Bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres ist ein Kind, das noch in der allgemeinen Schulausbildung ist, unverheiratet ist und in (einem) elterlichen Haushalt lebt, "privilegiert", d.h. es gelten dieselben unterhaltsrechtlichen Grundsätze wie gegenüber minderjährigen Kindern.
Mit einer Ausnahme: Ab dem Tag des 18. Geburtstages ist das Kind rechtlich nicht mehr "betreuungsbedürftig", d.h. beide Elternteile müssen Barunterhalt leisten und zwar im Verhältnis ihrer Einkünfte.
Es ist dann also eine Unterhaltsquote zu bilden. In der Praxis entlastet dies häufig den "anderen Elternteil", während der, bei dem das Kind wohnt, seinen Unterhalt gegen Kostgeld, Taschengeld u.a. aufrechnen kann. Das Kindergeld wird ab dem 18. Geburtstag wie Einkommen des Kindes voll abgezogen.
Für den Unterhalt Volljähriger, die nicht bei einem Elternteil leben, gibt es einen festen Bedarfssatz, der unabhängig vom Einkommen der Eltern ist und sich aus der Düsseldorfer Tabelle ergibt. Diesen Betrag müssen getrennt lebende Eltern im Verhältnis der beiderseitigen Einkommen aufbringen.
Wer volljährig ist und nicht mehr zur allgemeinbildenen Schule geht, also z.B. Auszubildende und Studenten, ist nicht mehr "privilegiert". Das hat vor allem dann Bedeutung, wenn noch minderjährige (Halb-)Geschwister da sind und das Geld nicht für alle reicht.
Auch der evtl. neue Ehegatte des Elternteils geht im Rang vor.
Dann bekommt der Volljährige im Ergebnis nur, was übrig ist.
Nicht das Alter des Kindes begrenzt die Dauer, sondern dessen Ausbildungsgang ("bis zum Ende der ersten geordneten zusammenhängenden Ausbildung"). Manchmal ist das einfach zu beurteilen: Realschule - Mittlerer Bildungsabschluss - Handwerkerlehre - Ende. In anderen Fällen komplizierter: Realschule - Höhere Handelsschule - praktische Ausbildung, die zum Fachabitur führt - schulische Weiterbildung zum gymnasialen Abitur - Studium ... Besonders viel Konfliktpotential bieten Lebensläufe, die nicht geradlinig sind: Ein Bummeljahr, eine abgebrochene Ausbildung, ein Studienfachwechsel ...
Nichts zu tun hat die Dauer des Ausbildungsunterhaltes mit der Dauer des Kindergeldbezuges (max. bis 25. Lebensjahr). Dauert die Ausbildung also länger als bis 26, ist trotz Kindergeldwegfall Unterhalt geschuldet.
Wenn die Abiturienten alle Prüfungen hinter sich haben und sich schon ausschließlich mit ihrem Outfit für den Abiball beschäftigen oder mit dem Ziel ihres „Abiurlaubes“, stehen viele Eltern ratlos vor der Tatsache, dass ihr Kind aber gar keine Zukunftspläne äußert. Aus anwaltlicher Sicht wirft das die Unterhaltsfrage auf, die natürlich meist von dem Elternteil gestellt wird, der wegen Trennung nicht mit dem Kind zusammenlebt. Aber auch andere Eltern stellen sich die Frage, welche finanzielle Belastung auf sie zukommt.
Meiner Meinung nach sollten die Eltern direkt nach den Prüfungen aktiv auf Ihre Abiturienten zugehen und sie
wissen lassen, dass damit der Automatismus der Unterhaltspflicht endet. Die jungen Leute sind diesbezüglich nämlich oft
blauäugig.
Die Frage, ob und in welcher Höhe die Kinder weiter vom Geld der Eltern zehren können, hängt aber von den konkreten Zukunftsplänen ab.
Die Hardliner unter den Familienrechtlern meinen, ein kurzer Erholungsurlaub (zwei Wochen) reiche, dann müsse das Kind mit einem
450-Euro-Job die Wartezeit auf den Ausbildungsbeginn selbst überbrücken. Ganz harte rechnen diese zwei Wochen aber nicht aber der Abiturfeier, sondern ab der mündlichen Prüfung. Das
darf m.E. nur dann gelten, wenn das Kind sicher ist, keine Nachprüfung machen zu müssen - aber das ist erst ab Notenverkündung sicher.
Andere meinen, bis zum 1.10. (frühest möglicher Semesterbeginn) hätte jeder Abiturient eine Erholungs- und Orientierungsphase, in der er nicht für
450 € arbeiten kann, weil er ja seine Zukunft planen muss und das beschäftigt ihn schon ganztags.
Je jünger das Kind ist – manche sind ja nicht einmal volljährig – desto mehr Großzügigkeit der Eltern ist bei
der Dauer der Orientierungsphase gefragt.
Auch hier hängt es vom Einzelfall ab: Hat das Kind schon einen Ausbildungsvertrag in der Tasche oder einen Studienwunsch fixiert, braucht es keine Orientierung mehr und kann tatsächlich bis zum
Ausbildungsbeginn jobben.
Wenn das Kind aber gar nicht die Zeit mit Berufsorientierung verbringt, sondern mit Weltreise, und gar nicht in 2016 Ausbildung oder Studium aufnehmen möchte, dann kann man sich auf den Standpunkt stellen, dass doch sofort mit Aushändigung des Abiturzeugnisses + zwei Wochen Erholungsurlaub (pragmatisch bis Ende Juli) erstmal der Anspruch endet und erst wieder auflebt, wenn eine Ausbildung beginnt.
Das OLG Brandenburg am 18.01.2011 (10 UF 161/10) und AG Frankfurt am 16.11.2011 (454 F 3056/11) haben sich positioniert, dass ein Masterstudium kein Zweitstudium sei, wenn die beiden Studiengänge in einem engen, sachlichen, zeitlichen Zusammenhang stehen und sich die Fortsetzung des Studiums nach dem erfolgreichen Bachelor-Abschluss als eine fachliche Ergänzung und Weiterführung oder Vertiefung erweist.
Durch die geänderten BAföG-Bestimmungen (vgl. § 7 BAföG), die Bachelor- und anschließende Masterstudiengänge als einheitliche Ausbildung ansehen, wird die Rechtsprechung bestätigt.
Aus dem OLG-Brandenburg-Beschluss:
Der Senat hat diesen Anspruch in seinem Urteil vom 10.7.2007 unter Zugrundelegung der ständigen BGH-Rechtsprechung zu den "Abitur-Lehre-Studium-Fällen" (vgl. hierzu z. B. BGH, FamRZ 2006, 1100 ) bejaht. Daran ist festzuhalten. Es besteht keine Veranlassung, die vorangegangene Wertung des Senats im Rahmen des vorliegenden Verfahrens in Frage zu stellen. Die unterhaltsrechtliche Berechtigung des Bachelor-Studienganges und die Verpflichtung des Antragsgegners, diesen zu finanzieren, bilden daher die rechtliche Grundlage und den Ausgangspunkt für die Streitfrage, ob der Antragsgegner seinem Sohn auch noch für den nachfolgenden Master-Studiengang Ausbildungsunterhalt schuldet.
Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Unterhaltspflicht des Antragsgegners nach § 1610 Abs. 2 BGB für den Master-Studiengang fortdauert. Der von S... im Oktober 2009 aufgenommene sogenannte konsekutive Master-Studiengang Technische Informatik bildet mit dem im September 2009 erfolgreich abgeschlossenen Bachelor-Studiengang Medieninformatik unterhaltsrechtlich eine einheitliche Ausbildung. Der gemäß § 1610 Abs. 2 BGB zu fordernde fachliche und zeitliche Zusammenhang ist gegeben.
Nach § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf. Ziel der begabungsbezogenen Ausbildung ist es, das unterhaltsberechtigte Kind in die Lage zu versetzen, künftig seinen Unterhalt und gegebenenfalls den seiner Familie sicherzustellen. Nach erfolgreichem Abschluss einer angemessenen Ausbildung hat das Kind grundsätzlich keinen Anspruch auf eine zweite Ausbildung (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2006, 1100 ). Im Streitfalle handelt es sich bei der Bachelor-Master-Studiengangskombination von S... unterhaltsrechtlich jedoch nicht um eine Aneinanderreihung zweier Ausbildungen (Doppelstudium), sondern um einen einheitlichen Ausbildungsgang. Entgegen seiner Auffassung endete die Unterhaltspflicht des Antragsgegners deshalb hier nicht mit dem Bachelor-Abschluss im September 2009.
Der sogenannte Bologna-Prozess, der im Jahr 1999 in Gang gesetzt worden ist, um ein europaeinheitliches Konzept für effektive Ausbildungsgänge durchzusetzen, hat in Deutschland zur Einführung gestufter Studiengänge und -abschlüsse geführt, insbesondere zu neuen Bachelor- und Master-Studiengängen. Diese führen zusammen zu einer dem Abschluss eines herkömmlichen grundständigen Diplomstudienganges vergleichbaren Qualifikation (vgl. hierzu Ramsauer/Stallbaum/Sternal, BAföG , 4. Aufl., § 7 , Rn. 18). Es ist dabei zwischen sogenannten konsekutiven und weiterbildenden Master-Studiengängen zu unterscheiden. Ein Master-Studiengang ist insbesondere dann als konsekutiv einzuordnen, wenn er dem Bachelor-Studiengang zeitlich unmittelbar nachfolgt und inhaltlich darauf aufbaut, indem er die dort erworbenen Kenntnisse vertieft oder erweitert. Der sogenannte weiterbildende Master-Studiengang entspricht hinsichtlich der Anforderungen dem konsekutiven Master-Studiengang und führt zum gleichen Qualifikationsniveau und zu denselben Berechtigungen. Er setzt jedoch eine qualifizierte berufspraktische Erfahrung von in der Regel nicht unter einem Jahr voraus. Im Rahmen der Bachelor-Master-Studiengangskombination besitzt der Studienabschluss des Bachelors für sich genommen eine "Doppelnatur". Zum einen vermittelt er eine (erste eigenständige) Berufsbefähigung (§ 19 Abs. 2 Hochschulrahmengesetz ). Zum anderen bildet der Bachelor-Abschluss (ggf. neben weiteren besonderen Zugangserfordernissen) die grundsätzliche Voraussetzung für die Zulassung zum Master-Studiengang.
Ziel des Gesetzgebers war es, den sogenannten Bologna-Prozess durch eine Neuregelung des BAföG ausbildungsförderungsrechtlich zu unterstützen und gerade die Kombination von Bachelor- und Master-Studiengängen zu fördern (vgl. hierzu z. B. OVG Lüneburg, FamRZ 2008, 930; OVG Hamburg, FamRZ 2007, 1920). Deshalb wurde durch die Sonderregelung des § 7 Abs. 1 a BAföG der Grundanspruch auf Ausbildungsförderung erweitert und insbesondere auf die neuen Master-Studiengänge im Sinne des § 19 Hochschulrahmengesetz erstreckt (vgl. hierzu BVerwG vom 17.10.2006 - 5 B 78.06, bei juris; Ramsauer/Stallbaum/Sternal, aaO., § 7, Rn. 18). Ungeachtet seines berufsqualifizierenden Abschlusses sind danach der erfolgreich abgeschlossene Bachelor-Studiengang und der darauf aufbauende Master-Studiengang nach der Systematik des § 7 BAföG nicht isoliert zu betrachtende Ausbildungsabschnitte (Doppelstudium), sondern ausbildungsförderungsrechtlich als eine einheitliche (einzige) Ausbildung zu beurteilen (vgl. hierzu OVG Lüneburg, FamRZ 2008, 930 ; FamRZ 2006, 1486 ).
Die Voraussetzungen der staatlichen Ausbildungsförderung und der privatrechtlichen Unterhaltspflicht stimmen zwar nicht überein. Auch greifen die Vorschriften und Richtlinien der staatlichen Ausbildungsförderung nicht in die privatrechtliche Unterhaltspflicht ein (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1977, 629; Palandt/Brudermüller, BGB , 70. Aufl., § 1610 , Rn. 22). Insbesondere müssen Eltern ihrem Kind eine weitere Ausbildung nicht schon deshalb finanzieren, weil und wenn dem Kind hierfür eine staatliche Ausbildungsförderung zuteil wird (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1977, 629). Die unterhaltsrechtliche Behandlung des Bachelor- und Master-Abschlusses muss daher nicht zwingend mit der BAföG -Förderung übereinstimmen. Der Senat hält es jedoch für sachgerecht, den modernisierungs- und förderungsfreundlichen Ansatz der Sonderregelung des § 7 Abs. 1 a BAföG als Ausgangspunkt für die unterhaltsrechtliche Beurteilung des Bachelor-Master-Ausbildungsweges zugrunde zu legen. Hiervon ausgehend kann der auf einem vorherigen Bachelor-Studiengang aufbauende konsekutive Master-Studiengang auch unterhaltsrechtlich als ein einheitlicher (einziger) Ausbildungsgang zu werten sein. Der Anspruch des Kindes auf Ausbildungsunterhalt nach § 1610 Abs. 2 BGB, der die Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf umfasst, wird dann - ungeachtet des damit verbundenen berufsqualifizierenden Abschlusses - nicht schon in jedem Fall durch den erfolgreich abgeschlossenen Bachelor-Studiengang ausgeschöpft. Vielmehr kann dem Kind gegen seine Eltern ein Anspruch gemäß § 1610 Abs. 2 BGB auf Finanzierung auch des Master-Studiengangs zustehen (so auch im Ergebnis z.B. OLG Celle, FamRZ 2010, 1456; Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 7. Aufl., § 2, Rn. 68).
Allerdings stellen der Bachelor- und der Master-Studiengang nicht notwendig eine Einheit dar, weil bereits der Bachelor-Abschluss eine Berufsbefähigung vermittelt. Der Studierende kann sein Master-Studium auch erst später, nach einer zwischenzeitlichen Berufstätigkeit, aufnehmen. Nach Auffassung des Senats ist deshalb mit Blick auf das aus § 1610 Abs. 2 BGB abzuleitende Merkmal der Einheitlichkeit des Ausbildungsgangs (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1995, 416) daran festzuhalten, dass die einzelnen Ausbildungsabschnitte in einem engen Zusammenhang stehen. In Anlehnung an die Fälle "Abitur-Lehre-Studium" ist unterhaltsrechtlich zum einen zu fordern, dass zwischen dem Bachelor- und dem Master-Studiengang ein enger zeitlicher Zusammenhang besteht. Zum anderen muss sich die Fortsetzung des Studiums nach dem erfolgreichen Bachelor-Abschluss als eine fachliche Ergänzung und Weiterführung oder Vertiefung erweisen. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall vor.
Auch der Bundesfinanzhof (BFH) hat - in Sachen Kindergeld - entschieden, dass ein Masterstudium jedenfalls dann Teil einer einheitlichen Erstausbildung ist, wenn es zeitlich und inhaltlich auf den vorangegangenen Bachelorstudiengang abgestimmt ist (das ist zwangsläufig der Fall, wenn es sich um ein konsekutives Masterstudium i.S. von § 19 Abs. 4 des Hochschulrahmengesetzes handelt).
Dieselben Überlegungen gelten im Bereich des Unterhaltsrechts.
BFH-Urteil vom 3. September 2015 (Az. VI R 9/15)
Das OLG Hamm ist der Meinung, dass das studierende Kind Bafög in Anspruch nehmen und damit die Eltern entlasten muss, auch wenn Bafög zu 50% als Darlehen gewährt wird und das Kind sich damit verschuldet. Solange ein Antrag des Kindes auf BAföG-Leistungen nicht von vornherein aussichtslos ist, sei eine solche Antragstellung auch zumutbar.
Die Darlehensbedingungen seien günstig und begründen daher die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme. Im vorliegenden Fall würde der Antragstellerin die Ausbildungsförderung zur Hälfte als Zuschuss, zur anderen Hälfte als Darlehen gewährt. Das Darlehen wäre unverzinslich; es wäre in monatlichen Raten von mindestens 105,00 €, beginnend mit dem 5. Jahr nach dem Ende der Förderung zu tilgen, § 18 Abs. 3 BAföG. Auf Antrag kann der Schuldner von der Rückzahlung ganz oder teilweise freigestellt werden; auch besteht bei guten Leistungen in der Abschlussprüfung die Möglichkeit des Teilerlasses, §§ 18 a, 18 b BAföG. Letztlich ist das Darlehen auch nur bis zu einem Höchstbetrag von 10.000,00 € zurückzuzahlen.
OLG Hamm: "Wegen dieser günstigen Darlehensbedingungen ist einem Studierenden in der Regel die Inanspruchnahme von BAföG zumutbar. Bei dieser Zumutbarkeitsprüfung sind die beiderseitigen Interessen zu berücksichtigen. Hierbei gelten die Eltern nach dem System der Einkommens- und Vermögensanrechnung (§§ 21 ff. und 26 ff. BAföG) in Höhe der als Ausbildungsförderung in Betracht kommenden Darlehensbeträge als nicht leistungsverpflichtet, so dass nicht davon ausgegangen werden kann, dass ihnen die Unterhaltsgewährung leicht fällt.
Außerdem haben sie im Allgemeinen ihre Kinder bereits über die übliche Ausbildungszeit hinaus bis zur Erlangung der Hochschulreife unterhalten.
Das Vorliegen besonderer Umstände müsste - als Abweichung vom Regelfall – der Studierende behaupten und nachweisen. Hierzu ist nichts mit Substanz vorgetragen. Dass die Antragstellerin zu Beginn ihres Berufslebens nicht mit einem Darlehen – von maximal 10.000,00 € - belastet sein will, begründet nicht die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme entsprechender Leistungen nach dem BAföG. Die Inanspruchnahme von BAföG ist für den Studierenden immer mit dem Nachteil verbunden, dass dieser das Darlehen bis zu einem Höchstbetrag von 10.000,00 € zurückzuzahlen hat, es sei denn, dass die besonderen Voraussetzung für eine Stundung oder einen Teilerlass vorliegen.
Da die Zumutbarkeit der Inanspruchnahme von Leistungen nach dem BAföG im vorliegenden Fall zu bejahen ist, ist der Antragstellerin, da sie es bewusst unterlassen hat, einen BAföG-Antrag zu stellen, in Höhe der BAföG-Leistungen ein fiktives Einkommen zu unterstellen."
Oberlandesgericht Hamm vom 26.09.2013 – 2 WF 161/13
Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat deutschen Studenten durch eine Entscheidung im Jahr 2013 mehr Bewegungsfreiheit innerhalb der Europäischen Union verschafft. Das frühere Auslands-Bafög verstieß nach Ansicht der Richter gegen die Freizügigkeit innerhalb der EU. Studierende hatten bislang nur Anspruch auf Förderung im Ausland, wenn sie die Ausbildung in Deutschland begonnen und mindestens ein Jahr verfolgt haben.
Der Europäische Gerichtshof befand, dass das Bundesausbildungsförderungsgesetz (Bafög) in diesem Punkt gegen europäisches Recht verstößt, da es die Freizügigkeit von Studierenden einschränkt. Die Regelung, zunächst ein Jahr in Deutschland studieren zu müssen, bringe Unannehmlichkeiten, koste zusätzlich und verzögere die Ausbildung, so die Richter. Außerdem müsse berücksichtigt werden, dass manche Studiengänge in Deutschland gar nicht angeboten werden.
Ein Auslandsstudium wird also ab dem 1. Semester gefördert.
Außerdem befasste sich der Gerichtshof mit der Klage einer anderen Deutschen. Sie wollte Ergotherapie in den Niederlanden studieren, aber in Deutschland wohnen bleiben und zur Universität in Heerlen pendeln. Das zuständige Bafög-Amt verweigerte auch ihr die Zahlung von Auslands-Bafög.
Studierende hatten vorher nur Anspruch auf Unterstützung mit einem ständigen Wohnsitz an einem grenznahen Ort. Auch Pendler, die weiter von der Grenze entfernt wohnen, profitieren nun von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes.
Voraussetzung ist ein enger Bezug zu Deutschland trotz des Auslandswohnsitzes, z.B. weil hier der Schulabschluss erreicht wurde, die Eltern als Grenzgänger in Deutschland arbeiten o.ä.
Das EuGH-Urteil aus 2013 wird sogar rückwirkend auf bereits abgelehnte Anträge (4 Jahre zurück) angewendet.
Volljährige Kinder haben nicht immer einen geraden, nahtlosen Ausbildungsweg. Kurze Unterbrechnungen müssen die unterhaltspflichtigen Eltern hinnehmen. Das OLG Koblenz sah sogar 4 Jahre noch als „kurze Unterbrechung“ an - und wurde vom BGH bestätigt (XII ZB 220/12).
Der Sachverhalt:
Nach der Hauptschule verbrachte das Mädchen die streitigen vier Jahre mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr, einem Praktikum in einem Kindergarten und einem berufsvorbereitenden Lehrgang der Deutschen Angestellten Akademie. Bis dahin könnte man an einen nahtlosen Weg hin zu einem pädagogischen Beruf denken. Dann aber arbeitete sie 2 ½ Jahre als Zimmermädchen. Sodann holte sie ihren Realschulabschluss nach und begann mit der Ausbildung zur Sozialhelferin am Berufskolleg. Hierfür begehrte sie von ihrem Vater Ausbildungsunterhalt.
Das bejahte das OLG: Koblenz: "Der Antragsgegner (wird) jedoch nur für den Unterhaltszeitraum ab Januar 2010, also für einen Zeitraum von voraussichtlich
nur 1 ½ Jahren auf Zahlung von Unterhalt in Anspruch genommen. Der Antragsgegner mag sich demgegenüber faktisch darauf eingestellt haben, auf Zahlung von Kindesunterhalt nicht mehr in Anspruch
genommen zu werden. Er hat allerdings nicht dargetan, dass er etwa im Vertrauen darauf, zur Zahlung von Kindesunterhalt nicht mehr verpflichtet zu sein, Vermögensdispositionen irgendwelcher Art
vorgenommen hat, die es ihm nunmehr tatsächlich erschweren würden, den geforderten Kindesunterhalt zu zahlen. Demgegenüber musste er nach Absolvierung des Hauptschulabschlusses noch über einen
längeren Zeitraum damit rechnen, dass seine Tochter noch eine Ausbildung absolviert; dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass (die Antragstellerin) allein mit dem Hauptschulabschluss
erkennbar keine Erwerbstätigkeit finden konnte, die sie in die Lage versetzen würde, ein einigermaßen auskömmliches Einkommen zu erzielen. Die Versagung des Unterhaltsanspruchs hätte
demgegenüber - sofern nicht der Antragsteller Zahlungen leisten würde - gravierende Folgen für die wirtschaftliche Lebensstellung (der Antragstellerin). Die vor der Fortsetzung der Ausbildung
ausgeübte Tätigkeit als Zimmermädchen in einem Hotel, die regelmäßig mit Nettoeinkünften von circa 800 - 900 € monatlich verbunden ist, belegt, dass die Tochter des Antragsgegners auch mit einer
vollschichtigen Erwerbstätigkeit ihren notwendigen Lebensbedarf dauerhaft kaum sicherstellen konnte. Schließlich bleibt festzustellen, dass (die Antragstellerin) ihre Berufsausbildung seit dem Jahre
2005 offensichtlich mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit fortsetzt."
OLG Koblenz, 6.4.2011, 13 AF 88/11
Der BGH bestätigte die Entscheidung am 3. Juli 2013:
Bewerber mit schwachem Schulabgangszeugnis seien verstärkt darauf angewiesen, durch Motivation und Interesse an dem Berufsbild
zu überzeugen. Dies könne auch durch vorgeschaltete Berufsorientierungspraktika oder mittels eines Einstiegs über eine (zunächst) ungelernte Aushilfstätigkeit gelingen. Die Aufnahme solcher
vorgelagerter Beschäftigungsverhältnisse bedeute daher jedenfalls dann keine nachhaltige Obliegenheitsverletzung, wenn sie in dem Bemühen um das Erlangen eines Ausbildungsplatzes
geschehe.
8.3.2017:
Der BGH hatte Gelegenheit, seine Rechtsprechung zum Ausbildungsunterhalt in den so genannten Abitur-Lehre-Studium-Fällen dem veränderten Ausbildungsverhalten von jungen Erwachsenen anzupassen (hier: Banklehre - Lehramtsstudium).
Mehr dazu hier
Abitur – Schwangerschaft – Kinderbetreuungszeit - Studium:
Sind die Eltern dann noch unterhaltspflichtig?
Der Unterhaltsberechtigte verliert den Ausbildungsunterhaltsanspruch gegenüber seinen Eltern nicht deshalb, weil er infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kindesbetreuung seine Ausbildung verzögert beginnt. Das gilt jedenfalls insoweit, als der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung einer angemessenen Übergangszeit - aufnimmt.
Der Fall:
Die 1981 geborene Klägerin begehrt von ihrem Vater Ausbildungsunterhalt für ihr Studium an einer Fachhochschule.
Ihr Lebenslauf: 2001 Abitur, bis 07/2002 freiwilliges soziales Jahr, 01/2033 Geburt eines nichtehelichen Kindes, bis 09/2006 Betreuung dieses Kindes, 10/2006 bis 08/2009 Studium der Sozialpädagogik.
Vom Vater des Kindes erhält die Klägerin für sich keinen Unterhalt.
Das Amtsgericht hat die Unterhaltsklage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht der Klage teilweise stattgegeben und Unterhalt im Rahmen der Leistungsfähigkeit des Vaters ausgeurteilt.
Der BGH bestätigte das OLG:
Zu Recht ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Klägerin gegen den Beklagten einen Ausbildungsunterhaltsanspruch nach §§ 1601 , 1610 Abs. 2 BGB hat.
Gemäß § 1610 Abs. 2 BGB umfasst der Unterhalt den gesamten Lebensbedarf einschließlich der Kosten einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf.
Nach der Rechtsprechung des Senats ist der aus § 1610 Abs. 2 BGB folgende Anspruch eines Kindes auf Finanzierung einer angemessenen, seiner Begabung, Neigung und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt (Senatsurteil vom 4. März 1998 XII ZR 173/96 - FamRZ 1998, 671). Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners auf Ermöglichung einer Berufsausbildung steht auf Seiten des Unterhaltsberechtigten die Obliegenheit gegenüber, sie mit Fleiß und der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerung der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes leichteres Versagen des Kindes zurückzuführen sind. Verletzt dieses aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt es seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (Senatsurteil vom 4. März 1998 - XII ZR 173/96 - FamRZ 1998, 671).
Aus dem Gegenseitigkeitsverhältnis folgt auch die Obliegenheit des Kindes, die Ausbildung in angemessener Zeit aufzunehmen. Auch ein Schulabgänger muss auf die Belange des Unterhaltspflichtigen Rücksicht nehmen und sich in angemessener Zeit darüber klar werden, welche Ausbildungsmöglichkeiten ihm nach seinem jeweiligen Schulabschluss zur Verfügung stehen. Er muss sich alsbald um einen entsprechenden Ausbildungsplatz bemühen und die Ausbildung zielstrebig angehen. Zwar ist einem jungen Menschen eine gewisse Orientierungsphase zuzugestehen, deren Dauer von Fall zu Fall unterschiedlich ist und sich jeweils nach Alter, Entwicklungsstand und den gesamten Lebensumständen des Auszubildenden richtet. Je älter er indessen bei Schulabgang ist und je eigenständiger er seine Lebensverhältnisse gestaltet, desto mehr tritt an die Stelle der Elternverantwortung die Eigenverantwortung für seinen Berufs- und Lebensweg.
Selbst wenn er bisher noch keine Berufsausbildung erfahren hat, kann eine lange Verzögerung dazu führen, dass sein Ausbildungsanspruch entfällt und er sich daher seinen Lebensunterhalt mit ungelernten Tätigkeiten oder aufgrund sonstiger Begabung und Fertigkeiten verdienen muss. § 1610 Abs. 2 BGB mutet den Eltern nicht zu, sich gegebenenfalls nach Ablauf mehrerer Jahre, in denen sie nach den schulischen Ergebnissen und dem bisherigen Werdegang des Kindes nicht mehr mit der Nachholung der Hochschulreife und der Aufnahme eines Studiums rechnen mussten, einen Ausbildungsanspruch des Kindes ausgesetzt zu sehen. Dabei fällt auch ins Gewicht, dass es sich um Zeiträume handelt, in denen steuerliche Erleichterungen, Kindergeld oder kindbezogene Gehaltsbestandteile aufgrund des fortgeschrittenen Alters des Kindes unabhängig von seinem Ausbildungsstand wegfallen (Senatsurteil vom 4. März 1998 - XII ZR 173/96 - FamRZ 1998, 671 , 672).
Allerdings gibt es keine feste Altersgrenze für die Aufnahme einer Ausbildung, ab deren Erreichen der Anspruch auf Ausbildungsunterhalt entfällt (OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181). Die Frage, bis wann es dem Unterhaltsberechtigten obliegt, seine Ausbildung aufzunehmen, richtet sich vielmehr nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. Senatsurteil vom 4. März 1998 XII ZR 173/96 - FamRZ 1998, 671 , 672). Maßgeblich ist, ob den Eltern unter Berücksichtigung aller Einzellfallumstände die Leistung von Ausbildungsunterhalt in den Grenzen ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit noch zumutbar ist.
Subjektive Beeinträchtigungen des Unterhaltsberechtigten, die diesem nicht vorwerfbar sind, wie etwa eine psychische Erkrankung, können eine verzögerte Aufnahme des Studiums rechtfertigen (vgl. OLG Stuttgart FamRZ 1996, 181 , 182; Göppinger/Wax/Macco Unterhaltsrecht 9. Aufl. Rn. 361; Ehinger/Griesche/Rasch/Ehinger Handbuch Unterhaltsrecht 6. Aufl. Rn. 192).
Ebenso fehlt es an einer Obliegenheitsverletzung, wenn der Unterhaltsberechtigte infolge einer Schwangerschaft und der anschließenden Kindesbetreuung - wie hier - seine Ausbildung verzögert beginnt. Dies gilt jedenfalls insoweit, als der Unterhaltsberechtigte seine Ausbildung nach Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes - gegebenenfalls unter zusätzlicher Berücksichtigung einer angemessenen Übergangszeit - aufnimmt. Wie es sich verhält, wenn sich die Aufnahme der Ausbildung deshalb deutlich länger hinzieht, weil der Unterhaltsberechtigte mehrere Kinder betreut, kann hier dahinstehen.
Der Senat hat zum Betreuungsunterhaltsanspruch u.a. aus § 1615 l BGB entschieden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des Basisunterhalts bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres nach § 1615 l BGB dem betreuenden Elternteil die freie Entscheidung eingeräumt hat, ob er das Kind in dessen ersten drei Lebensjahren in vollem Umfang selbst betreuen oder andere Betreuungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen will (Senatsurteil vom 13. Januar 2010 - XII ZR 123/08 - FamRZ 2010, 444 Rn. 25 mwN). Die bürgerlichrechtliche Wertung der Unterhaltsansprüche korrespondiert mit weiteren sozial- und sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften, in denen die Vollendung des dritten Lebensjahres durch das Kind besondere Bedeutung erlangt. Nach § 24 Abs. 1 SGB VIII steht einem Kind von der Vollendung des dritten Lebensjahres an ein gesetzlich garantierter Kindergartenplatz zu. § 15 BEEG (zuvor § 15 BErzGG) räumt den Eltern Elternzeit bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes ein. Bis dahin werden nach § 56 SGB VI Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet (vgl. Senatsurteile BGHZ 168, 245 = FamRZ 2006, 1362 , 1365 und BGHZ 161, 124 = FamRZ 2005, 347 , 348 f.). Aus alledem folgt die gesetzliche Wertung, dass es dem erziehungsberechtigten Elternteil in den ersten drei Lebensjahren des Kindes möglich sein muss, die Pflege und Erziehung des Kindes sicherzustellen, ohne daran durch eine eigene Erwerbstätigkeit gehindert zu sein; insoweit ist eine persönliche Betreuung durch einen Elternteil regelmäßig geboten (vgl. BGHZ 168, 245 = FamRZ 2006, 1362 , 1364).
Diese vom Gesetzgeber im Rahmen seiner Einschätzungskompetenz (s. BVerfG FamRZ 2007, 965 , 972) liegende Grundentscheidung gilt nicht nur im Verhältnis des unterhaltsberechtigten zum unterhaltsverpflichteten Elternteil (§ 1615 l BGB bzw. § 1570 BGB ), sondern strahlt auch auf das Unterhaltsrechtsverhältnis zwischen dem Unterhaltsberechtigten und seinen unterhaltspflichtigen Eltern aus. Der Senat hat bereits im Jahr 1984 entschieden, dass das Gesetz in § 1615 l BGB einen Anhaltspunkt dafür gibt, ob und unter welchen Umständen ein erwachsener Abkömmling wegen der Betreuung eines Kindes von der Erwerbsobliegenheit freigestellt ist, der er seinen Eltern gegenüber gemäß § 1602 Abs. 1 BGB grundsätzlich unterliegt (Senatsurteil vom 6. Dezember 1984 - IV b ZR 53/83 - FamRZ 1985, 273 , 274; s. auch NK-BGB/ Schilling 2. Aufl. § 1615 l Rn. 33 mwN).
Vorliegend ist jedoch nicht über den - im Wege der Ersatzhaftung zum Tragen kommenden - Unterhaltsanspruch der Mutter gegenüber ihren eigenen Eltern nach §§ 1615 l Abs. 3 Satz 1, 1607 Abs. 1 BGB wegen Kindesbetreuung zu entscheiden. Die streitgegenständliche Fallkonstellation verhält sich allein zu der Frage, ob die Mutter wegen der verzögerten Aufnahme ihrer Ausbildung einen an sich ohnehin geschuldeten, nunmehr lediglich zeitlich versetzten Anspruch auf Ausbildungsunterhalt verliert. Diese Frage ist zu verneinen. Denn jedenfalls fehlt es in Anbetracht des oben Gesagten an einer Obliegenheitsverletzung, wenn sich das unterhaltsberechtigte Kind bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres der Kindesbetreuung eines eigenen Kindes widmet, anstatt eine Ausbildung aufzunehmen (vgl. auch OLG Koblenz FamRZ 2004, 1892 zum Fall der Ausbildungsunterbrechung).
Den vorstehenden Grundsätzen wird das Berufungsurteil gerecht.
Die Klägerin hat 1981 ihr Abitur gemacht und anschließend ein freiwilliges soziales Jahr absolviert. Letzteres ist ihr im Rahmen einer Orientierungsphase zuzugestehen. Dass die Klägerin vor der Aufnahme ihrer Ausbildung schwanger geworden ist und anschließend ihr Kind betreut hat, ist ihr - wie oben dargetan - unterhaltsrechtlich nicht vorzuwerfen. Zwar hat die Klägerin nicht sofort nach Vollendung des dritten Lebensjahres ihres Kindes mit ihrem Studium begonnen, sondern erst im Oktober 2006. Dass das Berufungsgericht ihr insoweit eine Übergangszeit zugestanden hat, liegt indes im tatrichterlichen Ermessen und ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Dass der ausgeurteilte Unterhalt den Beklagten unzumutbar belasten könnte, ist vor dem Hintergrund der tatrichterlich getroffenen Feststellungen auch unter Berücksichtigung des Wegfalls der mit der Ausbildung einhergehenden und dem Beklagten zukommenden Zuwendungen und dem relativ langen Zeitraum bis zur Aufnahme des Studiums nicht ersichtlich. Es handelt sich um die erste Ausbildung der Klägerin, die der Beklagte zu finanzieren hat; zudem muss der Beklagte vergleichsweise niedrige Beträge für einen relativ kurzen Zeitraum zahlen.
Schließlich ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und von der Revision im Übrigen auch nicht gerügt, dass das Berufungsgericht eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1611 BGB abgelehnt hat (vgl. dazu auch Senatsurteil vom 25. Januar 1995 - XII ZR 240/93 - FamRZ 1995, 475 , 476).
Der Anspruch der Klägerin entfällt nicht deswegen, weil sie dem Beklagten seit geraumer Zeit den Kontakt - auch mit dem Kind - verweigert habe. Allein ein solches Verhalten begründe eine Verwirkung des Unterhaltsanspruchs nach § 1611 BGB nicht. Die Verweigerung des Kontakts zum unterhaltspflichtigen Elternteil durch ein volljähriges Kind sei zumeist, wie auch hier, eine Folge der Belastung, die das Kind durch den Trennungs- und Scheidungskonflikt erfahren und noch nicht verarbeitet habe. Dass es der Klägerin noch nicht gelungen sei, ihre Beziehung zum Beklagten zu normalisieren, reiche nicht aus, den Beklagten von seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht zu entbinden, zumal der Beitrag, zu dem ihn das Berufungsgericht verurteilt habe, vergleichsweise moderat sei.
BGH, Urteil vom 29.06.2011 - Aktenzeichen XII ZR 127/09
Der Fall:
Eltern trennten sich, vereinbarten per Gerichtsvergleich einen Trennungsunterhalt. Der Vater verdiente sehr gut. Eines der Kinder war schon volljährig und hatte zum Zeitpunkt des Vergleiches gerade keinen Unterhaltsanspruch (stipendiumfinanziertes Praktikum nach dem Bachelor-Abschluss), weshalb ihr Bedarf nicht Gegenstand des Unterhaltsvergleiches war. Es stand aber fest, dass sie danach das Masterstudium aufnehmen wollte. Für dieses Masterstudium verweigerte der Vater den Studentenunterhalt, weil er aufgrund des Trennungsunterhaltes (knapp 2.400 € mtl.) nicht leistungsfähig und die Ehefrau vorrangig sei.
Anspruchsteller war die BAföG-Behörde, die in Vorausleistung ging.
Argumentation des Anspruchstellers:
Der Trennungsunterhalt kann nicht in der titulierten Höhe, sondern allenfalls in der gesetzlich geschuldeten Höhe berücksichtigt werden. Bei der Ermittlung der Höhe des gesetzlichen Trennungsunterhaltsanspruchs ist der Unterhaltsanspruch der Tochter als Abzugsposition zu berücksichtigen, da er die ehelichen Lebensverhältnisse der Eltern geprägt hat. Daher wäre der Vater leistungsfähig gewesen, wenn er sich um Abänderung des Vergleiches bemüht hätte.
Argumentation des Vaters:
Zwischen dem Bachelorstudium und dem Masterstudium fehlt durch das Praktikum der enge zeitliche Zusammenhang.
Hilfsweise: Weil die Studentin dadurch zwischenzeitlich 25 Jahre alt wurde und ihr Kindergeld entfiel, müsse dies fiktiv angerechnet werden.
Äußerst hilfsweise: die Tochter ist nachrangig nach der getrennt lebenden Ehefrau und den minderjährigen Kindern unterhaltsberechtigt.
Eine Pflicht zur Durchführung eines unterhaltsrechtlichen Abänderungsverfahrens im Hinblick auf den geschlossenen Unterhaltsvergleich gebe es nicht. Er habe erst später Abänderung beantragt, worüber noch nicht entschieden sei.
Die Beteiligten stritten über die Höhe des Haftungsanteiles der Mutter, die aus eigenem Einkommen – ohne den Trennungsunterhalt – nicht leistungsfähig war und deshalb von der BAföG -Behörde nicht in Regress genommen worden war.
Vor dem Familiengericht Reinbek bekam der Vater Recht, vor dem OLG Schleswig-Holstein nicht.
Aus den Gründen:
Zutreffend hat das Familiengericht in der angefochtenen Entscheidung festgestellt, dass das Masterstudium noch zur Ausbildung der Tochter gehört und der Antragsgegner daher grundsätzlich verpflichtet ist, bis zum Masterabschluss Ausbildungsunterhalt zu zahlen. Das Praktikumsjahr im Ausland hat nicht zu einer übermäßigen Verzögerung der Ausbildung geführt. Insbesondere wäre der Antragsgegner trotz Wegfalls des Kindesgeldes für den streiterheblichen Zeitraum der Tochter unterhaltspflichtig gewesen, wenn sie das Masterstudium unmittelbar nach dem Bachelorabschluss aufgenommen hätte. Denn das Masterstudium umfasst jedenfalls zwei Jahre.
Der Antragsgegner ist zur Zahlung des geltend gemachten Unterhaltsanspruchs auch als leistungsfähig anzusehen.
Unbestritten hat der Antragsgegner im Jahr 2012 über ein unterhaltsrechtlich relevantes Einkommen von 5.421 € und im Jahr 2013 von 4.762 € verfügt. (…)
Der Antragsgegner kann sich nicht darauf berufen, dass er nach dem Unterhaltsvergleich vom 24. Oktober 2011 verpflichtet war, an die minderjährigen Kinder Unterhalt in Höhe von insgesamt 1.569 € und Trennungsunterhalt an die Mutter der studierenden Tochter von 2.360 € (also insgesamt 3.929 €) zu
zahlen.
Abgesehen davon, dass ihm — auch ohne die Ansprüche der Studentin — jedenfalls ab Januar 2013 nach Zahlung des titulierten Unterhalts weniger als der ihm zustehende Selbstbehalt verblieb, oblag es ihm, das anhängige Abänderungsverfahren auch auf den hier streiterheblichen Zeitraum zu erstrecken.
Die Antragstellerin hat unbestritten vorgetragen, dass der Antragsgegner Kenntnis von den Plänen seiner Tochter hatte, nach dem Praktikumsjahr im Ausland ihre Ausbildung mit dem Masterstudium fortzusetzen. Dass die Tochter ihre Pläne in die Tat umsetzen wollte, war dem Antragsgegner spätestens durch das Schreiben der Antragstellerin vom 25. Juli 2012 bekannt, in dem die Antragstellerin mitteilte, dass die Tochter BAföG für ihr Studium beantragt hatte, und ihn zur Auskunft über sein Einkommen aufforderte.
Ein Titel, den die Eltern untereinander über den Ehegattenunterhalt erwirkt haben, bindet das unterhaltsberechtigte Kind nicht. Der Unterhalt ist so zu berechnen, als ob ein Titel nicht bestünde und über alle Ansprüche zugleich entschieden würde (Klinkhammer in Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl. 2015, S 2 Rn. 252).
Dabei kann dahinstehen, ob und in welchem Umfang Unterhaltszahlungen des Antragsgegners an die Mutter der Studentin als Einkommen anzusehen ist, und zwar sowohl zivilrechtlich als auch im Sinne der förderungsrechtlichen Regelungen im BAföG. Zivilrechtlich sind grundsätzlich Unterhaltsleistungen, die ein Elternteil von einem Dritten erhält, Einkünfte und daher für den Unterhalt von Kindern zu verwenden (Wendel/Dose, a.a.O. S 2 Rn. 247). Denn die Antragstellerin macht von dem Gesamtbetrag von monatlich 671 €, den sie an die Studentin geleistet hat, gegen den Antragsgegner nur einen monatlichen Teilbetrag von 243,88 € geltend. Die vom Antragsgegner geltend gemachte Berücksichtigung des Einkommens der Kindesmutter, zu dem auch der von ihm gezahlte Trennungsunterhalt zu rechnen sei, und damit eine Veränderung der auf ihn entfallenden Haftungsquote würde sich deshalb im Ergebnis nicht auswirken. Ansprüche sind nur insoweit auf die Antragstellerin übergegangen, als sie der Studentin gegen den Vater zivilrechtlich zugestanden haben
OLG Schleswig, 27.03.2018 – 10 UF 172/17
Die Anwältin hatte zunächst den Ehemann im Scheidungsverfahren gegen seine Ehefrau vertreten, dabei ging es auch um Zugewinn.
Sie nahm dann auch noch den Sohn der Eheleute als Mandanten an, der Volljährigenunterhalt begehrte, und verklagte die Mutter.
Als die Rechtsanwaltskammer hiervon erfuhr, erteilte sie der Anwältin unter Berufung auf § 43 a IV BRAO einen belehrenden Hinweis, dass die Anwältin hier widerstreitende Interessen vertrete (Interessenkollision). Die Sache kam bis zum BGH, so dass der BGH Gelegenheit zu grundsätzlichen Ausführungen zur Interessenkollision in Familiensachen hatte:
„Im rechtlichen Ausgangspunkt stehen die Interessen eines unterhaltsberechtigten volljährigen Kindes im Widerspruch zu denjenigen seiner Eltern, die beide Unterhalt schulden und gemäß § 1606 Abs. 3 Satz 1 BGB anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Ein Rechtsanwalt darf deshalb nicht zugleich die unterhaltspflichtigen Eltern bei der Abwehr des Anspruchs und das unterhaltsberechtigte Kind bei dessen Durchsetzung vertreten. (…) Ein Anwalt, der ein volljähriges Kind bei der Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen berät, muss darauf hinweisen, dass sich der Anspruch gegen beide Elternteile richtet. Vertritt der Anwalt bereits einen Elternteil im Rahmen einer unterhalts- oder ehegüterrechtlichen Auseinandersetzung, ist schon dieser Hinweis geeignet, dessen Interessen zu beeinträchtigen. Wenn und soweit sich die Höhe des Unterhaltsanspruchs des volljährigen Kindes nach den zusammengerechneten Einkommen beider Eltern richtet, kann das Interesse des Kindes überdies darauf gerichtet sein, ein möglichst hohes Einkommen auch desjenigen Elternteils nachzuweisen, dessen Vertretung der Anwalt bereits übernommen hatte und dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse dieser daher kennt. Auch dies schließt eine gemeinsame Vertretung eines Elternteils und des volljährigen Kindes im Rahmen des Kindesunterhalts grundsätzlich aus.“
Im BGH-Fall lag trotzdem – ganz ausnahmsweise – kein Verstoß gegen die BRAO vor. Die Besonderheit hier war, dass der Vater bis dahin allein für den Unterhalt seines Sohnes aufkam und bereit war, dies unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits weiterhin zu tun.
BGH Urteil vom 23.04.2012 - AnwZ(Brfg) 35/11
Dennoch ist keinem Anwalt zu empfehlen, solche doppelten Mandate
anzunehmen. Es ist jedenfalls "unsauber".
Auslandserfahrung wird im Job groß geschrieben, und nicht nur aus diesem Grund zieht es Studenten gern ins Ausland. Lebten die Eltern des Kindes getrennt, ist häufig ein Elternteil vor dieser Entscheidung nicht beratend beigezogen worden. Muss er trotzdem die Mehrkosten mittragen?
Das Kammergericht (entspricht in Berlin der Beschwerdeinstanz wie hier das OLG), hat unter 17 WF 232/12 entschieden: Ist zwischen Eltern und Kind abgesprochen, dass das Kind im Ausland studieren
darf, müssen die Eltern die Kosten übernehmen.
Gibt es eine solche Absprache nicht, müssen die Eltern die Mehrkosten nur übernehmen, wenn ihnen die finanzielle Mehrbelastung wirtschaftlich zumutbar ist, wenn der Auslandsaufenthalt sachlich
begründet und sinnvoll ist, um das angestrebte Ausbildungsziel zu erreichen und wenn der zusätzliche Unterhaltsbedarf unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles insgesamt angemessen ist.
Ähnliche Entscheidungen: BGH, FamRZ 1992, 1064, OLG Karlsruhe, FamRZ 2011,1303; OLG Dresden, 21 UF 619/05 und Amtsgericht Köln, FamRZ 2002,482.
Im Ausgangspunkt hat jedes Kind grundsätzlich Anspruch auf eine Berufsausbildung; das gilt insbesondere für die hier vorliegende Erstausbildung. Der Ausbildungsanspruch kann daher nur dann versagt
werden, wenn das Kind nachhaltig über einen längeren Zeitraum seine Ausbildungsobliegenheit verletzt und den Eltern - nach deren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen - weitere
Unterhaltsleistungen nicht mehr zugemutet werden können. Danach hat ein Kind, das nach dem Schulabschluss nicht sogleich eine Ausbildung begonnen hat, um beispielsweise zur "Selbstfindung" eine
Weltreise zu unternehmen, mangels Bedürftigkeit zunächst keinen Unterhaltsanspruch. Es ist vielmehr darauf zu verweisen, seinen Bedarf durch eigene (ungelernte) Arbeit oder aus eigenem Vermögen zu
decken. Dadurch verliert das Kind aber nicht ohne weiteres den Anspruch auf eine (dann später noch begonnene) angemessene Ausbildung. So kann auch ein 24-jähriges Kind jedenfalls dann eine Ausbildung
oder ein Studium beginnen, wenn die Eltern unter Abwägung aller Umstände noch damit rechnen mussten, auf Unterhalt in Anspruch genommen zu werden.
OLG Hamm 7 UF 166/12, Beschluss vom 5.2.2013, OLG-Pressemitteilung
Ist das Kind schon volljährig, aber noch nicht 21, und wohnt noch bei einem der Eltern, dann ist es für alle Beteiligten ein wichtiger Unterschied, ob es sich noch in der allgemeinen Schulausbildung befindet. Es wäre dann nämlich „privilegiert“ und mancher Schutz aus der Minderjährigkeit gilt dann fort. Einfach zu beantworten ist dies bei den Kindern, die in der gymnasialen Oberstufe auf ihr Abitur hinstreben – das ist „allgemeine Schulausbildung“.
Der Fall des OLG Hamm:
Das Kind war schon 20 und hatte einige Jahre zuvor die Hauptschule ohne Abschluss verlassen. Sie strebte eine Berufsausbildung zur Altenpflegerin an. Um ihre Einstellungschance auf einen Ausbildungsplatz zu verbessern, befand sie sich in einer schulischen berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme mit dem Ziel, einen Schulabschluss nachzuholen.
Die Mutter sollte Unterhalt zahlen. Sie verdiente nicht viel, so dass es darauf ankam, ob sie gesteigert unterhaltspflichtig war. Dann nämlich hätte man ihr evtl. noch einen zusätzlichen Minijob zugemutet und ihr eigener Selbstbehalt wäre kleiner gewesen.
Das OLG beurteilte diese Ausbildungsphase des Kindes als Kurs zur beruflichen Integration. Inhalte und Ziel der Maßnahme seien die berufliche Orientierung und Vorbereitung, quasi die Herstellung der Ausbildungsfähigkeit. Das sei nicht gleichzusetzen mit einer allgemeinen Schulausbildung, die primär einen Schulabschluss bezweckt.
Damit traf die Mutter keine „gesteigerte Unterhaltspflicht“.
Weil sie zu wenig verdiente, um den höheren Selbstbehalt gegenüber dem nicht-privilegierten Kind zu überschreiten, war die Mutter nicht leistungsfähig.
OLG Hamm 2 WF 144/14, Beschluss vom 3.12.2014
Einer gestuften Ausbildung (Fallgruppe Lehre-Abitur-Studium) fehlt es am sachlichen Zusammenhang, wenn im Anschluss an eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann mit Weiterbildung zum Handelsassistenten
im Möbelhandel ein Studium zum Wirtschaftsingenieur im Schwerpunkt Elektrotechnik folgt. Aber selbst wenn die Voraussetzungen für eine gestufte Ausbildung oder eine Zweitausbildung aus persönlichen
Gründen nicht vorliegen, kann sich ein Anspruch auf Ausbildungsunterhalt ergeben, wenn bislang eine angemessene Ausbildung noch nicht gewährt worden ist.
OLG Celle 17 UF 17/13, Beschluss vom 18.04.2013
OLG Hamm: Anspruch der Azubis entfällt schon zum 1. eines Monats
Übersteigt die Ausbildungsvergütung den Kindesunterhaltsanspruch, entfällt dieser mit Beginn des Monats, in dem der Minderjährige seine Ausbildung anfängt, auch wenn die erste Vergütung nachschüssig erst im Laufe des Monats gezahlt wird.
Beginnen Kinder eine Ausbildung, fallen Arbeitsbeginn und der Zeitpunkt der ersten Vergütungszahlung oft auseinander. Das OLG Hamm hat nun entschieden, dass sich Kinder nicht darauf berufen können, die Ausbildungsvergütung werde ja erst zum Monatsende gezahlt und daher sei der bereits zu Beginn des Monats fällige Unterhaltsanspruch noch wirksam.
Wird allerdings die erste Ausbildungsvergütung dem Kind erst im Folgemonat ausgezahlt, bleibt der Kindesunterhaltsanspruch im Monat der Arbeitsaufnahme in voller Höhe bestehen.
>Vorliegend ist die Ausbildungsvergütung der Antragsgegnerin ausweislich der mit dem Schriftsatz vom 10.12.2012 überreichten Kopien der Verdienstabrechnung und des Kontoauszuges für den Monat August 2012 nachschüssig am 14.08.2012 ausgezahlt worden, stand also zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs gemäß § 1602 Abs. 1 BGB im Monat August 2012 im Sinne der obigen Rechtsansicht nach dem "In-Prinzip" faktisch zur Verfügung. Dementsprechend entfällt vorliegend bereits ab dem Monat August 2012 wegen eines nach der Errichtung des Titels (Jugendamtsurkunde vom 11.10.2007) liegenden Ereignisses die Kindesunterhaltspflicht des Antragstellers, sodass ihm eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch im Sinne des § 767 Abs. 1 und 2 ZPO zur Seite steht.<
OLG Hamm, Beschluss vom 08.01.2013 - 3 UF 245/12
Es kommt also immer darauf an, was das Kind zwischen Schule und Ausbildung mit seiner Zeit anfängt. Alles, was der beruflichen Orientierung oder der Verbesserung der Chancen, einen Ausbildungsplatz zu finden, ist nicht unterhaltsschädlich. Insbesondere Bewerber mit schwachen Schulzeugnissen oder einer schwierigen Entwicklung (Scheidungskinder?) verletzten ihre Obliegenheit nicht, wenn sie durch Jobs und Praktika versuchen, Erfahrungen zu sammeln, die den künftigen Lehrherren überzeugen sollen. So war es im Fall vor dem BGH gegeben (Beschl. v. 03.07.2013, Az. XII ZB 220/12). Berufsvorbereitende Lehrgänge gelte da erst recht. Fraglich ist hingegen, ob „Reisen zur Selbstfindung“ unterhaltsrelevant sind. Das Kind, dass das beabsichtigt, sollte Einvernehmen mit den Eltern herstellen, die seine anschließende Ausbildung bezahlen sollen.
Schüler und Studenten schulden nur den Fleiß für ihren Abschluss. Wenn sie nebenbei noch ihr Taschengeld durch Jobs aufpeppen, ist das überobligatorisch, wird also nicht angerechnet. Dabei sind natürlich Ausnahmefälle denkbar, z.B. der Gymnasiast, der durch Gründung einer Internetfirma schon mehr verdient als sein Vater.
Auszubildende müssen ihr Einkommen allerdings anrechnen lassen - nach Abzug von Fahrtkosten und einer Ausbildungspauschale (Höhe steht in den jeweiligen OLG-Leitlinien).
Wenn volljährige Kinder eigenes Vermögen haben, müssen sie davon ihren Unterhalt selbst bezahlen.
Das kann besonders ärgerlich sein, wenn das Vermögen z.B. von den Großeltern erspart und zum 18. Geburtstag geschenkt worden ist - aber nicht, um den geschiedenen Schwiegersohn von seiner
Unterhaltspflicht zu entlasten. So kann es aber kommen!
Das OLG Zweibrücken entschied über eine 21jährige Studentin mit Eigentumswohnung und 56.000€.
Beide Instanzen (AG und OLG) verneinten einen Unterhaltsanspruch der Tochter gegen ihren Vater. Volljährige Kinder, die in der Ausbildung sind und über ein Vermögen verfügen, müssten grundsätzlich
dieses für ihren Lebensunterhalt einsetzen. Sie dürfen dieses Vermögen auch nicht anderweitig verbrauchen.
Als Schonbetrag hielt das Gericht 5.000 Euro für angemessen. Das darüber hinaus gehende Vermögen der Tochter müsste danach voraussichtlich noch für zweieinhalb bis drei Jahre reichen. So lange
brauche der Vater keinen Unterhalt zu zahlen.
Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 16.10.2015, 2 UF 107/15
OLG Hamm: Mit dem ersten Ausbildungsmonat wird das Gehalt schon angerechnet
Gehälter werden zumeist im Nachhinein gezahlt. Das wird für Azubis zum praktischen Problem, denn beim Unterhalt gilt das In-Prinzip:
>> Vorliegend ist die Ausbildungsvergütung der Antragsgegnerin ausweislich der mit dem Schriftsatz vom 10.12.2012 überreichten Kopien der Verdienstabrechnung und des Kontoauszuges für den Monat August 2012 nachschüssig am 14.08.2012 ausgezahlt worden, stand also zur Deckung des allgemeinen Lebensbedarfs gemäß § 1602 Abs. 1 BGB im Monat August 2012 im Sinne der obigen Rechtsansicht nach dem "In-Prinzip" faktisch zur Verfügung. Dementsprechend entfällt vorliegend bereits ab dem Monat August 2012 wegen eines nach der Errichtung des Titels (Jugendamtsurkunde vom 11.10.2007) liegenden Ereignisses die Kindesunterhaltspflicht des Antragstellers, sodass ihm eine Einwendung gegen den titulierten Anspruch im Sinne des § 767 Abs. 1 und 2 ZPO zur Seite steht.<<
Volljährige Kinder müssen selbst für ihren Unterhalt sorgen. Das ist zunächst der Grundsatz. Davon gibt es aber eine wichtige Ausnahme: Während sie sich in der Ausbildung zu einem Beruf befinden – z.B. im Studium – gilt das nicht. In der Wartezeit darauf, typischerweise drei Monate, können die Eltern zumindest einen Beitrag zum eigenen Unterhalt z.B. in Form eines 400-Euro-Jobs verlangen.
Wer nicht schon im Herbst an die Uni will, sonder erstmal „chillen“, der muss sich bei seinen Eltern rückversichern, dass sie das finanziell mittragen, denn einen Anspruch gegen die Eltern auf eine solche Auszeit nach dem Abi gibt es nicht.
Hat dann das Studium begonnen, dürfen die Eltern keine Mitarbeit des Kindes erwarten. Im Gegenteil: Das Kind ist verpflichtet, zügig zu studieren – da ist Erwerbstätigkeit eher hinderlich.
Arbeitet das Kind dennoch, kann in besonders gelagerten Einzelfällen eine Anrechnung in Betracht kommen.
Das OLG Hamm hat im Rahmen der Billigkeitsabwägung entsprechend § 1577 Abs. 2 S. 2 BGB für relevant gehalten, dass der Student noch zuhause (= bei dem anderen Elternteil) wohnt. Denn dadurch hat
er einen im Zweifel geringeren Lebenshaltungsaufwand als ein Student mit eigenem Studienortwohnsitz, während sein konkreter Bedarfssatz nach der Düsseldorfer Tabelle aufgrund der hohen maßgeblichen
Einkommensgruppe jedoch höher war als der Regelsatz von 670 Euro für einen auswärts wohnenden Studenten.
Az II-14 UF 165/12, Beschluss vom 10.09.2012
Kein Mitspracherecht haben Eltern übrigens bei der Wahl des Studienfaches. Alles, was Fähigkeiten, Interessen und Leistungsbereitschaft des Kindes entspricht, müssen die Eltern finanzieren – wenn sie es können. Wenn nicht, sollte ein Antrag auf BAFöG gestellt werden.
Stellt sich rasch heraus, dass die Studienwahl doch nicht passt, müssen die Eltern auch den Zeitverlust durch einen Fachwechsel hinnehmen.
Der Anspruch gegen die Eltern endet grundsätzlich mit der Regelstudienzeit. Allerdings wird mit diesem Grundsatz insgesamt etwas großzügiger umgegangen als im BAFöG-Recht.
Die Höhe des Anspruches ist in der sogenannten „Düsseldorfer Tabelle“ mit 670 € festgelegt. Die evtl. private Krankenversicherung kommt hinzu, ebenso evtl. Studiengebühren. Das ist die Untergrenze, die im Einzelfall höher begründet werden kann.
Besondere Bedeutung hat diese ganze Rechnerei, wenn die Eltern getrennt sind, also nicht aus einer gemeinsamen Kasse den Unterhalt zahlen. Das Ergebnis ist dann dasselbe wie oben, nämlich im Grundsatz 670 € plus Krankenversicherung plus Studiengebühren, aber die Eltern müssen sich über ihre Beteiligung daran einigen, denn halbe/halbe ist nicht passend, wenn die Eltern unterschiedlich viel verdienen. Jedem Elternteil müssen nach Abzug der sonstigen Verpflichtungen (z.B. Unterhalt für jüngere Geschwister) 1.150 € verbleiben. Das ist eine simple Dreisatzberechnung, an deren Ende die Quote steht, mit der jeder Elternteil dazu beiträgt. Streitpotential gibt`s dabei reichlich, wie immer, wenn Eltern getrennt sind und nicht mehr an einem Strang ziehen.
Nein. Da Kindesunterhalt für minderjährige und volljährige Kinder identisch ist, gilt der Titel fort (vgl. auch § 244 FamFG).
Der Unterhaltsschuldner muss also einen Abänderungsantrag stellen (bzw. sich vom Kind schriftlich zusichern lassen, dass es keine Rechte mehr aus dem Titel herleitet, am besten auch die vollstreckbare Ausfertigung herausgeben lassen). In einem Abänderungs-Verfahren muss das Kind darlegen und beweisen, dass der Unterhaltsanspruch fortbesteht. Dazu gehört insbesondere der schlüssige Vortrag, welcher Haftungsanteil auf den antragstellenden Elternteil entfällt, sodann muss das Kind zum Einkommen des anderen Elternteils vortragen. OLG Bremen v. 29.06.2011 - 4 WF 51/11.
OLG Hamm: "Ein aus § 242 BGB herzuleitender Auskunftsanspruch des gegenüber einem volljährigen Kind unterhaltspflichtigen Elternteils gegen den anderen Elternteil ist jedenfalls dann zu
verneinen, wenn das gemeinsame Kind bereits in die Auseinandersetzung der Eltern einbezogen ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der
auskunftbegehrende Elternteil ein (Unterhalts-) Abänderungsverfahren gegen das gemeinsame Kind eingeleitet hat."
Az II-6 UF 49/12, Beschluss vom 13.9.2012
BGH: Kein Auskunftsanspruch gegen einen Elternteil, wenn der andere Elternteil den vollen Ausbildungsunterhalt für das gemeinsame volljährige Kind zahlt und keinen
familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgt. "Leistet ein geschiedener Elternteil aus freien Stücken den vollen Ausbildungsunterhalt für sein volljähriges Kind, so ist er, solange er gegenüber
dem anderen Elternteil keinen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch verfolgt, diesem gegenüber nicht zur Auskunft über seine Einkünfte verpflichtet."
BGH v. 17.04.2013 – XII ZB 329/12
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Aktualisiert zuletzt am 6.4.2018
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