Deutschland ist eines der letzten europäischen Länder, in denen dem Vater nicht ab Geburt automatisch die Mitsorge zusteht, wenn er nicht verheiratet ist.
Ein deutsches unverheiratetes Paar wohnt in Eupen, Kelmis, Raeren oder Kerkrade - also im Ausland.
Ein Baby wird geboren. Es bekommt die deutsche Staatsangehörigkeit.
Nach welchem Recht beurteilt sich nun das Sorgerecht?
Die Brüssel IIa-Verordnung ist anzuwenden; mangels kollisionsrechtlicher Regelungen ist auf das Internationale Privatrecht am ständigen Wohnsitz / gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes abzustellen. Das IPR kann auf das Aufenthaltsrecht oder das Heimatrecht abstellen, das ist je nach Land zu prüfen.
Angenommen, das nun auf das Baby anzuwendende Recht ergibt eine natürliche Mitsorge des Vaters (anders als das deutsche Recht). In Belgien und Holland wäre dies der Fall.
Sobald das Kind nach dem Umzug nach Deutschland hier seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Achtung: Internationale Kindesentführung vermeiden), sind deutsche Gerichte zuständig für die Beurteilung des Sorgerechts.
Dabei war für möglich gehalten worden, dass der Vater seine Mitsorge durch den Umzug verliert.
Anders OLG Celle, Beschl. v. 04.06.2018 - 10 WF 86/18:
Nach Art 16 Abs. 3 KSÜ führt ein Aufenthaltswechsel des Kindes nicht zum Wegfall eines bestehenden Sorgerechts, vielmehr besteht es entsprechend dem Recht des früheren Aufenthaltsorts fort. Hierdurch sollen die Beteiligten vor überraschenden Folgen eines solchen Aufenthaltswechsels des Kindes geschützt werden.
Das auf die elterliche Verantwortung anzuwendende Recht bestimmt sich nach dem Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, die Vollstreckung und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 (fortan: KSÜ) und ist in Deutschland seit 01.01.2011 in Kraft. Es ist in zeitlicher Hinsicht auf Maßnahmen anzuwenden, die nach dem Inkrafttreten in einem Vertragsstaat getroffen werden sollen (Art. 53 Abs. 1 KSÜ).
Bei der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Kap. II des Übereinkommens wenden Gerichte ihr eigenes Recht an (Art. 15 Abs. 1 KSÜ), also deutsches Recht. Die Herstellung des gemeinsamen Sorgerechts (§ 1626a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB) setzt voraus, dass dem antragstellenden Elternteil die elterliche Sorge noch nicht zusteht.
Der Vater kann also kein Verfahren auf Herstellung der gemeinsamen elterlichen Sorge einleiten, denn diese steht ihm ja bereits zu.
Der unverheiratete Vater wird vor deutschen Behörden, in Schulen und bei Ärzten aber immer vor dem Problem stehen, dass er keine Sorgerechtserklärung nach § 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB vorweisen kann und dass ihm daher nicht geglaubt wird, dass er das gemeinsame Sorgerecht hat. Denn die genannten Ansprechparter werden nicht internationales Kollisionsrecht prüfen. Daher ist ihm nun anzuraten, vor dem deutschen Familiengericht ein Verfahren auf Feststellung der gemeinsamen Sorge zu führen. Dafür kann er auch VKH bekommen, so war es im Fall des OLG Celle.
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