Ein paar Grundsätze: Bei wem die minderjährigen Kinder leben, der erbringt seinen Unterhalt schon ausreichend durch die Betreuung.
Der andere zahlt für die Kinder. Die Höhe hängt von dessen bereinigtem Einkommen ab und wird (in den meisten Fällen) nach der sogenannten Düsseldorfer Tabelle ermittelt. Der Regelsatz für die Kinder steigt mit dem Einkommen des zahlenden Elternteiles sowie mit dem Alter des Kindes. Grundsätzlich steht beiden Eltern je die Hälfte des Kindergeldes rechnerisch zu.
Faustformel für die Praxis: Das Kindergeld erhält derjenige, bei dem die Kinder leben. Der Andere zahlt nach seinem Einkommen und zieht vom
Betrag, der in der Düsseldorfer Tabelle steht, die Hälfte ab.
Die Düsseldorfer Tabelle geht davon aus, dass das Kind einen Lebensmittelpunkt hat und den anderen in üblichem Umfang besucht. Abzüge für Urlaubszeiten sind daher nicht angebracht.
Ist der Umfang der Mitbetreuung so hoch, dass im Lebensmittelpunkt-Haushalt tatsächlich Kosten gespart werden, kann das im Einzelfall Abzüge rechtfertigen.
Handelt es sich um ein echtes Wechselmodell, passt die Düsseldorfer Tabelle gar nicht - mehr dazu hier.
Besonderheiten sind zu beachten beim Mehrbedarf und Sonderbedarf.
Wenn Sie der Meinung sind, dass Ihr Einkommen nicht reicht, um die Sätze nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen, lesen Sie bitte auf meiner Seite Selbstbehalt / Bedarfskontrollbetrag / Mangelfall, was zu tun ist.
Besondere Bedeutung hat der Mindestunterhalt, das ist die erste Stufe der Düsseldorfer Tabelle, 100% des Bedarfes. Die Einkommensgruppe lautet bis 2017 "...bis 1.500 €", ab 2018 "... bis 1.900 €", und es wird vermutet, dass jeder Vater/Mutter in der Lage ist, diesen Mindestunterhalt sicherzustellen.
Er beträgt je nach Alter des minderjährigen Kindes nach Abzug der Kindergeldhälfte 2017 246, 297 oder 364 € und 2018 251 €, 302 € oder 370 €.
Wer trotz aller Bemühungen diesen Mindestunterhalt nicht aufbringen kann, muss das konkret darlegen und beweisen.
Der Hinweis auf Hartz-IV-Bezug allein reicht z.B. nicht aus.
(Siehe dazu auch die Entscheidung des OLG Brandenburg vom 1.11.2016 - weiter unten)
Gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB besteht gegenüber minderjährigen unverheirateten Kindern eine gesteigerte Unterhaltspflicht mit beson deren Obliegenheiten. Daraus ergibt sich für die Eltern eine besondere Verpflichtung zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft. Wer sich nicht ausreichend darum bemüht, Einkünfte zu erzielen, aus denen er den Mindestunterhalt decken kann, kann dennoch zur Zahlung verurteilt werden.
Zur Schätzung fiktiver Einkünfte siehe unten die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts.
Das Problem bei der Verurteilung aus fiktiven Einkünften stellt sich dann erst bei der Vollstreckung, aber die Schulden wachsen an.
Ausserdem wird den Eltern Verzicht im Ausgabenbereich zugemutet, um den Mindestunterhalt zu decken. Dabei kommt es insbesondere auf den Zweck der Verbindlichkeit, den Zeitpunkt und die Art ihrer Entstehung, die Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von Grund und Höhe der Unterhaltsschuld und andere Umstände an.
Bei der Abwägung fällt in erster Linie ins Gewicht, dass es wesentliche Aufgabe des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist, das Existenzminimum seines minderjährigen Kindes sicherzustellen.
Kritisch sind die Gerichte beim Mindestunterhalt bzgl. der Berücksichtigung von Abzugspositionen wie z.B. die eigene Altersvorsorge.
Grundsätzlich bestätigt der BGH, Urt. v. 30.01.2013 - XII ZR 158/10, dass Ausgaben für eine zusätzliche Altersversorgung unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen sind, und zwar beim Ehegatten- und Kindesunterhalt mit bis zu 4 % des Gesamtbruttoeinkommens des Vorjahres (BGH, Urt. v. 11.05.2005 - XII ZR 211/02).
Aufwendungen des gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils für eine zusätzliche Altersversorgung und eine Zusatzkrankenversicherung sind aber nach der neueren Entscheidung aus Januar 2013 unterhaltsrechtlich nicht berücksichtigungsfähig, wenn dadurch der Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind andernfalls nicht aufgebracht werden kann.
Mindestunterhalt: Wer nicht zahlen kann, muss das sehr ausführlich begründen
Den Gerichten genügt es nicht, wenn ein Unterhaltspflichtiger bloß sein Einkommen offenlegt und damit seine Leistungsunfähigkeit belegt. Zusätzlich muss er von sich aus, ungefragt, noch Angaben zu seinem Alter, seiner Vorbildung und seinem beruflichen Werdegang machen. Er muss sich also ausführlich dafür „entschuldigen“, nicht genug zu verdienen, um den Mindestunterhalt bezahlen zu können.
Sonst bekommt er nicht einmal Verfahrenskostenhilfe für seine Rechtsverteidigung bewilligt.
Der Fall
Das 2003 geborene Kind verlangt Mindestunterhalt. Der Vater will nicht zahlen und bekommt für diese Verteidigung gegen den Anspruch keine Verfahrenskostenhilfe. Deshalb geht der Fall zum OLG.
Die Entscheidung des OLG Brandenburg
Die Beschwerde bleibt erfolglos. Das OLG stellt klar, dass sich die Leistungsunfähigkeit (§ 1603 BGB) des Vaters nicht feststellen lässt. Die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltsschuldners wird nicht nur durch sein tatsächlich vorhandenes Vermögen und Einkommen bestimmt, sondern auch durch seine Arbeits- und Erwerbsfähigkeit. Wenn seine tatsächlichen Einkünfte nicht ausreichen, um den Unterhaltsbedarf des minderjährigen Kindes zu decken, trifft ihn unterhaltsrechtlich die Obliegenheit, die ihm zumutbaren Einkünfte zu erzielen.
Er muss insbesondere seine Arbeitsfähigkeit so gut wie möglich einsetzen und eine ihm mögliche Erwerbstätigkeit ausüben. Kommt er dieser Erwerbsobliegenheit nicht nach, muss er sich so behandeln lassen, als ob er das Einkommen, das er bei gutem Willen erzielen könnte, tatsächlich erzielt. Zum unterhaltsrechtlich relevanten Einkommen zählen daher auch Einkünfte, die der Unterhaltspflichtige in zumutbarer Weise erzielen könnte, aber tatsächlich nicht erzielt.
Der Unterhaltsschuldner trägt die Darlegungs- und Beweislast für seine eigene Lebensstellung. Im vorliegenden Fall hat der Vater aber hinsichtlich eines ihm möglichen Einkommens schon keine hinreichenden Ausführungen zu seiner Vorbildung und seinem vollständigen beruflichen Werdegang gemacht. So fehlen z.B. Angaben über den Zeitpunkt und das Niveau seines Schulabschlusses ebenso wie eine lückenlose Darstellung seines Ausbildungsgangs, seiner nach dem Ausbildungsabschluss ausgeübten Tätigkeiten und seiner dabei erzielten Einkommen.
Also lässt sich nicht ausschließen, dass der Vater den beanspruchten Unterhalt bei Erfüllung seiner einfachen Erwerbsobliegenheit ohne Beeinträchtigung seines angemessenen Selbstbehalts leisten kann.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 01.11.2016 – 13 WF 244/16
Die nach § 1603 Abs. 2
BGB gesteigerte Obliegenheit, seine Arbeitskraft so gut wie möglich einzusetzen und eine einträgliche Erwerbstätigkeit auszuüben, trifft auch den berufstätigen Unterhaltsschuldner, dessen
vorhandenes Einkommen zur Erfüllung der Unterhaltspflichten nicht ausreicht. Demnach muss er sich um besser bezahlte Beschäftigungsmöglichkeiten zu bemühen, wobei ihm auch eine Tätigkeit über 40 Wochenarbeitsstunden hinaus bis zu 48 Stunden nach Maßgabe von §§ 3, 9 Abs. 1 ArbZG angesonnen werden kann.
Der Unterhaltsschuldner kann fiktive Einkünfte - auch im Mangelfall - pauschal um fünf Prozent berufsbedingter Aufwendungen bereinigen.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 6.9.2018, 13 UF
91/17
Bundesverfassungsgericht - Pressestelle -
Pressemitteilung Nr. 51/2012 vom 06. Juli 2012
Beschlüsse vom 18. Juni 2012
1 BvR 774/10
1 BvR 1530/11
1 BvR 2867/11
Erfolgreiche Verfassungsbeschwerden gegen die Zurechnung fiktiver
Einkünfte des Unterhaltspflichtigen bei der Bemessung des Kindesunterhalts
In den vorliegenden Verfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht erneut mit den Voraussetzungen befasst, die an die Feststellung der Erwerbsfähigkeit und Erwerbsmöglichkeiten eines Unterhaltspflichtigen zu stellen sind. Reicht das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen unter Wahrung seines Selbstbehalts nicht aus, um seine Unterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen Kind in vollem Umfang zu erfüllen, könnenihm grundsätzlich fiktiv die Einkünfte zugerechnet werden, die er erzielen könnte, wenn er eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit ausüben würde.
Der Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 774/10 stammt aus Ghana und ist der deutschen Sprache nur begrenzt mächtig. Als Küchenhilfe bezieht er einen Nettoverdienst von rund 1.027 € monatlich. Das Amtsgericht verurteilte ihn, an seinen minderjährigen Sohn den Mindestunterhalt von damals 199 € im Monat zu zahlen. Es sei davon auszugehen, dass er als ungelernte Arbeitskraft bei entsprechenden Bemühungen eine Erwerbstätigkeit finden könne, die mit einem Bruttostundenlohn von 10 € vergütet werde, sodass er von dem sich ergebenden Nettoeinkommen unter Berücksichtigung des Selbstbehalts in Höhe von 900 € den Mindestunterhalt in Höhe von 176 € decken könne. Den Fehlbetrag von 23 € müsse er mit einer Nebentätigkeit erwirtschaften.
Der 1953 geborene Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 1530/11, gelernter Baumaschinist und Betonfacharbeiter, ist körperlich behindert und lebt von Sozialleistungen. Das Amtsgericht verurteilte ihn zur Zahlung des Mindestunterhalts in Höhe von damals 285 € im Monat, wobei es unterstellte, dass der Beschwerdeführer bei überregionalen Bemühungen eine Arbeit, beispielsweise als Nachtportier oder Pförtner, finden könne, durch die er ein bereinigtes Nettoeinkommen von 1.235 € monatlich erzielen könne.
Der körperlich behinderte Beschwerdeführer im Verfahren 1 BvR 2867/11 lebt ebenfalls von Sozialleistungen. Er wurde vom Amtsgericht zur Zahlung eines Unterhalts von 225 € monatlich verpflichtet. Seine körperlichen Einschränkungen entbänden ihn nicht davon, alles ihm Mögliche zur Sicherung des Unterhalts seines minderjährigen Kindes zu unternehmen. Da er keine Angaben zu seinen Bemühungen um eine Arbeit gemacht habe, sei fiktiv von seiner Fähigkeit zur Zahlung des Mindestunterhalts auszugehen.
Die von den Beschwerdeführern jeweils eingelegten Rechtsmittel hatten vor den Oberlandesgerichten keinen Erfolg. Die 2. Kammer des Ersten Senats hat die angegriffenen Entscheidungen aufgehoben, weil sie die Beschwerdeführer in ihrem Grundrecht auf wirtschaftliche Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen, und die Sachen jeweils an das zuständige Oberlandesgericht zur Entscheidung zurückverwiesen.
Den Beschlüssen liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:
Eltern haben gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit. Es ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass nicht nur die tatsächlichen, sondern auch fiktiv
erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der Unterhaltsverpflichtete eine ihm mögliche und zumutbare Erwerbstätigkeit unterlässt, obwohl er diese „bei gutem Willen“ ausüben könnte. Gleichwohl bleibt Grundvoraussetzung eines jeden Unterhaltsanspruchs die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten. Auch im Rahmen der gegenüber minderjährigen Kindern gesteigerten Erwerbsobliegenheit haben die Gerichte dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung zu tragen und im Einzelfall zu prüfen, ob der Unterhaltspflichtige in der Lage ist, den beanspruchten Unterhalt zu zahlen. Wird die Grenze des Zumutbaren eines Unterhaltsanspruchs überschritten, ist die Beschränkung der finanziellen Dispositionsfreiheit des Verpflichteten als Folge der Unterhaltsansprüche des Bedürftigen nicht mehr Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung und kann vor dem Grundrecht der wirtschaftlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG nicht bestehen.
Die Zurechnung fiktiver Einkünfte zur Begründung der Leistungsfähigkeit setzt zweierlei voraus: Zum einen muss feststehen, dass subjektiv Erwerbsbemühungen des Unterhaltsschuldners fehlen. Zum anderen müssen die zur Erfüllung der Unterhaltspflichten erforderlichen Einkünfte für den Verpflichteten objektiv erzielbar sein, was von seinen persönlichen Voraussetzungen wie beispielsweise Alter, beruflicher Qualifikation, Erwerbsbiographie und Gesundheitszustand und dem Vorhandensein entsprechender Arbeitsstellen abhängt.
Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen nicht gerecht, weil sie keine tragfähige Begründung für die Annahme enthalten, der Beschwerdeführer könnte bei einem Arbeitsplatzwechsel bzw. bei ausreichenden, ihm zumutbaren Bemühungen um einen Arbeitsplatz ein Einkommen in der zur Zahlung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe erzielen.
1. Im Verfahren 1 BvR 774/10 hat das Oberlandesgericht ohne nähere Begründung und ohne seine eigene Sachkunde näher darzulegen festgestellt, einem ungelernten Mann sei es möglich, einen Bruttostundenlohn von 10 € zu erzielen. Dass es sich dabei an den persönlichen Voraussetzungen und Möglichkeiten des Beschwerdeführers und an den tatsächlichen Gegebenheiten am Arbeitsmarkt orientiert hat, ist der angegriffenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Das Oberlandesgericht hat sich insbesondere nicht mit dem derzeit für eine ungelernte Kraft erzielbaren Lohn bzw. den aktuellen Mindestlöhnen der verschiedenen Branchen auseinandergesetzt.
Soweit sich der Beschwerdeführer zusätzlich gegen die Anrechnung fiktiver Einkünfte aus einer geringfügigen Nebentätigkeit wendet, ist seine Verfassungsbeschwerde dagegen unzulässig, weil er eine Verletzung seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit nicht dargetan hat. Eine Obliegenheit zur Erzielung von Nebeneinkünften, die dem Unterhaltspflichtigen bei der Unterhaltsberechnung fiktiv zugerechnet werden können, ist nur dann anzunehmen, wenn und soweit ihm die Aufnahme einer weiteren Erwerbstätigkeit unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zumutbar ist und ihn nicht unverhältnismäßig belastet.
Danach ist zu prüfen, ob und in welchem Umfang es ihm unter Abwägung seiner besonderen Lebens- und Arbeitssituation sowie seiner gesundheitlichen Belastung mit der Bedarfslage des Unterhaltsberechtigten zugemutet werden kann, eine Nebentätigkeit auszuüben, und ob der Arbeitsmarkt entsprechende Nebentätigkeiten für den Betreffenden bietet. Die Darlegungs- und Beweislast liegt insoweit beim Unterhaltsverpflichteten. Der Beschwerdeführer hat nicht dargetan, dass und aus welchen Gründen ihm die Aufnahme einer Nebentätigkeit nicht möglich bzw. nicht zumutbar ist.
2. In den Verfahren 1 BvR 1530/11 und 1 BvR 2867/11 haben die Gerichte zwar zutreffend festgestellt, dass die Beschwerdeführer sich nicht ausreichend um eine Erwerbstätigkeit bemüht haben. Sie haben jedoch ebenfalls keine Feststellung dazu getroffen, auf welcher Grundlage sie zu der Auffassung gelangt sind, dass die Beschwerdeführer bei Einsatz ihrer vollen Arbeitskraft und bei Aufnahme einer ihren persönlichen Voraussetzungen entsprechenden Arbeit objektiv in der Lage wären, ein Einkommen in der zur Leistung des titulierten Unterhalts erforderlichen Höhe zu erzielen. Zu dieser Feststellung hätte es einer konkreten Prüfung unter Berücksichtigung der beruflichen Ausbildung der Beschwerdeführer, ihres Alters und ihrer krankheitsbedingten Einschränkungen sowie der tatsächlichen Gegebenheiten auf dem Arbeitsmarkt bedurft. Ohne diese konkrete Prüfung hätten die Gerichte nicht auf die volle Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführer in Höhe des titulierten Kindesunterhalts schließen dürfen.
Auch nach diesen Verfassungsgerichts-Entscheidungen verurteilen die Gerichte zum Mindestunterhalt, wenn ausreichender Vortrag des Elternteiles fehlt, warum er nicht leistungsfähig ist. Hier wurde ein Hartz-IV-Bezieher zum Unterhalt verurteilt. Das Kind wird daraus vermutlich laufend kein Geld bekommen, aber es wachsen Schulden des Vaters an, die vollstreckbar sind, wenn er je wieder Einkommen / Vermögen hat.
Und ganz langfristig ist zu bedenken: Kommt dieser Vater im Alter in ein Pflegeheim, kann das Kind beweisen, dass er seine Unterhaltspflicht verletzt hat (ohne Gerichtsurteil läuft diese Behauptung ins Leere). Und nicht zuletzt ist Unterhaltspflichtverletzung auch eine Straftat. Vielleicht motiviert all dies den Hartz-IV-Bezieher besser zur Arbeitssuche als Sanktionen nach SGB II.
Der Fall:
Das Kind ist knapp 3, der Vater Anfang 30. Er hat den Hauptschulabschluss nach der Klasse 10. erworben. Eine Berufsausbildung zum Gärtner hat er abgebrochen, bei Zeitarbeitsfirmen gearbeitet und in einer Autowäsche für einige Monate monatlich über 1.300 € netto verdient.
Diese Arbeitsstelle verlor er - nach eigenen Angaben schuldlos - im Herbst des Jahres 2014 und ist seitdem arbeitslos. Mittlerweile bezieht er Leistungen nach dem SGB II (Hartz IV).
Dennoch muss er Mindestunterhalt zahlen (in diesem Fall mtl. 236 €). So sah es das AG Marl, bestätigt durch das OLG.
OLG Hamm:
Zu Recht habe das Familiengericht dem Antragsgegner ein fiktives Einkommen angerechnet, das die Zahlung des begehrten Kindesunterhalts ohne Gefährdung seines
notwendigen Selbstbehalts zulasse.
Eltern seien gegenüber minderjährigen, unverheirateten Kindern verpflichtet, alle verfügbaren Mittel zu ihrem und der Kinder Unterhalt gleichmäßig zu verwenden (sog. gesteigerte Unterhaltspflicht).
Seine eigene Arbeitskraft habe der unterhaltspflichtige Elternteil einzusetzen. Unterlasse er dies, könnten auch fiktiv erzielbare Einkünfte berücksichtigt werden, wenn der unterhaltspflichtige
Elternteil eine reale Beschäftigungschance habe.
Dabei habe der Unterhaltspflichtige das Fehlen der Beschäftigungschance darzulegen und zu beweisen. Für gesunde Arbeitnehmer im mittleren Erwerbsalter gelte insoweit selbst in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit regelmäßig kein Erfahrungssatz, nach welchem sie auch als ungelernte Kräfte nicht in eine vollschichtige Tätigkeit zu vermitteln seien. Unter Einsatz aller zumutbaren und möglichen Mittel habe sich der Unterhaltspflichtige nachhaltig darum zu bemühen, eine angemessene Vollzeittätigkeit zu finden.
Die bloße Meldung bei der Agentur für Arbeit genüge nicht. Ebenso nicht, wenn sich der Unterhaltspflichtige lediglich auf die vom zuständigen Jobcenter unterbreiteten Stellenangebote bewerbe. Er müsse nachprüfbar vortragen, welche Schritte er im Einzelnen in welchem zeitlichen Abstand unternommen habe, um eine Erwerbsmöglichkeit zu finden.
Im vorliegenden Fall habe der Antragsgegner offensichtlich keine Erwerbsbemühungen entfaltet. Dazu fehle jeglicher Vortrag. So könne nicht festgestellt werden, dass der Antragsgegner das vom Familiengericht geschätzte monatliche Nettoeinkommen von über 1.300 € nicht erzielen könne. Bei seiner Tätigkeit in einer Autowäsche habe er dieses Einkommen tatsächlich für einige Monate erhalten.
Durchgreifende Gründe dafür, dass der Antragsgegner bei ausreichenden Bemühungen ein solches Nettoeinkommen inklusive Überstundenvergütung nicht wieder erzielen könnte, habe er nicht benannt. Zudem komme die Aufnahme einer Nebentätigkeit in Betracht, wenn der Antragsgegner den Kindesunterhalt nicht mit dem aus einer Haupterwerbstätigkeit erzielbaren Einkommen sicherstellen könne. Auch darauf habe bereits das Familiengericht zu Recht hingewiesen.
OLG Hamm, Beschluss vom 23.12.2015 - 2 UF 213/15
Das Kammergericht Berlin zitiert in seinem Beschluss vom 25. Februar 2015 - Az. 13 WF 263/14 – eine weitere Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Mindestlohn:
Zwar ist richtig, dass der Mindestlohn derzeit 8,50 € brutto/Stunde beträgt. Dafür, dass die Antragsgegnerin aber tatsächlich Zugang zu diesem Teil des Arbeitsmarktes hat, sind bislang keine Feststellungen getroffen. Insoweit ist vielmehr daran zu erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht mit Kammerbeschluss vom 27. August 2014 (1 BvR 192/12, FamRZ 2014, 1977 [bei juris Rz. 22]) - allerdings für einen ungelernten Arbeiter, wohingegen die Antragsgegnerin IHK-geprüfte Fachgehilfin im Gastgewerbe ist - entschieden hat, dass ein Gericht, das ohne weitere Feststellungen zu der Auffassung gelangt, ein Bruttostundenlohn von 8,50 € sei erzielbar, den im Verfahrenskostenhilfebewilligungsverfahren eingeräumten Entscheidungsspielraum überschreite. Zur Vermeidung eines Grundrechtsverstoßes gelte Entsprechendes von der Feststellung, durch eine Nebentätigkeit könnten weitere 150 €/Monat hinzuverdient werden: Derartige Feststellungen dürfen, so das Bundesverfassungsgericht, nur unter Berücksichtigung der Erwerbsbiografie und nach Darlegung der persönlichen Umstände getroffen werden; für die Zurechnung eines Nebenverdienstes sei der Stundensatz und die fiktiv angenommene zeitliche Beanspruchung darzulegen.
KG · Beschluss vom 25. Februar 2015 · Az. 13 WF 263/14
Das Interesse des unterhaltspflichtigen Elternteils an einer Erstausbildung tritt jedenfalls dann hinter dem Interesse des Kindes auf Zahlung des Mindestunterhalt zurück, wenn der Unterhaltsverpflichtete bereits mehrere Erstausbildungen abgebrochen hat und aufgrund seiner Schulausbildung sowie sonstigen beruflichen Erfahrung in der Lage ist, eine berufliche Tätigkeit auszuüben, mit der er sowohl sein Einkommen als auch den Mindestunterhalt erwirtschaften kann.
Der Fall:
Ein 11jähriger Junge lebt beim Vater und begehrt von der Mutter Mindestunterhalt.
Die inzwischen 35-jährige Mutter stammt aus Mexiko und hat bislang keine abgeschlossene Berufsausbildung, aber in Mexiko die allgemeine Hochschulreife erworben. Nachdem sie ein erstes Studium abgebrochen hatte, begann sie ein Studium des International Business. Sie lernte den Vater ihres Kindes kennen, heiratete ihn im Jahr 2001 und lernte die deutsche Sprache. Nach der Geburt des Sohnes blieb sie zunächst zu Hause. Später begann sie eine Ausbildung zur Erzieherin, die sie abbrach. Im Juli 2010 begann sie eine Ausbildung, die sie im März 2011 abbrach. Im Sommer 2011 nahm sie erneut das Studium Internationales Business auf, welches sie im Sommer 2013 abbrach. Ab November 2013 bezog sie zunächst Leistungen nach dem SGB II. Im August 2014 begann sie eine zweijährige Ausbildung/Umschulung zur Veranstaltungskauffrau. Diese brach sie im Oktober 2014 ab. Seit dem 24.11.2014 ist sie angestellt und verdient mtl. rund 1.425,00 € netto.
Es geht um den Kindesunterhalt ab November 2013.
Für die Zeit ab Dezember 2014 (tatsächliche Einkünfte) entscheidet das OLG:
Nach Abzug der vollen Fahrtkosten verbleiben der Antragsgegnerin noch 1.234,37 €. Ihr fehlten damit nach Abzug des vollen Selbstbehalts im Dezember 2014 knapp 40,00 €, ab Januar 2015 knapp 120,00 € um aus ihrem tatsächlichen Einkommen den Mindestunterhalt für ihr Kind zu zahlen. Diese tatsächlich nicht vorhandenen Beträge sind ihr fiktiv zuzurechnen, da sie in der Lage wäre, durch eine Nebentätigkeit entsprechende Einkünfte zu erzielen. Neben ihrer hauptberuflichen Tätigkeit ist der Antragsgegnerin eine Nebentätigkeit im Umfang von vier Stunden in der Woche zuzumuten, mit denen sie ein weiteres Einkommen von zumindest 120,00 € monatlich erzielen könnte. Wenn die Antragsgegnerin neben ihrer vollschichtigen Tätigkeit weitere vier Stunden arbeiten würde, käme sie auf eine Wochenarbeitszeit von 44 Wochenstunden und läge damit innerhalb der gem. § 3 ArbZG zulässigen durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 48 Stunden. Darüber hinaus ist bei der Zumutbarkeit einer Nebentätigkeit auf die spezifische Arbeits- und Lebenssituation des Pflichtigen abzustellen (OLG Hamm, FamRZ 2010, 985). Angesichts ihrer geregelten Arbeitszeiten, der einfachen Entfernung zwischen ihrer Wohnung und ihrer Arbeitsstelle von 17,4 km, dem Umstand, dass sie diese Wegstrecke mit dem PKW und damit in kurzer Zeit zurücklegen kann und schließlich vor dem Hintergrund, dass sie keine weiteren Kinder zu betreuen hat, ist es ihr ohne weiteres zuzumuten, eine zusätzliche (geringfügige) Nebentätigkeit aufzunehmen, die sie in die Lage versetzt, die fehlenden Beträge für den Mindestunterhalt zu erwirtschaften. In Betracht kommt beispielsweise eine Nebentätigkeit als Thekenkraft im Fitnessstudio/Tanzschule oder als Aushilfskraft in einer Bäckerei oder Tankstelle. Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen oder die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit hat der Unterhaltsschuldner. Da die Antragsgegnerin anscheinend bislang nicht einmal auf die Idee gekommen ist, neben ihrer Vollzeittätigkeit eine Nebentätigkeit auszuüben, können entsprechende Bemühungen nicht festgestellt werden. Von einer realen Beschäftigungschance ist angesichts der Zeit, die der Antragsgegnerin hierfür zur Verfügung steht – in den frühen Morgenstunden, den Abendstunden oder am Wochenende – bei lebensnaher Betrachtung auszugehen.
Für die Zeit davor rechnet das OLG ihr die späteren tatsächlichen Einkünfte als erzielbar (fiktiv) an:
Der Streit zwischen den Beteiligten, welches Einkommen die Antragsgegnerin als ungelernte Arbeitskraft hätte erzielen können, hat sich durch die tatsächliche Entwicklung erledigt. Die Antragsgegnerin erzielt inzwischen als Sachbearbeiterin ein monatliches Nettoeinkommen von 1.425,37 €. Es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass es ihr nicht möglich gewesen wäre, schon ein Jahr früher eine solch dotierte Stelle zu finden, wenn sie sich hinreichend bemüht hätte, denn ihre berufliche Qualifikation hat sich in dem einen Jahr nicht wesentlich gesteigert. Insbesondere ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass ihre dreimonatige Ausbildung/Umschulung ihre beruflichen Kenntnisse so wesentlich vorangebracht hätte, dass sich hierdurch ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhöht hätten.
Oberlandesgericht Hamm, 12 UF 225/14 – Beschluss vom 24.04.2015
Aus dem BGH-Urteil vom 24. September 2014 · Az. XII ZB 111/13:
Auch wenn der Unterhalt aufgrund eines - wegen Verletzung der Erwerbsobliegenheit - lediglich fiktiven Einkommens aus einer Vollzeiterwerbstätigkeit festzusetzen ist, trifft den Antragsgegner grundsätzlich zudem eine Obliegenheit zur Ausübung einer Nebentätigkeit im selben Umfang wie einen seine Erwerbsobliegenheit erfüllenden Unterhaltsschuldner (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18). Trotz der gesteigerten Unterhaltspflicht ergeben sich die Grenzen der vom Unterhaltspflichtigen zu verlangenden Tätigkeiten aus den Vorschriften des Arbeitsschutzes und den Umständen des Einzelfalls. Die Anforderungen dürfen nicht dazu führen, dass eine Tätigkeit trotz der Funktion des Mindestunterhalts, das Existenzminimum des Kindes zu sichern, unzumutbar erscheint (vgl. Senatsurteile BGHZ 189, 284 = FamRZ 2011, 1041 Rn. 29 ff. und vom 3. Dezember 2008 - XII ZR 182/06 - FamRZ 2009, 314 Rn. 20, 28). (…) Abgesehen von der Frage, ob der Antragsgegner aus seiner Tätigkeit im Restaurant und als Musiker nicht ein höheres Einkommen erzielt oder erzielen kann, hätte das Oberlandesgericht jedenfalls erwägen müssen, ob ihm neben der unterstellten Vollzeittätigkeit auch die Ausübung einer Nebentätigkeit möglich ist, die vom Unterhaltspflichtigen im Rahmen der gesteigerten Unterhaltspflicht nach § 1603 Abs. 2 BGB zur Sicherung des Existenzminimums seines Kindes grundsätzlich zu verlangen ist (Senatsbeschluss vom 22. Januar 2014 - XII ZB 185/12 - FamRZ 2014, 637 Rn. 18). Auch die Unzumutbarkeit einer Nebentätigkeit fällt in die Darlegungs- und Beweislast des Antragsgegners. Allein aus der Tatsache, dass er mit weiteren eigenen Kindern und Kindern seiner Partnerin zusammenlebt, folgt für sich genommen noch nicht, dass ihm eine Nebentätigkeit nicht zumutbar sei. Demnach ist nicht ausgeschlossen, dass der Antragsgegner das bislang bezogene Einkommen etwa aus Schlagzeugunterricht auch neben einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit weiter erzielen kann.
Die Sache wird an das OLG Schleswig zurück gegeben.
BGH-Urteil vom 24. September 2014 · Az. XII ZB 111/13
Bleibt nach der Trennung der
Vater allein in der nun zu großen und teuren Ehewohnung zurück, stellt sich die Rechtsfrage, ob er rasch umziehen muss, um mehr Kindesunterhalt zahlen zu können.
Nein, sagt das Oberlandesgericht Köln im Beschluss vom 19.07.2013 (10 WF 65/13):
Entgegen der Meinung des Amtsgerichts kann vor Ablauf des Trennungsjahres grundsätzlich nicht verlangt werden, die Ehewohnung aufzugeben, um sich eine kleinere, preisgünstigere Wohnung zu suchen,
damit der Mindestunterhalt sichergestellt ist. In der Anfangsphase der Trennung ist nicht hinreichend sicher voraussehbar, ob die Ehe geschieden wird, sodass es grundsätzlich sachgerecht erscheint,
den bisherigen räumlichen Bereich der Familie zunächst weiter zu erhalten. Hinzu kommt, dass der Antragsgegner grundsätzlich die gesetzlichen Kündigungsfristen für die Beendigung des
Mietverhältnisses einzuhalten hat, sodass bei der hier gebotenen vorläufigen Beurteilung frühestens ab 2013 ein Umzug in eine preiswertere Wohnung verlangt werden kann. Bis dahin kann der
Antragsgegner einen um 340 € erhöhten Selbstbehalt geltend machen.
Aus dem BGH-Urteil vom 19. März 2014 · Az. XII ZB 367/12:
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass sich der Antragsgegner weiterhin Einkünfte wegen der Nutzung des im Miteigentum der geschiedenen Ehegatten stehenden Einfamilienhauses anrechnen lassen muss. (…) Ob der Wohnvorteil nach dem objektiven Mietwert oder in einer geringeren Höhe zu bemessen ist, hängt maßgeblich davon ab, ob der die Immobilie Nutzende gehalten ist, diese anderweitig zu verwerten. Soweit das von einem Ehegatten vor dem endgültigen Scheitern der Ehe (regelmäßig vor Zustellung des Scheidungsantrags) mit Rücksicht auf die Möglichkeit der Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft noch nicht erwartet werden kann, ist der Wohnvorteil in dieser Zeit nur in einer Höhe (…) zu bestimmen, welchen Mietzins er auf dem örtlichen Wohnungsmarkt für eine dem ehelichen Lebensstandard entsprechende, angemessene kleinere Wohnung zahlen müsste. Der volle Wohnvorteil kommt grundsätzlich erst dann zum Tragen, wenn mit einer Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft nicht mehr zu rechnen ist (Senatsurteil vom 5. März 2008 - XII ZR 22/06 - FamRZ 2008, 963 Rn. 14 ff.). (…) Geht es dagegen um die Leistungsfähigkeit eines Unterhaltspflichtigen gegenüber einem minderjährigen Kind, ist die Höhe des Wohnwerts grundsätzlich mit der bei einer Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen (Senatsbeschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 298/12 - FamRZ 2013, 1563 Rn. 16). (…) Dass das Beschwerdegericht den Wohnwert in Höhe der vom Antragsgegner ersparten angemessenen Miete mit monatlich 400 € anstelle der objektiven Marktmiete von 570 € bemessen hat, begegnet nach den getroffenen Feststellungen gleichwohl keinen rechtlichen Bedenken. Danach will der Antragsgegner das Haus, das er während der Ehe zusammen mit der Mutter der unterhaltsberechtigten Kinder als Familienheim erworben hat, veräußern. (…) Wenn von dem Antragsgegner aber nicht erwartet werden kann, dass er das Haus vermietet, besteht kein Grund, ihm hierdurch erzielbare höhere Einkünfte, die über den Betrag der ersparten angemessenen Miete von 400 € monatlich hinausgehen, anzurechnen. (…)
Hausdarlehen – muss die Bank gebeten werden, die Tilgung auszusetzen?
Gleichwohl können die Hausdarlehen jedenfalls nicht in voller Höhe als abzugsfähig angesehen werden. Bei der hiernach gebotenen Abwägung fällt zunächst ins Gewicht, dass der Antragsgegner den Mindestunterhalt seiner Kinder nicht gewährleisten kann, wenn die Darlehensraten in voller Höhe von seinem Einkommen abgezogen werden. Andererseits handelt es sich um Verbindlichkeiten, die der Antragsgegner im Interesse seiner Familie eingegangen ist, um ihr ein Eigenheim zu bieten. Jedenfalls ein Anwachsen der Verschuldung durch Zinsen, das Folge des Nichtbedienens der Darlehen wäre, braucht der Antragsgegner deshalb grundsätzlich nicht hinzunehmen. Im vorliegenden Fall besteht indessen die Besonderheit, dass das Haus verkauft werden sollte. Im Hinblick darauf hat der Antragsteller geltend gemacht, Kreditinstitute stellten in Fällen bestehender Veräußerungsabsicht Kredite tilgungsfrei. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, hat der für seine Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtige Antragsgegner (vgl. Senatsurteil vom 27. November 2002 - XII ZR 295/00 - FamRZ 2003, 444, 445) zu konkreten Bemühungen um eine Minderung der aktuellen Belastung im Wege der Stundung oder Streckung der Raten bzw. Aussetzung der Tilgung nichts vorgetragen. Auf welcher tatsächlichen Grundlage das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, die Kreditinstitute hätten eine Tilgungsstreckung oder -aussetzung abgelehnt, ist der angefochtenen Entscheidung nicht zu entnehmen. Solange hierzu indessen keine konkreten Feststellungen getroffen sind, ist die Annahme, auf die Kredite müssten zwingend die vereinbarten Raten gezahlt werden, nicht gerechtfertigt.
Autokredit abziehbar?
Was die Kreditrate für den Kauf eines Pkw anbelangt, hat das Beschwerdegericht, wie die Rechtsbeschwerde ebenfalls zu Recht beanstandet, nicht die erforderliche umfassende Interessenabwägung vorgenommen, sondern auf seine Ausführungen zu den für die Hausfinanzierung aufgenommenen Krediten Bezug genommen. Ob der Antragsgegner, der an seinem Wohnort arbeitet, aus beruflichen Gründen einen Pkw benötigt, ist nicht festgestellt. Da es andererseits um den Mindestunterhalt der Kinder des Antragsgegners geht, kann ihm nicht zugestanden werden, Kreditverbindlichkeiten ohne Rücksicht auf die Belange der Unterhaltsberechtigten zu tilgen. Falls er auf die Nutzung eines Fahrzeugs nicht angewiesen sein sollte, obliegt es ihm, dieses zu veräußern. Andernfalls wären seine Fahrtkosten nach Maßgabe der vom Berufungsgericht herangezogenen Leitlinien in der Weise zu bemessen, dass damit auch anteilige Finanzierungskosten abgedeckt werden.
Die Sache wurde an das OLG Hamm zurück verwiesen.
BGH-Urteil vom 19. März 2014 · Az. XII ZB 367/12
Oberlandesgericht Jena (1 UF 353/13) zum Verzicht auf Kindesunterhalt für die Zukunft:
„Allerdings sind auch beim Kindesunterhalt Vereinbarungen für die Zukunft nicht schlechthin ausgeschlossen. Da der angemessene Unterhalt ohnehin kein fester Betrag ist, besteht für Unterhaltsvereinbarungen vielmehr ein gewisser Spielraum, der seine Grenze erst dort findet, wo die Vereinbarung selbst nicht mehr angemessen ist, d. h. nicht mehr eine bloße Konkretisierung des gesetzlich geschuldeten Unterhalts nach individuellen Verhältnissen darstellt, sondern das gesetzliche Unterhaltsmaß eindeutig unterschreitet und damit auf einen (vollständigen oder teilweisen) Verzicht hinausläuft. Bei Unterschreitung um mehr als 20 % ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein gegen § 1614 Abs. 1 BGB verstoßender Verzicht vorliegt (Wendl/Dose/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 8. Auflage, § 2, Rn. 759 f.).“
„Verkehrte Welt“ ist dann, wenn das Kind bei dem Elternteil lebt, der deutlich mehr verdient als der andere. Dann ist zu prüfen, ob der Wenigerverdiener trotzdem „ganz normal“ Unterhalt leisten muss.
BGH, 10.07.2013 - XII ZB 297/12: „Kann auch der an sich barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen, wird eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhalts nur in wenigen, besonderen Ausnahmefällen in Betracht kommen.“
Um dieselbe Familie ging es hier:
BGH, 10.07.2013 - XII ZB 298/12: „Für berechtigten Mehrbedarf eines minderjährigen Kindes haben grundsätzlich beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen und nach den Maßstäben des § 1603 Abs. 1 BGB aufzukommen, so dass vor der Gegenüberstellung der beiderseitigen unterhaltsrelevanten Einkünfte generell ein Sockelbetrag in Höhe des angemessenen Selbstbehalts abzuziehen ist.“
Ein solches Ungleichgewicht liegt jedenfalls dann vor, wenn der betreuende Elternteil ein erheblich höheres Vermögen und ein mehr als dreifach höheres Nettoeinkommen als der nichtbetreuende Elternteil hat (vgl. BGH, Beschl. v. 10.07.2013 – XII ZB 297/12, FamRZ 2013, 1558, Rdnr. 29; BGH, FamRZ 1984, 39).
Vielfach wird ein erhebliches finanzielles Ungleichgewicht bereits dann angenommen, wenn der betreuende Elternteil doppelt so viel verdient wie der barunterhaltspflichtige (OLG Brandenburg, FamRZ 2006, 1780; OLG Schleswig, DAVorm 1985, 319).
Als absolute Grenze wird auch eine Mindestdifferenz von 500 € vertreten (OLG Schleswig, FamRZ 2014, 1643).
Weniger gravierende Einkommensunterschiede sollen eine anteilige Barunterhaltspflicht des betreuenden Elternteils nicht rechtfertigen (OLG Bamberg, EzFamR aktuell 2000, 154).
Jedoch ist anstelle einer schematischen Betrachtung in die Beurteilung einzubeziehen, dass der betreuende Elternteil ohnehin schon dadurch einen finanziellen Beitrag zum Unterhalt der Kinder erbringt, dass diese bei ihm wohnen (OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, 1116, 1117).
Dennoch darf bei dem Einkommensvergleich der gewährte Betreuungsunterhalt nicht monetarisiert und vom Einkommen des betreuenden Elternteils als Belastung abgesetzt werden (BGH, FamRZ 1991, 182, 183; OLG Hamburg, FamRZ 1985, 290).
Angebracht ist es aber, einen konkret belegten Betreuungsaufwand als besondere Belastung beim betreuenden Elternteil zu berücksichtigen (vgl. den Fall des OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 92, 94; ferner OLG Koblenz, FamRZ 1991, 1475, 1476; OLG Schleswig, FamRZ 1990, 518; OLG Oldenburg, FamRZ 1988, 724, 725; Graba, FamRZ 1990, 454, 456 f.).
Setzt man die Einkünfte der Elternteile zueinander ins Verhältnis, wird sich in beengten finanziellen Verhältnissen eher ein Ungleichgewicht ergeben als bei guten finanziellen Verhältnissen.
Aber auch dann ist nicht einfach ein schematischer Vergleich der Einkünfte vorzunehmen. Eine anteilige Haftung des betreuenden Elternteils ist zu verneinen, wenn ihm bei Leistung des Barunterhalts gerade noch der angemessene Selbstbehalt verbleiben würde.
Dies gilt auch dann, wenn die Leistung durch den Barunterhaltspflichtigen dessen angemessenen Selbstbehalt gefährden würde und diesem nur der notwendige Selbstbehalt verbliebe (OLG Düsseldorf, FamRZ 1992, 92).
Die Beweislast für die günstigen wirtschaftlichen Verhältnisse des Betreuenden trägt der Barunterhaltspflichtige (BGH, FamRZ 1981, 347).
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Aktualisiert zuletzt am 15.11.2018
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