Immer dann, wenn Auslandsberührung vorliegt, müssen internationale Zuständigkeitsvorschriften geprüft werden, also wenn ein oder beide Ehegatte nicht Deutsche sind oder wenn einer oder beide im Ausland leben.
Europäische Verordnungen oder Staatsverträge verdrängen dann das deutsche Recht.
Brüssel IIa-VO oder EuEheVO
Innerhalb Europas ergibt sich die Zuständigkeit für Scheidungen unmittelbar aus der am 27.11.2003 verabschiedeten Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000 (EheVO 2000).
Allerdings gilt sie nicht für Dänemark.
In Art. 3 der Brüssel IIa-VO sind in sieben Anknüpfungspunkten verschiedene Zuständigkeiten vorgesehen. Ein europäisches Gericht ist zuständig, wenn:
oder
oder
oder
oder
oder
Diese Anknüpfungspunkte gem. Art. 6 Brüssel IIa-VO haben ausschließlichen Charakter und gehen dem deutschen Familienrecht vor.
Ein Deutscher kann sich also nicht darauf berufen, dass ihm § 98a FamFG erlaubt, die deutschen Gerichte anzurufen, solange diese Zuständigkeit sich nicht aus der Brüssel IIa-VO ergibt.
Am 21.06.2012 trat die Rom-III-Verordnung in Kraft.
Damit wird das Kollisionsrecht für Scheidungsangelegenheiten innerhalb der EU vereinheitlicht. Die europäische Rom-III-Verordnung geht unserem nationalen Recht (Art. 17 i. V. m. Art. 14 EGBGB) vor.
Sie regelt nicht die Zuständigkeit, sondern das anzuwendende Recht.
Bisher konnten Ehegatten das Recht eines Staates nur unter besonderen Voraussetzungen auswählen. Eine Rechtswahl ist jetzt nach Art. 5 der Rom-III-Verordnung uneingeschränkt und nicht nur unter den engen Voraussetzungen des EGBGB für das Scheidungsstatut möglich. Wird die Rechtswahl in Deutschland getroffen, ist diese weiterhin notariell zu beurkunden (Art. 6 der Rom-III-Verordnung i. V. m. Art. 14 Abs. 4 EGBGB), sonst ist sie nicht wirksam.
Das Paar hat vier Rechtswahloptionen: (1) das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Paares zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses, (2) das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes, sofern sich zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses einer der beiden dort aufhielt, (3) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der beiden zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses hatte oder (4) das Recht des Staates, in dem sie das Gericht angerufen haben.
Wo Ehegatten geheiratet haben, ist völlig unerheblich. Wer auf Hawaii oder im afrikanischen Busch geheiratet hat, weil es dort so schön war, will ja nicht das Recht des fremden Landes auf seine Scheidung angewendet wissen!
Bisher war die gemeinsame Staatsangehörigkeit das A und O.
Das hat sich ab 21.6.2012 durch die europäische Rom-III-Verordnung geändert.
Wohnen zwei Deutsche in Vaals oder Kelmis und leben dort auch noch, wenn die Scheidung eingereicht wird, gilt niederländisches bzw. belgisches Eherecht! Wer das nicht will, kann in einem (deutschen) notariellen Ehevertrag deutsches Recht wählen, auch noch nach der Trennung. Durch einen Umzug zur rechten Zeit kann das Recht verändert werden.
In Ermangelung einer Rechtswahl anzuwendendes Recht
Liegt keine Rechtswahl vor, regelt Art. Art. 8 der Rom-III-Verordnung, welches Recht auf die Scheidung
anzuwenden ist.
Mangels einer Rechtswahl gemäß Artikel 5 unterliegen die Ehescheidung (und die dem deutschen Recht unbekannte Trennung ohne Auflösung des Ehebandes):
a) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, oder anderenfalls
b) dem Recht des Staates, in dem die Ehegatten zuletzt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder anderenfalls
c) dem Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts besitzen, oder letztlich
d) dem Recht des Staates des angerufenen Gerichts.
Das folgende Beispiel zeigt, dass das sogenannte "forum-shopping" auch nach Inkrafttreten der Rom III-Verordnung nicht verhindert werden kann. Der Ehegatte, der in diesen Fällen zuerst die Scheidung einreicht, kann damit das anzuwendende Recht bestimmen.
Beispielsfall: Josie, Belgierin, ist mit Walter, Deutscher, verheiratet. Sie haben auf Hawaii im Urlaub geheiratet, dann einige Jahre in Deutschland gewohnt, zuletzt aber in Raeren (Belgien). Walter zieht aus dem gemeinsamen Haus aus, zurück nach Aachen (Deutschland). Anderthalb Jahre später stellt sich Josie die Frage, ob sie in Deutschland nach deutschem Recht oder in Belgien nach belgischem Recht geschieden werden möchte.
Derjenigen von beiden, der zuerst den Scheidungsantrag einreicht, hat die Wahl!
Die Prüfungsreihenfolge lautet: 1. Recht des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts im Zeitpunkt der Anrufung des Gericht – fällt aus, denn sie wohnen in keinem gemeinsamem Staat. 2. Recht des Staates des letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, sofern dieser nicht vor mehr als einem Jahr vor Anrufung des Gerichts endete und einer der Ehegatten dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat – fällt aus, denn Walter wohnt schon länger als ein Jahr nicht mehr in Belgien 3. Gemeinsames Heimatrecht zum Zeitpunkt der Anrufung des Gerichts – haben diese Eheleute nicht 4. Recht des Staates des angerufenen Gerichts – bleibt als Auffangtatbestand übrig, also wahlweise.
Sofern das anzuwendende Recht eine Ehescheidung nicht ermöglicht (wie z.B. in Malta), ist das Recht des Staates des angerufenen Gerichts anzuwenden, Art. 10 Rom-III-Verordnung.
Art. 11 Rom-III-Verordnung stellt klar, dass es sich bei dem nach der Verordnung anzuwendenden nationalen Recht um eine Sachnormverweisung handelt, wodurch lange Verweisungsketten vermieden werden.
Die Rom III-Verordnung tritt zunächst in folgenden 14 Staaten in Kraft: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Spanien, Frankreich, Italien, Lettland, Luxemburg, Ungarn, Malta, Österreich, Portugal, Rumänien und Slowenien.
Dank der universellen Anwendung (loi uniforme) sind die Regeln der Rom III-Verordnung aber auch auf andere Staatsangehörige ausdehnbar - und gelten damit zum Beispiel für türkische Staatsangehörige, die in Deutschland leben.
In der Euregio kommt es häufig vor, dass Deutsche ins benachbarte Belgien und in die Niederlande umziehen, aber sich dem deutschen Rechtssystem immer noch enger verbunden fühlen als dem ausländischen. Auch die Kinder leben häufig als Grenzgänger, indem sie in Deutschland die Schule besuchen. Daher ist es in solchen Fällen oft im Interesse aller Beteiligten, den Kindesunterhalt nach deutschem Recht zu bemessen - auch weil es keine Lebensstandard- oder Kaufkraft-Abweichungen gibt (sogar eingekauft wird ja oft in Deutschland).
>>Ein international unzuständiges Gericht eines Mitgliedstaats wird allerdings gemäß Art. 5 EuUntVO zuständig, wenn sich der Antragsgegner auf das Verfahren einlässt. Als Einlassung genügt jede Verteidigungshandlung, die auf eine Klageabweisung zielt. Die Zuständigkeitsrüge ist spätestens mit der Stellungnahme zu erheben, die nach dem innerstaatlichen Verfahrensrecht des angerufenen Gerichts als das erste Verteidigungsvorbringen anzusehen ist (Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht C 169; BGH, NJW-RR 2002, 1357). Gemessen hieran haben die Antragsgegner, die nach Zustellung des Antrags mit Schriftsatz vom 27.06.2013 Antragsabweisung beantragt haben, sich auf das Verfahren eingelassen, wodurch die deutschen Gerichte international zuständig geworden sind. Von der rügelosen Einlassung gemäß Art. 5 EuUntVO ist neben der internationalen Zuständigkeit auch stets die örtliche Zuständigkeit umfasst (Hausmann, Internationales und Europäisches Ehescheidungsrecht C 171).<<
OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.01.2014 - Aktenzeichen 17 WF 229/13
Es ging um Kindesunterhalt für in der Türkei lebende Kinder.
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Aktualisiert zuletzt am 17.3.2014
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