Aachener Kanzlei für Familienrecht
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Scheidung binationaler Ehen

In manchen Konstellationen können binationale Paare zwischen zwei zuständigen Staaten und deren Rechtsordnungen wählen. Man nennt das "Forum shopping", auf Deutsch: "Gerichts-Bummel". Es gilt dann der Grundsatz: "Wer zuerst kommt, mahlt zuerst": Der Antrag, der zuerst bei einem der Gerichte in den möglichen Staaten eingeht, verdrängt die andere Zuständigkeit. Es kann daher anwaltliche Taktik sein, als Erster einen Antrag zu stellen, um sich bestimmte erwünschte Rechtsfolgen zu sichern. Ab 2012 wird das "forum shopping" erschwert.

Die EU hat das Scheidungsrecht bei binationalen Ehen mit Geltung ab 21.6.2012 vereinfacht: Künftig können sich binationale Ehepaare, die in den EU-Staaten leben, leichter scheiden lassen. Deutschland und 13 weitere Staaten haben sich während eines Treffens der EU-Justizminister in Brüssel am 2.12.2010 auf eine sogenannte verstärkte Zusammenarbeit geeinigt und damit den Gesetzesvorschlag gebilligt. Wollen sich binationale Paare scheiden lassen, können sie künftig in diesen Ländern wählen, welches Landesrecht sie anwenden wollen. Zugleich sollen Situationen ausgeschlossen werden, in denen ein Ehegatte alles daran setzt, die Scheidung zuerst einzureichen, um sicherzugehen, dass sich das Verfahren nach der Rechtsordnung richtet, die seine Interessen besser schützt. Das „forum shopping" (siehe oben) soll vermieden werden. Die Verordnung enthält Regelungen zur Scheidung bzw. Trennung, nicht jedoch zu Folgefragen wie Unterhalt, Vermögensaufteilung oder Kindesfürsorge. Die Verordnung soll Paaren Vorhersehbarkeit und Rechtssicherheit bieten, außerdem den schwächeren Partner vor einem „Wettlauf zu den Gerichten“ schützen. Das Paar hat vier Rechtswahloptionen: (1) das Recht des gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Paares zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses, (2) das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsortes, sofern sich zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses einer der beiden dort aufhielt, (3) das Recht des Staates, dessen Staatsangehörigkeit einer der beiden zum Zeitpunkt des Vereinbarungsschlusses hatte oder (4) das Recht des Staates, in dem sie das Gericht angerufen haben. Die Verordnung enthält weiter ein abgestuftes Zuständigkeitssystem für den Fall, dass sich das Paar nicht einigt.

Neben Deutschland haben sich Frankreich, Österreich, Spanien, Italien, Portugal, Belgien, Luxemburg, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Slowenien, Lettland und Malta der Initiative angeschlossen. Die übrigen EU-Staaten können jederzeit beitreten.

Die Rom III-Verordnung ist nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zu sehen.

Ab 21.6.2012 in Kraft: Rom III-Verordnung

Mehr über die Neuregelung zum Europäischen Familienrecht finden Sie hier.

 

Wo Ehegatten geheiratet haben, ist völlig unerheblich. Wer auf Hawaii oder im afrikanischen Busch geheiratet hat, weil es dort so schön war, will ja nicht das Recht des fremden Landes auf seine Scheidung angewendet wissen!

 

Bisher war die gemeinsame Staatsangehörigkeit das A und O.

 

Das hat sich ab 21.6.2012 durch die europäische Rom-III-Verordnung geändert.

Wohnen zwei Deutsche in Vaals oder Kelmis und leben dort auch noch, wenn die Scheidung eingereicht wird, gilt niederländisches bzw. belgisches Eherecht! Wer das nicht will, kann in einem (deutschen) notariellen Ehevertrag deutsches Recht wählen, auch noch nach der Trennung. Durch einen Umzug zur rechten Zeit kann das Recht verändert werden.

Dazu müssen wir jeden einzelnen Fall gut beleuchten:

  • welche Staatsangehörigkeiten haben beide Ehegatten / die Kinder?
  • wo haben die Ehegatten ihren ehelichen Wohnsitz zuletzt gehabt und wie lange ist das her?
  • wer hat derzeit seinen Lebensmittelpunkt in welchem Land? Ist eine Verlegung beabsichtigt?
  • gibt es einen Ehevertrag, der das anzuwendende Recht regelt?

und so weiter ...

 

Danach kann ich beurteilen:

  • welches Recht wird auf die Scheidung der Ehe angewendet?
  • welches Recht auf den Kindesunterhalt?
  • welches Recht auf das eheliche Vermögen / den Güterstand?
  • welches Recht auf den Trennungsunterhalt?
  • welches Recht auf den Nachscheidungsunterhalt?
  • welches Recht auf das Sorgerecht, auf das Umgangsrecht?
  • wird es einen Versorgungsausgleich geben?
  • kann es eine deutsche Zuständigkeit geben?
  • akzeptieren die beteiligten Länder den Ehevertrag?

Und ganz besonders wichtig:

Hat es für meinen Mandanten Vor- oder Nachteile, rasch eine Zuständigkeit in Deutschland oder im Ausland zu bekommen - weil derjenige, der schneller ist, die Auswahl hat und damit die Rechtsfolgen der Scheidung wesentlich beeinflussen kann?

Vorsicht: Ehevertrag bei binationaler Ehe

England hat bisher die in anderen Ländern geschlossenen Eheverträge nicht akzeptiert. Auch andere Staaten tun sich damit schwer. Die deutsche Multimillionärs-Erbin Katrin Radmacher ließ sich das nicht bieten. In einem vier Jahre dauernden Gerichtsmarathon hat sie vor dem höchsten englischen Gericht in London ein wegweisendes Urteil im Scheidungsrecht erstritten. Ihr deutscher Ehevertrag mit ihrem französischen Ex-Mann wurde letztlich anerkannt. England war zuständig, weil die Eheleute dort geheiratet und zusammen gelebt hatten. Der Supreme Court urteilte im Oktober 2010 mit Grundsatzwirkung für andere Scheidungen, ein Ehevertrag sei "entscheidend", wenn er keine Ungerechtigkeiten gegenüber Kindern aus der Ehe enthalte.

"Ins Ausland absetzen wird schwieriger"

Financial Times Deutschland vom 28.6.2011
Mehr als eine Million binationaler Ehen werden jährlich geschieden. Interview mit Rechtsanwältin Martina Mainz-Kwasniok zum Inkrafttreten der EU-Unterhaltsverordnung.
Interview.pdf
PDF-Dokument [59.5 KB]

Anerkennung ausländischer Ehescheidungen

Ist Ihre Ehe außerhalb Europas geschieden worden, müssen Sie ggf. die Anerkennung veranlassen. Wie das geht, lesen Sie hier:

Anerkennungsverfahren
Anerkennung ausländischer Ehescheidung.p[...]
PDF-Dokument [47.9 KB]

Aufenthaltstitel für ausländische Ehepartner

BVerwG, Urt. v. 10.12.2013 - 1 C 1.13

Seit 01.07.2011 müssen Ehepartner nicht mehr nur zwei Jahre, sondern drei Jahre zusammen gelebt haben, damit für einen Ausländer ein eheunabhängiges Aufenthaltsrechts entsteht, § 31 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).

Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass das auch für Ausländer gilt, die nach altem Recht zwar die Voraussetzungen für ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erfüllt hätten, einen entsprechenden Antrag aber erst nach Inkrafttreten der Neuregelung gestellt haben. Eine ausdrückliche Übergangsvorschrift zur Regelung von Altfällen gibt es nicht.

Dies ist auch unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten nicht zu beanstanden, insbesondere im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot und den Grundsatz des Vertrauensschutzes. Im Übrigen enthält das Gesetz für problematische Einzelfälle in § 31 Abs. 2 AufenthG eine Härtefallregelung.

Nachehelicher Unterhalt für Ausländerin

 

Siedelt eine Ausländerin erst zur Eheschließung nach Deutschland über, sind bei der Beurteilung ihrer ehebedingten Nachteile die Verhältnisse in ihrem Herkunftsland bedeutsam.

Der Fall:

Eine aus der Ukraine stammende Frau siedelte zwecks Heirat nach Deutschland über und war während der Ehe nicht berufstätig. Sie verlangte nach der Scheidung die Fortschreibung des während der gemeinsamen Jahre in Deutschland gewohnten Lebensstandards.

Ihr Argument: durch die ihr mit der Ehe zugewiesene Rolle als Hausfrau war sie daran gehindert worden, sich für den deutschen Arbeitsmarkt zu qualifizieren.

Das Urteil:

Amtliche Leitsätze:

  1. Wird ein aus dem Ausland stammender Ehegatte im Zusammenhang mit seiner Eheschließung in Deutschland ansässig und hätte er ohne die Ehe sein Heimatland nicht verlassen, bestimmt sich sein angemessener Lebensbedarf im Sinne von § 1578 b Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten, die sich ihm bei einem Verbleib in seinem Heimatland geboten hätten.
  2. Das von dem ausländischen Ehegatten in seinem Heimatland hypothetisch erzielbare Einkommen ist gegebenenfalls im Hinblick auf Kaufkraftunterschiede an das deutsche Preisniveau anzupassen.
  3. Der angemessene Lebensbedarf des unterhaltsberechtigten Ehegatten kann auch in diesen Fällen nicht unter das unterhaltsrechtliche Existenzminimum sinken, welches dem in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Oberlandesgerichte ausgewiesenen Selbstbehalt eines nichterwerbstätigen Unterhaltsschuldners entspricht.

BGH, Urteil vom 16.01.2013 - XII ZR 39/10

 

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Aktualisiert zuletzt am 20.3.2014



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