Für den Unterhalt nach der Scheidung gelten andere Vorschriften als für den Trennungsunterhalt. Insbesondere gilt die Unterhaltsreform 2008 nur für den Nachscheidungsunterhalt.
Der nacheheliche Unterhalt steht auf drei Beinen:
Der Betreuungsunterhalt steht Eltern zu, die ihre minderjährigen Kinder betreuen, der Kompensationsunterhalt gleicht die einem Ehegatten ehebedingten Erwerbsnachteile aus und der Übergangsunterhalt überbrückt für eine begrenzte Zeit die Differenz zwischen dem Niveau der ehelichen und den aus eigener Erwerbstätigkeit erzielbaren Lebensverhältnissen.
Zwischen diesen simplen Grundsätzen und deren mathematischer Umsetzung steht dann vie Vielzahl typischer beiderseitiger Argumente, so dass bei der Findung des Ergebnisses jede Menge Angemessenheit, Billigkeit, Vertrauensschutz, Zumutbarkeit etc. mitspielt. Umso schwieriger ist eine seriöse Vorhersage in der außergerichtlichen Beratung.
Wer behauptet, dazu gebe es Faustformeln, die sich schlicht nach der Anzahl der Ehejahre richten, der glaubt auch an Medizinerstatistiken.
Die Reform 2008 schaffte ein neues Regel-Ausnahme-Prinzip.
In der Regel gibt es nach einer Scheidung keinen Unterhalt mehr. Das nennt sich das Prinzip der Eigenverantwortung.
Davon gibt es aber mannigfaltige Ausnahmen:
Das juristische Regel-Ausnahme-Prinzip wird von Laien oft mißverstanden. Wenn man im normalen Sprachgebrauch nämlich von "ausnahmsweise" spricht, dann hat das auch die Bedeutung von "selten". Nicht aber im juristischen Sprachgebrauch! Da hat "ausnahmsweise" nur etwas mit der Darlegungs- und Beweislast zu tun. Der Regelfall (kein Unterhalt) tritt immer dann ein, wenn der Unterhaltsberechtigte keinen der o.g. Ausnahmegründe darlegt/beweist. In der Praxis trifft sehr häufig einer der Gründe zu, so dass es immer noch sehr häufig nachehelichen Unterhalt gibt.
So war es vielfach zu lesen. So höre ich es in meinen Beratungsgesprächen. Das stimmt aber nicht! Diese Deutung beruht auf dem vorbeschriebenen Mißverständnis des Regel-Ausnahme-Prinzipes.
Zum 1. März 2013 trat wiederum eine Korrektur des nachehelichen Unterhalts in Kraft. Nach dem neuen § 1578b BGB wird klargestellt, dass eine lange Ehedauer bei der Bemessung des nachehelichen Unterhalts zu berücksichtigten ist. Das hat bedeutung beim der Übergangsunterhalt, der für eine begrenzte Zeit die Differenz zwischen dem Niveau der ehelichen und den aus eigener Erwerbstätigkeit erzielbaren Lebensverhältnissen überbrückt. Je nachdem wie lange die Ehe dauerte und wie alt die (oder der) Berechtigte bei Scheidung ist, kann sich daraus durchaus auch nach "neuem" Recht noch eine lebenslange Unterhaltsbeziehung ergeben.
Wenn man den nachehelichen Unterhalt berechnet, geht das nicht mehr wie beim Trennungsunterhalt mit der 3/7-Berechnung. Denn Maßstab der Unterhaltshöhe sind nicht mehr in erster Linie die ehelichen Lebensverhältnisse, sondern die eigene Lebensstellung des Berechtigten. "Eigene Lebensstellung" ist das, was der Berechtigte ohne Rollenteilung der Ehe erreicht hätte. Dass er das Geld, das er dafür benötigt, nicht selbst erwirtschaftet hat, liegt an den "ehebedingten Nachteilen".
Typischerweise: wegen einer langjährigen Kinderpause konnte eine bestimmte Karriere nicht erreicht werden.
Beispiel:
Die Ehegatten lernen sich als Medizinstudenten kennen. Beide machen ein sehr gutes Examen. Wegen der drei gemeinsamen Kinder ist die Ehefrau während der Ehe nie berufstätig. Der Ehemann macht Karriere und ist bei Scheidung Oberarzt. Die Ehefrau hat in der Trennungszeit begonnen, halbtags als Ärztin an der Klinik zu arbeiten. Vollzeit geht wegen der Kinderbetreuung nicht.
Wenn die Ehefrau den Richter davon überzeugen kann, dass sie selbst heute ebenso Oberärztin geworden wäre, wenn sie nicht die ehelichen Kinder betreut hätte, dann ist ihre "eigene Lebensstellung" die der Oberärztin. Die Differenz zwischen ihrem Halbtags-Einkommen als Assistenzärztin und dem Vollzeit-Einkommen als Oberärztin ist ihr "ehebedingter Nachteil".
Noch ein Beispiel:
Als die Ehegatten sich kennenlernen, ist er Assistenzarzt, sie ist Krankenschwester. Wegen der drei gemeinsamen Kinder ist die Ehefrau während der Ehe nie berufstätig. Der Ehemann macht Karriere und ist bei Scheidung Oberarzt. Die Ehefrau hat in der Trennungszeit begonnen, halbtags als Krankenschwester an der Klinik zu arbeiten. Vollzeit geht wegen der Kinderbetreuung nicht. Die Differenz zwischen ihrem Halbtags-Einkommen als Krankenschwester und dem Vollzeit-Einkommen als Krankenschwester (evtl. mit Zusatzqualifikationen, Stationsleitungo.ä.) ist ihr "ehebedingter Nachteil".
Der vorbeschriebene Unterhalt sichert dem Berechtigten also die "eigene Lebensstellung". Das ist im Beispiel der Krankenschwester weniger als die "ehelichen Lebensverhältnisse". Knapp gesagt: Auch aus einem Vollzeit-Gehalt als Krankenschwester könnte sie sich das Leben der Oberarzt-Gattin nicht mehr leisten.
Auch nach der Reform 2008 gibt es noch den Aufstockungsunterhalt. Damit werden die "eigenen" Lebensverhältnisse auf die "ehelichen" Lebensverhältnisse aufgestockt.
Grund dafür ist die nacheheliche Solidarität.
Beispiel: Nachehelicher Unterhalt einer Ausländerin
Siedelt eine Ausländerin erst zur Eheschließung nach Deutschland über, sind bei der Beurteilung ihrer ehebedingten Nachteile die Verhältnisse in ihrem Herkunftsland bedeutsam.
Der Fall:
Eine aus der Ukraine stammende Frau siedelte zwecks Heirat nach Deutschland über und war während der Ehe nicht berufstätig. Sie verlangte nach der Scheidung die Fortschreibung des während der gemeinsamen Jahre in Deutschland gewohnten Lebensstandards.
Ihr Argument: durch die ihr mit der Ehe zugewiesene Rolle als Hausfrau war sie daran gehindert worden, sich für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren.
Das Urteil:
Amtliche Leitsätze:
BGH, Urteil vom 16.01.2013 - XII ZR 39/10
Der Unterhaltsberechtigte muss seinen hypothetischen beruflichen Werdegang ohne die Ehe erläutern. Beruft er sich dabei auf eine regelmäßige, vorwiegend von der Berufserfahrung abhängige
Entwicklung im Beruf, den er vor der Eheschließung erlernte, so trifft ihn keine erweiterte Darlegungspflicht. Das wäre anders, wenn er einen beruflichen Aufstieg behauptet hätte.
so BGH vom 20.3.2013, XII ZR 120/11
Wer ein Kind unter drei Jahre betreut, muss nicht erwerbstätig sein und hat einen selbstverständlichen Unterhaltsanspruch, den er nicht besonders begründen muss.
Wird das jüngste Kind 3, endet der Anspruch nicht. Es entsteht nur ein Begründungszwang.
Es gibt keine einzige BGH-Entscheidung, der zu entnehmen ist, jede Mutter müsse ab dem 3. Kindergeburtstag Vollzeit arbeiten!
Stattdessen siehe hier.
Zuvor hatte schon das OLG Düsseldorf im Urt. v. 07.11.2011, II-2 UF 128/08, wiederholt – wie die Gerichte seit 2008 schon oft bemerkt haben – dass die Reform keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Kinderbetreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit verlangt, auch wenn das Kind bei Trennung bzw. 2008 schon älter als drei Jahre war.
Aus der Düsseldorfer Entscheidung ergibt sich, dass die Richter offenbar zwischen Ganztags-Grundschulkindern und Kindern, die
eine weiterführende Ganztagsschule besuchen, unterscheiden. So lange die Tochter eine Ganztagsgrundschule (8-16 Uhr) besuchte, sah das OLG nur die Möglichkeit zu einer Teilerwerbstätigkeit der
Mutter von 30 Wochenstunden, da die Tochter ansonsten zwischen 16 Uhr und der Rückkehr der Mutter vom Arbeitsplatz unbetreut gewesen wäre. Inzwischen besucht die Tochter eine Gesamtschule, wo sie
ebenfalls von 8 bis 16 Uhr betreut wird. Jetzt hält das OLG eine vollschichtige Erwerbstätigkeit für die Mutter für möglich. Dabei nimmt das OLG in Kauf, dass die 12jährige Tochter nach 16 Uhr
kurzzeitig nicht betreut ist. In ihrem Alter könnten Kinder - im Gegensatz zu Kindern im Grundschulalter - vorübergehend sich selbst überlassen bleiben.
Der BGH berücksichtigte Hausaufgabenbetreuung und Fahrten zu Hobbys bei drei Kindern, von denen das jüngste 12 war, siehe hier.
Das ist ganz einfach:
Sie hätten lieber eine Zahl gehört?
Leider ist der nacheheliche Unterhalt das Ergebnis der Abwägung vieler Aspekte - nicht nur eine mathematische Formel.
Genauso einfach:
So lange bis
Sie hätten lieber eine Faustformel gehört?
Man hört schonmal von "1/3 der Ehezeit" als Laufzeit des nachehelichen Unterhaltes. Das kann ich aus meiner gerichtlichen Tätigkeit bei vielen Familiengerichten nicht bestätigen und halte es auch für falsch. Solche Faustformeln waren vor der Reform im Gespräch. Vielleicht hat auch mancher Richter bei Vergleichsverhandlungen eine eigene Faustformel im Kopf. Der BGH lehnt jegliche Faustformel ab. Nur wenn individuell die Aspekte "Nachteil" und "Solidarität" geprüft werden, wird man dem Fall gerecht.
Mehr dazu lesen Sie auf meiner Seite über Befristung.
Zur weiteren Änderung des materiellen Unterhaltsrechts in 2013 nach der Reform 2008 erklärte Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger:
Bedürftige Ehegatten werden nach der Scheidung einer so genannten Altehe in Zukunft besser geschützt. Es ist gesellschaftliche Realität, dass die Scheidungsraten jedes Jahr steigen. Das betrifft auch langjährige Ehen. Ehepartner, die ihre Lebensplanung auf die Ehe ausgerichtet und auf ihren Beruf verzichtet haben, stehen bei einer Scheidung oftmals finanziell vor dem Nichts. Eine Änderung im Bürgerlichen Gesetzbuch stellt klar, dass nach einer Scheidung die Dauer der Ehe maßgeblich mitberücksichtigt werden muss, wenn Gerichte über den Unterhalt entscheiden. Das ist eine notwendige Nachbesserung des Unterhaltsrechts, ohne die Reform grundsätzlich in Frage zu stellen.
Zum Hintergrund
Mit dem am 1.2.2013 beschlossenen Gesetz wird den Härten, die es nach langer Ehedauer seit der Unterhaltsrechtsreform 2008 gegeben hat, ein Ende bereitet. Die Neuregelung sorgt dafür, dass bedürftige Ehegatten nach Scheidung einer langjährigen Ehe durch die Beschränkung des nachehelichen Unterhalts nicht unverhältnismäßig stark getroffen werden. Denn solche sogenannten Altehen waren oft vom klassischen Rollenbild einer Hausfrauen-Ehe geprägt. Nach Inkrafttreten der Reform haben einige Gerichte die Unterhaltsansprüche oft rigide beschränkt, ohne die lange Ehedauer zu berücksichtigen. Insbesondere Frauen, die etwa vor vielen Jahren geheiratet haben und dem verbreiteten Gesellschaftsmodell entsprechend nach der Hochzeit ihre Berufstätigkeit aufgaben, standen nach der Scheidung schnell vor dem finanziellen Aus.
Eine solche "automatische" Beschränkung der Unterhaltsansprüche ohne Rücksicht auf die Dauer der Ehe entsprach nicht dem Zweck der Reform von 2008. Inzwischen hat der Bundesgerichtshof verdeutlicht, dass eine Befristung oder Begrenzung eines nachehelichen Unterhaltsanspruchs bei Ehen von langer Dauer unzulässig sein kann. (Entscheidung XII ZR 202/08 vom 06.10.2010, FamRZ 2010, 1971). Mit der jetzt beschlossenen Aufnahme der Ehedauer als einem weiteren Kriterium bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen in § 1578b Absatz 1 Satz 2 BGB wird diese neue, sich gerade erst festigende Rechtsprechung abgebildet. Die Intention des Gesetzgebers wird so noch einmal ausdrücklich festgelegt. Im Übrigen bleibt es aber beim Grundsatz, dass beide Eheleute nach Scheidung eigenverantwortlich für ihren Unterhalt verantwortlich sind.
Quelle: BMJ, Pressemitteilung vom 01.02.2013
Das neue Gesetz trat am 1.3.2013 in Kraft.
"In Fällen, in denen die nacheheliche Solidarität das wesentliche Billigkeitskriterium bei der Abwägung nach § 1578 b BGB darstellt, gewinnt die Ehedauer ihren
wesentlichen Stellenwert bei der Bestimmung des Maßes der gebotenen nachehelichen Solidarität aus der Wechselwirkung mit der in der Ehe einvernehmlich praktizierten Rollenverteilung und der darauf
beruhenden Verflechtung der wirtschaftlichen Verhältnisse; hieran hat die am 1. März 2013 in Kraft getretene Neufassung des § 1578 b Abs. 1 BGB nichts
geändert."
BGH vom 20.3.2013 XII ZR 72/11
Die Form des § 127 a BGB ersetzt bei einer vor Rechtskraft der Ehescheidung geschlossenen Vereinbarung zum nachehelichen Unterhalt auch dann die notarielle Beurkundung, wenn die Vereinbarung in einem anderen Verfahren als der Ehesache protokolliert wird. Eine Vereinbarung kann daher insbesondere im Verfahren über den Trennungsunterhalt formwirksam abgeschlossen werden.
BGH Beschluss vom 26.02.2014 - XII ZB 365/12
27.01.2017
Der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat Reformvorschläge für den nachehelichen Ehegattenunterhalt formuliert, um diesen einfacher zu strukturieren und planbarer zu machen.
Wesentliche Bausteine sind: die Beschränkung auf drei Unterhaltstatbestände (1. universaler Betreuungsunterhalt, 2. Kompensationsunterhalt und 3. Übergangsunterhalt), ein anderer Schwerpunkt der Unterhaltsbemessung je nach Legitimation des einzelnen Unterhaltsanspruchs und die Verankerung einer Beschränkung im Sinne einer zeitlichen Begrenzung im Anspruchstatbestand selbst, die sich beim Betreuungsunterhalt aus der Betreuungsbedürftigkeit des gemeinsamen Kindes, beim Kompensationsunterhalt aus dem Fortbestehen des ehebedingten Nachteils und beim Übergangsunterhalt aus seiner gesetzlichen Befristung ergibt.
Herabsetzungsantrag des Schuldners nach einem vorangegangenen erfolglosen Abänderungsantrag des Gläubigers auf Erhöhung des Unterhaltes ist zulässig.
BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – XII ZB 121/17
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Aktualisiert zuletzt am
18.5.2017
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