Durch das 2012 in Kraft getretene Mediationsgesetz ist bundesweit ein "Güterichter"-Modell an den Gerichten angeordnet worden.
Spätestens ab 1. August 2013 muss in allen gerichtlichen Verfahren (außer Straf- und Ordnungswidrigkeitensachen) die organisatorische Möglichkeit bestehen, die Parteien zum Zwecke einer Güteverhandlung vor einen Güterichter zu verweisen.
Eine Verweisung vor den Güterichter sollte erwogen werden, wenn ein an der Rechtslage orientierter Richterspruch oder Prozessvergleich voraussichtlich nicht den wirklichen Interessen der Parteien gerecht würde und deren konflikthafte Beziehung nicht nachhaltig befrieden könnte, z.B. weil die dortige Lösung praktisch nicht oder nur mit erheblichen Belastungen umsetzbar wäre, auch der obsiegenden Partei (oder einem Dritten) Nachteile brächte, die Beziehung zwischen den Parteien endgültig zerstören würde usw.
In Familiensachen dürfte dies die Regel sein.
Wenn es denkbar erscheint, dass die Parteien im offenen Gespräch beim nicht entscheidungszuständigen Richter kreative, zukunftsorientierte Lösungen entwickeln können, sollte ihnen diese Chance eröffnet werden.
Quelle: www.gueterichter-forum.de
Die Verweisung des Prozessrichters vor den Güterichter ist – anders als in den Modellversuchen der gerichtsnahen Mediation – nicht mehr von der Zustimmung der Parteien abhängig. Ob der Richter eine Verweisung auch dann für sinnvoll hält, wenn eine Partei sich ausdrücklich dagegen ausspricht, liegt in seinem Ermessen.
Die Teilnahme am Verhandlungstermin im Güterichterverfahren ist aber wiederum freiwillig, aus dem Fernbleiben können keine Rechtsnachteile erwachsen (keine Säumnis).
Ein besonderer Vorzug des Güterichterverfahrens besteht darin, dass es eine offenere Kommunikation ermöglicht, weil die Verhandlungen nicht öffentlich sind und der Güterichter gegenüber jedermann, auch dem entscheidungszuständigen Richter, zur Verschwiegenheit verpflichtet ist.
Darüberhinaus sollten die Beteiligten sich zusätzlich schriftlich verpflichten , über den Ablauf der Güterichterverhandlung Verschwiegenheit zu wahren. Dies gilt insbesondere für Vorschläge, Zugeständnisse, Vergleichsangebote und ähnliche Äußerungen eines Beteiligten sowie die Reaktionen hierauf. Die Beteiligten sollten ausdrücklich darauf verzichten, den Güterichter, aber insbesondere einen anderen Verhandlungsteilnehmer, z.B. ihren eigenen Rechtsanwalt, als Zeugen zu benennen.
Nur so ist ausgeschlossen, dass in den Verhandlungen prozesstaktisch argumentiert werden muss.
Sie stimmt die Beteiligten auf die Verhandlung ein und wirkt vertrauensbildend. In erster Linie finden hier Begrüßung, Vorstellung, Anerkennung der Verhandlungsbereitschaft, Rollenklärung, Information über Zeitrahmen und Ablauf der Verhandlung, Vereinbarung der Gesprächsregeln und der Vertraulichkeit statt.
Der Güterichter veranlasst die Parteien, die Themen zu benennen, zu denen sie eine Lösung finden wollen. Dabei lässt er beide Seiten nach einander den Sachverhalt schildern, der ihrem Konflikt zugrunde liegt, und fasst die Themen in neutraler Sprache zusammen. Dabei achtet er auf vorwurfsfreie, ergebnisoffene Formulierungen, die keine Positionen bezeichnen und keine potenziellen Lösungen vorwegnehmen (also z.B. nicht „Auflösung der Sozietät“, sondern „Zukunft der Sozietät“; nicht „Hausverkauf“, sondern „Haus“). Er lässt sich Richtigkeit und Vollständigkeit bestätigen und visualisiert die Themen auf Flip-Chart oder Metaplanwand.
Hier werden mittels spezieller Frage- und Kommunikationstechniken zu jedem Thema die dahinter stehenden Bedürfnisse und Anliegen herausgearbeitet. Durch „aktives Zuhören“ (Paraphrasieren, Verbalisieren) und öffnendes Fragen hilft er den Parteien, ihre wirklichen Interessen, Wünsche, Bedürfnisse und Gefühle zu erkennen und auszudrücken, aber auch die Lage der anderen Seite wahrnehmen, nachvollziehen und respektieren zu können. Zur Verdeutlichung der Interessenlage und Erleichterung der gegenseitigen Wahrnehmung werden üblicherweise auch die Interessen visualisiert.
Die Beteiligten werden sodann aufgefordert, möglichst viele Lösungsoptionen, unabhängig von Realisierbarkeit, gesellschaftlicher oder sozialer Akzeptanz, Sozialverträglichkeit oder Gesetzmäßigkeit ohne jede Bewertung zusammentragen. Der Güterichter notiert die Einfälle der Beteiligten am besten auf Zuruf im Wege eines Brainstormings auf Flip-Charts oder visualisiert sie in Form einer Mindmap. Dabei kann er die Phantasie der Beteiligten auch durch eigene Ideen anregen. Durch diese Kreativitätstechniken entdecken die Beteiligten oftmals Gestaltungsmöglichkeiten, an die zuvor niemand gedacht hat.
Im Wege kooperativen (integrativen) Verhandelns werden die gesammelten Optionen sodann auf der Grundlage der Interessen und Bedürfnisse bewertet und hieraus, ggf. unter Heranziehung gemeinsamer objektiver Bewertungskriterien und unter Berücksichtigung der rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, die den beiderseitigen Interessen am besten entsprechenden Lösungen entwickelt.
Schließlich werden die Ergebnisse in einer Vereinbarung der Parteien zusammengefasst und in der von ihnen gewünschten Form niedergelegt.
Quelle: www.guetericher-forum.de
Ob das alles in einen einzigen Termin gepresst wird, nach dessen mehrstündiger Dauer alle Seiten aus Erschöpfung einigungsbereit werden, bleibt abzuwarten.
In einer außergerichtlichen Familienmediation würden sich diese Phasen jedenfalls über mehrere Termine erstrecken.
Für den Anwalt entstehen durch seine Teilnahme am Güterichtertermin keine zusätzlichen Gebühren, die nicht auch im normalen Verfahren entstanden wären (Terminsgebühr, evtl. Einigungsgebühr und evtl. Gebühren für die Miterledigung nichtrechtshängiger Gegenstände.)
Wird der Güterichtertermin jedoch schon nach bald dem ersten Schriftverkehr durchgeführt und kommt es zu einer Einigung, so war das Güterichterverfahren für den Anwalt effektiv, denn er hat vermutlich zeitintensive Aktenbearbeitung und Schriftsätze erspart.
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