigkeit selbst verschuldet habe. Dies sei bei einem leichtfertigen, vom üblichen sozialen Standard abweichenden Verhalten der Fall. Leichtfertig in diesem Sinn handele, wer seine Arbeitskraft auf sinnlose Art aufs Spiel setze und einbüße. Die Richter kamen zu dem Ergebnis, dass der Mann sich zumindest leichtfertig verhalten habe. Wer zu Unterhalt verpflichtet ist, trägt eine besondere Verantwortung, was seine finanzielle Leistungsfähigkeit angeht. Geht er etwa leichtfertig berufliche Risiken ein und gerät deswegen in finanzielle Nöte, kann das Gericht bei der Berechnung des Unterhalts ein fiktives Einkommen zugrunde legen.

Ein befristetes Arbeitsverhältnis in einer berufsfremden Tätigkeit mit einem Einzelunternehmer im Hinblick auf die Möglichkeit eines kurzfristig höheren Entgelts sei unterhaltsrechtlich nicht zu verantworten. Der Mann habe die Aussicht gehabt, innerhalb von achteinhalb Monaten 25.500 Euro netto zu verdienen mit dem Risiko anschließender Arbeitslosigkeit, während er bei Weiterbeschäftigung innerhalb eines Jahres sicher über ein Nettoeinkommen von rund 27.650 Euro verfügt hätte. Unter diesen Umständen habe er keine berechtigte Erwartung auf eine langfristige Verbesserung seiner beruflichen und wirtschaftlichen Situation hegen können.
Oberlandesgericht Dresden am 7. März 2013 (AZ: 20 WF 192/13, 20)

OLG Celle: Jeder Mann kann am Bau 1300 € verdienen

Der Fall:

Es geht um Kindesunterhalt für ein minderjähriges Kind. Der Vater hat keine formale Berufsausbildung, jedoch einen Führerschein und keine gesundheitlichen Einschränkungen. Er hatte früher ein Kleingewerbe mit monatlichen Einnahmen von bis zu 800 € (kaum Gewinn). Er lebt zusammen mit einer Lebensgefährtin und deren Kind sowie einem gemeinsamen Baby in einer Bedarfsgemeinschaft, deren gesamter Bedarf durch das JobCenter gedeckt wird (Hartz IV).

 

Die Entscheidung:

„Ein gesundheitlich nicht eingeschränkter arbeitsfähiger Unterhaltsschuldner mittleren Alters ohne formelle Berufsqualifikation - aber mit Führerschein - kann z.B. aus einer möglichen Tätigkeit als Bauhelfer ein bereinigtes Nettoeinkommen von etwa 1.280 EUR erzielen (Fortführung von OLG Celle 10 UF 33/13 - 20.03.2013).“


Der Mann bekommt auch keine Verfahrenskostenhilfe (VKH) – mangels Erfolgsaussicht.

OLG Celle, Beschluss vom 22.08.2014- Aktenzeichen 10 UF 180/14


Aus den Gründen:

 

1. Der Antragsgegner ist seinen minderjährigen unverheirateten Kindern - wie vorliegend der Antragstellerin - gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB gesteigert unterhaltsverpflichtet, muß also in jeder ihm möglichen und zumutbaren Art und Weise zu deren (Mindest-) Unterhalt beitragen. Nach ständiger Rechtsprechung ist dabei für seine Leistungsfähigkeit nicht allein auf die tatsächlichen, sondern vielmehr auch auf erzielbare Einkünfte abzustellen, soweit seine Erwerbsbemühungen nicht ausreichend sind und für ihn eine hinreichend reale Beschäftigungsmöglichkeit besteht (vgl. zuletzt etwa BGH - Beschluß vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 ff. = MDR 2014, 347 ff. = NJW 2014, 932 ff. = juris [Tz 9] m.w.N.).

 

2. Der Unterhaltspflichtige trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für eine geltend gemachte vollständige oder teilweise Leistungsunfähigkeit; diese ihm obliegende Darlegungs- und Beweislast erstreckt sich ausdrücklich auch auf ein behauptetes Fehlen einer entsprechenden realen Beschäftigungschance (BGH aaO. [Tz 11] m.w.N.). Dabei sind an die Feststellung, daß für einen Unterhaltsschuldner keine reale Beschäftigungschance besteht, strenge Maßstäbe anzulegen. Es bestehen selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit und für ungelernte Kräfte regelmäßig auch keine Erfahrungssätze etwa dahin, daß ein gesunder Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsaltern nicht - ggf. auch erstmalig - in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln wäre (BGH aaO. [Tz 13] m.w.N.). Ohne Rückgriffsmöglichkeit auf einen derartigen Erfahrungssatz kann das Fehlen realer Erwerbsmöglichkeiten für eine Vollzeittägigkeit allerdings nur durch den Nachweis geführt werden, daß der Unterhaltspflichtige sich hinreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht hat (BGH aaO. [Tz 17] m.w.N.).

 

3. Nach diesen Grundsätzen ist für den Antragsgegner, bei dem es sich um einen gesunden Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter handelt, in jedem Fall von der realen Möglichkeit der Aufnahme einer abhängigen Vollzeitbeschäftigung auszugehen. Offen bleibt insofern allenfalls noch, welche Art von Tätigkeit dabei für den konkreten Antragsgegner zugrunde gelegt werden kann.

Der Senat hat sich einen persönlichen Eindruck vom Antragsgegner verschafft.

Danach hält der Senat eine Tätigkeit als Helfer im Bauhauptgewerbe für möglich. Gesichtspunkte, die der Ausübung einer derartigen Tätigkeit durch den Antragsgegner entgegenstehen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich; er verfügt sogar - wie in entsprechenden Stellenangeboten teilweise im Hinblick auf den Einsatz an wechselnden Baustellen erwünscht - über eine Fahrerlaubnis. Der Senat hat sich schließlich - nicht zuletzt bereits anläßlich früherer Verfahren - durch Recherchen im Internet davon überzeugen können, daß auch in Hannover und dem entsprechenden Umfeld durchaus Vollzeitstellen als Bauhelfer angeboten werden.

Wie ermittelt man das fiktive Einkommen?

Wie man das fiktive Einkommen bei Hartz-IV-Empfängern ermittelt, ist streitig.

Möglichkeit a): neben Hartz IV kann anrechnungsfrei hinzuverdient werden – die Differenz ergibt die Leistungsfähigkeit – so OLG Brandenburg.

Möglichkeit b): Der 3. Senat des OLG Hamm (3 UF 192/13 vom 06.01.2014): Im Hinblick auf die Systematik des Kindesunterhaltsrechts und der Regelungen des SGB II sei es verfehlt, den Antragsgegner dadurch zur Zahlung von Mindestkindesunterhalt als leistungsfähig anzusehen, dass er ihm fiktiv gerade weniger als eine vollschichtige Erwerbstätigkeit, sondern lediglich eine Teilzeiterwerbstätigkeit neben dem Bezug von Sozialleistungen ansinnen würde. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit sei vielmehr ein fiktives Vollerwerbseinkommen zuzurechnen. Dies betrage bei einem Hilfskoch in Nordrhein-Westfalen monatlich durchschnittlich 1.387 € brutto. Nach Abzug der üblichen Aufwendungen ergebe sich ein bereinigtes Netto von unter 1.000 €, so dass Leistungsfähigkeit nicht vorliege.

 

Möglichkeit b) steht im Einklang mit der Wertung des BGH:

 

Die Zurechnung fiktiver Einkünfte, in die auch mögliche Nebenverdienste einzubeziehen sind, setzt neben den nicht ausreichenden Erwerbsbemühungen eine reale Beschäftigungschance des Unterhaltspflichtigen voraus. Schließlich darf dem Unterhaltspflichtigen auch bei einem Verstoß gegen seine Erwerbsobliegenheit nur ein Einkommen zugerechnet werden, welches von ihm realistischerweise zu erzielen ist. Die angefochtene Entscheidung genügt diesen Maßstäben.

 

Die Vorinstanz OLG Frankfurt a.M., Entscheidung vom 22.12.2010 - 2 UF 274/10 ist davon ausgegangen, dass der Antragsgegner im Verlauf seiner wechselvollen Erwerbsbiografie keine Qualifikation erwerben konnte, die es ihm heute ermöglichen würde, eine Vollzeitstelle zu erlangen. Dafür hat es die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder aufgezeigt, in denen der Antragsgegner beschäftigt war und auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es ihm zuletzt (seit 2002) auf wechselnden Arbeitsstellen nicht mehr gelungen ist, eine Erwerbstätigkeit nachhaltig zu sichern. Auch soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, gerade die Vielseitigkeit der Tätigkeiten eröffne dem Antragsgegner eine reale Beschäftigungschance, bleibt die Würdigung des Oberlandesgerichts nach den Maßstäben des Rechtsbeschwerdeverfahrens noch vertretbar. Da das Oberlandesgericht nicht zuletzt das Alter des Antragsgegners und den persönlichen Eindruck, den es von ihm gewonnen hat, in die Würdigung einbezogen hat, verstößt seine tatrichterliche Würdigung weder gegen Denkgesetze noch gegen Erfahrungssätze. Das Oberlandesgericht hat im Ergebnis zu Recht auch von der Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens abgesehen, das dem Antragsgegner neben seinem Leistungsbezug gemäß dem Sozialgesetzbuch II anrechnungsfrei zu belassen wäre.

Allerdings schließt der Bezug eines (Erwerbs-)Einkommens neben einer bedürftigkeitsabhängigen Sozialleistung für sich genommen noch nicht aus, dass das (Erwerbs-)Einkommen für den Unterhalt zur Verfügung stehen kann. Vielmehr kann der Unterhaltspflichtige unter Umständen auch dann unterhaltsrechtlich leistungsfähig sein, wenn er seinen unterhaltsrechtlichen Selbstbehalt aus Sozialleistungen bestreiten und ein den Selbstbehalt übersteigendes Nebeneinkommen für den Unterhalt einsetzen kann.

 

Davon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Zwar hat das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu getroffen, dass es dem insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Antragsgegner nicht möglich sei, eine Geringverdienertätigkeit auszuüben, durch die er neben der Grundsicherung für Arbeitsuchende ein nach § 11 b Abs. 2, 3 SGB II teilweise anrechnungsfreies Einkommen erzielen könnte. Indessen hat die Rechtsbeschwerde nicht aufgezeigt, dass dem Antragsgegner bei Zurechnung eines (fiktiven) Einkommens mehr als der sogenannte notwendige Selbstbehalt nach der Düsseldorfer Tabelle und den Leitlinien der Oberlandesgerichte (in diesem Fall Zwischenbetrag zwischen Erwerbstätigen- und Nichterwerbstätigenselbstbehalt) zur Verfügung stünde, so dass er für den Unterhalt teilweise leistungsfähig sein könnte.

 

BGH-Urteil vom 19. Juni 2013 · Az. XII ZB 39/11
 


OLG Düsseldorf zur Erwerbstätigkeit neben der Kinderbetreuung

Aus einer Entscheidung des OLG Düsseldorf ergibt sich, dass die Richter offenbar zwischen Ganztags-Grundschulkindern und Kindern, die eine weiterführende Ganztagsschule besuchen, unterscheiden.

OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.11.2011 - II-2 UF 128/08
Die Ehe wurde 2005 nach 6 Jahren geschieden, da war die gemeinsame Tochter 6 Jahre alt. Über den nachehelichen Unterhalt für die Kindesmutter gab es einen Vergleich aus 2007, den der geschiedene Ehemann mit der Begründung „Unterhaltsreform 2008“ ab Februar 2008 ändern wollte, weil das Kind ja älter als drei Jahre alt sei.
Das OLG befristete den Anspruch bis August 2010.
Die rechtlichen Fragen:
Das OLG wiederholt – wie die Gerichte seit 2008 schon oft bemerkt haben – dass die Reform keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Kinderbetreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verlangt, auch wenn das Kind bei Trennung bzw. 2008 schon älter als drei Jahre war.
So lange die Tochter eine Ganztagsgrundschule (8-16 Uhr) besuchte, sah das OLG nur die Möglichkeit zu einer Teilerwerbstätigkeit der Mutter von 30 Wochenstunden, da die Tochter ansonsten zwischen 16 Uhr und der Rückkehr der Mutter vom Arbeitsplatz unbetreut gewesen wäre. Inzwischen besucht die Tochter eine Gesamtschule, wo sie ebenfalls von 8 bis 16 Uhr betreut wird. Jetzt hält das OLG eine vollschichtige Erwerbstätigkeit für die Mutter für möglich. Dabei nimmt das OLG in Kauf, dass die 12jährige Tochter nach 16 Uhr kurzzeitig nicht betreut ist. In ihrem Alter könnten Kinder - im Gegensatz zu Kindern im Grundschulalter - vorübergehend sich selbst überlassen bleiben.
Die Dauer der Befristung beruhte auf einzelfallbezogenen Kriterien und fiel hier mit dem 11. Geburstag der Tochter zusammen.


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Aktualisiert zuletzt am

22.9.2019

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