Der unter anderem für das Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 28.2.2018 entschieden, dass ein Ehegatte die auf
seinen Partner laufende Vollkaskoversicherung für das Familienfahrzeug auch ohne dessen Vollmacht kündigen kann.
Der Fall:
Die Ehefrau war Versicherungsnehmerin, der Ehemann Halter des Familienautos. Der BMW war ursprünglich vollkaskoversichert. Der Ehemann kündigte die Vollkaskoversicherung. 10 Monate
später wurde das Auto bei einem selbst verschuldeten Unfall beschädigt. Daraufhin widerrief die Ehefrau die Kündigung der Vollkaskoversicherung.
Die Entscheidung des BGH:
Wie die beiden Vorinstanzen hat auch der BGH entschieden, dass der Sachverhalt unter § 1357 BGB fällt, den sog. Schlüsselgewalt-Paragraphen.
Aus dieser Vorschrift ist jeder Ehegatte berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit
Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen.
Früher war damit der Fall abgedeckt, dass die einkommenslose Hausfrau beim Bäcker oder Metzger anschreiben lassen konnte, obwohl sie ja selbst nicht kreditwürdig war, weil dieser
das Geld aufgrund § 1357 BGB vom Ehemann einfordern konnte.
Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt keine generelle gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten.
Die vom Ehegatten ausgesprochene Vertragskündigung kann aber gemäß § 1357 BGB wirksam sein. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass auch der Abschluss des
Versicherungsvertrags ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie darstellt. Das wiederum richtet sich nach dem individuellen Zuschnitt der Familie. Danach kann auch der
Abschluss einer Vollkaskoversicherung in den Anwendungsbereich des § 1357 Abs. 1 BGB fallen, sofern ein ausreichender Bezug zum Familienunterhalt
vorliegt.
Ein solcher Bezug ist nach den von den Instanzgerichten getroffenen Feststellungen hier gegeben. Bei dem versicherten Pkw handelt es sich um das einzige Fahrzeug der fünfköpfigen Familie. Hinzu kommt, dass der Pkw auf den Ehemann zugelassen war und sich die zu zahlenden Monatsprämien
für die Vollkaskoversicherung von rund 145 € bezogen auf die Bedarfsdeckung der Familie noch in einem angemessenen Rahmen bewegten, weshalb auch keine vorherige
Verständigung der Ehegatten über den Abschluss der Vollkaskoversicherung erforderlich erschien.
Fällt der Abschluss des Versicherungsvertrags unter § 1357 Abs. 1 BGB, begründet die hieraus folgende Mitberechtigung für beide Ehegatten die Stellung von Gesamtgläubigern. Zwar
können Gesamtgläubiger eine Kündigung grundsätzlich nur gemeinsam aussprechen, diese Rechtsfolge wird aber von der Regelung des § 1357 Abs. 1 BGB überlagert.
So wie es den Eheleuten danach möglich ist, für und gegen ihre jeweiligen Partner Rechte und Pflichten zu begründen, muss es ihnen spiegelbildlich erlaubt sein, sich hiervon auch mit Wirkung für und
gegen den anderen wieder zu lösen. Das gilt schließlich unabhängig davon, ob der das Gestaltungsrecht ausübende Ehegatte auch derjenige gewesen ist, der die Verpflichtung des anderen Ehegatten über
§ 1357 Abs. 1 BGB ursprünglich begründet hat.
§ 1357 Geschäfte zur Deckung des Lebensbedarfs
(1) Jeder Ehegatte ist berechtigt, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen. Durch solche Geschäfte
werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt.
(2) Ein Ehegatte kann die Berechtigung des anderen Ehegatten, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder
Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Familiengericht sie auf Antrag aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.
(3) Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt leben.